Charlie Newmann hat eine ordentliche Stange Geld in
der Tasche. Im Internetauktionshaus aBo-Ey hat er
einen seit Jahren verloren geglaubten Schatz entdeckt:
Baphomet, die oberste Götzenfigur des S04-Wallhalla.
Ein dreinasiger Teddybär, der offensichtlich
über Glück und Unglück in der Vereinshistorie
zu entscheiden vermag – hierfür muss er
allerdings im Besitz des Richtigen sein. Und Newmann
ist der Richtige.
PHASE IX – "Baphomet kehrt heim"
„So, Herr Newmann! Soll ich hier jetzt auch
noch auf sie warten, nachdem ich nun schon vor der
Arena gewartet habe und gerade noch eine Stunde an
ihrem Wohnwagen herumlungerte, während der Hund
sich die Seele aus dem Leib kläffte?“ fragte
der Taxifahrer den Dicken auf dem Beifahrersitz freundlich,
während ich hinter der Ablage auf einer Decke
saß, die große, weite Welt beobachtete
und vor mich hin hechelte. „Natürlich, weil,
wenn ich hier fertig bin müssen wir sofort zum
Artikelstandort fahren, damit ich schnellstmöglich
den Teddybären heimholen kann. Richten sie sich
auf einen langen Tag ein ... hier haben sie 150 €,
sie können jetzt zwei Stunden Mittagspause machen“.
Der Wagen parkte in der zweiten Reihe und der Mann
im Trainingsanzug hatte bereits die Beifahrertür
geöffnet, als der Taxifahrer noch anmerkte: „Sie
gehen jetzt hier zu ihrem Bietagenten in dieses schmierige
Lokal, weil sie sich einen Teddy bei aBo-Ey ersteigern
wollen? Warum lassen sie ihn das denn nicht alleine
machen? Verdient er denn nicht daran, dass er für
sie Sachen ersteigert“ Der Dicke blickte zur
Seite. „Sagen sie mal, sie haben sich doch gerade
noch über das Bier in der Arena brüskiert.
Darf ich mal fragen, von welchem Verein sie Fan sind?“
Der Lenker blickte leicht verunsichert. „Na,
was ist denn, wenn ich ihnen jetzt sage, dass ich
zumindest kein Schalkefan bin? Ist mein Dauerengagement
bei ihnen als Chauffeur dann beendet?“ Der Dicke
lächelte. „Nein, Unsinn! Aber wissen sie
was, wenn ich diesen Teddybären endlich mein
Eigen nennen darf, werden sie automatisch dem blau-weißen
Kult huldigen. Und das ohne Widerworte. Dann werden
ganz neue Zeiten anbrechen.“ Der Taxifahrer lachte
laut. „Bevor ich Schalke Fan werde, muss sich
in dieser Welt aber einiges verändern! Da müssten
schon die Grünen regieren ...“
Er stieg auf der Fahrerseite aus, kam nach hinten
und öffnete den Kofferraum, wodurch ich befreit
war. Wuff-Wuff! Der Dicke schnappte sich meine Leine
und wir gingen auf das nächste Gebäude zu.
„Hier ist es, Huub.“ sagte er freudestrahlend.
„Hier entscheidet sich in den nächsten Stunden
das Schicksal von Schalke 04. Die Leute haben ja gar
keine Ahnung, was Baphomet bewirken kann. Doch sie
werden sich noch alle umsehen.“ Wir gingen in
ein spärlich eingerichtetes Ladenlokal, eine
Theke durchzog das Geschäft und im Hinterraum
standen mehrere Rechner. Es befanden sich sehr viele
unterschiedlichste Sachen im Raum, die meine Nase
anlockten. An einem Rechner im Hinterzimmer saß
ein schmieriger Typ. „Axel, komm her mein Freund.
Mach direkt den Laden dicht und fahr die Rollladen
herunter. Heute ist unser Glückstag.“ Der
Angesprochene stand auf und kam nach vorne. Ich mochte
seinen Geruch irgendwie nicht. „Herr Newmann,
seit wann haben sie denn einen soo süßen
Hund?“ Er wollte gerade nach mir grabschen und
mich kraulen, als ich mich noch rechtzeitig unter
den Schreibtisch im Hinterraum verkriechen konnte.
