Was bisher geschah: Hans Rüdiger, inzwischen
Knappe, wie er im Buche steht, soll nach einem saftigen
Flönz, den er für den Onkel seiner Geliebten
Ilse Hatsevon zubereitet hat, den Posten des Geschäftsführers
auf der Wasserburg Löttingshof übernehmen.
Noch bevor er mit den Arbeiten beginnt, kleidet ihn
sein neuer Arbeitgeber mit Designeranzügen aus.
Hans-Rüdiger ist nun fast ein Teil der blau-weißen
Familie ...
PHASE XII - Acht Köche für ein Hallelujah
Hassel, Sternzeit 07032005 / Schloss Löttingshof
- neuer Arbeitsplatz von Hans-Rüdiger
„So, Hansi, da wären wir. Das ist dein neuer
Arbeitsplatz!“, entgegnete mir Onkel Kalle. Zunächst
sah ich die Burg lediglich von außen. In ihrer
ganzen Schönheit und Vielseitigkeit. Ich war
sprachlos. „Kalle, ich soll hier arbeiten? Bist
du dir da ganz sicher? Das wäre echt ein Ding,
hier zu knechten!“ Kalle nickte nur freundlich
und schritt in seinem C&A-Sakko durch den schönen
Vorgarten voran. „Natürlich muss ich mir
das erst mal ein paar Tage ansehen, ob du wirklich
der geeignete Mann für den Posten des Restaurantleiters
bist, aber ich glaube an dich. Wir machen jetzt hier
einen Handschlagvertrag, du arbeitest eine Woche lang
Probe, bereitest das Essen für den VIP-Bereich
beim Spiel gegen die Seppels vor. Schließlich
bin ich da Käterer Off Se Däy. Du bekommst
sieben oder acht Köche zur Hand, wie viel brauchst
du, um sagen wir mal, für knapp 1800 VIP-Gäste
im VIP-Bereich des VIP-Bereiches beim Bayernspiel
´nen leckeren Flönz zuzubereiten?“,
fragte er mich mit weit geöffneten Augen. Ich
zuckte mit den Achseln.
„Das kann ich doch jetzt noch nicht sagen. Ich
brauch' für sechseinhalb Pfund Blutwurst in etwa
eine Stunde. Acht Köche schaffen dann in einer
Stunde acht mal sechseinhalb Pfund. Das sind 52 Pfund,
also 26 Kilo. Von diesen 26 Kilo werden meiner Meinung
nach acht Mann satt, wenn jeder der Leute im VIP-Bereich
3,25 Kg isst. Es soll ja auch Leute geben, die lassen
sich Sachen für zu Hause einpacken. Rechnen wir
mal großzügig 4 Kg, dann brauchen wir 7200
Kg Blutwurst. Ich glaube nicht, dass wir die Menge
bis Samstag auftreiben werden. Wer hat soviel Blutwurst
am Start?“ Kalle blickte mich an. „Junge,
ich kann alles besorgen, was du dir wünscht,
wenn du 7,2 Tonnen Blutwurst haben willst, dann besorg
ich dir das. Allerdings dürfte das eng werden,
wenn wir das erst Samstag angeliefert bekommen, denn
die Köche müssen das Essen ja noch zubereiten.
Meine Berechnung hat ergeben, dass die Köche
insgesamt 260 Stunden dafür benötigen, wir
müssen sie in Schichten einteilen. Erstelle mir
bitte heute noch einen Plan, so dass das Essen für
Samstag sichergestellt werden kann, die Köche
in mehreren Schichten arbeiten, aber ihre Ruhepausen
und den ganzen Kack einhalten. Ich hab kein Bock auf
Terz mit der Koch-Innung, die machen mir sonst den
Laden dicht. Also, geh' schon mal an die Arbeit. Ach,
und noch was. Im alten Rittersaal wollen wir ab übernächste
Woche wieder ein paar Musikorchester spielen lassen,
hör dich mal rum, wer Böcke hätte.“,
sagte mein neuer Chef.
