„Etwas weiter nach rechts! Noch ein Stück!
Und jetzt etwas höher! Passt! Mach’s fest,
Loddar und komm runter von der Leiter!“, Willi
Leppins dirigierte den Heuschreck vom Niederrhein
beim Anbringen der Lichterketten. Die Vorbereitungen
für die Weihnachtsfeier des Vereins in der Stadiongaststätte
waren voll im Gange. „Kann mal bitte jemand das
Licht anmachen?“
KLICK! … WOW!
„Mann, Nicki, wo haste die Beleuchtung denn aufgetrieben?“,
fragte Hummelmann seinen Geschäftsführer.
„War ein Schnäppchen. Bei der Stadt Essen
lagen die Sachen noch rum. Das sind die Restbestände
der letztjährigen Essener Lichtwochen. Gebraucht
zwar, aber noch ganz gut im Schuss. Gefällt’s
dir?“
„Na ja, unter einer schummrig-gemütlichen
adventlichen Beleuchtung stell’ ich mir ’was
anderes vor. Ist etwas hell geraten. Da ist es ja
unter unseren Flutlichtmasten dunkler. Aber, was soll’s?
Etwas anderes können wir eh nicht mehr besorgen.
Kommt an den Tisch, Leute! Wir müssen alles noch
mal durchchecken.“ Ralf Hummelmann beorderte
seine Freunde an den Stammtisch.
„Also, ich bestell’ mir erst mal ein Bier.
Willst du auch eins, Nicki? Ok! Und du, Erpel? Loddar?
Also vier! Hallo, Wirt, vier Bier bitte!“, rief
er zum Tresen hinüber.
„Mir auch vier!“, rief Erpel hinterher.
„Was habt ihr denn?“, fragte er, als die
Freunde ihn entgeistert anstarrten.
„Zur Tagesordnung!“, mahnte der Geschäftsführer.
„Eigentlich läuft fast alles. Wir sollten
uns nur noch mit den Punkten befassen, die sich seit
unserem letzten Treffen geklärt haben oder aber
immer noch offen sind. Abhaken können wir inzwischen
einen organisatorischen Posten. Für die Verteilung
der Programmhefte habe ich Dieter Berger gewinnen
können. Der hat Erfahrung durch den Verkauf der
Kurzen Fuffzehn und übernimmt die Aufgabe sehr
gerne.“
„Ist das der mit der Obelixstatur, der immer
an der Ecke Bottroper-/Hafenstraße, diagonal
gegenüber der Tankstelle steht?“ fragte
Hummelmann.
„Genau der! Leider hat er den Comic-Obelix zu
exakt imitiert. Der hat immer eine blau-weiß
gestreifte Hose an. Wir sollten ihm mal eine rot-weiß
gestreifte besorgen. Die Stadtverwaltung hat angefragt,
ob der sich nicht bei Heimspielen zum Verkauf der
Stadionzeitung mitten auf der Kreuzung stellen kann.
Dann würde sich automatisch ein Kreisverkehr
bilden. Man könnte die Ampelanlage abschalten
und hätte ein Verkehrsproblem gelöst.“
„Ist ok, dass der die Programme verteilt!“,
stimmte Hummelmann zu. „Der Dieter ist ’ne
treue Seele. Was wäre unser Verein ohne solche
Leute wie er? Er hat’s verdient, dass wir ihm
in dieser Stammtisch-Episode einmal unsere Anerkennung
aussprechen. Was war sonst noch offen?“
„Die Moderation der Weihnachtsfeier. Ich schlage
dafür Uwe ‚Emmentaler’ von Radio Essen
vor.“
„’Emmentaler’? Nie gehört. Wer
ist das denn?“
„Na, was ist denn das Markenzeichen eines Schweizer
Käses?“ half Hirte Hummelmann auf die Sprünge.
„Die Löcher natürlich! Aber, ich verstehe
nicht …!“
„War ein Witz mit Zeitzünder.“ Nicki
verdrehte die Augen, weil sein Präsident offensichtlich
auf der Leitung stand. Aber dann schob er doch noch
einen nach: „Den nennt man ‚Emmentaler’
wegen den vielen Sprechpausen in seinen Reportagen.“
„Und was sind seine Reportagen dann? Käse
oder Wurscht?“ Willi und Loddar brauchten ’ne
Weile, bis sie ihre Lachtränen getrocknet hatten.
Sie wurden von einem Kicheranfall nach dem anderen
geschüttelt.
