Hans-Rüdiger Eichenbauer taumelt angeschlagen durch die Gegend. Nach einem Treffen mit Manfredora Kuss erleidet er eine kurzzeitige Amnesie. Verzehrte Bilder und ein verlorenes Zeitgefühl sind der Preis für das „Öffnen“ seiner Gedanken gegenüber dem Kammerjäger, der sich in Wirklichkeit aber als hellseherisches Medium entpuppt. Eichenbauer war scheinbar ein Köder für miese Machenschaften seitens seiner ach so heiß geliebten Ilse. Doch innerlich hat er immer noch die Hoffnung, dass sich die mysteriösen Ereignisse der vergangenen Tage noch zum positiven wenden. Er liebt sie doch …


PHASE X – "Sex Sells"

(MÄRZ 2005) Ich hatte mich ein paar Tage nicht mehr aus Eddys Wohnung getraut und mein Handy längere Zeit ausgeschaltet gelassen, da ich nach der Begegnung mit dem Kammerjäger leicht verwirrt war. Die Dinge, die er aus meinen Gedanken entnommen hatte, waren sehr abstrakt, irgendwie auch unlogisch. Ilse eine Voodootante? Ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen. Eddy hatte mir in den letzten Tagen freundlicherweise seine nagelneue Leder-Schlafcouch zu Verfügung gestellt, nachdem ich ihn die Geschichte mit dem Kackhaufen und den Fliegen in meiner Wohnung erzählt hatte. Mehr hatte ich jedoch nicht preisgegeben, da ich die Geschehnisse noch nicht ganz einordnen konnte und mich nicht zum Affen machen wollte. Mir taten auch immer noch die Knochen weh, da ich mich auf dem steilen Berg an der Schönscheidtstr. mehrfach mit diesem unkontrollierbaren Snakeboard auf die Fresse gelegt hatte. Es war in den letzten Tagen eine Menge passiert, diesmal jedoch nicht in meinem Leben, sondern in dem von Eddy. Eigentlich war es schon fast zu viel des Guten! Er war urplötzlich zu Geld gekommen. Eddys Schlafzimmer erstrahlte in neuem Glanz, ein 10 m³ Wasserbett stand auf einer Drehscheibe im Zentrum des Raumes, so dass das Bett sich innerhalb des Zimmers drehen konnte.

Dafür war extra der Statiker raus gekommen. Ebenso war die ehemalig spärliche Schlafkammer seit neustem mit versteckten Kameras in Spiegeln ausgestattet und über einen Webstream im Internet übertrug Onkel Eduard seine Treffen mit Frau Thun und Frau Aufderlauer. Natürlich wussten sie nichts davon. Die Technik hatte ihm sein Freund Nicolay-Aloisius eingerichtet, der offensichtlich aus allem Gold machen konnte. Kamen die beiden Schnecken, dann musste ich mich verstecken oder zwischenzeitlich das Weite suchen. Eddy hatte nach wenigen Tagen schon etliche zahlende Abonnenten durch seine Internetseite gewinnen können, so dass er mir sogar schon den geliehnen Tausender zurückgezahlt hatte. Durch seinen neuerlichen Reichtum konnte er vor den beiden Miezen nach wie vor den „Calli“ raushängen lassen. Wenn sie sich fragten, warum er in Huttrop seine Wohnung hatte, erklärte er, dass sie nur eines seiner vielen Appartements darstellte. In Eddys Kühlschrank tummelten sich neuerdings Luxusspeisen á la Kaviar und Hummerfilets - die alten Käsehappen waren vergessen. Von einem Lieferanten hatte er für Heidengeld ein paar Liter des japanischen Edelwassers Rokko No 1 geliefert bekommen. Die Bude glänzte - seitdem er sich eine Putzfrau leisten konnte - ebenso und die Einrichtung war nicht mehr dieselbe, wie noch in predynastischen "Calli"-Zeiten. Seine Anzüge ließ er sich mittlerweile bei Big Bock maßschneidern und sein Roller war gegen ein schwarzes Chrysler Cruiser Cabriolet ausgetauscht worden. Er spielte die Calli-Rolle leidenschaftlich und fast perfekt. Hin und wieder vergaß er sogar, normal zu werden, wenn wir alleine waren. Wie viel ihm seine Webseite tatsächlich einbrachte, darüber sprach er nicht gerne. Ich sagte ja, es war viel passiert …

