„Ich hab den Daniel Machma schon lange nicht mehr gesehen. Du etwa, Nicki?“
„Nein, er ist aber da. Ganz sicher. Der steckt halt bis über den Kopf in Arbeit. Er hat mit den Vorbereitungen zu unseren Jubiläumsfeierlichkeiten alle Hände voll zu tun“, antwortete Nikolaus Hirte seinem Präsidenten.
„Seltsam! Ich war eben in seinem Büro. Ich habe nur einen riesigen Stapel Papier gesehen, aber keinen Pressesprecher.“
„Na also, Daniel sitzt bestimmt dahinter. Das sind nämlich die Rückmeldungen auf seine Bitte nach guten Geschichten für das Jubiläumsbuch. Er ist für die Sichtung der Beiträge und die Redaktion des Buches zuständig. Der kriegt schier keine Luft mehr, so überwältigend war das Echo.“
Hinter den beiden Freunden stapfte Fan-Idol Loddar Saltatorius, der „Heuschreck vom Niederrhein“ die Treppe zur Stadiongaststätte hinauf, laut und munter die Melodie pfeifend „100 Jahre und noch mehr sollst du leben, RWE …“. Im Februar 2007 wird Rot-Weiss Essen 100 Jahre alt. Die seitherigen 99 Jahre sah man dem frisch und jung gebliebenen Club nicht an. … Doch! An einer Stelle traten Alterserscheinungen offen zutage. Das marode Treppenhaus der Haupttribüne, durch das unsere drei Freunde gerade zu ihrem geliebten Stammlokal hinaufstiegen, sah viel älter aus, obwohl es bei weitem noch keine 100 Jahre auf dem Buckel hat. Na ja, irgendwo muss so eine Hundertjahrfeier ja glaubwürdig sein.
„Nanu! Hier ist geschlossen.“ Nicki zog und zerrte an der Gaststättentür, klopfte zunächst mit dem Fingerknöchel dann mit der Faust dagegen. Aber sie ließ sich nicht öffnen.
„Wieso ist da abgeschlossen? Ist das nicht bekannt, dass wir uns heute hier treffen wollen? Und wo ist Willi eigentlich?“ Loddar hatte nämlich einen Mordsdurst, was seiner Sorge um den Altstar des Traditionsvereins im Katalog seiner offenen Fragen momentan höchstens die zweite Priorität einräumte.
„Seid mal still! Ich hör’ was!“ Nicki Hirte legte da Ohr an die Tür. „Da ist jemand drin.“
„Ich habe von außen auch Licht brennen sehen“, bestätigte Ralf Hummelmann.
„Hallo! Mach endlich auf!“
Jetzt klopfte das Trio energischer an die Tür. Aber erst nach einer ganzen Weile waren Geräusche unmittelbar hinter der Tür zu hören. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht. Langsam knarrend öffnete sich die Tür. Heraus trat …. Willi „Erpel“ Leppins, von oben bis unten mit Öl verschmiert. Er steckte in einer blauen Latzhose, einen Schraubenzieher in der linken Hand. In der Hosentasche ein 17er-Schlüssel, und aus der Gesäßtasche lugt ein Lappen, der zu einer Definition der Farbe „Weiß“ beim besten Willen nicht mehr geeignet war.
„Hallo Leute, kommt rein!“
„Willi, was soll das? Wieso lässt du uns hier draußen stehen? Und wie siehst du überhaupt aus?“
„Ihr habt über den Daniel Machma geredet, nicht wahr?“ Willi überging die Fragen Hummelmanns einfach.