„Wir können aber, was die Moderation angeht,
nicht an Daniel Rott vorbei!“ merkte Saltatorius
schließlich an. „Der ist immerhin unser
Stadionsprecher.“
„Natürlich macht das der Daniel.“,
stimmte Hirte zu. „Ich wollte lediglich eine
Alternative ins Gespräch bringen. Nicht dass
unser ‚RadiogOTT’ wieder eine Umfrage
im RWE-Forum macht, von wo aus er moderieren soll
– vor der Theke, auf der Theke oder zwischen
den Türen zur Damen- und zur Herrentoilette.“
„Wer berichtet eigentlich von unserer Weihnachtsfeier
in der Presse?“, erkundigte sich Willi Leppins.
„Niemand!“ Hummelmann bestand darauf. „Von
unsrer Weihnachtsfeier gibt’s nichts zu berichten.
Weder wird dort mit verbaler Faust auf den Tisch gehauen,
noch gibt’s ‚Fakts’ und somit auch
keine ‚Ergos’.“
„Na, wenigstens die von jawattdenn.de können
wir berichten lassen.“, gab Hirte zu bedenken.
„Nein! Die auch nicht! Die machen ja doch bloß
wieder eine Satire daraus. Nächster Punkt: Weihnachtsmann!“,
wechselte er das Thema.
„Das ist tatsächlich ein Problem.“
Der Geschäftsführer blätterte durch
seine Unterlagen. „Wir haben noch niemanden.“
„Quatsch, ich seh’ ihn doch schon!“
Erpel Leppins und die anderen starrten erwartungsvoll
Richtung Nicki Hirte. Dieser drehte sich um, als ob
jemand hinter ihm stand, was natürlich nicht
der Fall war.
„Aber, da ist doch niemand!“ Diesmal war
er es, der eine lange Leitung hatte.
„Nicki, wie nennt man den Weihnachtsmann denn
sonst noch?“, wollte Erpel wissen.
„Ni……! – ????? – Neee! …
Das ist nicht euer Ernst! Ne, ne, ne! Ich mach das
nicht!“ Langsam fiel der Groschen. „Da gibt’s
doch sicher noch ganz andere Möglichkeiten. Notfalls
nehmen wir einfach eine Frau. Warum nicht? Das wär’
doch mal was anderes. Wie heißt die dann? Nikoline?
Nikolette? Santa Claudia?“
„Wie wär’s mit Nikomaus?“, schlug
Loddar vor.
„Wie auch immer, da gibt’s sicher genug
Frauen, die super in diese Rolle schlüpfen könnten.
Man müsste nur im RWE-Forum mal nachfragen. Mafalda,
oder Miss Proppi, oder Ebola, oder wie sie alle heißen.“
Nikolaus Hirte sprudelte nur so aus sich heraus, um
die Rolle nicht selbst übernehmen zu müssen.
„Ebola!“ grinste Loddar. „Dann wird
wenigstens einen Abend lang im Forum nicht gespamt.“
„Nächster Punkt: Choreografie!“, kam
Hirte zur Tagesordnung zurück. „Die Fahnenschwenker
haben sich bereit erklärt, eine Vorführung
zu geben. Ich hatte ursprünglich Bedenken. Habt
ihr die Mädels mal gesehen? Die Hupfdohlen wirbeln
einfach nur wild und unkoordiniert in der Gegend rum.
Da ist kein System drin. Aber man hat mir zugesichert,
dass die bis zur Weihnachtsfeier alle einen Kurs in
Synchronschwenken absolvieren. Da hab ich das Angebot
angenommen.“
„Warum heißen die eigentlich ‚Fahnenschwenker’?“
wollte der Heuschreck vom Niederrhein wissen. „Das
sind doch nur Mädels! Oder habt ihr gehört,
dass ein paar Jungs dabei sind?“
„Ich hab’ das schon angemahnt!“ informierte
der Geschäftsführer. „Sie sollten das
klären, schon aus Imagegründen. Entweder
nehmen die Jungs in ihre Reihen auf, oder sie nennen
sich um. Aber die Anführerin ist strikt gegen
eine Umbenennung. Sie meint, durch den Status ihrer
Mädels als ‚Mitglieder’ in der Truppe,
sei eine männliche Bezeichnung als Fahnenschwenker
geradezu zwingend.“
„Pass jetzt auf Nicki, dass du hier kein Eigentor
schießt!“
„Wieso?“
„Na, hast du im Einladungsrundschreiben zur Weihnachtsfeier
den eingeladenen Personenkreis nicht mit ‚Liebe
Mitgliederinnen und Mitglieder’ angeredet?“
„Natürlich, was ist daran falsch?“
„Es heißt ‚das Mitglied’, ist
also grammatisch neutral. Es ist ein Irrtum, die Mehrzahl
‚Mitglieder’ wegen der Endung ‚-er’
als männlich aufzufassen. Auch die Assoziation
‚mit Glied’ gibt keinen Anlass, neben die
Mitglieder eine ‚Mitgliederin’ als Gegenüber
zu stellen und die nochmals zu ‚Mitgliederinnen’
zu vermehren. Hehe!“
„Upps!“
„Gut! Was zum Ankucken haben wir also im Programm.
