Was bisher geschah: Hans-Rüdiger hat derbe
Kacke am Arsch: Er liegt im Knappentempel angekettet
auf einem Opfertisch und erfährt, dass er der
auserwählte Retter der Knappen sein soll. Er
wird Zeuge einer schwarzen Messe, bei der er selbst
geopfert werden soll. Hans-Rüdiger hat den Ernst
der Lage aller Warnungen zum Trotze nie richtig eingeschätzt
und steht jetzt seinem Schlachter Orloff gegenüber
...
PHASE XV – "Renegade & Retrograde"
(Schloss Löttingshof, eine Minute vor Neumond
im Zenit) - es war wie im Traum. Ich sah alles nur
noch wie durch einen langen Tunnel, nahm die Geräusche
um mich herum nicht mehr richtig wahr. Orloff war
nur noch wenige Meter von mir entfernt. In seinem
Gesicht konnte ich seine Entschlossenheit erkennen.
Ich schrie weiter laut um Hilfe, blickte ein letztes
Mal zu Ilse, die mir kühler denn je vor kam.
„Ilse, der 69er – war der dir echt nichts
wert?“ Vor meinem geistigen Auge zog unsere gemeinsame
Zeit vorbeit. Die ganzen sieben Monate. Ja, ich bin
getäuscht worden, verraten, belogen, benutzt
und missbraucht. Jetzt stand Orloff direkt vor mir,
ich spuckte ihn an. „Geh weg, verpiss dich du
Wahnsinniger!“, schrie ich um mein Leben. Jetzt
setzte er das Messer an das Leibchen und schnitt es
auf. Urplötzlich lag ich auf dem Tapeziertisch
wie Gott mich geschaffen hatte. Nackt! Das Leibchen
zog er mir unter meinem Hintern weg und legte es auf
den Boden. „So, Hans-Rüdiger, nun verabschiede
dich langsam aber sicher von dieser Welt! Wir danken
dir, dass du uns deinen Körper zur Verfügung
stellst. Ich werde dafür sorgen, dass man deinen
Namen auf S05 nicht vollends vergessen wird, das verspreche
ich dir.“ Dann legte er Baphomet genau neben
mich, nahm seine nun frei gewordene linke Hand, hielt
mir damit den Mund zu. Ich schrie und zappelte, mein
Kopf flog hin und her.
Dann erhob er die Klinge. „Solingen! Die Stadt
der Klingen ...“, geisterte durch meinen Kopf.
Danach ertönte ein riesiger Knall. Es war lauter
als ein Knallfrosch und ein Zisselmänneken zusammen.
Mitunter sogar lauter als ein China Böller D.
Ach was rede ich, lauter als ein Kanonenkracher. Doch
ich registrierte erst im ersten Moment nichts. Ich
erschrak – im Gegensatz zu den anderen –
nicht einmal. Zu lethargisch war mein Zustand, zu
tief hatte sich die Fratze meines Metzgers in meine
Gedanken gefrssen. Orloff ließ vor lauter Schrecken
jedoch das Messer fallen, es bohrte sich genau neben
mir in den Tapeziertisch. Es hätte mich um ein
Haar erwischt. Nun drehte er sich in Richtung der
anderen, die plötzlich stocksteif im Raum standen.
Ich hatte soeben auf den „Opfertisch“ gepinkelt
und spürte warmes Nass an meinem Bein. Dann hörte
ich eine Stimme: „So, und jetzt alle mal schön
die Hände nach oben. Das Spiel ist jetzt aus.“
Die Stimme kam mir bekannt vor, und noch ehe ich von
selber drauf gekommen war, gab Charlie mir schon die
Antwort: „Fredo, bist du bescheuert? Du bist
fristlos entlassen, verlasse bitte umgehend diese
Räumlichkeiten, sonst müssen wir hier andere
Saiten aufziehen.“ Der Fahrer, es war der Taxifahrer.
Er war gekommen, um mich zu retten.