„Woher weißt du das? Hast du gelauscht oder bist du Hellseher?“
„Weder – noch. Das liegt doch auf der Hand. Ich hab Loddar pfeifen hören. Und ich weiß, dass uns allen zurzeit nur noch das Jubiläum durch den Kopf geht. Die Hauptlast der Arbeit liegt gerade beim Daniel. Ich habe den auch schon länger nicht mehr gesehen. Ich mach’ mir ein wenig Sorgen, ob der sich mit dem Jubiläumsbuch nicht übernimmt. Ich hab mir gedacht, wir helfen ihm ein wenig.“
„Und deswegen schließt du dich hier in der Gaststätte ein?“
„Ich zeig’s euch. Kommt!“
Willi trat zur Seite und gab den Blick in die Gaststätte frei. Die drei Freunde sahen das Ungetüm, das da mitten im Gaststättenraum stand, gleich vom Eingang aus. Ein riesiger Haufen Metall, seltsam zusammengefügte Rohre und Drähte, viele Knöpfe und Schalter und alles ein wenig rostig.
„Was ist das denn?“ wollte Ralf Hummelmann wissen.
„Nach was sieht es denn aus?“
„Das Ding hat Ähnlichkeit, mit der Ente, die wir dir zum Geburtstag geschenkt haben“, bemerkte Nicki.
„Mich erinnert das an einen Film“, warf Loddar ein. „Richtig! Ein uralter Klassiker. ‚Die Zeitmaschine’ heißt der Streifen nach einem Roman von H.G.Wells.“
„Ihr habt beide Recht!“ schmunzelte Willi, während seine Freunde verdutzt aus der Wäsche kuckten. „Das ist die Ente, die ihr mir geschenkt habt. Da unten hat sie neben dem Denkmal vom Helmut nur vor sich hingerostet. Ich dachte mir, ich mach was Vernünftiges draus. Also hab ich sie hier raufgeschafft und umgebaut. Und das ist draus geworden: Eine Zeitmaschine. Ich habe mich an die Filmvorlage gehalten. Im Film war’s allerdings nur ein Einsitzer. Damit konnte ich nichts anfangen. Deswegen die Ente – ich brauch ’nen Viersitzer.“
„Was willst du denn damit?“
„Na, durch die Zeit reisen natürlich. Und ihr kommt mit. Wir schauen uns die Geschichte unseres Vereins live an. Vielleicht bekommen wir ja ein paar Eindrücke und Erinnerungen zu sehen, an die niemand mehr denkt. Dann können wir dem Machma ein wenig unter die Arme greifen und ihm neues Material für sein Buch liefern.“
„Na, ich weiß nicht.“ Hirte war skeptisch.
Aber Loddar und Ralf Hummelmann sprühten vor Begeisterung. „Klar, da fahr’n wir mit. Komm Nicki, zick’ nicht rum! So was hat noch keiner erlebt. Die meisten kennen die Vereinsgeschichte nur second hand. So ’ne Chance kriegst du nie wieder!“
Und schon nahm der Heuschreck vom Niederrhein in der eigentümlichen Konstruktion Platz. Hummelmann und „Erpel“ Leppins folgten ihm.
„Na gut!“, gab sich auch Nikolaus Hirte einen Stoß und stieg ein. „Aber am Anfang bitte ganz langsam und vorsichtig!“
„Keine Angst!“, beruhigte Willi den Geschäftsführer, der – befände man sich jetzt auf einem Flughafen – auffällige Symptome von Flugangst an sich trug. „Am Anfang geht’s nicht weit.“
Willi gab ein paar Daten in eine Tastatur ein. Das Gerät war halt doch etwas moderner ausgestattet, als Ding im besagten Film, der im Jahre 1899 spielte. Dann schob er einen Hebel langsam nach vorne. Eine riesige Scheibe am Heck des Citroen rotierte, erst langsam, dann immer schneller. Die Umgebung flimmerte, wurde neblig, löste sich auf und verschwand ganz bis Willi den Hebel in die Nullstellung zurückzog und alles in der Umgebung wieder materialisierte. Es hatte sich nicht viel verändert. Die Gaststätte war immer noch die gleiche.
„Wo sind wir denn?“, wollte Hummelmann wissen.
