Was bisher geschah:
Hans-Rüdiger Eichenbauer, seines Zeichen durch
und durch Essener Bürger und jahrzehntelanger
RWE-Anhänger, hat nach einem verlorenen Billard-Endspiel
und einer völlig durchzechten Nacht die attraktive
Kellnerin Ilse Hatsevon kennen gelernt. Bereits beim
ersten Treffen macht er eine grauenvolle Entdeckung:
Ilse lebt in der verbotenen Stadt. Eichenbauer ahnt
vorher schon Böses und wird bestätigt. Beim
Betreten von Ilses Hütte erlebt er den Mega-Gau:
sie sieht aus wie die Merchandising-Abteilung vom
FC Schalke 04. Doch Eichenbauer wäre nicht Eichenbauer,
wäre ihm nicht diese unglaubliche und sensationelle
Idee gekommen, Ilse umzupolen. Er zerrt sie mit zum
Pokalknüller gegen die Alemannia aus Aachen,
doch Essen verkackt, so dass der erste Versuch gnadenlos
scheitert. Auch beim Kick gegen Erfurt wird Ilse nicht
gleich Fan Ilse verlangt daher, dass ihr Hans-Rüdiger
sein Wort hält und sie in die Arena begleitet.
Doch der findige Fuchs hat, bevor er mit Ilse zum
Fußball hoppt, einen weiteren Trumpf im Ärmel:
Karten für ein Pur-Konzert in der Turnhalle.
PHASE III - "Der erste Gang in die Arena"
Ich stand gegen Mittag auf und vor mir lag ein
langer und schwerer Tag. Die Sonne schien durch Ilses
Fenstersilo und ich sah ihre unendliche Schönheit
neben mir im Bett liegen. Zugedeckt mit Schalker Fanbettwäsche
lag sie da vor mir und starrte mich an. "Guten
Morgen, Schatz! Hast Du gut geschlafen?" fragte
sie mich und stopfte sich als erste Maßnahme
eine Fluppe ins Maul. "Natürlich",
entgegnete ich ihr, "aber es war schon mächtig
kalt, da ich mich nicht unter diese Decke legen wollte.
Lieber friere ich mir den Ast ab!" Sie blickte
verwirrt. "Schatzi, aber du weißt schon,
dass heute dein großer Tag wird und du mit mir
in die Arena gehen darfst, oder?" warf sie freundlich
in den Raum. Plötzlich lief es mir eiskalt den
Rücken herunter. "Ja." sagte ich, "heute
trete ich meinem Schlachter gegenüber!"
Seit Tagen hatten wir nichts anderes getan, als über
dieses Thema zu diskutieren.
Ich hatte von einem Bekannten Karten für die
wohl beschissenste Veranstaltung aller Zeiten bekommen.
Pur spielte an jenem Abend in der Arena und ich "durfte"
mit Ilse dorthin. Wenn es wenigstens nur Pur gewesen
wäre, nein es war sogar "Pur Klassisch",
was auch immer das zu bedeuten hatte. Das Schicksal
hatte es nicht gerade gut mit mir gemeint in den letzten
Wochen. Nicht nur, dass meine Änne aus Gelsenkirchen
kam und dem FC Meineid die Daumen drückte, nein,
ich durfte auch im wahrscheinlich größten
Kommerztempel der Welt zusammen mit ihr ihre Lieblingsband
begutachten. Zu allem Überfluss hatten die Roten,
seitdem ich Ilse kennen gelernt hatte, noch kein einziges
Spiel gewonnen. Ferner versuchte sie mich krampfhaft
zu einem Spiel der Sippschaft zu zehren, doch ich
konnte mich zumindest beim ersten Mal mit den Konzertkarten
retten.
Ich versuchte mir diesen richtungsweisenden Tag wenigstens
noch mit dem Austausch von Körperflüssigkeiten
zu versüßen und gab mein Bestes, in dem
ich ihr den Stofffetzen aus der Merchandising-Abteilung
mit einem Kleiderhaken vom Körper reißen
wollte doch Ilse sagte flupperauchend: "Herzibärzi,
lass mich doch wenigstens eben noch Franklin gucken,
da geht es heute um Gegensätze, die sich anziehen!