„Charlie, du glaubst doch wohl nicht ernsthaft,
dass ich mich hier zum Mittäter mache und in
dieser Sache nichts unternehmen werde. Ich bin dir
eigentlich nur nach Athen gefolgt, weil ich verhindern
wollte, dass ihr Baphomet an euch reißt. Was
glaubst du, wer den Teddy preislich so nach oben getrieben
hat bei aBo-Ey? Das war ich. Leider konnte ich es
aber nicht verhindern, dass der Bär in eure Klauen
gekommen ist. Sämtliche Sabotageaktionen, die
ich vor Ort durchführte, scheiterten. Angefangen
von dem Glas Pepperoniwasser, welches ich dir nachts
zu trinken verabreichte, bis hin zum Diebstahl deines
Kassengestells. Woher sollte ich wissen, dass Fielmann
auch in Athen eine Filiale hat? Dort allerdings unter
dem Namen Phillmanopolos. Noch mehr aufzulisten, es
würde eine weitere, abendfüllende Folge
geben, und irgendwann muss doch einfach auch mal Schluss
sein. Hans-Rüdiger muss weiter ziehen und sich
neuen Aufgaben stellen. Formiert euch jetzt alle rechtwinklig
in die Ecke und lasst weiterhin schön die Arme
oben ... Hans-Rüdiger wird heute nicht sterben,
und ihr werdet auch nicht die Herrschaft im deutschen
Fußball an euch reißen. Der Traum ist
hier zu Ende.“ Das verbliebene Quartett begab
sich widerwillig in die hintere linke Ecke des Raumes,
dann trat der vermeintliche Retter erstmals in mein
Blickfeld. Ich hatte Tränen in den Augen. Er
hielt eine silberne Waffe in den Händen und hatte
einen rot-weißen Overall an, den ich auch schon
mal irgendwo gesehen hatte.
„Herr Taxifahrer, ich danke ihnen. Wie komm ich
denn zu dieser Ehre?“ Er hatte sein Blick immer
noch starr auf die anderen gerichtet, gab mir aber
dennoch eine Antwort. Mit einer Hand begann er, die
linke Fußkette zu öffnen. „Eigentlich
kennst du mich noch von früher, als du noch Essener
warst. Ich habe dir vor wenigen Wochen noch ganz gravierende
Tipps mit auf den Weg gegeben, die du natürlich
allesamt missachtet hast. Dann bist du schleichend
zum Schalker mutiert. Ich hab dir quasi - noch bevor
die Verwandlung vollends vollzogen war - deinen Speicherchip
geleert und jede Erinnerung an mich gelöscht,
weil ich genau wusste, du würdest unachtsam sein.
Danach hab ich dich auf die Bühne einer Karaokeshow
mitten auf der Kettwigerstraße gestellt, und
du hast von den Wildecker Herzbuben „Herzilein“
gesungen. Lediglich eine Karte hatte ich dir da gelassen,
sie diente deinem Schutze. Wo ist sie hingekommen?“,
wollte er wissen. Ich überlegte sehr lange, bis
es mir wieder einfiel. Zu verwirrt war ich, obwohl
das Geschehene erst wenige Stunden zurück lag.
Immer noch floss mir der Schweiß in Strömen,
aber ich hatte jetzt endlich meinen ersten Fuß
frei. Er fing an, die nächste Schelle zu bearbeiten,
immer noch ließ er die restlichen Personen im
Raum nicht aus seinem Blickfeld.. „Der Hund hat
sie gegessen. Zusammen mit meiner Kotze. Es war heute
Mittag!“
Charlie leistete verbalen Widerstand. „Was du
da tust, ist Unrecht. Ich bin doch schon so alt und
hätte alles dafür gegeben, diese Welt als
Meister mit der Schale in der Hand zu verlassen!“
Doch der Taxifahrer duldete keine weiteren Einwände.
Er ließ von mir ab, nachdem er die zweite Beinkette
gelöst hatte. Ich bewegte meinen Unterleib einmal
auf und ab und musste feststellen, ich war tatsächlich
splitterfasernackt. Ich blickte auf klein Eichi. Manfredora
ging auf den Pulk zu, hielt seinen Revolver genau
unter Charlies Nase. „Du wärst dafür
soweit gegangen, diesen armen Unschuldigen zu opfern?
Meine Güte, ich wusste es immer – ihr Schalker
seid schlechte Verlierer. Aber dass ihr so schlecht
seid, ist selbst mir neu. Ich werde mir eine gerechte
Strafe für euch überlegen.“ Dann begann
er einen nach dem anderen zu filzen. Bei Ilse brauchte
er etwas länger. Er tastete ihren Busen ab, Ilse
presste einen kurzen, erregten Seufzer heraus, bevor
sie ihn was fragte: “Sagen sie mal, wie konnte
es sein, dass ich letztens Sex mit ihnen hatte, obwohl
sie gar nicht da waren und ich auf der Toilette gesessen
hatte. Das war super, da wollt mich dafür bedanken.