"In diesem Land musst du Geld machen, mein Jung. Und wenn du Geld hast, dann hast du die Macht. Und wenn du die Macht hast, dann kriegst du auch die Frauen. Deswegen muss ich auch mein eigenes Ding machen." sagte er mir eines Abends, als ich ihn ins Gewissen reden wollte. „Wenn du nicht so ein Lappen wärst, Hans-Rüdiger, würde ich dich ja auch mal mit den beiden Königstigern spielen lassen … aber du denkst ja immer noch an deine Ilse, obwohl ja mehr als sicher ist, dass sie dich von vorne bis hinten beschissen hat! Ilse hier, Ilse da …“ Mir wurde beim Thema Ilse immer sehr flau im Magen, da ich sie wirklich liebte und auch irgendwie nicht glauben konnte, dass sie mir was Böses tun wollte. Außerdem erschienen mir weder Greta noch Ludmilla halbwegs attraktiv zu sein, doch vielleicht war ja auch mein Geschmack durch Ilses Einwirkung verkalkt. Zumindest vom Bart her erinnerte mich eine der beiden aber tatsächlich an einen Tiger, hin und wieder lag auf Eddies Marmorbadewannenrand Ludmillas Tigertanga, der aber nicht nur nach Safari aussah, sondern auch danach roch. Außerdem verstand ich bei Eddy nicht, warum er immerzu auf Ilse herumhackte. Sie war doch eigentlich immer so lieb gewesen, hatte mir diese tollen Gegenden in Gelsenkirchen gezeigt, u.a. die Emscher, den Stadtpark und den Rotthauser Markt. Vom orientalischen Wochenendflohmarkt an der Trabrennbahn ganz zu schweigen. Ich durfte immer mit ihrem Hund raus, den ich so sehr in mein Herz geschlossen hatte. Ich vermisste sie, traute mich aber nicht, es Eddy gegenüber zu äußern, da er irgendwie sehr kaltherzig geworden war. Kaltherzig – aber stinkreich. Ich fragte mich seit einigen Tagen, ob Geld wirklich den Charakter verändert.

Seitdem ich Ilse die 5000 € gestohlen hatte, waren fast acht Tage ins Land gezogen. In Eddys Leben war richtig Zunder rein gekommen, ich dagegen hatte üblen Liebeskummer, der von Tag zu Tag schlimmer wurde. Ich war daher auch bereit, sie telefonisch zu kontaktieren, um die Sache endgültig zu klären. Wenn sie mich tatsächlich betrog, dann würde eh alles egal sein, aber ich brauchte jetzt langsam aber sicher Gewissheit. Eddy hatte eine neue, mächtige Telekommunikationsanlage in seinem Serverraum stehen (er hatte das Gästeklo kurzerhand zum Serverraum umfunktioniert, da zu viel sichtbare Technik in der Wohnung sonst seine beiden Freundinnen zu hellhörig hätte machen können). Die Wohnung war ein regelrechtes Hightech-Lager. „Wenn ich Ilse nun anrufe, Eddy, kann sie den Anruf dann zurückverfolgen? Ich mein, nicht, dass ich ihr das zutraue, aber man kann ja nie wissen …“ Eddy lachte laut. „Hömma, das ist momentan die beste TK, die man auf dem Markt bekommt. Die hat einen integrierten Fangschaltungs-Detektor. Ilse könnte das BKA in ihrer Hütte haben, die würden uns trotzdem nicht orten können! Das Scheiß BKA hat sowieso vor nichts Respekt!" Ich blickte ihn fragend an. "Ich war mein Leben lang niemals unvorsichtig, “ fuhr er fort, „Frauen und Kinder können unvorsichtig sein, aber nicht Männer. Meine TK ist weentlich sicherer als der Aufschwung Ost!"

Ich war irgendwie erleichtert, auch wenn Eddy mit seinen Äußerungen schon einen leichten Hang zum Größenwahnsinn durchsickern ließ. Ich fühlte mich jedoch auch schwermütig, denn ich hatte Angst vor dem Telefonat. Ilse würde bestimmt einen Mörderhals schieben. Doch ich war jetzt in der Meldepflicht. Mir steckte ein Kloß im Hals. Ich griff mir das schnurlose Telefon und setzte mich ins Wohnzimmer auf die neue Couchgarnitur. Eddy ging ins Bad. „Ich rasier mir mal eben die Flöte und das Gesicht …“ brüllte er durch den Korridor. Dann wählte ich Ilses Nummer. Tuuut. Tuuut. Am anderen Ende dann Ilses zauberhafte Stimme … „Ilse Hatsevon …“ – „Ilse, leg nicht gleich wieder auf, hier ist Hans-Rüdiger! Hör mich bitte an …“ sagte ich. Dann ein Moment Stille. „Hans-Rüdiger, wo steckst Du denn? Ich mach mir solche Sorgen um dich …“ Hatte sie das gerade wirklich gesagt? „Ilse, ich bin bei einem guten Freund, ich musste ein paar Tage Abstand gewinnen, weil ich mit dem Geld eine große Dummheit gemacht habe und mich auch irgendwo schäme. Tut mir leid, ich kann jetzt verstehen, warum du die Türen immer abgeschlossen hast. Jetzt ist dein Handeln ja sogar gerechtfertigt. Ich hab nur Blödsinn im Kopf …“ winselte ich den Tränen nah in die Muschel.

