Geklapper und Geplapper wie im Wiener Café Sacher zu seinen besten Zeiten. Löffel, Kuchengabeln, Teller und Kaffeetassen schlugen aneinander. Zudem war die Akustik der Stadiongaststätte gefüllt mit nicht endendem Geschnatter von Frauenstimmen. Der Stammtisch war gedeckt mit Kuchen in allen denkbaren kalorienträchtigen Variationen: Sachertorte, Schwarzwälder Kirsch … Aus den Lautsprechern erklang Udo Jürgens’ Hit in einer Endlosschleife: „… aber bitte mit Sahne!“

Girls Day an der Hafenstraße. Wer unsere fünf Stammtischfreunde hier erwartete, hat jetzt eine Überraschung erlebt. Auf Anraten eines Eheberaters haben die Protagonisten dieser Serie ihren inzwischen wegen der häufigen Abwesenheit der Männer unzufriedenen Ehefrauen einmal frei gegeben. Sie sollten sich einen schönen Nachmittag machen. Auf Vereinskosten natürlich.
Aber das tut unserem Wissensdurst nach neuen Informationen aus dem Leben unserer Stammtischhelden keinen Abbruch. Oft erfährt man ja durch Ehefrauen mehr über einen Menschen, als von ihm selber. Man weiß es doch: „Ein Mann – ein Wort! Eine Frau – ein Wörterbuch!“

Aber schauen wir uns die heutigen Stammtischgäste näher an und stellen sie zunächst einmal vor. Denn sie sind den meisten Lesern sicher unbekannt.

Nicole Hirte ist die bessere Hälfte des RWE-Geschäftsführers Nikolaus „Nicki“ Hirte. Wer bisher vermutete, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine engagierte Frau steckt, sieht sich bestätigt. Nach missverstandenen biblischen Aussagen hat sich bei manchen das nicht zutreffende christliche Eheverständnis in den Köpfen festgesetzt, wonach der Ehemann das „Haupt“ der Familie ist. Wer Nicole Hirte kennt, weiß, dass die Frau in diesem Bild der „Hals“ ist. Und der dreht den Kopf, wohin er will. Was wäre Nikolaus Hirte ohne seine Nicole?

Ohne Lotte Saltatorius ist auch unser Fanidol Loddar nicht vorstellbar. Mit ihm gemeinsam hat sie den Hang zu tiefgründigen philosophischen Überlegungen. Ansonsten ist sie ständig bei ihm und begleitet ihn zu seinen stimmungstechnischen Einsätzen auf die Zuschauerränge. Wenn er auf die Wellenbrecher steigt, um seinen legendären Schlachtruf ertönen zu lassen, hält sie ihm die Stange. (Also sorry, Leute, dies ist eine anständige Serie. Ein Schelm, wer hinter dieser Formulierung Zweideutiges vermutet.) Obwohl ihr Loddar als „Heuschreck vom Niederrhein“ gilt, ist sie keineswegs „Lotte, die Schreckliche“, sondern eine herzensgute Seele.

Warmherzig ist auch Rita, die Frau des Vereinspräsidenten Ralf Hummelmann. Ihr Wesen hat etwas von Gutemine, der Häuptlingsfrau aus den Asterix-Comics. Zurzeit muss sie häufig ihrem Mann unterstützend, ermutigend und tröstend unter die Arme greifen. Angesichts der sportlichen Situation des Vereins und den immer noch nicht zu den Akten gelegten Stadionneubauträumen ihres Mannes muss sie sich aber fragen lassen, ob sie nicht eher eine „Gutemine zum bösen Spiel“ ist.

Wilhelmine „Mimi“ Leppins
ist, da sich ihr Mann Willi vehement gegen seinen ursprünglichen Spitznamen wehrt und sich stattdessen gerne „Erpel“ nennen lässt, die eigentliche Ente im Hause Leppins.

Komplettiert wird die Runde von Ottilie Heragel. Mit ihrem Mann, Oddo „Herakles“ Heragel ist sie weit gereist und welterfahren, kennt die Akropolis in Athen genau so, wie den Gyros-Imbiss Akropolis in den Hinterhöfen Altenessens.

„Sag mal, Ottilie, ich dachte du heißt Beate“, eröffnete Lotte das Gespräch.