Hatte selten so ein Kribbeln im Schritt ...“
Dann presste sie ihm einen Kuss auf den Mund.
Der Taxifahrer blickte sie irritiert an. „Nun,
das ist ganz einfach gewesen. Ich habe Hans-Rüdiger
als Medium benutzt. So wie ihr ihn als Medium missbraucht
habt. Ich habe seine Gehirnströmungen einfach
invertiert. Es ist eine Form von Channeling, das man
bei einem Medium anwenden kann, wenn dieses Träger
einer verirrten Seele ist. Hans-Rüdiger war in
jenem Augenblick in einem solchen Zustand, weswegen
ich die Gedanken zurückverfolgen und quasi unbemerkt
durch deine Wohnung spazieren konnte. Es war mir einfach
nicht möglich, bei diesem Hammerkörper und
diesen schicken Radkappen nein zu sagen. Aber ich
habe einen Präservativ verwendet, obwohl Invers-Medium-Sex
eigentlich schon safer als safe ist, da sich alles
nur in den Gedanken abspielt ... Wir haben also "kubik"
verhütet.“ Ilse schnaufte durch. „Gut,
dann können ja nur noch maximal drei Leute Vatter
des Balchs sein. Hansi, Charlie und mein Nachbar ...“
Der Taxifahrer kam jetzt wieder zurück zu mir,
zog das Messer aus dem Tisch und steckte es in die
Brusttasche seines Overalls. Dann begann er, die erste
Armschelle zu öffnen. „Ilse!“, sagte
Charlie mit dem Rücken zur Wand. „Ich muss
dir ein Geständnis machen. Ich komme als Vater
auch nicht in Frage, ich leide an einer seltenen Krankheit,
die sich retrograde Ejakulation nennt ... ich wollte
es dir die ganze Zeit schon sagen, aber ich wollte
dem Spinner nicht den Erfolg gönnen, dich dick
geschossen zu haben ...“ Ilse seufzte ein weiteres
Mal. „Na toll, dann kommen nur noch zwei Personen
in Frage. Obwohl, wenn ich es mal so durchrechne,
eigentlich nur noch einer. Mit Joaquin hab ich das
letzte Mal vor zwei Wochen und mit Hansi vor einer
gepimpert. Oder ist das nicht so, dass der, der zuletzt
dranne war, automatisch Vatter des Balchs ist?“
Der Sonnenkönig zuckte mit den Schultern, alle
anderen gingen nicht weiter darauf ein. Die Situation
schien sich – zumindest für mich –
allmählich zu verbessern. Doch plötzlich
fuhren wieder alle zusammen.
Wieder hörte man eine Stimme schreiend durch
den Raum hallen. Diesmal erkannte ich die Stimme sofort,
sie gehörte eindeutig meinem Onkel Eddy. Er hatte
es tatsächlich auch noch geschafft, hatte meine
Ansage auf dem Band rechtzeitig erhalten. „Hansi.
Gott sei Dank, du lebst.“ Er rannte auf mich
zu, doch der Taxifahrer hielt die Waffe gleich in
seine Richtung. „Bleiben sie stehen. Machen sie
keine Dummheiten.“ Eddy stoppte ab. Ich gab meinem
Retter zu verstehen, dass da gerade mein Onkel um
die Ecke gekommen war. „Das ist mein Onkel Eduard,
lassen sie ihn in Ruhe, und jetzt befreien sie mich
bitte, damit ich hier mal endlich meinen Baumel wieder
verdecken kann. Nicht, dass hinterher wieder die Moralapostel
auf der Matte stehen, die es nicht mögen, wenn
primäre Geschlechtsmerkmale derart detailliert
beschreiben werden.“ Eddy sah fantastisch aus,
trug einen Designeranzug. Seine Haare waren über
die Glatze gekämmt, er war braun gebrannt.
Jetzt endlich hatte ich den ersten Arm frei, so dass
ich die andere Schelle von alleine öffnen könnte.
„Hans-Rüdiger, sag' doch dem Typ da in dem
Overall, er möge mir eben die Waffe geben, dann
kann ich die anderen in Schach halten, während
er dir oben kurz was zum Anziehen holt. Oder möchtest
du mit dem blanken Säbel hier noch weiter durch
deine Serie wackeldackeln?“, fragte er mich.