„Hach, Hansibär, das ist doch nur Geld. Die Schulden kannst Du gerne bei mir abarbeiten – wie, das kannst Du dir sicherlich denken. Wichtig ist doch, dass es meinem kleinen Hasen gut geht.“ Meine Laune stieg erneut. „Ach, Ilse, dann bist Du überhaupt nicht Böse auf mich? Und ich versinke hier seit Tagen im Selbstzweifel! Man, bin ich erleichtert. Aber sag mal, was hast Du denn mit Charlie Newmann am Hut? Woher kennst Du ihn?“ Ilse lachte einmal richtig süß auf der anderen Seite. „Ach, dann bist du meinem Onkel Charlie schon begegnet? Ist er nicht wirklich nett? Er will uns zum Heimspiel gegen die Bayern ins Stadion einladen. Dich und mich … ist das nicht toll?“ – „Wie, er ist dein Onkel? Warum hast Du mir das denn nicht gesagt? Warum hast Du mir diesen Mist mit dieser Ulrike-Eva Kapp erzählt? Du kannst mir doch eigentlich alles erzählen …“ Ilse war jetzt ein paar Momente lang ruhig. „Hans-Rüdiger, wenn ich dir von vornherein erzählt hätte, dass ich so einen prominenten Onkel habe, dann hättest du mich vielleicht doch nur deshalb als deine Ische haben wollen. Ich wollte aber sicher sein, dass du mich auch so nimmst … Ich liebe dich. Komm vorbei, ich brauch dich jetzt total nötig!“ Jetzt zweifelte ich eigentlich nicht mehr an ihrer Aussage. Die Worte des Kammerjägers kamen jedoch wie gerufen in mein Gehirn zurück. „Trete allen Personen, die dich in der näheren Zukunft kontaktieren werden, stets mit allergrößtem Misstrauen entgegen und treffe dich mit den Vertretern der anderen Seite nur noch an neutralen Orten, bis es von mir eine Entwarnung gibt.“ Ich atmete einmal tief durch. Was tun? Ich wollte sie ja auch sehen … „Ilse, ich würde mich gerne mit dir treffen, …“ – „Aber?“ – „Ich bin krank seit ein paar Tagen, habe Fieber und Dünnpfiff. Es wäre nicht gut, wenn wir uns heute treffen würden!“ Ilse schnaufte in den Hörer. „Ich kann dich doch pflegen. Du weißt doch, meine Pflege ist einzigartig, Hansi-Bär. Komm vorbei und erzähl mir keinen vom Pferd. Ich brauch jetzt einen Mann wie dich!“ Ich wurde beinahe wahnsinnig.


Der Reiz war größer als die Worte dieses unbekannten Kammerjägers. Ich kannte Ilse doch schon eine Weile, den komischen Typen hatte ich erst einmal gesehen. Eddy hatte bislang von diesem Telefonat noch nichts mitbekommen, da er immer noch im Bad beschäftigt war. Ich fing an zu flüstern. „Schatz, ich bin gleich bei dir. Mach dich schon mal frisch!“ Sie klang erleichtert. „Oh, Gott sei dank kann ich dich gleich in meine Arme schließen. Den Schlüssel müsstest du ja noch haben. Am Schloss habe ich jedenfalls nichts verändert, daran kannst du ja mal sehen, dass ich dir immer noch vertraue, mein kleiner süßer Fratz.“ – „Ilse, der Schlüssel ist aber in meiner Wohnung, ich werde da vorher nicht mehr vorbeikommen, ich benutze unser altes Klingelzeichen!“ – „Alles klar, beeil dich … ich warte!“ stöhnte sie in den Hörer. Jetzt war mir nicht nur warm ums Herz geworden. Mit solch einem Ausgang dieses Telefonates hatte ich nicht gerechnet. Ich brachte den Hörer zur Basisstation zurück. Dann flötete ich „All We Are“ von Warlock lautstark vor mich hin. Eddy kam mit einem Handtuch um die Schulter alsgleich aus dem Badezimmer gestürmt. Er hatte noch Rasierschaum am Träger. „Was hast du denn auf einmal für eine verschissen gute Laune, Hans-Rüdiger?“ fragte mich Eddy bestimmend. „Hat sie dich etwa wieder um den kleinen Finger gewickelt?“

