"Helden von einst" Teil II
Jawattdenn.de hatte in der Winterpause abermals die Gelegenheit einen ehemaligen Vereinshelden zu interviewen. Die Rede ist von Frank „Franky“ Mill. Frank spielte von 1976 bis 1981 in Essen und erzielte dabei in 166 Pokal- und Meisterschaftsspielen 91 Tore. Zwei Mal scheiterte er mit Essen denkbar knapp dem Aufstieg in die Bundesliga.
Hier seien noch einmal die Relegationsspiele gegen Nürnberg und Karlsruhe erwähnt. In einer Spielzeit gelangen dem ehemaligen Nationalspieler einst 40 Tore, aus heutiger Sicht eigentlich unvorstellbar. Wie er die Lage des Vereins heute im Vergleich zu damals einschätzt, verriet er uns in einem persönlichen Gespräch.
Jawattdenn.de:
Guten Tag Frank Mill, recht herzlichen Dank, dass
sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie
sind der zweite ehemalige Held, der für unsere
Reihe „Die Helden von einst“ zur Verfügung
steht. Wie kommt man als gebürtiger Essener eigentlich
zum Profi-Fußball?
Frank Mill:
Mit 15 Jahren spielte ich bei BV Eintracht 16 in Altenessen
am Altenbeckshof. Ich bin seinerzeit von RWE zu einem
Testspiel eingeladen worden, das muss 1972 gewesen
sein. Damals spielte die B-Jugend von Rot-Weiss noch
hinten auf einem Aschenplatz und ich war ziemlich
klein, noch kleiner als jetzt (lacht).
Ich weiß gar nicht mehr, wer der Gegner war,
jedenfalls wurde ich eher müde belächelt.
Bis auf einen einzigen Spielerbeobachter hatte niemand
wirklich Vertrauen in meine fußballerischen
Künste. Ich bin damals in der Halbzeit eingewechselt
worden, als es 1:1 stand. Das Spiel endete 6:1, und
die restlichen Tore von Zwei bis Sechs hatte allesamt
ich erzielt. Danach war es für mich einfacher.
Später habe ich in der B- und der A-Jugend für
RWE gespielt. Wir sind damals ins Endspiel um die
Deutsche Meisterschaft gekommen, und mit 17 feierte
ich mein Debüt in der 1. Mannschaft. Vor meinem
achtzehnten Lebensjahr hatte ich bereits 17 Mal für
die erste Mannschaft in der Bundesliga gespielt. In
dem Jahr sind wir allerdings gleich abgestiegen, und
in der 2. Liga spielten dann Größen wie
Horst Hrubesch und Ente Lippens für den Verein.
Da hatten wir in der 2. Liga mittwochs abends mal
eben 25.000 Zuschauer gegen Union Solingen. Aber Essen
war ja in dieser Hinsicht schon immer etwas Besonderes.
Jawattdenn.de:
In Duisburg kommen doch zurzeit auch sehr viele Leute…
Frank Mill:
Aber Rot-Weiss ist wie Schalke und Dortmund ein regelrechter
Zuschauermagnet. Es gibt im Ruhrgebiet nur 3 große
Vereine, die das von sich behaupten können. Wenn
Duisburg in der Regionalliga spielen würde, wie
viele Zuschauer kämen dann wohl?
So etwas wie bei RWE gibt es vielleicht noch zwei
bis drei Mal in Deutschland, vielleicht bei den Bayern
oder eventuell noch in Nürnberg. Das sind Vereine,
wo die Zuschauer selbst dann noch kommen, wenn man
unterklassig spielt.
Jawattdenn.de:
Sie haben damals den Verein nach zwei denkbar knapp
verpassten Relegationen um den Aufstieg in die Bundesliga
verlassen. Mussten sie damals gehen?
Frank Mill:
Ja, man musste mich verkaufen. Man bekam von Gladbach
über eine Million Mark, das war damals für
den Verein sehr viel Geld. Nach den Spielen gegen
Nürnberg und Karlsruhe und den verpassten Relegationen
war ich für die 2. Liga kaum noch haltbar.
Jawattdenn.de:
Wo wir beim Thema sind: Das Heimspiel damals gegen
Karlsruhe war ein richtiger Knaller, oder?
Frank Mill:
Natürlich.
So etwas habe ich danach nie wieder gesehen, in keinem
Spiel, bei keinem Verein. Alle, die im Stadion waren,
haben gestanden und geklatscht, egal ob sie auf der
Tribune saßen oder nicht, sie haben einfach
nur gestanden und gefeiert. Wir hatten ja das Hinspiel
leider mit 5:1 verloren. Damals habe ich mein erstes
Spiel nach einem Beinbruch gemacht und wir führten
im Rückspiel an der Hafenstraße 3:0. Ich
hatte zwei Kopfballtore erzielt und das dritte lag
mir auf der Stirn. Vor mir sprang Detlef Drescher
hoch, der den Ball verlängerte, und ich konnte
ihn deshalb nicht mehr erreichen. Das wäre das
4:0 gewesen. Im Gegenzug gibt es einen Freistoß
für Karlsruhe der denkbar ungünstig abgefälscht
wird und ins Tor kullert. Danach war bei uns die Luft
raus.