Ich verneinte. „Nein, ich gehe keinen Meter mehr
durch dieses Gebäude. Herr Taxifahrer, geben
sie meinem Onkel die Waffe und besorgen sie mir irgendwas
zum überziehen - und wenn es nur ein Handtuch
ist. Aber bitte eines ohne dieses verkackte Wappen,
ich hab das jetzt lang genug über mich ergehen
lassen.“ Der Taxifahrer zögerte, gab die
Waffe dann in meine Hände. „Ich traue hier
niemandem. Dir noch am ehesten. Nenn' mich bitte nicht
mehr Herr Taxifahrer, du kannst Fredo zu mir sagen.“
Dann ging er aus der Halle und ich stand nackt vor
der lauernden Meute. Mit einer Hand verdeckte ich
meinen Sack.
Mit der anderen hielt ich die vermeintlichen Widersacher
in Schach. Eddy stand im Rücken von mir. Dann
ging ich auf die in der Ecke stehenden zu. „Wenn
ich gleich 'ne Hose hab, dann kriegt ihr erst mal
allesamt schön einen auf die Mütze. Als
erstes werde ich mir dich schnappen, Charlie. Ich
bin selten von einer Person so derartig verscheißert
worden. Und dir Ilse wünsche ich eine Fehlgeburt
oder dass der Knoten tatsächlich von deinem Nachbarn
ist. Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben.“
Dann drehte ich mich kurzzeitig um und sah, wie Eddy
den Teddybären aufnahm. Er kam damit schnurstracks
auf mich zu. „Hol für uns die Schale heim!“
Plötzlich holte er binnen eines winzigen Augenblicks
eine Nagelpfeile aus seiner Anzuginnentasche und stach
mir damit in den Arm. Ich ließ die Pistole fallen.
Als erster erkannte der Sonnenkönig die Gunst
der Stunde und schnappte sich die Waffe, noch bevor
ich mich bücken konnte.
Dann zog mir Eddy mit seiner kräftigen Pranke
eine über, so dass ich direkt zu Boden ging.
Noch im Fallen grinste mich der Teddy an, den Eddy
in der anderen Hand hielt. Er war jetzt blut getränkt.
Um Gottes Willen, was war nur in Eduard gefahren?
Hatte er jetzt die Seite gewechselt? Ich wusste es
nicht, bekam die Antwort aber wenige Minuten später.
Zunächst einmal hoben mich die in Kutten gekleideten
Wesen vom Boden auf und legten mich wieder an die
Ketten auf dem Opfertisch. Zum x-ten Male an jenem
Tage schrie ich mir die Seele aus dem Leib und wehrte
mich mit Händen und Füssen. Doch es gelang
mir nicht, mich zu befreien. Der Sonnenkönig
richtete zudem noch permanent die Knarre auf mich.
FUCK! Ich wollte mit lauten Schreien noch Fredo warnen,
doch sie hielten mir den Mund zu. Ilse griff zwischenzeitlich
hektisch nach meinem kleinen Hans-Rüdiger. Jetzt
wusste ich es wirklich: Sie war krank.
Dann kehrte der Taxifahrer zurück in die Halle,
wo er hinter einer Betonstütze des Tempels bereits
von Eddy abgefangen und zu Boden geworfen wurde. „So,
hier ist jetzt Ende im Gelände. Wir haben nur
noch drei Minuten Zeit, das Blut von Hans-Rüdiger
reicht bislang nicht aus, um den Bären in Betrieb
zu nehmen. Es muss mehr sein, daher sägen wir
ihn jetzt besser auf, das mit dem Messer war eine
scheiß Idee. Orloff, renne sofort in die Kammer,
wo der Gärtner sein Equipment deponiert hat,
und hol die Kettensäge. Das dauert mir hier alles
zu lange, LOS!“, schrie er, und Orloff rannte
mit seinen kurzen Beinen aus der Halle hinaus. Inzwischen
hatte man Fredo mit einem Seil an einen Stuhl festgebunden
und diesen so hingestellt, dass er zwangsläufig
Zeuge der Geschehnisse werden musste. „Warum?