„Ich gebe dir nachher mal mein Telefonbuch, da
stehen ein paar Namen drin. Am Besten fänd' ich
ja jetzt als Re-Opener diesen nasalen Rapper, Jan
Diegay. Ruf' die blankpolierte Fleischmütze mit
Hut an und triff dich mit ihm. Er wird zusagen, wenn
er hört, dass er in meinem Laden spielen soll.
Der behauptet zwar überall, dass er HIV Fan ist,
aber ich weiß, dass er etwas für den Meister
der Herzen übrig hat ... “ Sofort kam mir
die Idee, Lunaticus dort spielen zu lassen. Ich hatte
mir alles so weit gemerkt. Schritt für Schritt
kamen wir dem Haupthaus der Burg näher, in welchem
sich mein Büro befinden sollte. „Ach, ich
habe etwas Wichtiges vergessen zu sagen. Das Büro
ist leider im Dachgeschoss und hat keine Fenster.
Momentan ist auch noch kein Licht da, ich habe dem
Butler mitgeteilt, er möchte bitte ein paar Teelichter
auftreiben, damit du in deinem Büro wenigstens
was siehst. So, wie ich den Schussel aber kenne, hat
er das doch glatt vergessen, wetten dass ... ?“,
fügte Kalle noch hinzu, ehe wir nun endlich den
Eingangsbereich der Burg erreicht hatten.
„Ja, Moment mal! Und was ist mit dem Computer
in meinem Büro?“, fragte ich entsetzt. Der
Dicke lachte wieder laut. „Junge, was ist mit
dir los, wir sind ein Restaurant, kein Internetzkaffee.
Ilse hat mich schon gewarnt. Du darfst auf keinen
Fall einen Rechner mit Netz haben. Du bist Internetzabhängig.
Ilse sagt, du kannst ohne Probleme 20 Stunden mit
dem Arsch
vor dem Rechner hängen ...“, sagte er bestimmend,
während wir bereits im antiken Hauptgebäude
waren. „Die alte Kuh!“, dachte ich laut,
und Charly wurde etwas ungehaltener. „Auch wenn
wir jetzt Arbeitskollegen werden. Solche Beleidigungen
erbitte ich mir. Du läufst hier mit „sauberer“
Zunge durch mein Schloss und hörst auf, deine
Chica zu dissen. Stell' dir vor, ein Gast hört
so was. Ach guck mal, da vorne sind ja auch die verkackten
Köche. Komm', ich stell dich den Jungs mal vor.“
Die Köche saßen allesamt in ihrem Aufenthaltsraum,
offensichtlich war der Laden noch gar nicht geöffnet.
Sieben waren Männer, eine war weiblichen Geschlechts.
Es hingen Nikotinschwaden in der Luft, der eine oder
andere trank Kaffee. Als Kalle auf sie zu kam, versuchte
einer der Männer noch den Qualm um sich herum
weg zu wedeln. „Ludger-Johannes, brauchste gar
nicht versuchen, den Mief zu vertuschen.“ Der
Mann bekam ein rotes Gesicht, rechnete fest mit einer
Rüge, Abmahnung, ja wenn man in seinem Gesicht
las, hatte er die Papiere eigentlich schon in der
Tasche. „Du weißt ja, was das jetzt bedeutet,
oder?“ Ludger-Johannes schüttelte mit dem
Kopf! „Na, gib mir endlich auch mal eine Fluppe.“,
wurde Charlie konkreter und die Stimmung wurde wieder
friedlicher. Alles wirkte familiär.
Dann nahm er mich in dem hammergeilen Anzug beiseite
und richtete das Wort an die Köche, die mich
nun gespannt musterten. „Leute, heute ...",
begann er und fing an zu lachen. „Habt ihr verstanden,
oder? Da war ein Reim drin. Zudem ist es eine Fernsehsendung.
Also nochmal von vorne!“ Er zog jetzt genüsslich
an der Zigarette. „Dies hier neben mir ist Hans-Rüdiger
Nepomuk Eichenbauer aus dem Kaiserreich Kray, dem
angeblichen Geburtsort von Hubertus „Rumpelstilchen“
Albers. Nur Kenner werden wissen, wen ich meine. Er
wird ab sofort unser neuer Restaurantleiter. Da er
noch keine Erfahrung in dem Gebiet hat, möchte
ich, dass er von eurer Seite aus absolute Unterstützung
erhält. Er wird Leiter des Restaurants sowie
des Weinkellers und nebenbei noch unser Ereignisplaner.
