Interview mit Nico Schäfer Teil II
Jawattdenn.de:
Vergessen wir mal das Negative: Was war für sie
persönlich das schönste Erlebnis bei RWE?!
Nico Schäfer:
Sportlich gesehen waren die beiden Aufstiege aus der
Oberliga und in die zweite Liga schöne Erlebnisse.
Insgesamt waren die Tage zwischen dem 10. und 12.
Juni 2001 aus meiner Sicht die schönsten Momente
mit dem Verein. Das war eine emotionale Achterbahnfahrt.
Was eigentlich als Tragödie begann, endete in
einer Jubelorgie vor der Geschäftstelle.
Zu
diesem Zeitpunkt saß ich allerdings beim Direktor
der Sparkasse und konnte die Bank nicht verlassen,
weil das letzte, wichtige Fax noch nach Frankfurt
zum DFB geschickt werden musste.
Wir wussten damals schon einen Tag vor dem Braunschweigspiel,
dass wir keine Bürgschaft bekommen würden
und mussten das vor allen geheim halten, um wenigstens
erst mal das sportliche Ziel zu sichern. Dass wir
dann in allerletzter Minute noch den Siegtreffer erzielten,
war schon extrem heftig.
Dann hatte man exakt eine Minute zum inneren Jubeln,
um dann vor die Masse bei der Pressekonferenz zu treten
und die traurige Botschaft zu überbringen. Dann
die Tage danach mit dem Zittern um die Lizenz, dem
Aufstellen der Grablichter und dem Eintreiben des
Geldes, wo sich auch kleinere Unternehmen hervortaten,
ohne dass wir diese überhaupt gefragt hatten.
Montags kam der Inhaber der Imbissbetriebe Ulrich
vorbei und sagte nebenbei, dass er bereits bei der
Bank gewesen wären, um mal eben für 50 000
Mark zu bürgen. So etwas hat einen dann genauso
gefreut wie die größeren Summen, die hinterher
aus anderen Quellen stammten. Das war schon echt irre.
Mit Sicherheit das schönste Erlebnis, seitdem
ich hier bin.
Jawattdenn.de:
War dann dieses Auf und Ab an diesem Wochenende auch
ihr negativstes Erlebnis in ihrer Zeit bei RWE?
Nico Schäfer:
Nein, das negativste Erlebnis war mit hundertprozentiger
Sicherheit der Abstieg aus der zweiten Liga. Der tat
richtig weh, jeder von uns hat lange dafür gebraucht,
das zu verarbeiten. Der Tag in Ahlen war schon …
Jawattdenn.de:
… bitter?
Nico Schäfer:
Ja, bitter!
Jawattdenn.de:
Wollen wir mal einen Blick über den Tellerrand
werfen. Könnte sie ein Job in einer führenden
Rolle bei einem anderen Verein in Deutschland reizen?
Vielleicht als Manager oder in irgendeiner anderen
Rolle, oder sind sie inzwischen zu sehr mit dem Verein
verbunden?
Nico Schäfer:
Die
Gelegenheit hatte ich sogar schon, aber ich habe es
nicht gemacht. Bei einem anderen Verein würde
ich nicht so ein breites Spektrum abdecken können.
Es gibt in Deutschland natürlich zwei, drei Vereine,
die ich toll finde. Natürlich Werder Bremen,
die in den vergangenen Jahren einen hervorragenden
Weg gegangen sind.
Als Kind war ich Anhänger von Hertha BSC, bin
auch zu den Spielen gegangen, als die in der Oberliga
kickten. Aber inzwischen hat sich das gelegt, denn
der Verein ist mittlerweile alles andere als zuschauerfreundlich.