Ich sah ihn verstört an. „Hör mal zu, die wickelt mich überhaupt nicht um ihre Finger, die kann bleiben wo der Pfeffer wächst. Sie hat mir aber mit dem Geld gewissermaßen verziehen und mir einen Kredit eingeräumt. Darf ich denn da keine gute Laune haben?“ Eddy packte mich mit seinen mächtigen Pranken an die Schulter und drückte mich mit Leichtigkeit vom Korridor in das Wohnzimmer. „Komm, setz dich mal dahin, ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde mich dein Schicksal nicht interessieren, immerhin bin ich durch diese VIP-Karten für die Heavy-Metal-Pommesbude ja auch irgendwo, na sagen wir mal, geldtechnisch gesehen, sorgloser geworden. Sie hat dir einen Kredit gewährt? Wie will diese billige Aushilfskellnerin dir denn einen Kredit gewähren? Das Geld bekommst du natürlich ohne wenn und aber von mir. Das kannst Du ihr dann zurückgeben. Mir brauchst du es weder heute noch morgen noch übermorgen wieder zu geben. Das kannst du mir ruhig in 10 € Raten zurückzahlen. Wofür hat man denn Verwandte? Ich hab doch jetzt fett Patte, da musst du dich doch nicht noch abermals von dieser Schnepfe weich klopfen lassen. Außerdem hat sie sich von diesem Charlie Newmann tackern lassen, die würde ich mit der Kneifzange nicht mehr anfassen …“ - „Eddy, der Newmann ist ihr Onkel, da waren wir wohl beide auf dem Holzweg. Hätte mich auch schwer gewundert, wenn sich eine 32-jährige attraktive Frau von einem über 70-jährigen hätte bürsten lassen, nur weil dieser andere finanzielle Mittel als ich hat.“ Auf Charlies Körperproportionen ging ich nicht weiter ein, um Eddy nicht vor den Kopf zu stossen. Er griff jetzt in die Ablage unter dem Glastisch, wo diverse Klatschmagazine lagen.

„Guck mal lieber hier rein, Hans-Rüdiger, wenn du das nächste Mal ein Ei legst, und lass mal deine blöden Rätsel ruhen. Dann wirst du vielleicht sehen, dass die Kombination „Frau Jung – Mann tattrig und reich“ keinesfalls selten in der Highsociety ist. Anthony Quinn war 81 als er das letzte Mal Vater geworden ist, seine Frau war 35 als sie geworfen hat. Geld macht nun mal sexy, das wirst du aber auch noch lernen. Wenn Newmann ihr Onkel ist, dann lass dir ein Stammbuch zeigen. Liebt sie dich wirklich, dann wird sie auch jeden Zweifel deinerseits ausräumen wollen und kooperativ sein. Liebt sie dich nicht, dann lässt sie sich irgendeine Scheiße einfallen …“ Ich sagte jetzt nichts mehr, Eddy war dann und wann einfach sehr überzeugend und einen Beweis für das Auftauchen dieses angeblichen Onkels gab es wirklich nicht. Onkel Eduard griff nun in die Mahagonie-Designer-Kommode des Wohnzimmers und zog eine grün-braune Geldbörse aus eben jener. Sie war aus echtem Krokodilleder und wirkte neu. „Sag mal, seit wann hast Du denn so ein pompöses Portemonnaie?“ fragte ich ihn. „Mensch, sei doch nicht immer so neugierig. Durch meine Liaison mit Ludmilla und Greta habe ich halt ein paar Talerchen verdient, schau dich doch mal hier um … durch dieses Techtelmechtel kann ich mir den ganzen Rotz hier überhaupt leisten. Und alles, weil ich mich nicht in eine von beiden verliebt habe. Liebe macht blind, Junge. Wann begreifst Du das endlich?“ Er öffnete die protzige Tasche und fischte zehn 500 € Scheine heraus. „Hier! Nimm das Geld, bring es dieser Giftschlange und sieh zu, dass du bis heute Abend irgendwo unterkommst. Du könntest mal wieder Tante Hille, Onkel Gisbert und Großcousin Hanniball besuchen, die haben letztens schon nach dir gefragt. Großcousin Hanniball hat jetzt eine Lehre als Edelfleischer angefangen, vielleicht kommen wir durch ihn an Alligatoren- oder Kängurufleisch. Der Preis spielt keine Rolle …. Ach, und ich bin inzwischen doch dafür, dass wir uns das Spiel aus dem Vipbereich gegen die Bayern geben. Wir kleiden dich ganz schick ein und dann lade ich dich als Gegenleistung für die Pommesbuden-Party mal ein. Wir machen einen drauf.“

