"Helden von einst" Teil II

veröffentlicht am 07.02.2006 um 15:52 Uhr

Jawattdenn.de:
Schlägt ihr Herz dennoch rot-weiss??

Frank Mill:
Ja natürlich! Ich bin doch bei diesem Verein groß geworden. Die Jugendmannschaften eingerechnet, habe ich sieben oder acht Jahre für RWE gespielt. So etwas hast du in dir drin, oder eben nicht.


Frank MillJawattdenn.de:
Spieler wechseln heutzutage ihre Vereine so oft wie die Unterwäsche, kann man da immer noch von Herzensangelegenheiten sprechen?

Frank Mill:
Ich meine nicht irgendwelche x-beliebigen Spieler, sondern ich rede von Leuten, die in dieser Stadt hier groß geworden sind. Dortmunder sind Dortmunder, Gelsenkirchener sind Gelsenkirchener und so ist das nun mal. Aber hier in Essen passiert nichts.


Jawattdenn.de:
Essen war vergangenes Jahr Zweitligist, da kann man doch nicht sagen, hier würde nichts passieren.

Frank Mill:
Nein, so war das nicht gemeint. Teilweise spielt die Mannschaft ja recht guten Fußball.


Jawattdenn.de:
Wie oft sind sie denn im Georg-Melches-Stadion?

Frank Mill:
In den letzten fünf Jahren war ich vielleicht zwei oder drei mal da. Ich gehe ohnehin nicht gerne ins Stadion, zumal ich am Wochenende auch selber regelmäßig spiele.


Jawattdenn.de:
Woher kommt diese Abneigung? Sind sie als ehemaliger Spieler bei RWE nicht gern gesehen?

Frank Mill:
Ich würde es eher so formulieren, dass es den Verantwortlichen scheißegal ist. Sonst wären andere, abgesehen von mir, auch mal hin und wieder dort. Glauben sie, das beispielsweise ein Matthias Herget zum Fußball an die Hafenstraße geht, oder irgendwer anderes?


Jawattdenn.de:
Das ist jetzt schwierig zu beurteilen. Allerdings wurden in der Vergangenheit doch schon ehemalige Spieler an der Hafenstraße gesichtet. Hier spreche ich zum Beispiel Spieler wie Erwin Koen an. Oder jemanden wie Willi Landgraf! Die müssten ihnen doch eigentlich etwas sagen.

Frank Mill:
Doch, natürlich kenne ich Erwin Koen, das ist doch der mit dem linken Hammer. Und selbstverständlich ist mir Willi Landgraf ein Begriff. Aber warum sind es so wenige? Oder sind diese beiden Spieler die einzigen Ehemaligen bei Rot-Weiss? Paul Nikelski zum Beispiel, den kenne ich auch noch. Von dem weiß man, dass er noch dort hingeht.


Jawattdenn.de:
Haben sie denn überhaupt noch guten Kontakt zu ihren ehemaligen Mannschaftskameraden aus ihrer Essener Zeit?

Frank Mill:
Frank MillNatürlich mit vielen sogar. Viele von Ihnen arbeiten mit mir zusammen für meine Fußballschule, davon gibt es inzwischen bundesweit 43 an der Zahl. Unser Prinzip läuft folgendermaßen: Ehemalige Profis trainieren die Kinder, und einmal in der Woche kommt ein aktueller Spieler als Stargast. Zu unserem Trainerstab gehören ehemalige Profis wie Frank Benatelli, Matthias Herget, Holger Fach sowie Dietmar Klinger, um hier mal einige Namen aufzuzählen. Ebbe Sand war beispielsweise letztes Jahr an unserem Standort in der Bäuminghausstraße als Stargast vertreten, dann Spieler wie Waldoch, Asamoah, Klasnic. Unsere Schulen sind in ganz Deutschland unter dem Name „Kids Active“ vertreten. So etwas ist natürlich für die Kinder ein Highlight.