Müsste ich nun, wie in meinem Gastspielvertrag
für diese Serie fest verankert ist, zu Anglizismen
greifen, hätte ich wohlmöglich Eventmanager
gesagt. Damit ihr wisst, was in den kommenden Tagen
auf euch zu kommt, wird Hans-Rüdiger jetzt ein
paar Worte an euch richten. Hansi, bitteschön.“
Jetzt blickte er mich überfreundlich an, hob
seine Hand in die Richtung der vor Spannung kochenden
Zunft und ich begann meine Antrittsrede
„Blutwurst ...“ Ich machte eine lange Pause.
Die Köche blickten sich verwirrt an, einige kicherten.
„Blutwurst gehört zu den ältesten bekannten
Fleischerzeugnissen und ist die älteste bekannte
Wurstsorte überhaupt. Bereits in der Antike wurde
sie von den Kriegern auf dem Schlachtfeld zubereitet
und gegessen. Homer ließ Odysseus bei seiner
Rückkehr nach Ithaka sprichwörtlich „um
die Wurst“ kämpfen - das Preisgeld war ein
mit Schweineblut und -fett gefüllter Schweinemagen.
Die Blutwurst ist kult. In letzter Zeit wurde sie
aber mehr und mehr aus unseren Küchen und vor
allen Dingen von unseren Tellern verbannt. Der Diätenwahn
hat den Flönz in ein zweifelhaftes Licht gerückt.
Onkel Kalle ist aber der Ansicht, dass sich dieser
bedauernswerte Umstand wieder ändern muss. Als
ich heute Mittag als Störkoch für ihn und
meine geliebte Ilse nen leckeren Flönz gezaubert
hatte, kam ihm die spontane Idee, den vakanten Posten
des Restaurantleiters mit mir neu zu besetzen. Ja,
und da bin ich jetzt. Alles, was ihr in eurer Karriere
bislang gekocht habt, könnt ihr ab sofort zu
den Akten legen bzw. eigentlich gänzlich in die
Tonne kloppen. Kulinarisch zieht jetzt aus dieser
Burg aus, und Deftig zieht ein. Aber richtig Deftig.
Wer von euch Birnen ist hier der Küchenmeister?“,
warf ich als Frage in den Raum.
Ausgerechnet - der mit dem Rücken zu mir sitzende
- Ludger-Johannes hob die Hand. Ich trat langsam auf
den Tisch zu. „Hör mal, Ludger-Johannes
jetzt jedes Mal auszusprechen, würde ein wenig
unseren zeitlichen Rahmen sprengen, hast du keinen
Spitznamen?“ Ludger-Johannes wandte sich jetzt
erstmals wirklich mir zu. „Die Jungs in der Küche
nennen mich Lujo, El Jay habe ich auch schon gehört,
aber ich muss wirklich zugeben, keiner dieser Namen
gefällt mir. Was wäre denn jetzt ihr Vorschlag,
Herr Eichenkasper?“ Die am Tische sitzenden Köche
lachten lauthals. Ja, sie wollten mich offenbar verhöhnen.
„Ach, ein Komiker mit Kochmütze ist er,
der Johannes. Wohl heute morgen mit Peter Lustig unter
der Dusche gewesen, oder? Alter, damit dir klar wird,
dass hier ab heute ein ganz anderer Wind weht, taufen
wir dich jetzt Hannes Popannes, das ist zwar nicht
wesentlich kürzer, aber diskriminierender. Sonst
noch einer hier ohne Fahrschein?“, fragte ich
die Köche. Schlagartig war es ruhiger im Aufenthaltsraum.
Dann richtete ich wieder mein Wort an El Jay.