Dass Eddy die Karten für den Luftgitarrenwettbewerb gewonnen hatte, hatte ich beinahe verdrängt gehabt. Das Spiel war in wenigen Tagen. „Okay, wir können gerne hingehen, ich freu mich sogar darauf. Dann siehst du vielleicht, dass die Schalker eigentlich alle total nett sind …“ Eddy schüttelte sein Haupt. „Nee, die sind mir scheißegal, aber ich habe eine großartige Idee, wie man vielleicht noch mal ein paar Mark verdienen kann. Aber versteh mich nicht falsch, Hanseken, du musst so langsam aber sicher mal die Biege machen, in 20 Minuten kommen Greta und Ludmilla. Ich will die beiden Sahneschnittchen mal auf der Ledercouch bürsten, um die neue Miniatur-Zigarettenschachtelkamera da hinten in der Vitrine zu testen. Meine dämliche Kundschaft wünscht immer neue Kameraperspektiven. Ich verspreche dir, auf die Garnitur kommen auch keine Flecken drauf, da sie ja momentan gewissermaßen auch dein Bett ist. Wir sind totale Verfechter von Safersex, wir drei. Ich hoffe, du hast auf deiner Ilse auch stets auch mit Kapuze geturnt, nicht, dass die dir irgendwann so mir nichts dir nichts ein Blach unterjubeln will. Sonst stehst du nämlich im Regen!“ - „Verzeih meine Ausdrucksweise, Eddy - aber Ilse ist, als ich sie kennen gelernt habe, verklemmt gewesen! Sie war wie ein scheues Reh. Ich habe ihr einen Klumpen Kohle in den Arsch gesteckt und hatte nach zwei Wochen einen Diamanten! Wenn Du verstehst! Erst danach war sie lockerer! Wir konnten ja vorher immer im Dunkeln miteinander … na du weißt schon! Dingens. Ich brauch dir ja keine weiteren Details darlegen.“

Jetzt wollte er mir die 5000 € in die Hand drücken, ich hatte aber ein eher ungutes Gefühl dabei …„Eddy, das kann ich leider nicht annehmen, tut mir leid. Das Geld hast du nur verdient, weil Du andere hintergehst … das finde ich nicht fair.“ Eddy wurde etwas lauter. „Nimm die Scheiß-Kohle, oder es ich spiel auf deinen Zähnen Xylophon! Wie ich zu dem Geld gekommen bin, ist doch egal. Was spielst du hier das Unschuldslamm, wenn du die fünf Mille selber jemanden abgezockt hast? Seit dem Abend in der Heavy-Metal-Pommesbude läuft mein Leben endlich in die richtige Richtung. Da muss ich mir hier nicht so eine Moralapostel-Scheiße geben. Betrachte es als faire Geste mit dem Geld. Und glaub mal, das ist noch lange nicht das Ende – in der blau-weißen Sippschaft steckt noch viel mehr Patte, als wir uns das in unseren kühnsten Phantasien ausmalen können. Werde ich reich, wirst du es auch – du bist mein Neffe … also nimm das Geld.“ Oha, die Ansage hatte gesessen, er hatte Recht, zumindest was die Sache mit dem Unschuldslamm anging. Über den Rest machte ich mir keine Gedanken, er duldete ja auch keinen Widerspruch. Ich schnappte mir also das Geld, steckte es in meine Hosentasche und stand von dem Ledersessel auf. „Eddy, ich bin dir wirklich dankbar, so habe ich die Sache wenigstens nicht mehr mit dieser Schnepfe am Hals … ich muss sie aber heute treffen, damit die Sache aus der Welt ist. Ich besuche Tante Hille und Co ein anderen Mal.“ – „Ja, geh jetzt aber bitte, aber lass dich nicht von ihr blenden. Frauen können ganz schön gerissen sein.“