„Der Hund gehört nicht mir!“ sagte
der Dicke. Dann griff er in seine Trainingsjacke und
zog ein Bild aus der Tasche. „Hier, das ist meine
Ilse. Ihr gehört der Hund.“ Der Schmierige
blickte auf das Bild. „Heidewizka, Herr Kapitän.
Das ist ja ein Geschoss. Und da kommen sie zum Zug?“
Der Dicke hatte offensichtlich einen ganz besonnnen
Tag erwischt, denn erneut lachte er laut. „Was
denkst Du denn? Sie frisst mir geradezu aus der Hand!
Die press ich aus wie eine Zitrone ... und man kann
da jede Menge pressen!“ Durch eine automatische
Vorrichtung fuhr die Rolllade geräuschlos nach
unten.
Als der Laden zu und der Raum abgedunkelt war, kamen
beide zu mir nach hinten. Auf der einen Seite des
Schreibtisches standen zwei Stühle. Sie setzten
sich hin. Auf dem Schreibtisch herrschte regelrechtes
Chaos. „Also erst mal muss ich dir danken, Axel,
dass Du mich gleich angerufen hast, als der Teddy
im Auktionshaus auftauchte. In weniger als zwei Stunden
ist die Auktion zu Ende, und es darf überhaupt
keinen Zweifel daran geben, wer diesen Teddybär
heute ersteigert – denn ich werde es sein. Es
ist gleich, wie hoch das Gebot am Ende sein wird.
Ich habe sogar noch 50.000 €, die ich oben drauf
packen kann. Der Teddy muss in meinen Besitz übergehen.
Ich traue dir zwar als mein persönlicher Bietagent,
aber bei dieser auslaufenden Auktion muss ich dabei
bleiben. Hattest Du den Anbieter wegen einer persönlichen
Übergabe des Teddies angemehlt?“ Der Andere
nickte. „ Sie meinen bestimmt angemailt, ja das
habe ich ...Wie konnte ich gerade diese Auktion aller
Auktionen übersehen? Sie reden doch seit neun
Jahren von nichts anderem, wenn sie hier herkommen.
Ich beobachtete seither die Seite aBoEy weltweit für
sie nach diesem Teddy! Sie können den Teddy noch
heute abholen, es gibt nur einen Haken bei der ganzen
Sache. Der Artikelstandort ist Athen und der Verkäufer
ein Grieche.“ – „Und wo soll da das
Problem sein, Axel? Vor der Türe wartet mein
Taxi, wenn der einmal ins Pedal tritt, bin ich in
ca. 30 Minuten in Düsseldorf am Flughafen. Wenige
Stunden später bin ich in Athen und spätestens
morgen wieder zurück ... und habe ihn ... dann
habe ich ihn endlich, Axel!“
Der andere blickte dem Mann im Trainingsanzug tief
in die Augen. Der Dicke sabberte jetzt fast so, wie
ich an Tagen, wenn die vierbeinigen Damen in der Gegend
läufig waren. „Sagen sie mal, mich geht
es ja eigentlich nichts an, was sie so ersteigern.
Die Sachen sind eh immer sehr abstrus. Ich habe keinen
anderen Kunden, für den ich drei Doppelzentner
Esskastanien ersteigert habe. Aber was wollen sie
denn mit diesem Teddy, er ist doch eine Fehlkonstruktion.
Er hat drei Nasen. Da hat wohl einer Mist bei der
Herstellung gebaut.“ Der Dicke atmete einmal
tief durch und starrte auf den Monitor. „Was
ich dir jetzt sage, überschreitet eh deinen Horizont,
weil du ein dummer Secondhandladenbesitzer bist, der
Leute wie mich ausbeutet, da sie nicht mit dem Internet
umgehen können. Das ist dein gutes Recht. Ich
will dich daher nicht im Unklaren lassen, weil es
nun eh keiner mehr stoppen kann. Der Teddy ist 101
Jahre alt, er ist der einzige seiner Art. Der Teddy
wurde 1904 für die Spielwarenmesse in Leipzig
hergestellt. Es gab eine Auflage von 12.000 Teddybären,
aber nur dieser eine hat dieses außergewöhnliche
Merkmal. Drei Nasen. Und weißt Du warum er diese
hat? Weil sein Entwickler bei dieser Nachfolgeserie
des legendären PB55 unter dem Rauscheinfluss
eines Giftpilzes stand.“ Der Schmierige hörte
interessiert zu und der Dicke fuhr weiter fort. „Auch
von diesem Pilz hat man bis heute nur ein Exemplar
nachweisen können. Ausgerechnet Richy Steiph
hat diesen Pilz gegessen. Es war ein blauweißer
Tricherling. Der Teddy wurde am Abend des 03. Mai
1904 von Richy selber zusammengenäht. Er hatte
aber aufgrund der Wirkung des Pilzes seine rethorischen
Fähigkeiten nicht mehr im Griff. So wurde der
Teddy erst um Mitternacht fertig. Am 04. Mai 1904.“
Der Schmierige runzelte sich die Stirn. „Ah,
ich glaube ich verstehe, der Teddy ist genauso alt
wie unser Verein, er hat für sie Symbolcharakter,
nehme ich an!“ Wieder lachte Charlie laut. Diesmal
so schaurig, dass mir Angst und Bange wurde. Die Haare
meiner Rute streckten sich gen Schreibtischdecke.