„Also Hannes, als Küchenmeister musst du
ein Vorbild sein. Gerade auch in Anbetracht der Tatsache,
dass wir hier eine Jungköchin in unseren Reihen
haben. Wir horchen dich mal ab, wollen wissen, was
aus der Kochschule noch bei dir hängen geblieben
ist. Nahrungsmittelkunde Grundlagen: die Grützwurst.
Prozentualer Anteil an Buchweizen?“ wollte ich
einen schnellen Überblick über seinen Wissensstand
abrufen. „Grützwurst? Tut mir echt leid,
aber ich kenne keine Grützwurst. Bin ich jetzt
gefeuert?“, entgegnete er meiner Frage. „Du
willst mir also weiß machen, dass du die einfachste
Theorie nicht auf der Pfanne hast?“, fragte ich
kopfschüttelnd. „Okay, dann die nächste
Frage. Stippgrütze. Wie hoch ist denn da der
Fettanteil? Hm?“ Wieder nur entsetztes Schulterzucken.
Jetzt kam ich richtig in Fahrt. „Wissen wir das
nicht, Herr Popannes? Knipp! Dir sagt auch Knipp nichts?
Pinkel? Tote Oma? Verkehrsunfall? Weckewerk mit sauren
Gurken und Pellkartoffeln? Das sagt euch alles nichts,
oder? Alles Unterarten des rheinischen Kaviars, genannt
Flönz, der Mutter aller Blutwurstsorten. Ja,
guten Tag auch. Ich hab vorhin gesagt, hier wird jetzt
deftiger gekocht. Ihr kocht ab sofort wie Urgroßmütterchen
Lisbeth. Dazu verrate ich euch bis auf eine einzige
Zutat das heilige Flönz-Rezept von ihr. Diese
eine, fehlende Zutat werde immer ich dem Gericht beifügen,
wer damit Probleme hat, sagt das jetzt sofort, da
hinten ist die Tür! Wir lassen den Kult der legendären
Brüderschaft des Ordens der Blutwurstritter hier
und heute wieder auferstehen.“
Alle saßen wie erstarrt, und keiner verzog auch
nur eine Miene. Entschlossenheit sah dennoch anders
aus. Aber jetzt hatte ich die endgültige Kontrolle
über den Haufen. „Also, mal ein Blick auf
den Kalender, ihr Spatzenhirne. Heute ist Montag.
Bis Samstagnacht müssen wir 7,2 Tonnen Blutwurst
zum Flönz zubereiten. Kalle ist nämlich
im VIP-Bereich der Arena am Sonntag beim Spiel gegen
die Bayern der „Caterer Of The Day“. Das
Spiel ist am Sonntag um 17:30 Uhr. Dazu ist es notwendig,
dass wir in Schichten arbeiten. Ich unterstütze
das Projekt von Anfang bis Ende. Wir verarbeiten an
jedem Tag in etwa eine Tonne. Ohnehin wird die Speisekarte
hier, wer auch immer die entworfen hat, ab sofort
nur noch zum Arschabputzen benutzt. Meine Vision ist
eine Welt voller rundlicher Frauen, die blutwurstverzehrend
in einem Fünf Sterne Restaurant sitzen. Die nach
dem Essen noch die Schwarte und das Schwabbelfleisch
mit aller Hingabe verspeisen. Nie war ich dieser Vision
näher als heute. Und ihr werdet meine Instrumente
sein ...“
Jetzt ging ich oberlehrermäßig (wollte
ich immer schon mal machen) um den Tisch herum und
musterte einen nach dem anderen. Ich merkte regelrecht,
dass keiner angesprochen werden wollte, um nicht irgendetwas
falsches zu sagen. Dann ging ich zu der Frau. Sie
war nicht wirklich hübsch. Aber jung. Sicherlich
ein Grund für die Gierlappen, nach dem armen
kleinen Wesen zu grabschen „Na, wie oft wird
dir hier am Tag am Arsch gepackt? Und hinterher will´s
keiner gewesen sein. Häh!?“, fragte ich.
„Eigentlich sind die Köche hier alle sehr
nett. Mich hat noch keiner von denen unsittlich angefasst.“
Die Antwort überraschte mich. „Wie ist dein
Name?“, wollte ich wissen. „Mein Name ist
Apolonia Möhrenschläger, Herr Eichenbauer.