„Mai 2005“, informierte Willi die anderen nach einem kontrollierenden Blick auf die Zeitanzeige in der Armatur. „RWE ist gerade aus der 2. Bundesliga abgestiegen.“
„Ja, das war ’ne bittere Stunde …“, erinnerte sich der Präsident. „Das hatten wir uns alle ganz anders vorgestellt.
„Wir können das ja ein wenig korrigieren!“
Drei Augenpaare schauten – ratlos oder entsetzt, man kann es nicht genau beschreiben – den ehemaligen Bundesligaspieler an, als sei er jetzt völlig übergeschnappt.
„Das kannst du doch nicht machen, Willi. Lass da lieber die Finger von! Wenn du die Vergangenheit veränderst kann das katastrophale Folgen für unsere Gegenwart haben“, warnte Loddar, der mal wieder etwas weiter dachte, als seine Freunde, und mögliche Konsequenzen abschätzte.
„Ich hab mir das genau überlegt“, gab Willi noch nicht nach. „Es kann eigentlich nichts passieren, wenn wir für jede positive Veränderung eine andere negative einbauen. Dann gleicht sich das aus, ohne Schaden anzurichten und wir bekommen unsere sehr wechselvolle Vereinsgeschichte etwas geglättet. Wir müssen nur drauf achten, dass die positiven Änderungen uns wirklich nützen, während wir den negativen Ausgleich an recht bedeutungslosen Stellen positionieren.“
„Geht das denn?“
„Woll’n wir wetten?“
„Psst, Willi! Bist du bekloppt? Das Wort darf man doch gerade nicht mal denken!“, Hummelmann blickte sichernd nach rechts und links, ob nicht irgendwo ein Lauscher etwas von dem Gespräch mitbekommen hatte. „Wenn das der DFB gehört hätte … die hätten uns glatt den ganzen Skandal an den Hals gehängt, während sie die Bayern laufen lassen. Mann! Das haben wir in unsrer Geschichte wahrlich oft genug erlebt, dass RWE eins auf die Fresse kriegt.“
„Okay, okay! Aber das funktioniert. Ich habe hier ein HCS eingebaut, ein History Changing System. Hochmodernste Technik, sag ich euch. Schaut mal, da muss ich nur eingeben, was ich verändern will. Es sind Kleinigkeiten. Ich befehle dem Programm, dass z.B. drei Tore nicht fallen. Sucht euch mal welche aus!“
„Also ich würde die drei Last-Minute-Treffer nehmen“, meinte Loddar. „Das 4:4 gegen Frankfurt und jeweils das 2:2 gegen Köln und gegen RWO.“
„Bist ein kluges Kerlchen. Dadurch werden aus den drei Unentschieden drei Siege. In der Endabrechnung hätten wir dann 39, statt 33 Punkte. Die reichten bekanntlich zum Klassenerhalt. Also gut!“ Erpel tippte ein wenig auf der Tastatur. Es machte *buff* und siehe da, RWE spielte noch in der 2. Liga. Der Abstieg hatte nicht stattgefunden.
„Sagenhaft!“, jetzt wurde auch Nicki Hirte warm. „Los, fahren wir weiter! Das macht ja langsam Spaß.“
Sie stiegen wieder ein, Willi schob den Hebel nach vorne und weiter ging’s zurück in die Geschichte von RWE. Als er die Maschine wieder zum Stehen brachte, befanden sie sich ein weiteres Jahr in der Vergangenheit – Frühsommer 2004. RWE hatte gerade die Aufstiegsfeierlichkeiten über die Bühne gebracht. Die Fans, die vier Stunden lang im Block D feiernd immer das gleiche Lied sangen, hatten sich inzwischen verlaufen.