„Junge, der Teddy hat nicht nur Symbolcharakter,
er wird die Weltgeschichte ein weiteres Mal verändern,
denn er hat dies bereits getan. Der Teddy war zwischen
1933 und 1942 im Besitz eines Vereinsoberen des FC
Schalke 04. Weißt Du was die Macht des Teddys
bewirkt, wenn er nah genug am Vereinsumfeld ist?“
Der andere schüttelte seinen schmierigen Kopf.
„Durch diesen Teddy gewinnt Schalke 04 im Regelfall
acht von zehn Spielen. Zwischen 1933 und 1942 konnte
Schalke dadurch sechs Meisterschaften erringen, dreimal
wurden wir Vizemeister, einmal Pokalsieger und viermal
Vizepokalsieger. Der Teddy war in der erfolgreichsten
Zeit des Vereins so nah am Geschehen, dass die Mannschaft
damals tatsächlich acht von zehn Spielen gewann.
Das selbe wird auch passieren, wenn er jetzt in unseren
Besitz übergeht.“ Der andere bekam langsam
große Augen. „Jedoch hat der Teddy auch
einige Negativbegleiterscheinungen, die mir persönlich
allerdings egal sind, wenn wir Knappen sportlichen
Erfolg haben!“ Der Schmierige las geradezu von
den vor Fett glänzenden Lippen des Dicken ab.
„Was, was? Sagen sie, was die Negativerscheinungen
sind!“ Der Mann im Trainingsanzug atmete ein
weiteres mal tief durch, und seine Stimme wurde leiser.
„Der Teddy manipuliert den Kosmos! Mit jedem
Titel, den wir damit gewinnen, verändern sich
im Weltall die Verhältnisse von Materie zu Antimaterie
so gravierend, dass auf der Erde entscheidende Veränderungen
auftreten. Man kann es aber nicht genau sagen, was
passiert. Beim letzten Mal kamen dadurch die Braunen
an die Macht, vielleicht werden es diesmal andere
Farben sein ... man kann die Veränderungen leider
nicht beeinflussen. Sie kommen mit jedem Titel, der
errungen wird. Wenn der Verein dann am Ende acht Erfolge
innerhalb von zehn Jahren erzielt hat, dann wird jeder
Mensch der Erde Schalkefan sein ...beim letzten Mal
kamen uns aber leider die Engländer in die Quere
...“
Die beiden blickten nun weiter auf den Monitor. Fast
schien es, als würden beide feuchte Augen haben
... „So, noch anderthalb Stunden, der Preis steht
momentan bei 3500 €, Herr Newmann!“ sagte
der Typ, der unter den Achseln roch. „Es ist
gut, dass nicht allzu viele Leute von der Kraft des
Bären wissen. Ich erwarte nicht, dass ich mehr
ausgeben muss, als ich in der Tasche habe. Wer soll
denn schon wissen, dass der Teddy Baphomet ist. Man,
das wird ein Jahr. Schalke 04, Deutscher Meister 2005
und Pokalsieger 2005. Wie klingt das, Axel?“
fragte der Dicke den anderen. Die beiden gerieten
jetzt in Euphorie. „Das wäre ein Traum.
Denn abgesehen von dem Losercup und dem blöden
Pokal haben wir schon lange keine Meisterschaft mehr
feiern können. Es wird mal wieder Zeit dafür.