Danach kannst Du gerne eben einmal drüber, aber
beeil dich, ich wollte mir noch die Beine rasieren"
Die Glotze lief eigentlich immer in Ilses Schlafzimmer,
so dass man sie auch gar nicht erst anmachen musste.
Ich schnappte mir meine Badelatschen und ging beleidigt
in die Küche. Erst mal einen Tee machen, dachte
ich mir. Aus Protestgründen schnappte ich mir
einen Hagebuttentee, um endlich einmal wieder was
anderes als blaue Farben zu sehen.
Der Tag schlich so vor sich hin, als ich gegen Nachmittag
versuchte, mich mittels einer vorgetäuschten
Fischvergiftung der vermeintlichen Höchststrafe
zu entziehen. Ilse hatte von der Bude Fischstäbchen
geholt, da wir am Vortag noch nicht das Geld vom Amt
auf dem Konto hatten und dementsprechend nicht einkaufen
gehen konnten. Doch Ilse ließ sich selbst durch
mehrfaches Anrufen bei meinem Hausarzt nicht aus der
Ruhe bringen. Vielmehr spornte sie mein vergebliches
Schauspiel dazu an, weiter zu sticheln. "Schatzifratzti,
Du wirst das schon überleben … schau mal,
der Hartmut Engler ist ein ganz toller und schicker
Sänger. Den wirst Du mögen! Du magst doch
auch den Huub, und der Huub hört gerne Pur"
Zur Einstimmung auf das Konzert legte Ilse daher eine
Pur Cd ein und aus dem Boxen legte "Du guckst
mich an mit deinen Funkelblauen Augen" mein Hirn
in Nebelschwaden. Huub wetzte durch die Bude, offensichtlich
angespornt von der Musik, die ihm da um die Ohren
flatterte.
Immer wieder kam er zu mir und gab mit lautem Kläffen
zu verstehen, dass ich ihm seinen blauen Hundeknochen
zwecks eines Bisstrainings hinhalten sollte, doch
mir war nicht danach, dem Vieh an diesem Tag auch
nur einen Meter entgegen zu kommen. Schließlich
kam man mir auch nicht entgegen. Nach den "funkelblauen
Augen" dröhnten noch diverse andere Schnulzen
aus den Boxen, doch ich hatte mich vollends auf ein
Kreuzworträtsel aus Ilses Toilettenbibliothek
versteift, denn ich war längst auf die Brille
geflüchtet. Nach knapp 45-minütiger, vorgetäuschter
Sitzung pochte es von außen an die Badezimmertüre.
"Schatz, klemm mal langsam ab da, wir müssen
in 10 Minuten los und ich wollte mir noch die Beine
rasieren."
Gegen 17.00 Uhr begann dann die Tortour durch die
verbotene Stadt bis hin zum Tempel der ahnungslosesten
Masse dieses Planeten. Von einer Brücke aus konnte
man schon von weitem die Silhouette der Arena erkennen.
Natürlich musste ich mir eingestehen, dass es
sich bei diesem Bauwerk um ein überaus imposantes
handelte. Und natürlich musste Ilse wieder Salz
in meine offenen Wunden streuen: "Hach, ist das
nicht ein himmlisches Gebäude? Überdacht,
alle 4 Seiten geschlossen und am allerwichtigsten:
überhaupt noch alle 4 Seiten generell vorhanden
…". Sie suchte dabei meine - am Lenkrad
versteifte - Hand, um diese schützend zu halten.
Es gab nun kein zurück mehr. Wir kamen Meter
um Meter näher. Im Schatten diverser Bäume
delegierten bereits die Parkplatzeinweiser die groß
angestaute Blechlawine. Ich hebelte die Fahrerscheibe
meines 65er Oldtimers nach unten und fuhr auf trockener
Asche zu einem der Einweiser.