Warum um alles in der Welt, Onkel Eddy?“, wollte
ich wissen. „Weißt du, wie viel Kohle ich
in den letzten Tagen von Charlie Newmann erhalten
habe? Das mit der Internetseite war ein Witz. Ich
hab damit keinen Pfennig umgesetzt, ich habe alles
von Charlie erhalten. Zwei Tage nach der Party in
der Heavy-Metal-Pommesbude hatte er mich angerufen.
Wir haben uns dann hier getroffen, und ich bin zu
der Überzeugung gekommen, dass Geld dicker ist
als Blut. Tut mir leid, allein für den Auftritt
hier und heute erhalte ich eine höhere Gage als
ihr alle zusammen.“
Ich empfand nur noch Hass. Was ich heute alles schon
für verschiedene Stimmungen durchlebt hatte,
ging auf keine Kuhhaut. Verkauft vom eigenen Fleisch
und Blut. „Eddy, wir sehen uns in der Hölle,
das verspreche ich dir.“, entgegnete ich ihm.
Er schmunzelte nur. Der Sonnenkönig starrte andauernd
auf seine Uhr und wurde immer unruhiger. „Wo
bleibt denn Orloff, das dauert mir alles viel zu lange.
Ilse, schau' nach, wo er bleibt, und mach ihm Feuer
unterm Hintern. Ach, und denke bitte einmal nicht
nur an die Popperei. Abmarsch.“ Als nächstes
rannte Ilse aus der Halle, ihr Busen wackelte im Tempo
des Voranschreitens. Wieder ein Blick auf die Uhr.
„Verdammt, nur noch zwei Minuten. Wenn die Zeremonie
nicht vernünftig abgehalten wird, dann lädt
sich all das Negative in Zukunft auf unseren Verein
ab. Der Bär muss im Zenit des Neumondes mit dem
Körper des Jungknappen in Kontakt treten. Sind
Ilse und Orloff in 30 Sekunden nicht wieder da, müssen
wir Eichenbauer auseinander reißen.“ Dann
kamen die beiden wieder um die Ecke. Orloff knüpfte
sich seine Hose zu. Eichberg schrie die beiden an.
Ich schrie, alles war hektisch, alles war durcheinander.
„Verdammte Kacke, was habt ihr denn da so lange
getrieben? Ihr macht mich allesamt noch wahnsinnig.“
Orloff war irritiert. „Man, weißt du, wer
mir oben im Garten entgegen gekommen ist?“, fragte
er. „Nein, sag es doch einfach, ohne dass ich
euch hier alles aus der Nase ziehen muss.“ „Die
Feuerwehr Herne-Ost, die wohl von dem Feueralarm heute
Mittag alarmiert worden war.“, sagte Thun. Ilse
nickte ab. „Ja, aber das war vor fünf Stunden.
Die haben tatsächlich fünf Stunden gebraucht?
Was habt ihr denen denn gesagt?“, wollte der
vermeintliche Boss wissen. „Na, was wohl? Ob
alles in Ordnung ist und wir den Brand in der Zwischenzeit
selber gelöscht haben.“ Jetzt zog Orloff
an einer Kurbel, um die Säge in Gang zu bringen.
„Hehe, Kettensägenmassaker auf Löttingshof“,
sagte er. Dann zog er abermals an dem Seil. Stottern!
Günni blickte wieder auf seine Uhr. „Noch
60 Sekunden. Gib die verdammte Säge her.“
Er riss dem Kleinsten in der Runde das Gartengerät
aus den Händen, zog hastig an dem Seil, doch
wieder passierte nichts. „Muss man da nicht irgendwie
den Benzinhahn öffnen oder sowas?“, fragte
ich neugierig. Der Sonnenkönig legte einen Hebel
an der Seite der Säge um, zog abermals an dem
Seil und zack, die Säge kreischte lauthals durch
die Halle. Knatter, knatter! „Gib mir den Bären,
Eddy, und tretet alle beiseite. Hier wird gleich das
Blut nur so durch die Gegend spritzen.“
Dann nahm er den Bären an sich und kam auf mich
zu. In der linken Hand den Bären, in der rechten
die Motorsäge. „Hol für uns die Schale
heim! Hurtig hurtig!“, schrie er gegen den kreischenden
Motor an. Jetzt war ich zum x-ten Mal an jenem Tage
verloren. Ich sprach mein letztes Gebet. Als er gerade
ausholte, um mich in zwei Teile zu zersägen,
sprang Huub Rüde vom steifen Tannenzapfenland
wie aus dem Nichts hoch, schnappte sich den Bären
und verschwand in Windeseile hinter einem Pfeiler.