Ich schnappte mir meine Daunenjacke und verließ in Gedanken vertieft die Wohnung. In den letzten Tagen war ich höchstens mal zur Bude gegangen, oder eine Runde im Park spazieren, wenn Eddy von zu hause aus „arbeitete“. Heute musste ich erstmals seit dem Treffen mit dem Ungeziefermann wieder selbstständig vor die Türe. Wenn ich all das Geschehene so Revue passieren ließ, dann war es schon ganz schön verrückt, wie sich mein Leben seit dem letzten Sommer verändert hatte. Ich war lange nicht mehr an der Hafenstrasse gewesen, mittlerweile wusste ich nicht mal mehr, wann die Roten spielten. Wenn ich irgendwo ein paar Ergebnisse sah, registrierte ich sie zwar beiläufig, aber irgendwie war das Feuer raus. Ganz anders hingegen meine Einstellung zu den Knappen. Sie hatten regelrecht ein Interesse in mir ausgelöst. Glaubte ich den Worten von Manfredora, war es alles Ilses Schuld. Sie hatte wohl irgendwie einen Hang zum Okkulten, doch an so was glaubte ich nicht wirklich, auch wenn die Begegnung mit ihm natürlich schon ganz schön harter Tobak war. Vielleicht wollte man mich auch auf die Schippe nehmen. Huub hatte in meine Bude geschissen und daraus sollte man irgendwelche Zeichen ablesen können? Innerlich lachte ich hämisch. Ich ging am Wasserturm vorbei zur Bushaltestelle. Wenn ich ehrlich zu mir war, hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich überhaupt vor einigen Tagen zu Eddy in die Wohnung gekommen war.

Ich hatte noch diese verschwommenen Bilder vor Augen, als ich durch diesen Menschenpulk ging. Alle waren freundlich, alle herzten mich regelrecht. Doch die Bilder waren zu verworren, wirklich erkennen konnte ich nichts. Waren es Visionen? Waren es vergangene Erlebnisse, die ich so nicht mehr ganz zuordnen konnte? Waren es einfach nur Traumsequenzen? Ich hatte keine Ahnung, glaubte allmählich, den Verstand zu verlieren. Ich hatte aber die Ahnung, dass ich jetzt mächtig Gas geben musste, um den Bus noch zu erreichen, da er bereits an der Haltestelle stand. Durch einen waghalsigen Parcourslauf über die Brückenplatte am Wasserturm erreichte ich den langen Gelben noch rechtzeitig. „Django zahlt heute nicht!“ entgegnete ich dem verdutzten Busfahrer und zog mein Schokotiket aus der Tasche. In Kray angekommen, schmiss ich mich gleich in mein gelbes Mobil, es sprang auch sofort an, obwohl es schon ein paar Tage in der Eiseskälte herumstand. Ich bemerkte auch gleich, dass mir irgendein Penner die Antenne abgebrochen hatte. Ich war aber zu riemig, um mich wirklich darüber aufzuregen und freute mich auf Ilse. Ich hatte regelrecht ein "Hoch"-Gefühl. Mit ihren Worten am Telefon hatte sie mich in Fahrt geredet. Also wollte ich auch keinerlei Zeit verlieren. Kaum hatte ich die Stadtgrenze von Essen zu Gelsenkirchen durchkreuzt, bekam ich ein Schwindelgefühl und musste erstmal rechts ran fahren. Was war denn nun los? „Biste etwa so nervös?“ scherzte ich mit meinem kleinen Hansi. Da Ilse ja nur wenige Kilometer von der Stadtgrenze entfernt lebte, bemerkte ich erst nach dem „Ranfahren“, dass ich bereits vor ihrer Haustüre parkte. Mein Herz pochte.