Jawattdenn.de:
Die Fußballschulen scheinen sie auszulasten. Haben sie überhaupt keine Ambitionen, bei irgendeinem Bundesligaclub zu trainieren?

Frank Mill:

Nein, habe ich nicht. Obschon ich die A-Lizenz besitze.


Jawattdenn.de:
Oder liegt das eher an mangelnden Angeboten?

Frank Mill:
Ich hatte ein paar Anfragen aus der Oberliga. Ich hätte auch mehrfach die Möglichkeit gehabt, irgendwo in der 2. Liga als Manager zu arbeiten. Aber das alles interessiert mich, ehrlich gesagt, nicht besonders.


Jawattdenn.de:
Fehlt ihnen nicht das Rampenlicht?

Frank Mill:
Ob mir das Rampenlicht fehlt? (lacht) Im Gegenteil. Ich bin ohnehin eher der zurückhaltende Typ Mensch.


Jawattdenn.de:
Sie wirken aber gar nicht so.

Frank Mill:
Ja, das sagen die meisten. Aber ich muss nicht unbedingt im Fernsehen sein. Ich muss auch nicht unbedingt Interviews geben (lacht). Ich brauche auch nicht die Aufmerksamkeit einer Kamera.


Jawattdenn.de:
Frank MillSie waren mal vor einigen Jahren als Gast im Publikum bei TV Total, als Stefan Raab sie im Studio bemerkte und sie mit Fragen löcherte. Damals wirkte es fast so, als wäre ihnen das peinlich gewesen. Zumal auch Fragen zu ihrer wohl bekanntesten Aktion als Fußballer aufkamen, als sie in München frei vor dem Tor stehend den Ball an den Pfosten hämmerten…

Frank Mill:
Ja, sie haben Recht, aber Stefan Raab hat es nicht böse gemeint, er war sehr überrascht, weil er mich im Publikum dort entdeckt hatte. Nachher hatten wir noch jede Menge Spaß…

(Anmerkung: einen Videostream des Auftritts gibt es beim Klick auf das Bild)


Jawattdenn.de:
Eigentlich wollte ich eher auf diese Situation in München hinaus…

Frank Mill:
Ja, ich weiß genau wovon sie reden! Es war mein erstes Spiel für Dortmund. Ich hatte bei unserem 2:2 ein Tor vorbereitet, doch alle Welt spricht selbst heute noch nur von diesem einen Pfostenschuss. Mittlerweile ist das eine lustige Geschichte in meiner Biographie geworden, denn selbst Otto Normalverbraucher sieht: „Schau an, dem Mill ist das auch passiert.“ Das macht einen eher sympathischer. Um ehrlich zu sein, es ist ja wirklich eine Lachnummer, wenn man aus einem Meter den Pfosten trifft. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wenn Fußballer in ihrem Leben mal einmal etwas anderes ausprobieren wollen, als das, was sie eigentlich können. Ich hätte einfach nur das machen sollen, was ich immer gemacht habe: den Ball mit der breiten Seite einfach in die Mitte hämmern. Aber nein, ich wollte Jean-Marie Pfaff ins leere Tor fliegen lassen.


Jawattdenn.de:
Sie haben während ihrer Profikarriere neunzehn Mal für die Nationalmannschaft gespielt und wurden 1990 in Italien sogar Weltmeister…

Frank Mill:
Das mit der WM ist doch Eierkram. Ich hab doch gar nicht gespielt…


Jawattdenn.de:
Eierkram? Wie viele Spieler können von sich behaupten, Weltmeister gewesen zu sein?

