"Helden von einst" Teil I
Das große Interview mit Willi "Ente"
Lippens Teil I
Jawattdenn.de:
Herr Lippens, erst einmal vielen Dank, dass sie sich
die Zeit nehmen, uns Rede und Antwort zu stehen. Sie
eröffnen auf unserer Internetseite die neue Reihe
„Helden von einst“. Noch
immer schwärmen viele Rot-Weiss-Fans von ihren
Künsten. Im Jahr 1978 sollen sie auf einer Weihnachtsfeier
gesagt haben: „Meiner Meinung nach wird RWE für
lange Zeit fern von der ersten Bundesliga bleiben
müssen.“ Schämen sie sich heute ein
wenig dafür? Immerhin haben Sie ja Recht behalten.
Willi „Ente“ Lippens:
Wenn ich es denn so gesagt habe, dann hätte ich
mal besser auf diese Aussage verzichten sollen (lacht!)
… Denn im Prinzip trifft es uns ja alle. Nicht
gut, dass ich damit Recht behalten habe. Es ist leider
eine kleine Schande, was da momentan passiert.
Jawattdenn.de:
Schlägt ihr Herz denn noch rot-weiss?
Willi „Ente“ Lippens:
Natürlich, wenn man dort 13 Jahre verbracht hat,
ist das doch klar. Auch wenn man ab und an seine Zweifel
hat, durch diverse Dinge, die in all den Jahren passierten,
stellt sich die Frage, ob man noch dazugehört
oder nicht. Ruhm ist schnell vergänglich und
im eigenen Land zählt man halt nicht viel.
Jawattdenn.de:
Spielen sie damit auf ihre Saison als sportlicher
Leiter an, die darin „gipfelte“, dass sie
später sogar noch als Trainer für Dieter
Brei auf der Bank saßen?
Willi „Ente“ Lippens:
Ja,
das war sehr deprimierend. Ich wurde damals zu einem
Zeitpunkt gerufen, wo wirklich gar nichts ging. Es
war kein Pfennig Geld zu viel da. Nach dem Zweitligaabstieg
hatten 15 Leute den Verein verlassen. Ich hatte vier
Wochen Zeit, eine Mannschaft zu formen und musste
ohne Geld eine Truppe aus dem Hut zaubern. Wir konnten
teilweise die Gehälter für die Spieler nicht
zahlen. Dabei weiß jeder, dass man ohne viel
Geld selbst in der Regionalliga nicht sonderlich viel
reißen kann. Da nützt der beste Fußballsachverstand
nichts. Als ich dann nach einem Jahr gehen musste
und man mir sagte, ich hätte keine Ahnung, war
die Enttäuschung groß.
Jawattdenn.de:
Wie tief saß der Stachel bei Ihrem Abschied?
Willi „Ente“ Lippens:
Das war eine der schwärzesten Stunden, die ich
je in meinem Leben erlebt habe. Ich hatte mich praktisch
für lau eingebracht, und meine Dienste zur Verfügung
gestellt. Das war ganz schön hart.
Jawattdenn.de:
Im Rückblick gesehen: Hat das Ihrem Image geschadet?
Willi „Ente“ Lippens:
Ich habe das immer verdrängt. Wenn ich mal bewusst
darüber nachdenken würde, müsste ich
mir eingestehen, ich würde nie wieder nach Rot-Weiss
gehen. Hier geht es aber um einen Verein, nicht um
die Leute, die ihm vorstehen. Man hat fast den Eindruck,
nun ist Geld da und versucht krampfhaft den Anschluss
zu finden.
Jawattdenn.de:
Wie sieht Ihre persönliche Prognose für
RWE aus? Für den Fall, dass Essen dieses Jahr
nicht sofort wieder aufsteigt, wurden ja schon diverse
Horrorszenarien entworfen. Teilen sie die Ängste
der Leute, der Verein könnte daran zu Grunde
gehen?
Willi „Ente“ Lippens:
Nein, der Verein wird weiter leben. Nur, auf was für
einem Niveau, ist die Frage. Das wird man sehen.