Als ich wie verabredet klingelte und sie mir die Türe aufdrückte wurde das Pochen unerträglich. Ich hatte Bammel. Eigenartiger Weise bellte der Hund nicht, er kam mir auch nicht entgegen. Ich schlich die Treppen beinahe hoch, wie ein begossener Pudel, wo wir schon mal beim Thema Hund sind. Sie stand bereits im Türrahmen ihrer Wohnungstüre und hinter ihr erhellte die Deckenlampe das signierte Poster der Schalker Pokalsiegermannschaft, welches an der Wand klebte. Oh Gott, was sollte ich nur tun? Sie war schöner denn je. Ich zitterte am ganzen Leib. Fast schon unbewusst griff ich in die Hosentasche und zog das Geld heraus. „Ilse, ich habe dein Geld noch nicht angerührt, ich wollte es nicht ein Mal nehmen. Verzeih mir bitte. Aber sag mal, wo ist eigentlich der vierbeinige Kacker abgeblieben?“ - „Du hast mir zwar einen derben Schrecken eingejagt und eigentlich wollte ich mit Onkel Charlie zu der Veranstaltung gehen, aber du bist mir doch viel zu wichtig. Gib her die Asche!" Sie steckte das Geld in ihr überproportionalgroßes Dekollete. "Huub ist leider seit ein paar Tagen in ambulanter, tierärztlicher Behandlung, er hat gegen Ende nur noch rumgeschissen, dieses Mistvieh! Gott sei dank hat Onkelchen den Hund dort hingebracht und mir schon versichert, dass er alle anfallenden Kosten übernehmen wird. In drei Tagen sind wir schlauer, aber bislang wissen die Tierärzte von der Klinik auch nicht wirklich mehr." - „Das mit dem Hund tut mir leid. Es wird ihm hoffentlich bald besser gehen. Ich kann es auch verstehen, wenn du mich nicht mehr magst, Ilse, aber mein Herz schlägt immer noch nur für dich und ich bin auch ehrlich gesagt rattig ohne Ende. Ich brauch mal wieder ein bissken Melonenstemmen!“ Ilse wusste zunächst nicht, was sie zu soviel Direktheit sagen sollte. Sie bat mich dennoch einzutreten. Im Badezimmer plätscherte das Badewasser. Auf der Waschmaschine standen ein paar lustig zusammengebastelte Kastanienmänneken. Einige hatten sogar Fußballtrikots an. Sie war nach wie vor die saubere Frau, die ich einst kennen und lieben gelernt hatte, da sie eigentlich den ganzen Tag über nichts anderes machte, als zu baden. Ich ging ins Bad, griff nach einer dieser Puppen im S04-Kostüm und just in jenem Moment rutschte ich auf dem Toilettenvorleger so unglücklich aus, dass ich mit meinem Oberkörper ins Badewasser eintauchte. Ilse wurde ebenso von der - nach oben schwappenden - Wasserfontäne ergriffen und auch ihr Haar war alsbald nass. Doch wir waren beide überhaupt nicht sauer. Die Szene hatte was.

„Weißte was das blöde am echten Leben ist, Ilse? Dass es für bestimmte Situationen keine Musik gibt, die von alleine irgendwie angeht. Jetzt würde die Titelmelodie von Non-Stop-Nonsens ideal zu dieser Situation passen …“ - Ilse blickte bedröppelt drein, sie war so süß. Dann griff sie nach den Handtüchern im Regal über sich. „Hier, wir sollten uns erst mal trockenlegen...“ Ich griff nach dem Handtuch, welches sie mir reichte, aber anstatt mich selbst abzutrocknen, begann ich ihr Haar abzutupfen und trat dabei dicht hinter sie. "Ja, das sollten wir tun... warum hat die eine Kastanienpuppe denn ein Schalke-04-Trikot an?", flüsterte ich in ihr Ohr und Ilse wurden scheinbar die Knie weich. Ahnte sie, was nun kommen würde? Sie wehrte sich jedenfalls nicht, als sie meine Hände spürte, die ich auf ihre Schultern legte. „Die wollte ich auf dem Flohmarkt verkaufen, damit mache ich ein paar Mark nebenbei …“ sagte sie leise. Dann drehte sie sich zu mir herum und unsere Münder verschmolzen zu einem riesigen Kuss. Unsere vier Hände gingen auf Wanderschaft über den jeweils anderen Körper, schweres Atmen hing in der heißfeuchten Badezimmerluft. An ihr war noch alles dran, das bemerkte ich gleich beim Abtasten ihres Körpers. Ihr Busen war immer noch pompös. Durch die Nebelschwaden des laufenden Badewassers war uns etwas heiß geworden. Die Kleidungsstücke fielen nach und nach auf den gefliesten Boden.