Es sind fast 50 Jahre vergangen.“ Die beiden
starrten abwechselnd auf den Monitor, auf die an der
Wand hängende Uhr, und pushten sich mit belanglosen
Aussagen. Die Zeit lief herunter. Noch 75 Minuten.
Gebot 4500 €. 60 Minuten. Gebot 10000 €.
Mit zunehmender Zeit stieg und stieg der Wert des
Objektes der Begierde. 55 Minuten: 12500 €. Es
ging jetzt minutiös steil nach oben, immer wieder
um sehr viel Geld. „Verdammter Mist!“ sagte
der Dicke im Wurstkostüm. „Da geht doch
irgendwas nicht mit rechten Dingen zu. Wir haben noch
nicht ein einziges Gebot abgegeben und der Teddy steigt
und steigt. Vielleicht habe ich unterschätzt,
wie viele tatsächlich von der Kraft des Bären
wissen. Es ist doch schon ein Unding, dass Baphomet
ausgerechnet jetzt gerade in Athen ist und die Griechen
vor einem halben Jahr sensationell Europameister geworden
sind.“ Beide starrten sie weiter auf das sich
bietende Bild.
„Wir sollten vielleicht mal in die Geschichtsbücher
dieser Zeit blicken, wann welche Mannschaft unerwartet
große Erfolge hatte und sich dadurch die Landesgeschichte
veränderte. Ich kann mich vage daran erinnern,
dass Griechenland seit dem letzten Jahr auch einen
neuen Ministerpräsidenten hat. Das würde
bedeuten, dass der Bär nicht nur uns Schalker
zu Titeln verhelfen kann, sondern eigentlich jedem.
Vielleicht war er ja auch schon mal bei den Bayern?“
sagte der Schmierige. Der Dicke blickte ihn an. „Mh,
das ist keine schlechte Idee, das kannst Du ja dann
machen, wenn ich auf dem Weg nach Athen bin. Allerdings
gibt es eine Sache, die mir hierbei sehr unlogisch
erscheint. Wenn der Teddy es tatsächlich schon
mal vollbracht hat, irgendeiner Mannschaft zu acht
Titeln in zehn Jahren zu verhelfen, dann wären
alle Menschen Anhänger dieses Vereines und es
gäbe wohlmöglich gar nicht unsere Liebe
zu Schalke. Essener wären dann keine Essener,
Dortmunder keine Dortmunder, sondern eben Anhänger
dieses Vereines, nach dem wir hier suchen. Die ganze
Fußballwelt wäre längst in ihrem gesamten
Gefüge zerbrochen!“ Der Pommesgeruchverbreitende
steckte sich einen Glimmstängel an. „Na
ja, vielleicht war es dann eben noch nie so weit,
dass der Teddy seine ganze Macht entfalten konnte.
Sonst gäbe es nicht so viele verschiedene Anhängerschaften.“
Die Zeit schritt weiter voran. „Noch 26 Minuten.
Axel, drück Aktualisieren für mich, ich
will den momentanen Preis wissen.“ Der Andere
beugte sich in seinem Sessel leicht nach vorne und
drückte auf die Knöpfe des Gerätes
vor sich. „Um Gottes Willen, Herr Newmann! Sehen
sie sich das an ...“ Beide blickten sehr irritiert.
„Was ist los? 1,5 Millionen €? Ist das ein
schlechter Scherz? Der kostet ja mehr als das Handgeld
von Ailton ... und den haben wir schon billig geschossen.“
Der Dicke wurde jetzt ungehaltener. „Das kann
ich aus eigener Tasche nicht mehr aufbringen. Rudolf
kann ich schlecht noch mal anpumpen, ich brauche dringend
eine Alternative.“ Er zückte seinen Kommunikationsknochen
aus dem Wurstkostüm. Es piepte mehrmals, meine
Ohren vernahmen die Signale. „Axel, hol doch
mal eben an der Bude nebenan zwei Flaschen Cola, ich
brauche für das Telefonat meine Ruhe.“ Der
Dicke drückte ihm einen Packen Geld in die Hand
und der Miefende stand auf! „Soll ich vielleicht
noch den Hund mitnehmen?“ sagte er und blickte
unter den Schreibtisch. Ich spielte „toter Hund“.