Der Hund? Ja, wo kam auf einmal der Hund her? Ich
hatte ihn draußen gesehen gehabt, als Ilse mir
die Handtasche übergezogen hatte, aber dass er
im Schloss war, hatte ich völlig verdrängt.
Genauso schnell, wie er gekommen war, war er auch
wieder verschwunden. Aus der hintersten Ecke hörte
man, wie Huub den Teddy bearbeitete. Die Säge
knatterte weiter vor mir, doch Günni war jetzt
verwirrt. Der Sonnenkönig drehte sich um, ließ
die Säge zu Boden fallen, holte die Pistole aus
seiner Tasche und schoss wie wild durch die Halle.
Einmal, zweimal, dreimal, dann ein lautes Jaulen des
Hundes, knurren, wieder ein Schuss, nochmal knurren.
Dann war erst einmal Ruhe. Das unruhige bildliche
Szenario ging aber in die nächste Runde. Inzwischen
war die Säge von alleine ausgegangen, und Charlie
rannte in Richtung des Pfeilers, wo er den Hund mit
dem Bären vermutete. Dann schrie auch er und
fing an zu weinen. „Die Töle hat den Bären
in Tausend Stücke gerissen. Und der Hund ist
schwer verletzt. Ich glaube, er stirbt. Hier ist alles
voller Blut. Verdammte scheiße, unsere Zeit
ist abgelaufen.“ Dann kam er mit den Bärüberresten
zurück. Er hatte nur noch den Kopf und einen
Arm heil retten können. Er war jetzt in großer
Rage.
„Sechs Millionen und sechshundertsechsundsechzig
Tausend € für den klatschnassen Sack. Das
alles ist vernichtet worden von einem 800 DM Köter.
Gib mir die Waffe, ich baller das Mistvieh jetzt ab.“
Ilse war in der Zwischenzeit auch zu Huub herüber
geeilt und weinte an seiner Seite. „Er stirbt.
Der Hund, er stirbt.“, stammelte sie. Das hektische
Bild hatte aber immer noch kein Ende. Denn inzwischen
hatte sich der Taxifahrer - wie auch immer - befreien
können und lieferte sich mit Onkel Eddy eine
wilde Prügelei. Der Sonnenkönig wollte abermals
schießen, richtete die Waffe in Richtung des
kämpfenden Chauffeurs, doch das komplette Magazin
war inzwischen leer gepustet. So schmiss er die Waffe
zu Boden, krempelte sich seine Hemdsärmel um
und stürzte sich in seiner Kutte ebenfalls in
die wilde Schlägerei. Ich lag immer noch regungslos
auf meinem inzwischen angestammten Platz inmitten
der großen Halle. Nackt! Da alles so unübersichtlich
war, konnte ich nicht alles wahrnehmen. Das Meiste
sah ich ja auch Gott sei Dank gar nicht. Meine größte
Sorge in diesen Momenten galt weder dem Taxifahrer
noch mir, nein, meine größte Sorge galt
dem Hund. Von Ilse hörte ich inzwischen gar nichts
mehr, so dass Schlimmeres zu befürchten war.
Was ich hörte, waren dumpfe Schläge in Bud
Spencer-Film Manier. Was ich streckenweise von Fredo
an Kampfeinlagen sah, erinnerte mich an meinen alten
Bundeswehrkameraden Herbert Habicht, der es seinerzeit
zu großem Ruhm in unserer Kaserne gebracht hatte.
Alles erinnerte mich nur noch an ein Gemetzel. Er
vertrimmte die beiden im Alleingang und schnappte
sich den Dicken. Das Messer, welches er vorher noch
in seiner Brusttasche verstaut hatte, es diente ihm
inzwischen als Waffe gegen das Böse. Die Idioten
hatten vergessen, es ihm wieder ab zu nehmen Er kontrollierte
damit die Bewegungsabläufe von Charlie. Eddy
und der Sonnenkönig lagen platt auf dem kalten
Boden, Orloff hatte inzwischen ein weißes Taschentuch
gehisst. Alles war viel zu schnell passiert. Wichtig
war, dass wir die Lage jetzt vermeintlich unter Kontrolle
hatten. Ich wurde befreit, schnappte mir das Laken,
welches vor wenigen Momenten noch mit einem Autogramm
verziert worden war. Ich schnallte es mir so um, dass
wenigstens meine Männlichkeit verdeckt war. Ich
sah wie Cäsar in den Asterix-Comics aus. Das
Laken roch ein wenig nach Pipi und war klamm. Ich
ging in Richtung des Pfeilers, hinter welchem ich
den Hund vermutete. Langsam und in voller Sorge ging
ich um den Betonklotz herum. Und tatsächlich.