Unsere zwei jungen Körper im Adonisgewand standen in der Hitze der Lust urplötzlich aneinandergepresst. Ilse bemerkte meine Lust an ihrem Bauchnabel, ihre eigene Gier war überdeutlich zu spüren, denn sie stand plötzlich in einer kleinen Pfütze. Zügelloses Verlangen unsererseits verscheuchte jeden normalen Gedanken; verscheuchte jede Vernunft. Wir waren regelrecht im Strudel der Leidenschaft gefangen, dieses duftende Wesen in meinem Arm, ihre harten Radkappen an meiner Wampe, streichelnde Hände an meinen vier Buchstaben, die sich ab und zu darin verkrallten und meinen Unterleib dicht heranzogen. „Ich will Dich jetzt ...“, Ilse preschte atemlos ihren Wunsch heraus, löste sich ein wenig von mir und legte ihr Handtuch auf die Waschmaschine, wo die Kastanienmänneken hinten runter purzelten. "Komm jetzt zu mir...", Ilse sah zu mir hoch und ich ließ mich nicht lange bitten, mit einem Griff packte ich sie und setzte sie vor mich auf die Waschmaschine, so dass sich ihr offener Flansch genau in meinem Fokus befand. Ilse lehnte sich bequem zurück und wartete sehnsüchtig auf mich. "Nimm mich jetzt, ich will Dich. Für dieses Szene würde billige Keyboardmusik genau passend sein …" sagte sie.

„Ilse, dass ist aber keine Film- oder Buchszene, es ist die Realität. Das ist ein Unterschied. Yeah!“ - "Das ist gut ..." Ilse rutschte mit dem Hintern noch etwas vor, um mich besser aufsaugen zu können, ihr Unterleib klopfte und pochte vor Verlangen. Ich hatte eiskalte Mauken auf den kalten Fliesen und kämpfte damit, nicht auszurutschen. Wie sie mir die Socken ausgezogen hatte, war mir nach Betrachtung des Wäschehaufens hinter mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Ich spürte das Zucken ihrer Muskeln und begann mit langsameren Bewegungen, da ich auf einmal einen Zahnstocher eines Kastanienmännekens im dicken Onkel hatte. Ilse schloss die Augen und genoss jeden Stoss, der kraftvoll und immer schneller in sie einfuhr. "Ja, gib es mir, mein Fratzibatzi!" forderte sie und ich steigerte das Tempo. Unsere Leiber klatschten in schnellem Takt aneinander – unser lautes Atmen füllte den Raum – es klang im WC beinahe wie der Echohall aus einer PA-Anlage. In Ilse brodelte es gewaltig und dann kam es ihr so fett, dass sie einen Moment fast ohnmächtig wurde. Ihr ganzer Körper erzitterte von der Welle, die sie durchflutete. Zuckend warf sie den Kopf hin und her und sackte dann mit einem letzten, heiseren Aufstöhnen erschöpft zusammen.

„Hansi, willkommen daheim … YUCHHHUUUUUUUUUUU!“ Ich steckte immer noch in ihr, sie war für einen Moment nicht fähig, etwas zu sagen. Ich - Gentleman wie ich nun mal bin - ließ ihr aber die Zeit, sich etwas zu verschnaufen, dann zog ich mich zurück. Als ich danach allerdings auf meinen Baumele blickte, traf mich der Schlag: wir hatten keine Lümmeltüte benutzt. Ilse stand mit zitternden Beinen von der Maschine auf: "Wow, das war toll ... komm her, ich will Dich bis zum Ende verwöhnen, Du wahnsinnige Nähmaschine ... " Dann sah auch sie auf meine Wurst. „Um Gottes Willen, haben wir es im Eifer des Gefechtes tatsächlich mit blankem Säbel getrieben?“ Wir waren entsetzt. Hatte ich sie soeben geschwängert?

Ich ergriff das Wort. „Der liebe Gott ist mit seinen Prüfungen für uns offensichtlich noch nicht am Ende…“ Ilse blickte mich eigenartig - fast schon böse - an. Diesen Blick kannte ich gar nicht von ihr. „Der Geist ist willig, nur das Fleisch ist schwach. Und deine Seele, Hans-Rüdiger, gehört jetzt mir.“ sagte sie und ging wortlos, fast schon triumphierend ins Wohnzimmer … ich stand splitterfaser nackt in ihrem Bad, alleine! Hinter mir der Wäschehaufen. Erstmals seit Tagen hatte ich plötzlich kein sicheres Gefühl mehr. Alles war auf einen Schlag anders geworden! Ich schaute noch einmal auf eine der Kastanienpuppen, die auf dem Fliesenboden gen Decke starrten. Sie wirkten urplötzlich bedrohlich. Dann warf ich abermals einen Blick in den Spiegel des Aliberts. Was ich sah, erschütterte mich zutiefst. Vor mir flogen im Spiegelbild rapide die Fliegen aus meiner Wohnung! Diesmal bekämpften sich aber keine Farben, die Wohnung war einfach nur noch königsblau eingefärbt. Was hatte ich soeben nur getan?


(fsl)