„Kuckt mal, der Parkplatz hinter der Tribüne! Nicki, sach ma’, is’ dat nich’ dein Auto da vorne?“
„Klar, Willi, warum fragst du?“
„Weil ich eine kleine historische Negativkorrektur anbringen will. Ich spiel’ dir einfach einen saumäßigen Streich.“
Und schon war er weg, schlich sich zum Auto des Geschäftsführers, drehte am Ventil des Vorderreifens und ließ zischend die Luft heraus. Kaum hatte er sich wieder in Sicherheit gebracht, kam der Geschäftsführer – der des Jahres 2004, während ihm sein Gegenwartspendant zusammen mit den Kumpels zuschaute – mit einer Aktenmappe unter dem Arm aus der Geschäftsstelle. Beim Wagen angekommen bemerkte er sofort das Malheur und fluchte vor sich hin. Wer wechselt jetzt den Reifen? Er hatte keinen Bock mit seinen zwei linken Händen stundenlang rumzubasteln. Doch was blieb ihm übrig? Resigniert machte er sich an die Arbeit und wechselte aufwendig, umständlich und völlig dilettantisch das Rad. Endlich war’s geschafft. Nun aber schnell. Nikolaus Hirte sprang eilig in seine Kutsche, schnappte sich gerade noch die Aktenmappe – „Bloß nicht vergessen!“ – und düste mit Vollgas zur Autobahn.
„Mensch, Nicki, was du heizen kannst!“ staunte Hummelmann nicht schlecht. „Was machst du denn auf der A3? Wo willste hin?“
„Was meint ihr, was ich jetzt durch die Reifenpanne für einen Stress habe, Leute! Ich will nach Frankfurt, die Lizenzunterlagen für die zweite Liga beim DFB abgeben.“
Und, schwupp, war er auch schon in Mainhatten angekommen. Vollbremmsung! Es roch nach Gummi. Nicki sprang aus dem Wagen, rannte zum Eingang der DFB-Zentrale und … „Zu! Mist! Zu spät!“ Ein Blick auf die Uhr bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Es war drei Minuten nach Mitternacht. Der Abgabetermin für die Unterlagen war verstrichen.
Ganz leise machte es *buff*. RWE war wieder Regionalligist. Der Aufstieg hatte nie stattgefunden.
„Mann! Willi! Bloß nicht noch so’n Ei!“ Wenn Blicke töten könnten, hätte Hirte jetzt einen Mord begangen.
Die Freunde stiegen resigniert in die Zeitmaschine ein und Leppins setzte sie wieder in Bewegung. Als sie anhielten befanden sie sich im Berlin des Jahres 1994. Mitten im Olympiastadion. In einer Stunde sollte das Pokalfinale gegen Werder Bremen ausgetragen werden.
„Klasse! Wann kommt man als RWE-Fan schon mal nach Berlin!“ Ralf Hummelmann, der beim damaligen Originalfinale noch nicht präsidierte, war Feuer und Flamme. Durch die Zeitreise war das jetzt seine erste Teilnahme an diesem Großereignis.
„He, da hinten sitzt der Berti!“ Loddar Saltatorius hatte den Trainer der deutschen Nationalmannschaft noch nie so nah gesehen. Er strahlte vor Glück über alle Backen.
„Hat jemand von euch was zu schreiben? Ich hab’ ’ne Idee!“
„Was haste denn jetzt schon wieder vor, Erpel?“ Hirte, der immer mit solchen Dingen ausgestattet war – man weiß ja nie – reichte ihm einen Bogen Papier und ’nen Kuli.
Doch Willi antwortet nicht. Er kritzelte schnell ein paar Zeilen auf das Papier, schlich sich von hinten an den Bundes-Berti heran, zog ihm ein Dokument aus dem Jackett und steckte ihm dafür seinen Aufschrieb hinein. Wenige Augenblick später zog Berti Vogts das Papier aus der Tasche, um es seinem Torwarttrainer, dem Maier Sepp zu zeigen, schaute drauf … stutzte … sprang auf und verließ fluchtartig das Stadion.
„Nun sag schon, Willi, was du da wieder gemacht hast!“ forderte der Heuschreck seinen Freund auf.