Wenn man dort hinkommt, erscheint es einem, als ginge
man zu einer reinen Werbeveranstaltung. Trotz sportlichen
Erfolgs in der Hauptstadt unseres Landes, der größten
Stadt der Republik, kommen dort im Schnitt gerade
mal 30 – 40 000 Zuschauer zu den Spielen. Irgendwas
müssen die doch falsch machen …
Jawattdenn.de:
Wer ist der dritte Verein? Jetzt sagen sie nicht Bayern
…
Nico Schäfer:
Nein, eher in Richtung Ausland. In der Premiere League
bei Aston Villa in Birmingham zu arbeiten, das könnte
mich reizen, aber das ist illusorisch. Ich fühle
mich hier in Essen sehr wohl, auch in Anbetracht der
noch kommenden Aufgaben, hier rede ich von unserem
Stadionprojekt. Wichtig ist, dass wir in Deutschland
ein Alleinstellungsmerkmal behalten und das ist Fußball
pur an der Hafenstraße. Dies kann man bei anderen
Vereinen aus dem näheren Umfeld, die kürzlich
bauten, nicht mehr so ganz behaupten. RWE soll auch
im neuen Stadion ein Verein zum Anfassen bleiben.
Jawattdenn.de:
Was ist eigentlich aus diesem Projekt geworden?
Nico Schäfer:
Wenn wir aufsteigen, ist das wieder ein ganz wichtiges
Thema, gewissermaßen die Zukunft des Vereins.
Wenn wir kein neues Stadion bauen, können wir
langfristig nicht mit anderen Vereinen mithalten.
Dann können wir mit Glück ein Leben lang
maximal in der zweiten Liga mitmischen, gesetzt den
Fall, das Drumherum würde optimal laufen. Langfristig
muss hier andere „Hardware“ her.
Die
Unternehmen, die uns unterstützen, finden vieles
zwar toll, würden aber auch gerne mal Gäste
mit zu den Spielen bringen. Da kann man natürlich
als Fan drüber streiten, ob das richtig oder
falsch ist, zumal der Sparkassendirektor auch fast
bei jedem Spiel im Stehbereich steht. Aber allein
der Logen- und Businessbereich würde in etwa
so viel einbringen, als wäre der Rest des Stadions
ausverkauft. Und das Geld braucht man, wenn man mal
andere Ziele angreifen möchte. Wir brauchen daher
einen zentralen Standort für den Verein, mit
Jugendinternat und dergleichen, und nicht eine Infrastruktur,
wo die einzelnen Jugendabteilungen auf verschiedenen
Plätzen im Stadtgebiet spielen oder die Duschen
nur jedes dritte Mal vernünftig funktionieren.
Jawattdenn.de:
Also liegen die Pläne nur vorübergehend
auf Eis? Hängt es einzig und allein vom sportlichen
Erfolg ab?
Nico Schäfer:
Beim 1:5 gegen Aue saßen natürlich alle
potenziellen Geldgeber auf der Tribüne und haben
sich die Hände vors Gesicht geschlagen und gefragt,
ob der Verein überhaupt in der zweiten Liga bestehen
kann. Aber das Stadion ist durchgeplant bis zur letzten
Steckdose. Wir werden keine Zeit mehr mit Planungen
oder Ausschreibungen verbringen: Das ist bereits alles
geschehen. Wir sind im Hypothekenbereich mit den Banken
soweit klar, und bei einem neuerlichen Aufstieg werden
wir viel schneller an das Thema rangehen können,
als es im letzten Jahr der Fall war …
Jawattdenn.de:
Aber eine Landesbürgschaft für solch ein
Projekt ist doch eigentlich unabdingbar, oder etwa
nicht?
Nico Schäfer:
Es gibt auch andere Konstrukte. Damit beschäftigen
wir uns ab Februar oder März. Die Stadionplanungsrunden
starten wieder im Januar.
Jawattdenn.de:
Gehen wir mal an die mittelfristigen sportlichen Planungen.
Werden wir jetzt Weltpokalsieger 2010 oder eher nicht?
