Interview mit Nico Schäfer Teil II

veröffentlicht am 30.12.2005 um 19:19 Uhr

Jawattdenn.de:
Vergessen wir mal das Negative: Was war für sie persönlich das schönste Erlebnis bei RWE?!

Nico Schäfer:
Sportlich gesehen waren die beiden Aufstiege aus der Oberliga und in die zweite Liga schöne Erlebnisse. Insgesamt waren die Tage zwischen dem 10. und 12. Juni 2001 aus meiner Sicht die schönsten Momente mit dem Verein. Das war eine emotionale Achterbahnfahrt. Was eigentlich als Tragödie begann, endete in einer Jubelorgie vor der Geschäftstelle.

Nico SchäferZu diesem Zeitpunkt saß ich allerdings beim Direktor der Sparkasse und konnte die Bank nicht verlassen, weil das letzte, wichtige Fax noch nach Frankfurt zum DFB geschickt werden musste.

Wir wussten damals schon einen Tag vor dem Braunschweigspiel, dass wir keine Bürgschaft bekommen würden und mussten das vor allen geheim halten, um wenigstens erst mal das sportliche Ziel zu sichern. Dass wir dann in allerletzter Minute noch den Siegtreffer erzielten, war schon extrem heftig.

Dann hatte man exakt eine Minute zum inneren Jubeln, um dann vor die Masse bei der Pressekonferenz zu treten und die traurige Botschaft zu überbringen. Dann die Tage danach mit dem Zittern um die Lizenz, dem Aufstellen der Grablichter und dem Eintreiben des Geldes, wo sich auch kleinere Unternehmen hervortaten, ohne dass wir diese überhaupt gefragt hatten. Montags kam der Inhaber der Imbissbetriebe Ulrich vorbei und sagte nebenbei, dass er bereits bei der Bank gewesen wären, um mal eben für 50 000 Mark zu bürgen. So etwas hat einen dann genauso gefreut wie die größeren Summen, die hinterher aus anderen Quellen stammten. Das war schon echt irre. Mit Sicherheit das schönste Erlebnis, seitdem ich hier bin.


Jawattdenn.de:
War dann dieses Auf und Ab an diesem Wochenende auch ihr negativstes Erlebnis in ihrer Zeit bei RWE?

Nico Schäfer:
Nein, das negativste Erlebnis war mit hundertprozentiger Sicherheit der Abstieg aus der zweiten Liga. Der tat richtig weh, jeder von uns hat lange dafür gebraucht, das zu verarbeiten. Der Tag in Ahlen war schon …


Jawattdenn.de:
… bitter?

Nico Schäfer:
Ja, bitter!


Jawattdenn.de:
Wollen wir mal einen Blick über den Tellerrand werfen. Könnte sie ein Job in einer führenden Rolle bei einem anderen Verein in Deutschland reizen? Vielleicht als Manager oder in irgendeiner anderen Rolle, oder sind sie inzwischen zu sehr mit dem Verein verbunden?

Nico Schäfer:
Nico SchäferDie Gelegenheit hatte ich sogar schon, aber ich habe es nicht gemacht. Bei einem anderen Verein würde ich nicht so ein breites Spektrum abdecken können. Es gibt in Deutschland natürlich zwei, drei Vereine, die ich toll finde. Natürlich Werder Bremen, die in den vergangenen Jahren einen hervorragenden Weg gegangen sind.
Als Kind war ich Anhänger von Hertha BSC, bin auch zu den Spielen gegangen, als die in der Oberliga kickten. Aber inzwischen hat sich das gelegt, denn der Verein ist mittlerweile alles andere als zuschauerfreundlich. Wenn man dort hinkommt, erscheint es einem, als ginge man zu einer reinen Werbeveranstaltung. Trotz sportlichen Erfolgs in der Hauptstadt unseres Landes, der größten Stadt der Republik, kommen dort im Schnitt gerade mal 30 – 40 000 Zuschauer zu den Spielen. Irgendwas müssen die doch falsch machen …


Jawattdenn.de:
Wer ist der dritte Verein? Jetzt sagen sie nicht Bayern …

Nico Schäfer:
Nein, eher in Richtung Ausland. In der Premiere League bei Aston Villa in Birmingham zu arbeiten, das könnte mich reizen, aber das ist illusorisch. Ich fühle mich hier in Essen sehr wohl, auch in Anbetracht der noch kommenden Aufgaben, hier rede ich von unserem Stadionprojekt. Wichtig ist, dass wir in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal behalten und das ist Fußball pur an der Hafenstraße. Dies kann man bei anderen Vereinen aus dem näheren Umfeld, die kürzlich bauten, nicht mehr so ganz behaupten. RWE soll auch im neuen Stadion ein Verein zum Anfassen bleiben.


Jawattdenn.de:
Was ist eigentlich aus diesem Projekt geworden?

Nico Schäfer:
Wenn wir aufsteigen, ist das wieder ein ganz wichtiges Thema, gewissermaßen die Zukunft des Vereins. Wenn wir kein neues Stadion bauen, können wir langfristig nicht mit anderen Vereinen mithalten. Dann können wir mit Glück ein Leben lang maximal in der zweiten Liga mitmischen, gesetzt den Fall, das Drumherum würde optimal laufen. Langfristig muss hier andere „Hardware“ her.