„Nein, nein, lass nur, der Hund hat heute ohnehin
schon die längste Gassisession seines Lebens
erlebt, der ist kaputt.“ Dann verließ der
andere den Raum und der Dicke drückte sich seinen
Funkpimmel an die Ohren.
„Ich bin´s ... „ flüsterte er
in den Knochen. „Günni, wir haben ein Problem.
Wir haben sogar ein riesiges Problem! Es wissen offensichtlich
auch andere von der Magie des Bären. Das Gebot
steht bei 1,5 Millionen €. Ich habe gerade mal
65.000 € in der Tasche.“ Dann Stille. Dann
Geräusche aus dem Knochen, doch selbst ich als
Höherefrequenzenhörender konnte nichts verstehen.
Mehrfach nickte der Dicke in der vermeintlichen Stilleperiode,
sagte äh-hä, mh mh, und son Kram. Ihr kennt
das ja selber vom Telefonieren. „Okay, dann überweise
mir das Geld auf mein Geschäftskonto. Ich werde
mir dann ein paar schöne Tage mit dem Geld in
Athen machen und auf die Transaktion vor Ort warten.
Dann nehme ich mir das Heiligtum und kehre heim. Nachdem
ich den Bären ersteigert habe, informiere ich
dich über die zu überweisende Summe. Und
ich finde es gut, dass du aus deinem Privatbesitz
so viel Geld locker machst. Alle Knappen dieser Erde
werden dir danken.“ Es folgten offensichtlich
noch ein paar Sätze aus dem Knochen, denen der
Dicke aufgeregt lauschte. Dann beendete er das Gespräch.
„Ich melde mich gleich noch mal ...“
Wenige Augenblicke später war der Schmierlappen
auch schon wieder da. „Hier sind die beiden Getränke.
Soll ich dem Hund auch eine Cola geben? Der sieht
so süß und durstig aus.“ Der Dicke
blickte aus seinem Sitz nach oben. „Quatsch!
Der Hund braucht nichts. Sag mal, stand vor der Türe
eigentlich noch das Taxi, mit dem ich gekommen bin?“
Der andere wippelte mit dem Kopf. „Ja, aber in
dem Taxi sitzt niemand drin. Gott sei Dank ist aber
wenigstens der rot-weiße Lieferwagen verschwunden,
der hier schon seit Tagen das Licht im Laden verdunkelte.
So, wie sieht´s jetzt eigentlich aus? Was macht
unsere Auktion, die uns beide reich machen wird ...“
Der Dicke wurde lauter. „Sag mal, hast Du ein
am Brett, setz dich hier hin, wir müssen reden.
Wie hoch war eigentlich noch mal deine Provision?“
Der andere setzte sich wieder auf seinen alten Platz.
„Also, wir haben das immer so gehandhabt, dass
ich von dem Verkauften 10 % bekam und bei dem Ersteigerten
legen sie 5 % auf den Kaufpreis oben drauf.“
Der Dicke wand sich nun zur Seite. Er atmete schwer.
„Vergiss diese 5 %-Scheiße ganz schnell.
Wir reden hier nicht von ein paar Esskastanien, Bauernkleidern
oder Penispumpen, die ein paar Mark kosten. Wir reden
hier vom dicksten Geschäft deines Lebens. Überlege
dir nun gut, was du sagst, ich kann auch noch nebenan
in das Internetcafe gehen. Ich weiß jetzt, wie
man F5 drückt, das habe ich ja nun ein paar Mal
gesehen.“ Der andere setzte ein Pokergesicht
auf. „Herr Newmann, sie kennen ja noch nicht
mal die URL. Sie haben keinen eigenen Account, womöglich
hat das Internetcafe aBo-Ey durch die interne Firewall
geblockt und browsen ist für sie bestimmt eine
Reinigungstätigkeit. Können sie so gut surfen,
dass sie jetzt hier um den Preis feilschen müssen?“
Der Dicke blickte durch seine Brille. „Dann sage
mir, was Du dir vorgestellt hast.“ Der andere
nahm einen Schluck aus seiner schwarzen Limonade.