Frank Mill:
Frank MillEs war eine schöne Sache, natürlich. Ich sehe aber nicht, dass ich jetzt Großartiges geleistet hätte. Ich war wichtig für die Mannschaft, ich habe die Truppe zusammengehalten, das war meine Leistung. Wir hatten immer eine gute Kameradschaft. Wir haben viel gelacht, das war einer der Gründe, warum wir Weltmeister geworden sind. Wir hatten nie Theater und natürlich mit Franz Beckenbauer einen super Trainer. Wenn wir abends beispielsweise gefragt haben: „Berti Vogts, wie lange können wir heute raus“, sagte der meistens: „Ja so um Mitternacht müsst ihr wieder hier sein.“. Kaum war Berti außer Reichweite, kam der Franz um die Ecke und meinte: „Jungs, seht einfach nur zu, dass die Journalisten euch morgen früh nicht sehen!“ Selbstverständlich ging so etwas nicht vor einem wichtigen Spiel.


Jawattdenn.de:
Also ist Franz Beckenbauer kein „Suppenkasper“, wie ihn ein anderer Nationalspieler mal beschrieb?

Frank Mill:
Ach (lacht), der Franz ist wirklich in Ordnung. Der Mann ist immer höflich, selbst wenn die Leute auf ihn zugehen oder Kinder Autogramme wollen, er sagt nie „Geh weg“, „Keine Zeit“ oder so was in der Art. Es ist schon faszinierend, wie er mit der ganzen Sache umgeht. Den Mann kennt ja wohl wirklich jeder. Ich habe sogar noch selbst gegen Franz Beckenbauer gespielt. Unser damaliger Trainer Hermann Erlhoff sagte mir vor dem Spiel „Jedes mal, wenn der Franz über die Mittelinie geht, deckst du ihn!“ Und ich war stolz und habe ihn nur angeguckt. Dachte mir: „Da ist der große Franz.“ Und er konnte machen, was er wollte.


Jawattdenn.de:
Konnte er das nicht ohnehin?

Frank Mill:
Ja sicher, aber ich hatte einen Heidenrespekt. Nie hätte ich mir gedacht, „dem haust du jetzt einen auf die Socken“ oder so. Ich war damals 17 und habe noch Fußballbilder gesammelt.


Jawattdenn.de:
Wenn sie auf ihre Karriere zurückblicken: Würden sie alles wieder so machen wie damals?

Frank Mill:
Nein, eine Sache würde ich anders machen: Ich würde definitiv ins Ausland wechseln. Mir lagen zwei Angebote vor, von AC Mailand und Hellas Verona, zu der Zeit, wo Hans Peter Briegel dort spielte und die Mannschaft gleich im selben Jahr italienischer Meister wurde. An meiner Stelle haben die damals Preben Elkjaer Larsen verpflichtet. Ich hätte eine Menge Geld verdienen können.


Jawattdenn.de:
Abschließende Frage, Herr Mill: Wo landet das deutsche Team bei der nächsten Weltmeisterschaft?

Frank Mill:
Es wird eine relativ gute Rolle spielen und unter die letzten Acht kommen. Pauschal zu sagen, wir werden Weltmeister, wäre vielleicht ein wenig zu weit gegriffen. Neulich habe ich allerdings in einer Talkrunde aus Trotz gesagt, wir holen den Titel, da alle anderen in der Runde andere Mannschaften auf der Rechnung hatten. Ich bin dann hergegangen und habe gesagt: „Leute, ich bin Deutscher, dann ist es doch wohl normal, dass ich zur deutschen Mannschaft halte.“ Es wäre ja fatal, nicht zu seinem Heimatland zu halten.


Jawattdenn.de:
Frank MillDann möchten wir doch noch eine Frage hinterher schieben. Kann man im Umkehrschluss hergehen und sagen, dass sie als gebürtiger Essener den Rot-Weissen langfristig Erfolg gönnen?

Frank Mill:
Natürlich kann man das so sagen! Ich wünsche dem Verein sogar, dass er irgendwann mal wieder in der 1. Bundesliga spielen kann. Allerdings glaube ich nicht, dass dies in naher Zukunft im Bereich des Möglichen liegt.


Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Gespräch Herr Mill.


Das Interview führten Frank Schulz und Marcel Rotzoll