Aber um ihre Frage von gerade noch mal aufzugreifen:
Stippgrütze hat einen Fettanteil von 82,5 %.
Das hatten wir neulich noch in Fachkunde.“ Ich
blickte zur Decke, wo sich überraschenderweise
gerade einige Spinnen abseilten. „Ja, jaaaaa!
Vollkommen richtig! Popannes, hast du das mitgekriegt?
Die Kleine hier macht dem Küchenchef noch einen
vor. Dabei ist sie gerade mal in der Lehre. Solange
ich jetzt hier das Sagen habe, wirst du zum Zwiebelschälen
abkommandiert, denn für den Flönz werden
wir einiges an Zwiebeln benötigen. Ich denke
so 600 Kg. Unterstützen wirst du ihn.“ sagte
ich und deutete mit meinem Finger auf einen älteren
Herren. „Wie ist dein Name, mein tattriger Freund?“
Der Grauhaarige teilte mir seinen Namen mit. „Mein
Name ist Edmund Igel, hier in der Küche nennen
mich alle nur Eddie, the Eagle! Ich möchte sie
aber bitten, jemand anderen für diesen Dienst
einzuteilen, denn ich geh' am Donnerstag in Rente.
Ich könnte also maximal vier von sechs Tagen
Zwiebeln schälen. Ich bin also nicht der richtige
Mann.“ Jetzt lachte ich laut. Hämisch. „Gerade,
weil du dich davor drücken willst, schälst
du jetzt erst recht die Zwiebeln. Bis zum Abwinken!
Wenn du einmal drin bist, wird dir vielleicht gar
nicht bewusst, wann Donnerstag ist, weil in den nächsten
sechs Tagen ohnehin keiner mehr von Euch nach Hause
gehen wird. Ihr pennt hier in diesem Raum, die Frau
kriegt ein Einzelzimmer hier im anliegenden Hotel.
Ich hab doch gesagt, hier weht jetzt ein anderer Wind.
Hier herrscht jetzt Orkan Eichenbauer ...“ Der
Mann blickte mich verbittert an, gab abermals Kontra.
„Herr Eichenbauer, ich werde sehr wohl wissen,
wann Donnerstag ist, denn schauen sie mal, ich habe
hier so ein Maßband wie bei der Bundeswehr,
allerdings für Rentner. Da sind nur noch vier
Zentimeter übrig, was soviel bedeutet, wie: in
vier Tagen habe ich meine Rente durch. Da, sehen sie?“
Er holte ein 4 cm langes Maßband aus der Brusttasche
seines Kittels.
„Ist ja interessant. Gib mal her, Edmund.“
Ich nahm mir felsenfest vor, weiterhin Edmund zu sagen,
da ich meines Empfinden nach schon genug Eddies in
meinem persönlichen Umfeld hatte. Dann nahm ich
das Maßband, warf einen Blick darauf und steckte
es in meine Hosentasche. „Und du schälst
doch die Zwiebeln. Edmund. Kein Aber und kein Palaver.
Popannes und Edmund, ab zum Dienst. Zwiebeln schälen.
Aber dalli-dalli.“ Die zwei verließen griesgrämig
den Tisch, gingen zu den Spinten in der Ecke und zogen
sich ihre Schiffchen über. Irgendwas stammelten
sie vor sich hin. Dann gingen sie aus dem Raum und
knallten noch laut die Türe zu. Ich wollte ihnen
zwar noch hinterher, um ihnen die Leviten zu lesen,
doch Kalle stellte sich mir in den Weg und flüsterte
„Komm, jetzt lass doch gut sein, wir haben keine
Zeit für den Mist! Teil die restlichen Leute
auch noch eben ein.“ Ich schnaufte durch. „Okay,
zwei Leute haben wir schon einmmal gefunden. Wir wollen
das Gericht ja so richtig blau-weiß haben, daher
brauchen wir zwei Leute, die das Blaukraut zubereiten.