„5 % ... so wie immer ...“ Er hatte es nicht
ganz ausgesprochen, da flog die Faust des Würstchenkostümierten
in Richtung der Muffelschleuder. BAAAAAAMMMM! Es gab
einen heftigen Knall und der Kopf des anderen sackte
auf die Holzplatte des Schreibtisches. „Na Du
Vogel, klassischer Knockout, würde ich mal dazu
sagen. Du wirst jetzt die letzten elf Minuten schön
im Land der Träume verbringen. Ich schmier dir
doch deinen Arsch nicht mit Marmelade ein. Das kannst
Du vergessen.“ Er schnappte sich die Tastatur.
Tipp, tipp, tipp. Seufzen! Tipp, tipp, tipp. Seufzen.
„Geben sie jetzt ihr Gebot ein!“ stammelte
er vor sich hin. „Noch sieben Minuten.“
Tippen und seufzen wechselten sich weiter ab. Er wippte
jetzt mit seinen dicken Vorderläufen. Auf und
ab, auf und nieder, immer wieder. Tippen, seufzen,
wippen, stammeln, seufzen. Tipp, tipp, tipp. „Maaa,
nu mach schon hinne da, ich werde jetzt das höchste
Gebot eingeben, welches hier machbar ist. So viele
Nullen laufen in ganz Dortmund nicht rum, wie diese
Zahl jetzt hat. Baphomet, du gehörst mir. Mir,
mir und nur mir alleine ...“ Der Zeiger der Wanduhr
wurde hörbar lauter. Die Sekunden schlichen vor
sich hin. Die Zeit stand vermeintlich still. Er biss
sich mehrfach auf seine Oberlippe, sie war beinahe
blutig.
Er sagte jetzt lange Zeit nichts mehr und blickte
immer wieder auf den Monitor. Tick, tack. Die Uhr
lief unaufhörlich weiter. „Noch zwei Minuten!
Es muss passen! Diese Auktion muss ich gewinnen.“
Er wusch sich das Wasser aus dem Gesicht. „Noch
eine Minute, ich bin immer noch der Höchstbietende
... ich werde zur Sicherheit noch eine Null hinten
dran hängen ...“ Dann ging es relativ schnell.
Irgendwann sprang er wie von der Tarantel gestochen
aus seinem Stuhl auf und rannte wie wild hin und her.
Ganz sachte und leise genoss er diesen Moment. Dann
blickte er zum ersten Mal nach langer Zeit mal wieder
unter den Tisch zu mir herunter. „HUUB! Mein
Junge, komm zu Papi, ich habe ihn. Ich habe ihn tatsächlich
Heim ins Reich geholt.“ Ich stand auf, ging in
den Schutz seiner streichelnden Hände über
und wedelte mit dem Schwanz. „Jetzt muss ich
nur noch die Adresse ausfindig machen, dich nach Hause
zu deinem Frauchen bringen und dann fahre ich ins
Paradies. Unserem Verein stehen goldene Zeiten bevor.“
Er konzentrierte sich nun wieder vermehrt auf die
Sache, die offensichtlich das Wichtigste in seinem
Leben darstellte. Er schrieb ein paar Notizen auf
einen Zettel. „Weißt du, es ist ein unglaublich
schönes Gefühl, wenn man das eigene Schicksal,
das eigene Leid verändern kann. Die Zeit ohne
Meisterschaften hat heute endlich ein Ende gefunden!“
Dann nahm er abermals seinen Knochen aus der Tasche
und innerhalb von Windeseile befand er sich wieder
im Gespräch. „Großmeister G., wir
sind am Ziel. Die Rückkehr für dich als
Präsident ist nur noch reine Formsache. Überweise
mir bitte sechs Millionen, sechshundertsechsundsechzig
Tausend €. Ich werde den Bär abholen. Persönlich.
Ich werde mich in ein paar Tagen wieder bei dir melden.
Wenn ich zurückkehre, müssen wir uns im
Keller des Schlosses treffen. Wir müssen eine
Zusammenkunft des Ordens arrangieren. Das Spiel gegen
die Bayern kann jetzt kommen. Der Rest der Saison
kann kommen. Wir werden mit großem Abstand Meister.
Ein Glück, dass wir diese gute Ausgangslage haben.“
Es folgte hämisches Lachen.
Der Mann stand auf, pfiff und ich wusste, das war
ein Signal, an mich gerichtet. Ausflippen war angesagt.