Ich
glaube, dass die Voraussetzungen eigentlich ganz gut
sind. Ich habe dieses Jahr schon ein paar Mal Spiele
beobachten können. Die Konkurrenten im Aufstiegskampf
sind nicht wesentlich stärker. Es müsste
möglich sein, am Ende einen der ersten beiden
Plätze einzunehmen. Die Sponsoren haben diesmal
richtig tief in die Tasche gegriffen. Man hat für
die Regionalliga einen riesigen Etat. Da ist es fast
Pflicht, aufzusteigen. Da dürfen am Ende keine
Ausreden her. Ich glaube, den Fan stört es schon,
immer rauf und runter zu gehen, ohne Kontinuität.
Klar, wir sind damals auch ein paar Mal abgestiegen.
Aber zu der Zeit pendelte der Verein zwischen der
ersten und der zweiten Liga, und nicht zwischen zweiter
und dritter. Das ist der kleine Unterschied.
Jawattdenn.de:
Glauben Sie, dass man irgendwann wieder in der ersten
Liga spielen kann, oder ist das Utopie?
Willi „Ente“ Lippens:
Natürlich wäre das vom Finanziellen in den
nächsten Jahren machbar. Wenn man Erfolg hat,
dann kommt die Industrie von ganz alleine. Wichtig
ist aber der sportliche Erfolg, und da bin ich eher
skeptisch. Offensichtlich versteht man es nicht, um
ein ordentliches Gerippe eine Mannschaft aufzubauen.
Man muss auch mal versuchen, die Hauptakteure über
einen längeren Zeitraum zu halten. Aber eine
Garantie, dass man schnell weiter kommt, ist auch
das nicht.
Jawattdenn.de:
Haben sie den Eindruck, der Verein tritt auf der Stelle?
Willi „Ente“ Lippens:
Man arbeitet im Verein personaltechnisch meiner Meinung
nach nicht so kontinuierlich, wie es sein müsste.
Und das schon seit Jahrzehnten. Da bekommt keiner
eine Chance über einen längeren Zeitraum,
sagen wir mal, fünf Jahre. Die meisten Trainer
mussten doch schon nach einem halben Jahr wieder gehen.
Und warum werden nicht mal ehemalige Spieler als Berater
an Bord geholt? Stattdessen werden Leute aus Wattenscheid
geholt, oder solche, die vor ein paar Monaten den
Verein noch gar nicht richtig kannten. Es ist in unserer
Region sehr wichtig, dass bei so was das Herz mitspielt.
Man sollte den Fans auch mal richtige Rot-Weiße
zeigen, und nicht immer Leute für kurze Zeiträume
verpflichten. Es ist alles irgendwie zu schnelllebig
geworden.
Sehen Sie sich in Deutschland doch mal um, in jedem
größeren Verein sind ehemalige Spieler
tätig. Als Scout, als Manager, als Funktionär,
wie auch immer. In Essen habe ich den Eindruck, auf
diese Erfahrungswerte ehemaliger Akteure legt man
keinen Wert, man will sie nicht. Die sind vielleicht
zu unbequem.
Jawattdenn.de:
Sie klingen leicht verbittert …
Willi „Ente“ Lippens:
Wenn ich sehe, dass kein Erfolg da ist, dann kann
ich doch ruhig behaupten, dass dem Verein solche Erfahrungswerte
ehemaliger erfolgreicher Spieler fehlen. Man kann
doch nicht auf so viel Erfahrung verzichten! Und damit
meine ich nicht nur mich. Damit meine ich Leute wie
Bast, Mill, Burgsmüller und wie sie alle heißen.
Ich verstehe das nicht.
Dass sich der Vorstand bemüht, steht außer
Frage. Aber meiner Meinung nach müssten mehr
Leute integriert werden, die etwas mehr Ahnung haben.
Es ist schade, dass ich damals nicht etwas mehr Zeit
bekam und mehr Geld zur Verfügung hatte, um einen
konkurrenzfähigen Kader zu formieren. Ich habe
so viele Kontakte nach Fußballdeutschland, ich
kann anrufen wen ich will, ich komme immer durch,
mich wimmelt man nicht ab. Ich kann sogar mit den
großen Vereinen telefonieren. Da hätte
es sicherlich mal ab und an Möglichkeiten gegeben,
den einen oder anderen Spieler hierher zu lotsen.
Aber wenn man nichts auf der Jacke hat, dann kann
man niemanden anrufen.