Wir wollten aber auch einen Programmpunkt aufnehmen,
an dem sich alle beteiligen, nämlich gemeinsam
die Vereinslieder singen. Wer von euch wollte noch
nach der musikalischen Begleitung suchen?“, fragte
der Präsident.
„Ich war das.“, meldete sich Hirte. „Ich
habe alle Musikvereine und alle Bergmannskapellen
angefragt, aber durch die Bank nur Absagen bekommen.
Dabei sind das alles 100% Rot-Weisse. Garantiert!
Aber die Lieder auf unserer Weihnachtsfeier wollten
sie nicht begleiten. ‚Wir machen keine Blasmusik.
Wir sind doch nicht Unterhaching!’, hieß
durchweg das Argument. Aber wir stehen nicht ohne
musikalische Begleitung da. Ich habe einen Musiker
gefunden, der mit seinem Instrument auch sehr gerne
kommt. Cheetah! Er bringt seine Trommel mit. Ich glaub’,
der packt das auch. Der braucht ja kaum den Takt zu
wechseln. Immer nur gleichmäßig ‚bumm
– bumm – bumm’!“
„Na ja, dann haben wir diesmal Musik der Sorte
‚drauf & laut’“, klang Hummelmann
etwas enttäuscht. „Aber, was soll’s?
Besser als nichts. Gibts wenigstens noch ein paar
musikalische Vorträge?“
„Ja! Gibt es! Die Ultras haben sich angeboten.
Die rekrutieren doch gerade jede Menge Nachwuchs.
Die stehen mit ihren Informationstischen neuerdings
vor den Kindergärten der Stadt. Die Muttis sind
hellauf begeistert und melden in Scharen ihre Fünfjährigen
an.“
„Heißen die dann ‚Förmchenbande’?“
wollte Loddar wissen.
„Ne, ‚Fähnlein Fieselschweif’
hatte schon mal jemand vorgeschlagen.“, grinste
Nicki. „Jedenfalls haben die ersten 30 Neu-Ultras
ihre Ausbildung im Fach Fangesang abgeschlossen und
die Verantwortlichen wollen ihnen nun etwas Praxis
verschaffen. Sie meinen, ein wenig zigarettenqualmgeschwängerte
Gaststättenluft kann denen zur Stimmbildung nur
nützlich sein. Die Quietschestimmchen sind noch
etwas zu hoch.“
„Ist das denn erlaubt? Wir müssen aufpassen,
dass wir keinen Ärger kriegen, wenn wir Kinder
nach einer bestimmten Uhrzeit arbeiten lassen.“
Ralf hatte Bedenken.
„Dann lassen wir sie eben als ersten Programmpunkt
auftreten, dann passt das schon. So! Ich glaube, jetzt
haben wir alles erledigt. Jetzt müssen wir die
Veranstaltung nur noch über die Bühne bringen.“
Nikolaus war erleichtert.
„Zur Feier des Tages spendier ich eine Runde.“
Der Wirt trat mit einem Tablett an den Stammtisch
heran.
„Bringst du mir auch ’ne Runde?“, fragte
Willi. „Jetzt kuckt ihr schon wieder so blöd!“
sagte er, als er die Blicke seiner Kumpel bemerkte.
„Ralf, halte uns doch zum Ende des heutigen Abends
noch eine kleine Rede! Bitte!“, bat Nicki Hirte.
„Na gut! Freunde! Wir haben ein bewegtes Jahr
hinter uns. Ein nicht nur erfolgreiches Jahr. Wir
haben manches einstecken müssen. Aber ein erlebnisreiches
Jahr, an dessen Ende wir mir Recht hoffnungsvoll in
die Zukunft blicken dürfen. Ich danke euch ganz,
ganz herzlich für euer Engagement. Und vor allem
für eure Freundschaft. Allen, die wir in dieser
Stammtischrunde, besonders in der heutigen Episode,
heftig durch den Kakao gezogen haben, möchte
ich sagen: ‚Ihr wir schätzen euch alle sehr
und mögen euch von Herzen. Ihr seid es doch,
die unseren Verein RWE und sein Umfeld und seine Fanszene
zu einer großen Familie machen. Ihr seid es
doch, die die Hafenstraße zum Mythos machen.
Allen ein herzliches Dankeschön und …
... FRÖHLICHE WEIHNACHTEN!“