„Na, jetzt ist doch bald Fußball-WM. Ihr wisst doch, wir werden im Viertelfinale gegen Bulgarien rausfliegen. Ich dachte mir, ich mache unseren Freunden von Werder Bremen mal ’ne Freude. Ich habe die Liste mit dem WM-Kader ausgetauscht gegen die komplette Mannschaftsaufstellung von Werder. Vielleicht sind die ja erfolgreicher.“
In diesem Augenblick ertönte eine Durchsage durch die Lautsprecher: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Sportsfreunde! Wir müssen sie auf eine Änderung unseres Programms aufmerksam machen. Kurzfristig wurden die Spieler von Werder Bremen zu einem Lehrgang der Nationalmannschaft berufen. Der größte Teil des Teams ist für die WM nachnominiert worden. Deswegen wird Werder nicht antreten. Pokalsieger 1994 ist somit – kampflos – Rot-Weiss Essen. Damit Sie aber nicht vergeblich nach Berlin gereist sind, wird RWE jetzt ein Freundschaftsspiel gegen die Amateurmannschaft von Werder Bremen austragen.“
Der Jubel war groß. Vor allem im Essener Fanlager. Das Fußballspiel war Nebensache. RWE gewann schließlich durch zwölf Tore des überragenden Jörg Lipinski mit 7:5.
*buff* - RWE war zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte Deutscher Pokalsieger.
Nichts wie weg! Die Zeitmaschine kam unsanft zum Stehen, als Willi eine Vollbremmsung hinlegte. Diesmal hatte er etwas zu heftig Gas gegeben. Sie mussten weit in der Vergangenheit gelandet sein. Alles war so anders – die Kleider, die Mode, die Farben, die Haarschnitte … anders eben.
„Wo sind wir denn hier?“ fragte Loddar. „Kuck mal auf den Tacho … äh … na, auf das Zeitansagegerät eben!“
„26. Juni 1955 – sagt mir nichts, das Datum. Euch?“
„Schade“, meinte Hummelmann. „Ich wäre gerne Anfang der 70er gelandet. Da ist mit dem Abstieg wegen des Bundesligaskandals bei uns noch ne Wunde offen. Die hätte ich gerne ein wenig ‚geheilt’.“
„Das erledigen wir auf dem Rückweg“, winkte der Heuschreck ab. „Klären wir erst mal das hier.“
„1955 – da war doch was, da war doch was“, sinnierte Nicki. „Ha, ich hab’s! Kuckt euch mal um. Das ist nicht Essen. Wir sind in Hannover. Heute ist Endspiel. Wir werden Deutscher Meister.“
„Abwarten!“ Loddar war, wie immer vorsichtig. „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Kaiserslautern, unser Gegner soll nicht schlecht sein. Immerhin spielt Fritz Walter mit.“
„Müssen wir nicht zum Ausgleich für den Pokalsieg noch eine historische Negativveränderung anbringen? Das darf natürlich nur was ganz Unverfängliches sein. Irgendeine Kleinigkeit zur Erheiterung aller ….“
„Bin schon unterwegs!“ Willi setze sich in Bewegung, einen Spaten in der Hand.
„Was hast du vor?“
„Ich häufe da vorne an der Seitenlinie einen kleinen Maulwurfhügel auf. Einer unserer Spieler läuft kurz vor Schluss da lang, bleibt hängen, fängt sich eine Zerrung ein und muss ausgewechselt werden. Das ist unschädlich. Meister werden wir sowieso und im Herbst zur neuen Saison ist der wieder fit.“
Gesagt – getan! Nun setzten sich die Freunde auf die Tribüne und verfolgten gespannt ein weiteres Highlight der rot-weissen Geschichte. Obwohl der Ausgang des Spiels bekannt war, war es unwahrscheinlich spannend. Nach einer Lauterer 1:0 Führung gingen die Essener bis zur Pause 3:1 in Front. Doch in der zweiten Halbzeit glichen die roten Teufel aus – 3:3! Wir befinden uns in der 86. Minute. Jetzt musste bald was passieren. Richtig! Da kam Berni Termath am rechten Flügel angerannt, lief auf den Maulwurfhügel zu, trat nur Zentimeter daneben, lief mit dem Ball weiter – Mist! Hat nicht geklappt! – und flankte ihn weit in den Strafraum hinein. Dort setzte Penny Islacker zum Hechtsprung an und köpfte den Ball ins Netz. Toooooooooooooor! 4:3 – RWE war Deutscher Fußballmeister!