Natürlich bemerkte dieser auch alsgleich den
auf der Ablage strahlenden, heiligen RWE-Schal, was
er mit dem Kommentar: "Nimm den lieber raus,
sonst ist das schicke Auto gleich nur noch ein Haufen
Blech" versah. "Ach und 5 € bekomme
ich." "Passt ihr Parkplatzhansels denn nicht
auf die Autos auf, wenn ich hier schon 5 Ocken berappen
muss?" fragte ich den in Reflektierweste bekleideten
Menschen. "Doch," sagte er freundlich, "aber
versteck den scheiß Schal lieber, denn sonst
machen wir deine Karre zu Schrott. Und guck mal, was
hier auf dieser Karte steht: wir haften nicht für
Schäden." Gerade als mir die Halsschlagadern
auf Bockwürstchengröße anzuschwellen
drohten und es aus mir herausplatzen wollte, ergriff
Ilse das Wort. "Natürlich nimmt mein Knuffelschnuffel
den Schal gleich aus der Ablage, er ist doch noch
ganz nervös, schließlich ist es sein erster
Gang in den Tempel." Dabei blinzte sie dem Mann
freundlich zu, worauf auch er plötzlich eine
andere Miene an den Tag legte. Er gab mir mein Wechselgeld
und sagte: "Fahren sie auf Parkplatz D. Und gerade
ihnen wünsche ich ganz besonders viel Freude
in der Arena! Möge sie Abraham in unser Reich
holen."
Nach dieser ersten, netten Bekanntschaft kamen wir
ohne Komplikationen am Parkplatz D an - Ilse hatte
inzwischen den Schal von der Ablage genommen und vorsorglich
hinter die Rückbank verstaut. Nach dem Einparken
gab sie mir noch schnell einen Kuss und flüsterte
mir ins Ohr: "Du schaffst das schon. Aber wehe
Du blamierst mich gleich vor meinen Freunden! Das
sind alles Blaue und Pur-Fans … ach, und Essener
können die eigentlich auch nicht ab. Ach, halt
am Besten, während des Konzertes ganz die Fresse."
Ich sagte jetzt nichts mehr, war wie in Trance, denn
ich liebte sie, wenn sie so zärtlich zu mir war.
Die Romantik die ich verspürte wurde jedoch jäh
unterbrochen: die blau-weiße Kloschüssel
genannt Arena behinderte meine Sicht auf das Wesentliche
- auf die Umwelt. Doch in dieser Einöde existierte
keine Umwelt, so dass mir urplötzlich ganz flau
wurde. Meine Liebe zu Ilse machte an jenem Tage eine
erste härtere Bewährungsprobe durch. Doch
ich hatte es ja versprochen, ich hatte ein weiteres
Mal in meinem Leben den Mund zu voll genommen und
musste nun dafür bezahlen. Weitere Versuche,
Fischvergiftungen vorzutäuschen, scheiterten
sang- und klanglos
Vor der Arena standen schon die ersten Mittvierziger
Hausfrauen mit T-Shirts, auf dessen Vorderseite der
Schriftzug der Schmuserocker ragte. Eine war fetter
als die andere. Nicht nur fetter, auch hässlicher.
Wenn ich von meinen bisherigen Konzertbesuchen eindeutig
behaupten konnte, dass auf Prince-Konzerten die hippsten
Schnitten ab- sowie antanzten, dann konnte man von
diesem Konzert genau das Gegenteil behaupten. Ich
fühlte mich wie auf einer Massenversammlung von
Nachgeburten. Aber noch viel schlimmer war, dass mein
Augenlicht bei jeder Irisbewegung mit dem wohl schrecklichsten
aller Embleme nahezu ausgelöscht wurde: das Wappen
der Knappen bedeckte jede noch so kleine Informationstafel,
jedes noch so kleines Kassenhäuschen, das Wappen
war einfach allgegenwärtig. Ich versuchte dennoch,
wenigstens den Anschein zu erwecken, als würde
mir das alles nur glatt die Hälfte ausmachen.
