"Helden von einst" Teil I

veröffentlicht am 30.11.2005 um 10:50 Uhr

Das große Interview mit Willi "Ente" Lippens Teil I


Jawattdenn.de:
Herr Lippens, erst einmal vielen Dank, dass sie sich die Zeit nehmen, uns Rede und Antwort zu stehen. Sie eröffnen auf unserer Internetseite die neue Reihe „Helden von einst“. Willi LippensNoch immer schwärmen viele Rot-Weiss-Fans von ihren Künsten. Im Jahr 1978 sollen sie auf einer Weihnachtsfeier gesagt haben: „Meiner Meinung nach wird RWE für lange Zeit fern von der ersten Bundesliga bleiben müssen.“ Schämen sie sich heute ein wenig dafür? Immerhin haben Sie ja Recht behalten.

Willi „Ente“ Lippens:
Wenn ich es denn so gesagt habe, dann hätte ich mal besser auf diese Aussage verzichten sollen (lacht!) … Denn im Prinzip trifft es uns ja alle. Nicht gut, dass ich damit Recht behalten habe. Es ist leider eine kleine Schande, was da momentan passiert.


Jawattdenn.de:

Schlägt ihr Herz denn noch rot-weiss?

Willi „Ente“ Lippens:
Natürlich, wenn man dort 13 Jahre verbracht hat, ist das doch klar. Auch wenn man ab und an seine Zweifel hat, durch diverse Dinge, die in all den Jahren passierten, stellt sich die Frage, ob man noch dazugehört oder nicht. Ruhm ist schnell vergänglich und im eigenen Land zählt man halt nicht viel.


Jawattdenn.de:

Spielen sie damit auf ihre Saison als sportlicher Leiter an, die darin „gipfelte“, dass sie später sogar noch als Trainer für Dieter Brei auf der Bank saßen?

Willi „Ente“ Lippens:
Willi LippensJa, das war sehr deprimierend. Ich wurde damals zu einem Zeitpunkt gerufen, wo wirklich gar nichts ging. Es war kein Pfennig Geld zu viel da. Nach dem Zweitligaabstieg hatten 15 Leute den Verein verlassen. Ich hatte vier Wochen Zeit, eine Mannschaft zu formen und musste ohne Geld eine Truppe aus dem Hut zaubern. Wir konnten teilweise die Gehälter für die Spieler nicht zahlen. Dabei weiß jeder, dass man ohne viel Geld selbst in der Regionalliga nicht sonderlich viel reißen kann. Da nützt der beste Fußballsachverstand nichts. Als ich dann nach einem Jahr gehen musste und man mir sagte, ich hätte keine Ahnung, war die Enttäuschung groß.


Jawattdenn.de:

Wie tief saß der Stachel bei Ihrem Abschied?

Willi „Ente“ Lippens:
Das war eine der schwärzesten Stunden, die ich je in meinem Leben erlebt habe. Ich hatte mich praktisch für lau eingebracht, und meine Dienste zur Verfügung gestellt. Das war ganz schön hart.


Jawattdenn.de:

Im Rückblick gesehen: Hat das Ihrem Image geschadet?

Willi „Ente“ Lippens:
Ich habe das immer verdrängt. Wenn ich mal bewusst darüber nachdenken würde, müsste ich mir eingestehen, ich würde nie wieder nach Rot-Weiss gehen. Hier geht es aber um einen Verein, nicht um die Leute, die ihm vorstehen. Man hat fast den Eindruck, nun ist Geld da und versucht krampfhaft den Anschluss zu finden.


Jawattdenn.de:

Wie sieht Ihre persönliche Prognose für RWE aus? Für den Fall, dass Essen dieses Jahr nicht sofort wieder aufsteigt, wurden ja schon diverse Horrorszenarien entworfen. Teilen sie die Ängste der Leute, der Verein könnte daran zu Grunde gehen?