„Das denken alle“, erwiderte die Gefragte, „aber da sich nicht mal mein Oddo meinen Namen richtig merken* kann, ist doch eigentlich egal, wie ich wirklich heiße.“
* = siehe Folge X – „Zimmer frei“

„Das ist aber ganz schön gefährlich.“

„Wie meinst du das?“

„Nun, wenn deine ‚griechische Gottheit’ im Schlaf irgendeinen Frauennamen murmelt, kannst du nie sicher sein, ob er nur mal wieder deinen Namen vergessen hat, oder …“
Ottilie erbleichte, während die anderen Mädels süffisant grinsten. Aber schnell fing sie sich wieder und teile einen scharfen Konter aus: „Dein Mann weiß doch auch nicht, wer gerade bei ihm am Küchentisch sitzt, Lotte.“

Richtig! Man muss wissen, dass es sich bei Lotte Saltatorius um einen früheren Kinderstar handelt. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Liese verfilmte sie so unnachahmlich Erich Kästners „Doppeltes Lottchen“. Liese oder Lotte – wer wusste schon, wen er gerade vor sich hatte? Und bis heute machten sich die beiden einen Spaß daraus, ihre Rollen zu tauschen und die Männerwelt zum Narren zu halten.
Doch bevor das Kaffeeklatschgetratsche in einen Zickenkrieg münden konnte, durchfuhr alle Stammtischgäste ein heilloser Schrecken, als aus dem Nichts heraus eine Stimme ertönte.

„Hallo, Mädels!“

„Hey, wer spricht da?“ – Die Frauen blickten sich um, sahen aber niemanden.

„Na ich, euer Autor!“

„Unser Autor????“

„Ja, ich verfasse gerade diese Episode und versuche eurem Dialog eine konstruktive Richtung zu geben.“

„Geht das denn, wenn sich Frauen unterhalten?“ Lotte Saltatorius konnte es sich nicht verkneifen, dem Gespräch eine selbstironische Note zu verleihen.

„O ja, das geht!“ behauptete die Stimme im Hintergrund. „Mädels, ihr habt das Schicksal des Vereins in eurer Hand! Frauen bewegen die Welt. Ihr könnt eure Männer motivieren, in dieser angespannten Situation nicht die Köpfe hängen zu lassen. Macht ihnen Mut, dass sie das Ruder des Vereinsschiffes noch einmal herum reißen! Auch die Stimmung auf den Rängen könnt ihr beeinflussen, verändern. Mobilisiert die Fanmassen!“

„Wirklich?“

„Ja! Selbst das Wunder von Bern wurde durch eine Frau herbeigeführt. Im Film war’s kürzlich wieder zu sehen. Warum wurden die Deutschen doch noch Weltmeister? Weil plötzlich Regen einsetzte und der Fritz Walter sein ideales Wetter hatte? Nein! Weil die Legende stimmte, dass Helmut Rahn wichtige Spiele nur gewinnen konnte, wenn ein bestimmter 12jähriger Straßenjunge im Stadion war und ihm den Ball zuwarf? Nein! Deutschland wurde Weltmeister, weil die Frau eines Journalisten eigentlich kein Interesse an Fußball hatte. Aber sie hatte mit ihrem Mann gewettet, dass sie den Namen des ersten Kindes aussuchen darf, wenn Deutschland Weltmeister wird. Als unsere Jungs 0-2 zurücklagen, erfuhr sie, dass ihr Mann das Kind Roswitha nennen wollte. Vor Entsetzen fing sie an, die Mannschaft anzufeuern – und das ganze Stadion machte mit. Das, liebe Mädels, ist die Macht der Frauen.“

Die Stimme im Hintergrund zog sich zurück. Jetzt war es mucksmäuschenstill am Stammtisch. Aber nicht lange.

„Ich hätte da eine Idee“, ließ Lotte verlauten. „Mir geht schon lange der Schlachtruf meines Mannes auf den S… – nä, geht nicht – also, mir geht schon lange der Schlachtruf meines Mannes auf den Drops. Was ist denn das für ein Deutsch, wenn der nach dem Schreck vom Niederrhein fragt? ‚Nur der RWE!’ antworten die Fans. Wird Zeit, dass die mal ein bisschen Grammatik lernen. Ich frage mich schon lange, was an RWE denn so männlich ist, dass es ‚der RWE’ heißen muss. Die könnten doch auch ganz neutral ‚Nur RWE!“ skandieren.

„Dann lern uns doch mal Grammatik!“ Doch Mimi Leppins verstummte sofort wieder, als Lottes vernichtender Blick sie traf.