Dennoch bemerkte Ilse meine Unsicherheit und nahm
mich in den Arm. "Hör mal, Hans-Rüdiger,
ich weiß nicht, wo Dein Problem ist. Wir sind
hier schon Deine Regeln eingegangen und besuchen nur
ein Konzert. Wir sind hier nicht beim Fußball,
also reiß dich mal ein wenig am Riemen. Sonst
kannst Du die nächsten Wochen zuhause schlafen.
Und das willst Du doch wohl kaum, oder?" Nein,
nickte ich ab, denn sie war einfach viel zu schön.
Eingereiht in einer Schlange standen wir bei knapp
35 ° Celsius vor dem Bauwerk und warteten auf
den Einlass. Immer wieder stimmten kleinere Gruppen
der genetischen Abfälle Melodien an, die mir
kurz zuvor beim Lösen der Aufgabe "mittels,
durch mit 3 Buchstaben" die Gehörgänge
verstaubt hatten und meine Gedanken erfrieren ließen.
Nach knapp 30 ungeschützten Minuten in der prallen
Sonne erbarmten sich die Sicherheitsbeauftragten dazu,
der Menge Einlass zu gewähren. Jede einzelne
Person wurde von oben bis unten gefilzt, ob Oma mit
Pur-Kluft oder Teenager in Zivil, ich ging kurz in
mich, um mit dem Wissen wiederzukehren, dass ich auch
wirklich keine der Personen abgetastet hätte,
wäre ich an der Stelle der Ordner gewesen. Natürlich
abgesehen von meiner Ilse, die im Pulk der Fratzen
sofort im Fokus der Ordner stand. Es dauerte etwa
30 weitere Minuten, bis wir endlich unsere Karten
zum Abriss an einen der Kontrolleure weiterreichen
konnten. Inzwischen hatte ich regelrechten durst bekommen.
Als wir dann endlich gefilzt worden waren (sogar die
weiblichen Ordner kloppten sich noch um Ilse), erreichten
wir nach einer Stunde erstmals wieder ein Fleckchen
Schatten. Vorbei an kreischende Menschen gingen wir
durch einen langen Tunnel, immer wieder überholten
uns in die Halle strömende Menschen, die noch
die Hoffnung hatten, möglichst nah an Hartmut
zu gelangen.
"Ilse, ich hab einen ganz schön fetten Brand!"
sagte ich, als wir endlich in der Halle waren. Ich
stand inmitten des Rasens der Arena. Zumindest dort,
wo der Rasen eigentlich sonst gewesen wäre. Ich
nahm mir ein Herz und rotzte einen freundlichen Gelben
auf den Boden, einfach, weil ich meine Seele reinigen
wollte. Über mir stand in riesigen Buchstaben
auf den Sitzschalen der Name des ungeliebten Vereines.
In der Mitte der Halle schwebte ein Videowürfel,
auch hier grinste mich abermals das Wappen an. "Schatz,
warte mal eben …" sagte Ilse, "ich
hol mal eben für uns zwei Knappenkarten, damit
wir was trinken oder essen können!" Ich
blickte verwundert. "Du holst was?" Doch
Ilse war bereits zielstrebig unterwegs zu einer Art
Bude innerhalb der Halle.
Nach 10 Minuten kam sie zurück und wollte mir
gerade die Karte ungefragt in die Hand pressen, als
ich das Unheil noch so eben abwenden konnte. Auf dieser
Karte war das Wappen, sie wollte doch tatsächlich,
dass ich diese Karte berühre, dabei hatte ich
schon bei den Eintrittskarten bislang clevererweise
vermieden, diese auch nur eine Sekunde zu berühren,
da auch dort die Zeichen des Bösen aufgedruckt
waren. "Was ist?" fragte sie mich. "Hier
ist deine Karte, ohne die gibt es weder was zu essen,
noch etwas zu trinken!" "Die Scheiße
pack ich nicht an!" sagte ich trotzig. Ilse schüttelte
den Kopf. "Okay," sagte sie, "dann
hol ich was zu trinken! Du brauchst die Karte nicht
anzufassen. Willst Du überhaupt was zu trinken?"
fragte sie mich. Mir lief das Wasser im Maul zusammen.