Nico SchäferDie Unternehmen, die uns unterstützen, finden vieles zwar toll, würden aber auch gerne mal Gäste mit zu den Spielen bringen. Da kann man natürlich als Fan drüber streiten, ob das richtig oder falsch ist, zumal der Sparkassendirektor auch fast bei jedem Spiel im Stehbereich steht. Aber allein der Logen- und Businessbereich würde in etwa so viel einbringen, als wäre der Rest des Stadions ausverkauft. Und das Geld braucht man, wenn man mal andere Ziele angreifen möchte. Wir brauchen daher einen zentralen Standort für den Verein, mit Jugendinternat und dergleichen, und nicht eine Infrastruktur, wo die einzelnen Jugendabteilungen auf verschiedenen Plätzen im Stadtgebiet spielen oder die Duschen nur jedes dritte Mal vernünftig funktionieren.


Jawattdenn.de:
Also liegen die Pläne nur vorübergehend auf Eis? Hängt es einzig und allein vom sportlichen Erfolg ab?

Nico Schäfer:
Beim 1:5 gegen Aue saßen natürlich alle potenziellen Geldgeber auf der Tribüne und haben sich die Hände vors Gesicht geschlagen und gefragt, ob der Verein überhaupt in der zweiten Liga bestehen kann. Aber das Stadion ist durchgeplant bis zur letzten Steckdose. Wir werden keine Zeit mehr mit Planungen oder Ausschreibungen verbringen: Das ist bereits alles geschehen. Wir sind im Hypothekenbereich mit den Banken soweit klar, und bei einem neuerlichen Aufstieg werden wir viel schneller an das Thema rangehen können, als es im letzten Jahr der Fall war …


Jawattdenn.de:
Aber eine Landesbürgschaft für solch ein Projekt ist doch eigentlich unabdingbar, oder etwa nicht?

Nico Schäfer:
Es gibt auch andere Konstrukte. Damit beschäftigen wir uns ab Februar oder März. Die Stadionplanungsrunden starten wieder im Januar.


Jawattdenn.de:
Gehen wir mal an die mittelfristigen sportlichen Planungen. Werden wir jetzt Weltpokalsieger 2010 oder eher nicht?

Nico Schäfer:
(lacht) Die Fahne mit dem Weltpokalsieg 2010 finde ich toll! Aber realistisch muss man eingestehen, dass wir das nicht ganz schaffen werden. Wichtig ist, dass wir bei unserem hundertjährigen Jubiläum erstmal in der zweiten Liga spielen und die dann auch halten werden. Und wenn man dann einen Dreijahres-Plan aufstellen kann, um im Jahre 2010 an die Tür zur Bundesliga zu klopfen, dann ist das ein erreichbares Ziel.

Ein Durchmarsch ist natürlich Unsinn. Wir hatten damals einen Fünfjahres-Plan, um aus der Oberliga wieder in die zweite Liga zurückzukehren, sind zwei Mal denkbar knapp gescheitert und haben unser Ziel im sechsten Jahr verwirklicht. Leider hat uns nun dieser Unfall zurückgeworfen. Dennoch kann man solche Ziele durchaus als realistisch einstufen.


Jawattdenn.de:
Dann würden sie den Abstieg aus der zweiten Liga als Betriebsunfall abstempeln?

Nico Schäfer:
Nein, das wäre falsch, es so zu sehen. Nur, wenn man richtig daraus gelernt hat und in drei Jahren dort ist, wo man eigentlich hin will, nämlich etabliert in der zweiten Bundesliga, klopfend am Tor zur höchsten Spielklasse, dann sage ich, es war ein Betriebsunfall.


Jawattdenn.de:
Schildern sie uns bitte, welchen Stellenwert Rolf Hempelmann für Rot-Weiss Essen aus ihrer Sicht hat?

Nico Schäfer:
Ohne Rolf Hempelmann würde es den Verein nicht mehr geben! Das sage ich Nico Schäferbewusst so. Natürlich konnte er auf ein gutes Team bauen, aber solch ein Team muss ein Präsident ja auch erstmal zusammenstellen. Der Kreis schließt sich demnach wieder bei ihm. Er gibt Strategien vor, und durch seine Tätigkeit in Berlin, die nun über Jahre hinweg mehr und mehr geworden ist, muss er sich darauf verlassen, dass dies auch umgesetzt wird. Jeder hat eine Aufgabe im Verein bekommen, die klar definiert ist. Rolf Hempelmann kann Menschen begeistern und er schafft es eben, ein Team zusammenzuhalten. Ich glaube, was er bewegt, stößt bei sehr vielen Leuten auf positive Resonanz. Dass wir Energiekonzerne in unserem Boot sitzen haben, ist sein Verdienst und dass diese Unternehmen dann auch noch aus unserer Stadt sind, ist das Schöne daran. Bei anderen Vereinen ist irgendeine Bierbrauerei oder ein Sportartikelhersteller aus entfernten Gegenden für ein Großteil der Gelder verantwortlich. Bei uns sind es Unternehmen aus dem Stadtgebiet. Darauf hat man beim Verein vor Hempelmanns Engagement jahrelang vergeblich gehofft. Sein guter Ruf und sein politisches Ansehen waren sehr hilfreich.


Jawattdenn.de:
Abschließende Frage: Gibt es schon Konkretes zur Suche nach einem neuen Stürmer?

Nico Schäfer:
Wir werden noch vor dem Wintertrainingslager in Spanien einen neuen und zudem sehr namhaften Spieler verpflichtet haben. Ich kann aber jetzt noch keine Namen nennen. Es gibt Gespräche in verschiedene Richtungen, und wir wollen hier keinen Spieler präsentieren, der hinterher bei den Fans den Ruf hat, nur zweite oder dritte Wahl zu sein. Olaf Janßen und Uwe Neuhaus haben sich aber sehr gute Gedanken gemacht.


Jawattdenn.de:
Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch, Herr Schäfer und einen guten Rutsch ins neue Jahr!


Das Interview führten Frank Schulz, Tim Zähringer und Martin Noll