Doch was war das? Der Linienrichter war an der Seitenlinie mitgerannt, blieb mit dem linken Fuß am Maulwurfhügel hängen und stolperte. Um den Fall abzufangen, riss er die Arme nach oben, nicht dran denkend, dass sich in einer Hand seine Fahne befand, die er dadurch just nach oben streckte. Das deutete der Schiri als Anzeige einer Abseitsstellung und gab den Treffer nicht. Es blieb beim 3:3. Das anschließende Elfmeterschießen entschieden die Lauterer für sich. *buff*
Entsetzen auf den Gesichtern der vier Freunde. Kreideweiß saßen sie auf der Tribüne.
„Willi, ist dir klar, was du gemacht hast?“ flüsterte Loddar mit Tränen in den Augen. „Du hast unsere einzige heilige Kuh – die Meisterschaft – zu Hackfleisch verarbeitet. Die kannste scheibchenweise als Burger bei McDonalds verkaufen. Jetzt unterscheidet uns nichts mehr von Leverkusen.“
Es war nicht lange Zeit zum Trübsal blasen. Das Leben musste weitergehen und die Zeitreise auch. Als das Gerät ein weiteres Mal stoppte, hatte sich die Umgebung völlig verändert. So hatte sich die Vergangenheit niemand vorgestellt.
„26. Dezember 1906“, stellte Willi nüchtern fest, „aber ich hab’ keinen Schimmer, wo wir sind.“
„Wir sind zu weit gefahren. Das liegt vor unserer Geschichte“, meinte Nicki.
„1907-prozentige Zustimmung!“ meine Loddar Saltatorius nur, um das Lieblingswort des RWE-Forums auch noch in dieser Episode unterzubringen.
„Aber Fußball hat man damals schon gespielt. Kuckt mal die Jungs dahinten! Die sind ja richtig glücklich mit ihrem Ball.“
Ein paar junge Kerle liefen die Straße entlang mit einem nagelneuen Fußball. Offensichtlich ein Weihnachtsgeschenk.
„Möönsch, ich kenn den!“ Diesmal hatte Ralf den Durchblick. „Das sieht mir sehr nach dem ganz jungen Georg Melches aus. Der alte Schorschi, sieh mal einer an! Dass ich den auch noch kennen lerne. Ist die alte Legende also doch wahr! Weihnachten 1906 bekam er den Ball geschenkt. Das führte dann zur Vereinsgründung am 1. Februar 1907.“
„Den wollte ich schon immer Mal verarschen!“ Willi bekam wieder emotionales Oberwasser. „Dem klau ich einfach mal den Ball …“
Und schon war er weg. Loddar sah ihm grübelnd hinterher. “Wenn der dem Melches den Ball klaut … hm?! … dann wird der Verein nie gegründet … hm?! … und dann? … und dann gibt es uns ja vier ja auch nicht“, dachte er mal wieder in die Tiefe. „Halt! Willi, tu’s nicht! Nein! Williiiiiiiiiiii …..!“ *buff*
*plopp* *plopp* *plopp* *plopp*
Futsch waren die vier Freunde. Einfach entmaterialisiert in dem Augenblick, als Willi den Ball vom Georg Melches in der Hand hielt. An der Stelle, wo sie sich gerade noch befanden, flimmerte nur noch ein wenig die Luft.
*Rumms* - Du, der du das liest, bist natürlich auch nicht mehr da. Bildest dir ein, Fan von Rot-Weiss Essen zu sein, eines imaginären Vereins, den es in Wirklichkeit garnicht gibt. Wohl bescheuert, was?
Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser! Es gibt gar keine Zeitreisen.