Es war ein grausiger Anblick. Der Hund lag eingebettet
in einer riesigen Pfütze aus Blut, sein Fell
war nicht mehr gülden, es war dunkelrot. Er atmete
tief und schwer, jappste. Ilse kniete neben ihm und
weinte unaufhörlich. „Siehst du, was du
angerichtet hast? Ich wünsche euch die Pest an
den Arsch. Allen S05ern auf dieser Erde. Möget
ihr in den nächsten Jahren gehörig Leid
durchleben ...“ Ilse sagte nichts mehr, sie starrte
nur noch wirr durch die Gegend. Erstmals nach über
sieben Monaten fühlte ich ihr gegenüber
tiefen Hass.
Irgendwann kam dann die Polizei, irgendwann danach
Krankenwagen. Irgendwer legte mich auf eine Trage,
deckte mich zu. Irgendwie war ich auch einfach viel
zu müde, zu lethargisch. Ich bekam noch eine
Spritze und schlief ein. Erst im Krankenhaus erwachte
ich wieder. Ich war angeschlossen an Schläuchen
und anderen Geräten, ein wohl frequentierter
Piepston schallte durch den abgedunkelten Raum, das
Poster der DFB-Pokalhelden von 1994 hing an der Wand..
Erstmals registrierte ich bewusst, in welch große
Gefahr ich mich begeben hatte, weil ich S05ern blind
vertraut hatte. In mir fielen Zentner Lasten ab, das
würde mir nicht noch einmal passieren. Die nächsten
Tage vergingen wie im Flug. Ich bekam eine Menge Besuch
von Bürokraten, nervigen Journalisten und vor
allen Dingen immer wieder von der Polizei Herne-Ost.
Sie hatten eine Soko gegründet, die sich schlichtweg
„Soko Teddybär“ nannte. Ich wurde regelrecht
in eine Art Täterrolle gedrängt. Der Kommissar
stellte mir immer wieder die unmöglichsten Fragen:
„Wollten sie Miss Hupen töten? Geben sie
zu, in der Boutique Kassandra in Buer einen edlen
Anzug sowie einen goldenen Kugelschreiber gestohlen
zu haben? Haben sie die Abstellkammer im Schloss in
Brand gesetzt und ist haben sie den Hund dazu angestiftet,
einen Bären von unschätzbarem Wert zu vernichten?“
Fragen über Fragen. Es war schlimm.
Meine Ärzte gaben mir mittels ihrer Aussagen
stets eine Schonfrist, indem sie immer wieder darauf
verwiesen, welch traumatische Erlebnisse ich hinter
mir hatte. Ich konnte also noch nicht aussagen. Mittlerweile
hatte ich auch erfahren, dass die einzige, die im
Zuge der Ermittlungen bislang in Untersuchungshaft
steckte, Ilse war. Sie würde unseren Sohn sehr
wahrscheinlich in der JVA Herne-Ost zur Welt bringen.
Man hatte auch festgestellt, dass nur ich der Erzeuger
sein konnte. Charlie war zeugungsunfähig, der
Nachbar von Ilse war erst gar nicht gekommen. Das
traurigste an der ganzen Geschichte war allerdings,
dass der Hund nun im Hundehimmel verweilte. Ich fühlte
mich richtig mies. Bloß, dass dieser Hund mich
- einen Essener - gerettet hatte, stimmte mich etwas
glücklich. Fünf Tage nach meiner Entlassung
aus dem Krankenhaus kontaktierten mich nette Herren
von der Gesellschaft „Moskau Inkasso!“.
Sie boten mir eine gehörige Stange Geld, wenn
ich Ilse als die Hauptschuldige bezichtigen würde.
Dies tat ich natürlich, als die Polizei mich
das nächste Mal vor lud. Von dem Geld richtete
ich mir später in Frillendorf ein schickes, kleines
Tonstudio ein.