Wir zogen weiter. Schließlich waren wir jetzt
auch mehrere Monate - in Hundejahren gerechnet - in
diesem Raum gewesen. Er holte aus seiner Tasche ein
paar Geldscheine und legte sie auf den Schreibtisch,
direkt neben den Kopf der Stinkbombe. „Hier,
Axel, 1500 € für dich. Aber nur, damit du
mir auch niemals nachsagen wirst, ich hätte dich
übers Ohr gehauen.“ Er schnappte sich meine
Leine und wir verabschiedeten uns durch den Hinterausgang
von diesem Szenario. Vor dem Haus stand bereits auf
dem Parkstreifen der Wagen, der uns nun schon mehrere
Stunden Gassi geführt hatte. Der Dicke klopfte
an die Scheibe und sofort kam der Kutscher aus dem
Vehikel, um die Heckklappe für mich zu öffnen.
Direkt hinter dem Taxi stand ein rot-weißer
Lieferwagen. „Hier, Hund. Pass diesmal etwas
auf, du hast ja jetzt über zwei Stunden nicht
mehr geschissen. Und ich habe keine Lust darauf, noch
mal Stinkie-Stinkie in meinem Wagen zu haben.“
Ich sprang hoch, die Klappe klappte und die beiden
stiegen in das Auto.
„Und?“ fragte Newmann den Fahrer, „was
haben sie in den letzen beiden Stunden getrieben?“
– „Nun ja, ich habe erst mal einem guten
Freund den Kopf gewaschen und bin dann in der letzten
halben Stunde im Internetcafe gewesen. Überweisungen
tätigen, Informationen erhaschen, sie kennen
das schließlich selber. Wie sieht es denn jetzt
aus? Waren sie erfolgreich?“ – „Oh
ja, so erfolgreich, dass ich sie sogar um einen Gefallen
bitten muss. Sie müssen mich nach Athen begleiten!“
Der Fahrer verstand offensichtlich nichts. „Bitte?
Dann mache ich aber die Uhr an, Herr Newmann!“
Der Dicke lachte. „Ja, sicher, es gibt nur ein
Problem. Wir fliegen dorthin. Ich muss spätestens
heute Abend dort sein. Wir werden nicht lange bleiben.
Ich zahle ihnen dafür 2500 €.“ Der
Fahrer blickte mich durch den Rückspiegel an.
„Hund! Kann ich da nein sagen? Nein, Hund, da
kann ich nicht nein sagen!“ Er drehte an einem
Regler am Lenkrad. „Zentrale, hier Wagen 0102.
Mir geht es nicht gerade berauschend, ich werde mir
den Rest des Tages frei nehmen müssen. Den Wagen
kann einer meiner Kollegen in der Tiefgarage des Düsseldorfer
Flughafens abholen. Ich werde hier jetzt den Funkkontakt
abbrechen.“ Dann drehte er ein weiteres Mal am
Regler des Lenkrades und auf der Armatur erloschen
einige Lichter. „Okay, das ist ein Wort, Herr
Newmann, aber was ist mit dem Hund?“ – „Den
fahren wir jetzt mal eben zu meiner Ilse und binden
ihn an die Laterne vor der Haustüre. Ich habe
jetzt keine Zeit mehr für lange Abschiede oder
Erklärungen, wir müssen möglichst die
nächste Maschine bekommen.“
Der Motor startete und der Wagen setzte sich in Bewegung.
„Übrigens, Herr Newmann, jetzt, wo wir die
nächsten Tage mit einander verbringen werden,
wäre es da nicht angebrachter, wenn wir uns duzen
könnten?“ Der Dicke lachte zum x-ten Male
an diesem Tage. „Aber sicher, heute bin ich der
glücklichste Mensch auf Erden. Mich kann doch
eigentlich jeder duzen, ich bin der Kalle! Und wer
bist Du?“ Der andere blickte in den Spiegel und
zwinkerte mir mit den Augen zu, sagte dann: „Ach,
ich bin der Manfredora. Manfredora Kuss. Hier ist
meine Karte. Aber davon ist nichts mehr aktuell, bis
auf den Namen! Hurra, endlich sind wir Pfreunde!“
Der Dicke nahm die Karte dankend an. „Hören
sie mal, ach nein wir duzen uns ja jetzt, Fredo, hat
der Hund hier etwa schon wieder irgendwo hingeschissen,
oder warum drückst du mir dieses recycelte Toilettenpapier
in die Hand!
(fsl)