Irgendwer, der sich freiwillig meldet?“
Tatsächlich hoben sich einige Hände, so
dass ich sogar noch ausselektieren musste. Dann teilte
ich noch die Abteilung Stampfkartoffeln ein und schließlich
noch Ablösen für jede einzelne Schicht.
Die Verbliebenen teilte ich für das Tagesgeschäft
ein, und von der Speisekarte strich ich 14 von 38
Gerichten, fügte Graupensuppe, Grünkohleintopf
und Saure Zipfel hinzu. Den Rest wollte ich später
noch umschreiben. Als alle eingeteilt und bereits
im Haus aktiv waren, ging ich wieder zu Onkel Kalle,
der mich freudestrahlend umarmte. „Jetzt umarme
ich dich schon das zweite Mal heute. Denk nicht, dass
ich eine warme Ader habe. Mein lieber Schwan, du hast
ja einen eigenartigen Führungsstil. Nicht dass
die dir eines Tages auflauern. Bislang hatten wir
nur Restaurantleiter, die einen kollegialen Führungsstil
bevorzugten. Aber warum nicht mal etwas Neues, wir
müssen einfach innovativ sein!“ „Onkel
Kalle. Du hast vorhin gesagt, dass du echt fast alles
besorgen kannst, stimmt das?“, fragte ich ihn.
Er nickte. „Mein Junge, ich bin einer der einflussreichsten
Herrschaften aus dem Ruhrgebiet, stehe wahrscheinlich
noch vor Wolle Petry und Toto und Harry, ich kann
wirklich alles klar machen, egal was du willst. Transen,
Nutten, Hühner, Matchboxautos - was willst du
haben?“ Ich hatte jetzt bei diesem Anliegen ein
Kloß im Hals. „Nein, mir reicht Ilse. Weißt
du, die Jungs sind ja allesamt – gelinde gesagt
– nicht mehr die Jüngsten. Ich mach mir
ehrlich gesagt ein wenig Sorgen, dass sie das Hammer-Programm,
welches nun bevorsteht, nicht durchhalten und wollte
da ein wenig nachhelfen. Also, um es kurz und knapp
auf den Punkt zu bringen, wir brauchen ein wenig Marschierpulver,
also ein bissken Pep, verstehst du?“ Jetzt blickte
er erstmals leicht verstört.
„Tut mir leid, aber das ist nicht meine Baustelle,
denn ich habe seinerzeit die Aktion des DFB „Gib
Drogen keine Chance“ maßgeblich mit unterstützt.
Hm, oder war es „Keine Macht dem AIDS?“
Ich werde langsam alt. Aber wenn wir gleich meinen
Butler Kurt treffen, kannst du ihm den Auftrag geben,
er hat da so seine Quellen. So, und jetzt zieh ich
mir erst mal einen Hörnertee rein.“ Er fischte
aus dem C & A Sakko eine kleine, silberne Flasche
und nippte mehrfach und hastig daran. Schließlich
verließen auch wir den Aufenthaltsraum und gingen
durch die große Lobby im Flur. Vorbei an pompösen
und blankpolierten Ritterrüstungen, vorbei an
einer unbesetzten Begrüßungspforte, und
endlich kam auch der Butler die riesige Treppe herunter.
„Ah!“, sagte Kalle, „Da ist ja auch
der Mann, der dir jetzt erst mal dein Zimmer zeigt.
Hans-Rüdiger, darf ich dir vorstellen: mein persönlicher
Angestellter Kurt Kurtensen. Kurt Kurtensen, zeigste
ihm kurz das Zimmer? Und du Hansi, fragste wegen des
Marschierzeugs? Ich werde jetzt erst mal zur Ilse
abdampfen, wir wollten Briefmarken gucken. Hans-Rüdiger,
ich hoffe, du findest dich hier schnell zurecht. Bis
später mal. Fredo wollte mich jetzt gleich wieder
abholen, aber du bleibst hier und hältst die
Stellung ...“ Dann schritt er von dannen, und
ich stand mit dem Butler alleine im Flur.
Ich wollte ihm noch einige Sachen hinterher rufen,
doch der Mann auf der Treppe nahm mich an die Hand.