"Was ist denn das für eine Frage, ich verdurste,
hol mir bitte eine Limonade" entgegnete ich.
"Wenn ich jetzt was zu trinken hole, will ich
danach keine Quengeleien mehr hören, ist das
jetzt klar, Hans-Rüdiger?" fragte sie mich.
Ich nickte stillschweigend, ohne zu wissen, welche
Höchststrafe mir nun drohte. Als sie nämlich
mit den Bechern wieder zurückkam, traf mich fast
der Schlag. Waren die Embleme noch relativ klein gewesen,
gegen die ich mich bislang mit Mut und Geschick wehren
konnte, war der ganze verschissene Becher ein einziges
Schalkewappen. "Hier." Ilse streckte mir
den Becher entgegen. "Da ist dein Getränk."
Ich streckte meinen Arm aus und ergriff mit leicht
klappriger Hand den Becher, der Gott sei Dank noch
über einen Henkel verfügte, so dass ich
nicht mit vollem Bewusstsein erstmals in meinem Leben
ein Schalkewappen berühren musste. Wäre
ich nicht kurz vor dem Verdursten gewesen, ich hätte
den Becher durch die Halle gewirbelt. Doch auch das
ging nicht, wie mir Ilse freundlich beibrachte, denn
offensichtlich handelte es sich bei den Bechern um
ein Mehrwegsystem.
So kam es wie es kommen musste, ich musste aus dem
Becher trinken. Lieber Essener Leser, ich versichere,
dass ich nie und nimmer von diesem Becherchen getrunken
hätte, wenn die sanitären Anlagen im Innenraum
nicht lediglich etwas modernere Dixieklos gewesen
wären. Ich schäme mich auch heute, etliche
Monate nach diesem Event noch für diese Tat und
versichere, es ist danach, bis auf wenige Ausnahmen
in Teil 5, 6 und 7 dieser Saga, nie wieder vorgekommen.
Ich trank den Becher also auf Ex, um den Schmerz und
seine beschmutzende Wirkung möglichst kurz zu
halten. Wir gingen jetzt in Richtung Bühne. Für
mich als Hobbymusiker war natürlich besonders
interessant zu sehen, wie die Beschallung technisch
umgesetzt worden war. Ilse hatte nur Augen für
den Videowürfel, auf dem in regelmäßigen
Abständen Ansagen von Rudi Assauer zu sehen und
zu hören waren.
Endlich begann dann irgendwann das Konzert mit einer
Vorgruppe. Die Lichter verdunkelten und die Bühne
erstrahlte im hellen Licht. Irgendein graumelierter
Typ fing zwar mit bekannten und fetzigen Beats an
zu spielen, verunglimpfte die jeweiligen Songs allerdings
mit albernen deutschen Texten. So mutierte "Papa
was a Rolling Stone" bei diesem Künstler
zu einer unfreiwillig komischen Nummer namens "Papa
will hier nicht mehr wohn´n", was gerade
mich immer wieder zu Lachattacken brachte. JA! Wenigstens
Spaß hatte ich bei dem Kasper. Die anderen Songinhalte
waren allesamt vom gleichen Kaliber, so dass sich
der Zuschauerzuspruch mit jeweils sehr geringem Applaus
und meinem Lachen bemerkbar machte. Nach dem Dritten
Lied kam ein Typ zu mir und fragte mich, ob ich noch
was von dem Gras dabeihätte. Ich musste ihn zu
einem Polizisten in Zivil weiterschicken, den Ilse
wohl noch aus der Waldorfschule kannte.