„Unser Lottchen hat Recht.“ Die Frau des Fanbeauftragten bekam unerwartet Unterstützung durch Präsidentengattin Rita Hummelmann. „Unsere Männer können sich nicht auch noch um unterstützende Fankultur kümmern. Bei denen liegen den Nerven blank. Meiner denkt unablässig an den Stadionneubau. Stellt euch vor, kürzlich stand er im Bad auf der Waage und schrie jubelnd: ‚Super! Nur vier Kilo zugenommen! Meine Diät ist ein voller Erfolg. Bei der vorletzten Kur waren es noch sieben Kilo Zunahme. Demgegenüber handelt es sich hier um ein negatives Minuswachstum. Das ist auf jeden Fall eine eindeutige Trendwende in die richtige Richtung!’“

„Du musstest ja auch unbedingt einen Politiker heiraten“, warf Nicole Hirte ein. „Auf die Weise kriegt er das Stadion bestimmt gebaut. Aber zurück zum Thema! Mit dem richtigen Deutsch ist das so eine Sache. Neuerdings ist es modern, die inklusive Sprache zu verwenden. Um die Frauen nicht auszugrenzen, muss zur männlichen Schreibweise immer die weibliche Form mit genannt werden. Die Texte kann man schier nicht mehr lesen, wenn da von Präsidenten/Präsidentinnen, Spielern/Spielerinnen oder auch – ohne Schrägstrich – von SchiedsrichterInnen zu lesen ist.“

„Darüber musst ausgerechnet du dich aufregen“, warf Ottilie ein. „Gestern kam mit der Post die Einladung zur Mitgliederversammlung. Die hat dein Geschäftsführergatte doch verfasst, oder?“

„Ja! Stimmt etwas nicht damit?“

„Und ob! ‚Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder …’ hat er die Empfänger angeredet.“

„Na und? Das macht man doch heute so, oder?“

„Blödsinn! ‚Mitglied’ ist grammatisch Neutrum. Wie kommt er drauf, dass es Maskulinum ist und eine feminine Ergänzung braucht? Wegen der Endsilbe ‚…er’? Oder wegen der Assoziation ‚mit G….’? Nun hat er aus dem Singular ‚Mitglied’ den Plural ‚Mitglieder’ gemacht, daran die Form feminin Singular ‚Mitgliederin’ angehängt und daraus noch mal den Plural gemacht: ‚Mitgliederinnen’.“

„Pervers!“ Mit diesem Urteil waren sich die anderen Frauen am Stammtisch einig.

„Wir sollten solche Formulierungen nicht so wichtig nehmen und das grammatische Geschlecht vom biologischen unterscheiden. Kürzlich traf ich unsere Nachbarin. Sie hatte ihren jungen Hund dabei. Der ist sooo süß.“ Mimi Leppins liebte Tiere über alles. Ihr war es zu verdanken, dass das uralte Pony, das RWE-Maskottchen aus den 60er Jahren, auf dem Bauernhof der Leppins ein würdiges Altersdomizil bekommen hatte. „‚Na, wie heißt denn der Hund?’ hatte ich meine Nachbarin gefragt, und die antwortete herablassend: ‚Das ist eine Hündin!’ – Blödsinn, finde ich. Das männliche Gegenüber einer Hündin nennt man Rüde und nicht Hund. Man sagt ja auch ‚die Giraffe’, egal ob es ein Giraffenbulle oder eine Giraffenkuh ist. Oder habt ihr schon mal was von einem Girafferich gehört?“

Die Frauen schmunzelten. Ottilie aber setzte noch eins oben drauf. Sie war ein wenig romantisch veranlagt und hatte zusammen mit ihrem Oddo oft in lauen griechischen Sommernächten an der Akropolis gesessen und dem Mond zugeschaut. „Ich hatte meinem Oddo erklärt, dass ‚der Mond’ nur in der deutschen Sprache maskulin ist. Im Lateinischen ist er feminin und heißt ‚la luna’. ‚Quatsch!’ hat mein Oddo gesagt, ‚Der Mond ist männlich! Der Mond muss männlich sein! Erstens heißt es ‚der Mond’, zweitens ist er alle vier Wochen voll und drittens immer benebelt. Der Mond muss männlich sein.’“

„Und was machen wir nun mit unserem RWE?“ wollte Nicole wissen. „Ist der Verein männlich oder weiblich?“

„Weder noch!“ erklärte Lotte. „Es ist kein FC, SC oder SV. Also ist RWE nicht männlich. Aber auch nicht weiblich, denn es ist keine SG, keine SpVgg, keine Borussia und keine Eintracht.“

„‚Eintracht’ sowieso nicht.“ Rita Hummelmann dachte an so manche Querelen. „Aber was schlägst du vor, Lotte?“

„RWE ist Neutrum! Jawoll! Das Rot – das Weiß – und das Essen. Das müssen wir den Fans beibringen. Die Antwort auf die Frage nach dem Schreck vom Niederrhein lautet ‚… nur das RWE!’“

„Hört sich an, als wäre unser Verein für unsere Männer ein riesengroßes Spielzeug.“

Nicoles Bemerkung stand senkrecht im Raum. Stille! Die Frauen sahen sich an. Nach und nach blitzte es in ihren Augen und ein Schmunzeln zeichnete sich auf die Lippen. Sie wussten, dass es für ihre Männer genau das war.


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(ks)