„Sie müssen jetzt in ihr Zimmer!“ Und
jetzt schaute ich ihn mir erstmals genauer an. Der
übergroße Butler war zum Fürchten.
Er hatte einen riesigen Buckel und einen extremen
Silberblick. Vorne im Mund hatte er einen Goldzahn,
darüber hinaus wuchsen ihm Haare aus den Ohren.
Ein echt widerwärtiger Kerl. „Soso,“,
säuselte er, „du bist also unser neuer Restaurantleiter?
Hans-Rüdiger, ich habe schon sehr viel von dir
gehört. Hast du deinen Karmann Ghia noch? Meine
Frau hatte ja Fünfundsechzig auch mal einen.
Damenporsche haben wir da früher zu gesagt.“
Wie oft hatte ich diese Sätze schon in meinem
Leben gehört. „Ja, ich weiß, ich hab'
ihn auch noch! Und ich kenne auch diesen Damenporsche-Mist
zu genüge.“ Wir gingen die große Wendeltreppe
rauf. „Karl, ich soll dir sagen, also, äh,
um es kurz zu machen: besorg für morgen bitte
50 Gramm Schnelles. Das brauchen wir, damit die Jungs
ein wenig mehr Motivation in die Knochen bekommen!
Ab morgen arbeitet ja jeder von denen ca. 17 Stunden
am Tag.“
Er nahm einen Block aus seiner Jackentasche und notierte
sich etwas schnelles. „Die Jungs da unten brauchten
mal einen ordentlichen Arschtritt. Wie lange ist der
Laden hier jetzt eigentlich schon ohne Restaurantleiter
ausgekommen?“, fragte ich neugierig. „Ach,
ich glaube, es waren jetzt fünf Tage oder so.“,
entgegnete mir der Butler. „Ja, wie – und
dann einfach die Papiere in die Hand gedrückt?
Was hat er denn falsch gemacht? Kalle meint, dass
er zu nett war. Stimmt das?“ Ich wollte dem ätzenden
Butler unbedingt ein Gespräch aufzwingen, denn
die Treppen nahmen erstens kein Ende und zweitens
wurde es eigenartigerweise immer dunkler. Es erschien
mir mit dem Mutanten im Butlergewand schon fast düster.
Dann endlich etwas Licht in einem langen Gang, in
der Mitte des Ganges eine Holztüre, die er mit
einem riesigen Schlüssel aufschloss. Die Türe
knarrte, und innen drin war es stockduster. „Er
war zu nett, ja. Aber er ist nicht
gekündigt worden. Er ist leider verstorben. Bitte
trete in dein Zimmer ein.“ Jetzt stockte mir
erst recht der Atem. „Wie, er ist gestorben?
Wie denn? Woran?“ Ich zitterte, hoffentlich würde
er es nicht bemerken. Der Riese baute sich jetzt vor
mich auf und drängte mich regelrecht in das Zimmer.
„Bitte gehe jetzt in dein Zimmer.“ Dann
drückte er mich einfach in den Raum rein, gegen
diese riesigen Pranken hatte ich keine Chance. „Ja,
er ist gestorben, aber darüber kann und darf
ich mit dir nicht reden, schließlich ist das
Verfahren noch nicht abgeschlossen. Die Förster
ermitteln noch.“
Dann nahm er den Türgriff in die Hand, zog die
Türe zu sich, sie rastete ins Schloss. Ich hörte,
wie er von außen die Türe wieder verriegelte.
Er sperrte mich ja ein. Um Himmelswillen. Ich bekam
Angstzustände. Polterte gegen die Tür. „Mach
auf, hier ist es total dunkel und ich habe Angst im
Dunkeln. Ich habe Angst vorm Bullemann. Woran er ist
er gestorben?“, schrie ich hysterisch durch die
dicke, alte Holztüre. Von Außen hörte
ich noch die flüsternde Stimme des Butlers „Er
wurde ermordet ... hier in diesem Schloss. Baphomet
wird sich morgen Nacht für uns erheben. Und du
wirst unser Opferlamm sein ...“
(fsl)