Als Mister "silbergelockter" Umdichter dann
nach knapp einer halben Stunde endlich ein Einsehen
hatte, und sein Vorprogramm beendete, traf mich fast
der Schlag, denn plötzlich stimmte ein Block
Schalke Lieder an. Ich wollte gerade lautstark dagegen
protestieren, als ich unmittelbar neben mir einen
Mann entdeckte, der mächtig fluchte. Bruchstücke
konnte ich trotz des Lärmes vernehmen und sie
machten mich gerade zu glücklich. "Wenn
die Spacken nicht gleich mal aufhören zu singen,
dann marschier ich da hoch, und krall mir einen nach
dem anderen!" sagte der etwa zwei Meter große
Baum zu seiner weiblichen Begleitung. Diese blickte
zu ihm hoch und meinte: "Bernd-Eduard, das ist
doch nur dieses eine Mal, wo Du mir einen Gefallen
tust, wir sind doch schon nicht zum Fußball
hier her gegangen …"
Mir fiel fast die Kinnlade herunter. Das konnte nicht
wahr sein. Neben mir stand doch tatsächlich ein
Leidensgenosse, der seiner "Ilse" ein ähnliches
Versprechen gegeben haben dürfte. Ich fühlte
mich plötzlich nicht mehr so schmutzig und nuttig.
Das alles veränderte auch nicht die Tatsache,
dass sich der Mann durch spätere Gesangeseinlagen
im Verlaufe des Abends noch als Borusse entpuppen
sollte. Nach einer etwas kürzeren Pause kam dann
auch endlich der eigentlich Star des Abends auf die
Bühne: Hartmut Engler. Erstmals in meinem Leben
konnte ich mir ein Bild machen, wie dieser Songwriter
der Hammerschnulzen aussah. Mir war auch plötzlich
klar, was Ilse an mir mochte. Denn nasenmäßig
ähnelten wir uns schon ziemlich, so dass auch
Hartmut den Spruch mit der Nase eines Mannes kennen
dürfte.
Die Band spielte ein klassisches Set mit dem German
Pop Ensemble, was die Musik aber keinesfalls erträglicher
machte, denn wenn ich vorher beim simulierten Stuhlgang
noch gar nicht mitbekommen hatte, was die Herrschaften
da für Schnulzen sangen, so wurde ich jetzt mit
der Breitseite an Herzschmerz-Kacke bedient. Begleitet
von diversen Stargästen (u.a. Heinz Rudolf Kunze)
gaukelte die Band dem gigantischen, aber streckenweise
sehr monströsen Publikum eine heile Welt vor.
"Hab mich wieder mal an dir Betrunken" lautete
eine der Nummern, doch eigentlich hätte der Text
"Euch schäbigen Weiber kann sich keiner
mehr schön saufen!" viel besser gepasst.
Kurz vor dem Ende spielte die Kombo noch "Ein
graues Haar!" und wäre die Veranstaltung
noch eine Minute länger gegangen, dann hätte
ich eben jenes sicherlich bekommen.
Beim Rausgehen aus der Halle fiel Ilse mir um den
Hals. "Danke, Hans-Rüdiger, dass Du so tapfer
warst, Du bekommst heute den Sex deines Lebens. Ich
glaub, wir lassen mal das Licht an" Ich war erleichtert.
Doch Ilse fügte dem ganzen noch etwas hinzu,
was mich sehr nachdenklich stimmte. "Jetzt war
ich schon zwei Mal bei Euch in der Bruchbude (Anm.
die Red.: gegen Aachen und Erfurt, jeweils kein Sieg),
da erwarte ich jetzt einfach für unsere späteren
Planungen, dass Du mal mit zum Fußball kommst.
Meinetwegen kannst Du dir auch das Spiel aussuchen!"
Ich fuhr zusammen. Hatte es denn immer noch nicht
gereicht? Musste ich wirklich schon nach drei Monaten
wieder Schluss machen? Ich wollte es nicht, doch jetzt
benötigte ich schon ein kleines Wunder.
(fsl)