Nico Schäfer:
(lacht) Die Fahne mit dem Weltpokalsieg 2010 finde
ich toll! Aber realistisch muss man eingestehen, dass
wir das nicht ganz schaffen werden. Wichtig ist, dass
wir bei unserem hundertjährigen Jubiläum
erstmal in der zweiten Liga spielen und die dann auch
halten werden. Und wenn man dann einen Dreijahres-Plan
aufstellen kann, um im Jahre 2010 an die Tür
zur Bundesliga zu klopfen, dann ist das ein erreichbares
Ziel.
Ein Durchmarsch ist natürlich Unsinn. Wir hatten
damals einen Fünfjahres-Plan, um aus der Oberliga
wieder in die zweite Liga zurückzukehren, sind
zwei Mal denkbar knapp gescheitert und haben unser
Ziel im sechsten Jahr verwirklicht. Leider hat uns
nun dieser Unfall zurückgeworfen. Dennoch kann
man solche Ziele durchaus als realistisch einstufen.
Jawattdenn.de:
Dann würden sie den Abstieg aus der zweiten Liga
als Betriebsunfall abstempeln?
Nico Schäfer:
Nein, das wäre falsch, es so zu sehen. Nur, wenn
man richtig daraus gelernt hat und in drei Jahren
dort ist, wo man eigentlich hin will, nämlich
etabliert in der zweiten Bundesliga, klopfend am Tor
zur höchsten Spielklasse, dann sage ich, es war
ein Betriebsunfall.
Jawattdenn.de:
Schildern sie uns bitte, welchen Stellenwert Rolf
Hempelmann für Rot-Weiss Essen aus ihrer Sicht
hat?
Nico Schäfer:
Ohne Rolf Hempelmann würde es den Verein nicht
mehr geben! Das sage ich bewusst
so. Natürlich konnte er auf ein gutes Team bauen,
aber solch ein Team muss ein Präsident ja auch
erstmal zusammenstellen. Der Kreis schließt
sich demnach wieder bei ihm. Er gibt Strategien vor,
und durch seine Tätigkeit in Berlin, die nun
über Jahre hinweg mehr und mehr geworden ist,
muss er sich darauf verlassen, dass dies auch umgesetzt
wird. Jeder hat eine Aufgabe im Verein bekommen, die
klar definiert ist. Rolf Hempelmann kann Menschen
begeistern und er schafft es eben, ein Team zusammenzuhalten.
Ich glaube, was er bewegt, stößt bei sehr
vielen Leuten auf positive Resonanz. Dass wir Energiekonzerne
in unserem Boot sitzen haben, ist sein Verdienst und
dass diese Unternehmen dann auch noch aus unserer
Stadt sind, ist das Schöne daran. Bei anderen
Vereinen ist irgendeine Bierbrauerei oder ein Sportartikelhersteller
aus entfernten Gegenden für ein Großteil
der Gelder verantwortlich. Bei uns sind es Unternehmen
aus dem Stadtgebiet. Darauf hat man beim Verein vor
Hempelmanns Engagement jahrelang vergeblich gehofft.
Sein guter Ruf und sein politisches Ansehen waren
sehr hilfreich.
Jawattdenn.de:
Abschließende Frage: Gibt es schon Konkretes
zur Suche nach einem neuen Stürmer?
Nico Schäfer:
Wir werden noch vor dem Wintertrainingslager in Spanien
einen neuen und zudem sehr namhaften Spieler verpflichtet
haben. Ich kann aber jetzt noch keine Namen nennen.
Es gibt Gespräche in verschiedene Richtungen,
und wir wollen hier keinen Spieler präsentieren,
der hinterher bei den Fans den Ruf hat, nur zweite
oder dritte Wahl zu sein. Olaf Janßen und Uwe
Neuhaus haben sich aber sehr gute Gedanken gemacht.
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch,
Herr Schäfer und einen guten Rutsch ins neue
Jahr!
Das Interview führten Frank Schulz, Tim
Zähringer und Martin Noll