Willi „Ente“ Lippens:
Nein, der Verein wird weiter leben. Nur, auf was für einem Niveau, ist die Frage. Das wird man sehen.
Willi LippensIch glaube, dass die Voraussetzungen eigentlich ganz gut sind. Ich habe dieses Jahr schon ein paar Mal Spiele beobachten können. Die Konkurrenten im Aufstiegskampf sind nicht wesentlich stärker. Es müsste möglich sein, am Ende einen der ersten beiden Plätze einzunehmen. Die Sponsoren haben diesmal richtig tief in die Tasche gegriffen. Man hat für die Regionalliga einen riesigen Etat. Da ist es fast Pflicht, aufzusteigen. Da dürfen am Ende keine Ausreden her. Ich glaube, den Fan stört es schon, immer rauf und runter zu gehen, ohne Kontinuität.
Klar, wir sind damals auch ein paar Mal abgestiegen. Aber zu der Zeit pendelte der Verein zwischen der ersten und der zweiten Liga, und nicht zwischen zweiter und dritter. Das ist der kleine Unterschied.


Jawattdenn.de:

Glauben Sie, dass man irgendwann wieder in der ersten Liga spielen kann, oder ist das Utopie?

Willi „Ente“ Lippens:
Natürlich wäre das vom Finanziellen in den nächsten Jahren machbar. Wenn man Erfolg hat, dann kommt die Industrie von ganz alleine. Wichtig ist aber der sportliche Erfolg, und da bin ich eher skeptisch. Offensichtlich versteht man es nicht, um ein ordentliches Gerippe eine Mannschaft aufzubauen. Man muss auch mal versuchen, die Hauptakteure über einen längeren Zeitraum zu halten. Aber eine Garantie, dass man schnell weiter kommt, ist auch das nicht.


Jawattdenn.de:

Haben sie den Eindruck, der Verein tritt auf der Stelle?

Willi „Ente“ Lippens:
Man arbeitet im Verein personaltechnisch meiner Meinung nach nicht so kontinuierlich, wie es sein müsste. Und das schon seit Jahrzehnten. Da bekommt keiner eine Chance über einen längeren Zeitraum, sagen wir mal, fünf Jahre. Die meisten Trainer mussten doch schon nach einem halben Jahr wieder gehen.
Und warum werden nicht mal ehemalige Spieler als Berater an Bord geholt? Stattdessen werden Leute aus Wattenscheid geholt, oder solche, die vor ein paar Monaten den Verein noch gar nicht richtig kannten. Es ist in unserer Region sehr wichtig, dass bei so was das Herz mitspielt. Man sollte den Fans auch mal richtige Rot-Weiße zeigen, und nicht immer Leute für kurze Zeiträume verpflichten. Es ist alles irgendwie zu schnelllebig geworden.
Sehen Sie sich in Deutschland doch mal um, in jedem größeren Verein sind ehemalige Spieler tätig. Als Scout, als Manager, als Funktionär, wie auch immer. In Essen habe ich den Eindruck, auf diese Erfahrungswerte ehemaliger Akteure legt man keinen Wert, man will sie nicht. Die sind vielleicht zu unbequem.


Jawattdenn.de:

Sie klingen leicht verbittert …

Willi „Ente“ Lippens:
Wenn ich sehe, dass kein Erfolg da ist, dann kann ich doch ruhig behaupten, dass dem Verein solche Erfahrungswerte ehemaliger erfolgreicher Spieler fehlen. Man kann doch nicht auf so viel Erfahrung verzichten! Und damit meine ich nicht nur mich. Damit meine ich Leute wie Bast, Mill, Burgsmüller und wie sie alle heißen. Ich verstehe das nicht.
Dass sich der Vorstand bemüht, steht außer Frage. Aber meiner Meinung nach müssten mehr Leute integriert werden, die etwas mehr Ahnung haben. Es ist schade, dass ich damals nicht etwas mehr Zeit bekam und mehr Geld zur Verfügung hatte, um einen konkurrenzfähigen Kader zu formieren. Ich habe so viele Kontakte nach Fußballdeutschland, ich kann anrufen wen ich will, ich komme immer durch, mich wimmelt man nicht ab. Ich kann sogar mit den großen Vereinen telefonieren. Da hätte es sicherlich mal ab und an Möglichkeiten gegeben, den einen oder anderen Spieler hierher zu lotsen. Aber wenn man nichts auf der Jacke hat, dann kann man niemanden anrufen.


-> Interview Teil II