Zwei Tage danach besuchte mich abermals der Taxifahrer
Manfredora bei mir zu Hause. S05 hatte das Spiel gegen
die Bayern mit 1:0 gewonnen. Meine Wohnung war inzwischen
wieder betretbar und der Haufen mit den Fliegen wie
weggezaubert. „Hans-Rüdiger, du hast gerade
noch einmal Glück gehabt und bist mit einem blauen
Auge davon gekommen ...“ Blau! Blau???? Ich drehte
durch. „Ich darf nicht mehr mit diesen Farben
konfrontiert werden, hören Sie?“, entgegnete
ich dem Fahrer. „Einmal in diesem Leben muss
ich dich aber noch vor eine Wahl stellen, mein Freund.
Du, ich habe hier eine blaue Pille und eine rote Kapsel.
Schluckst du die blaue Kapsel, ist alles aus, du glaubst,
was du glauben willst, und bleibst auf Lebzeiten ein
Knappe. Schluckst du die rote Kapsel, wirst du wieder
leben, wie du es von früher kennst. Bedenke,
alles was ich dir anbiete, ist die Wahrheit. Willst
du ein Essener sein, der mit reiner Seele gegen die
Fußballmafia DFB ankämpft, oder möchtest
du Eventfan eines künstlich aufgeblähten
Konzernes werden, der in den nächsten Jahren
noch viel Leid über sich ergehen lassen muss?“,
fragte er und bot mir aus einer dunklen Schale zwei
Tabletten an. Die eine blau, die andere rot. Ich nahm
ohne zu zögern die rote Kapsel und schluckte
sie hastig herunter.
„Du hast dich für die richtige Seite entschieden,
Hans-Rüdiger. Hättest du die blaue Pille
geschluckt, würdest du jetzt durch die nächsten
Folgen nur noch mit einem Dauerständer stolzieren.
Nächste Woche wird für dich auf der Bezirkssportanlage
Raumerstraße ein Benefizturnier stattfinden.
Es ist ein Geschenk von mir. Antreten werden für
dich die Flambo-Tigers. Es sind wirklich fabelhafte
Kicker. Von dem Gewinn werden wir eine Ehrentafel
vor Ilses Zelle für dich einrichten.“ Ich
strahlte und war glücklich. „Danke! Ich
hoffe, ich bin schnell wieder am Ball. Ich muss auch
meine Hörigkeit Frauen gegenüber besser
in den Griff bekommen und schnell den Liebeskummer
besiegen. Ich werde bei der nächsten Änne
wohl noch ein wenig genauer hinschauen müssen.“
Manfredora lächelte. „Jetzt hast du doch
schon einmal das Böse besiegt, schlimmer wird
es wohl kaum noch kommen können. Du lernst jemanden
kennen, das prophezeie ich dir. Nutze dabei dein jetziges
Wissen, und sei nicht so beschissen verbissen. Manche
Frauen brauchen für den Missionarsmist kein Kissen
... Ich hab mir übrigens folgende Strafe für
die Knappen ausgedacht: sie werden in diesem Jahr
noch mal glauben, sie könnten den Titel holen,
am Ende werden es aber wieder die Bayern machen. Ferner
werden die Schalker jetzt alle sechs Jahre doppelt
so lang Meister sein, als es 2001 nach der 4-Minuten-Terrine
der Fall war. Das bedeutet im Klartext: Am 34. Spieltag
der Saison 2006 / 07 werden die Knappen virtuell acht
Minuten Meister, sechs Jahre später doppelt so
lang - und so weiter und so fort. Es werden harte
Zeiten für die Brut anbrechen ... im Jahre 2031
würden sie dann nach dieser Rechnung den Titel
einfahren. Aber ich lasse sie 2030 mit einem anderen
Revierclub fusionieren, und der Verein wird Borussia
Ruhrstadt 04 / 09! heißen“ Ich lachte mich
innerlich kaputt. Überschätzte er sich nicht
ein wenig? „Lustig, Fredo, lustig! Aber wie willst
du das denn überhaupt beeinflussen. Wer bist
du denn überhaupt?“, wollte ich wissen.
„Ich bin der Fußballgott ...“, sagte
er und zog von dannen!
ENDE!
Dank an:
Klaus Schroer – Co-Autor Phase IV
Thomas Schlüter – Co-Autor Phase VIII &
IX
Nicole & Oliver Perrey (Fans der ersten Stunde)
Kristina Schr. & Nina Schw. (Welcome in Essen)
(fsl)