Jawattdenn.de:
Wenn damals der Aufstieg geglückt wäre,
wie wäre der Werdegang des Vereins dann verlaufen?
Frank Mill:
Das kann man sehr schwer beurteilen. Aber man muss
ganz klar sagen, dass in den letzten 20 Jahren im
Verein einfach viel zu viele Fehler begangen worden
sind. Vielleicht hätte man zu Krisenzeiten über
mehr Geld verfügen können.
Jawattdenn.de:
Wie haben sie die Entwicklung von RWE in den vergangenen
Jahren verfolgt?
Frank Mill:
Das Einzige, was ich mitbekommen habe, ist, dass eigentlich
nur die Zuschauer immer die gleichen geblieben sind.
Die Fans mussten in den letzten Jahrzehnten einiges
über sich ergehen lassen, sei es nun Aufstiege,
Abstiege, finanzielle Miseren, Lizenzentzüge
und dergleichen. Das ist das Einzige, was wirklich
konstant geblieben ist. Aber das ist für einen
Verein von den Strukturen her nicht gut.
Jawattdenn.de:
Wie sind sie über die momentanen Geschehnisse
an der Hafenstraße informiert? Sagen ihnen Namen
wie Löbe, Wehlage oder Bemben etwas?
Frank Mill:
Ich weiß, was so ein Löbe verdient. Da
muss ich lachen, denn das ist meiner Meinung nach
für Regionalligaverhältnisse übertrieben.
Jawattdenn.de:
Und wie verhält es sich bei Arie Van Lent?
Frank Mill:
Der ist in der Tat sehr gut. Aber auch schon Mitte
30. Wenn er einen guten Lauf hat, kann er vielleicht
noch ein, zwei Jahre spielen. Man kann mit Mitte 30
nicht mehr so agil wie ein 20-jähriger sein.
Er wird natürlich seine Torchancen bekommen,
aber die muss er dann auch einfach machen.
Jawattdenn.de:
Sie haben doch selber bis zu ihrem 38. Lebensjahr
Fußball gespielt, sprechen also aus Erfahrung…
Frank Mill:
Deswegen
sage ich das ja. Je älter man wird, desto kälter
muss man die wenigen Chancen verwandeln, die man bekommt.
Man kann nicht mehr das gleiche Programm abziehen,
als wäre man 30 oder 32, wo man im Spiel noch
viel mehr läuft und rennt. In diesem Alter muss
man viel mehr mit dem Auge machen. Man trainiert zwar
genau so viel wie die Jungen, aber man hat auch definitiv
nicht mehr die Schnelligkeit. Ich habe damals in Düsseldorf
bei einem Spiel mitten in der Halbzeit zu Trainier
Ristic gesagt: „Trainer, ich hör jetzt auf.
Wechseln sie mich nur noch ein.“ Bei jedem Flankenball,
wo ich vorher zur Stelle war, bemerkte ich, dass die
Bälle plötzlich vorbei flogen. Das geht
in dem Alter einfach nicht mehr, wenn man Stürmer
ist. Und auf eine andere Position wollte ich nicht
wechseln. Aber ich war auch schon 38 bei meinem letzten
Bundesligaspiel in München. Danach war ich in
Düsseldorf noch zwei Jahre Manager und mit 40
habe ich mich dann von der großen Bühne
verabschiedet.
Jawattdenn.de:
Haben sie keine Ambitionen, heutzutage in irgendeinem
Verein als Manager oder Trainer zu agieren?
Frank Mill:
Rot-Weiss Essen hat doch sehr viele Möglichkeiten…
Jawattdenn.de:
Ich rede aber jetzt nicht nur speziell von Rot-Weiss
Essen…
Frank Mill:
Aber ich! Schauen sie doch mal auf die ehemaligen
Fußballer von Rot-Weiss Essen: Nicht einer hat
noch wirklich was mit RWE zu tun. Das muss doch irgendwo
herkommen. In Oberhausen war Anfang des Jahres ein
Traditionsturnier, an dem auch Rot-Weiss Essen beteiligt
war. Aber die Jungs mit denen ich damals zusammen
gespielt habe, haben sie die dort etwa gesehen? Wissen
sie, wo die alle spielen? Beim ETB! Aber doch nicht,
weil sie Schwarz-Weiße sind. In dieser Mannschaft
spielen Matthias Herget, Ingo Pickenäcker, Oliver
Koch, Dirk Helmig, Dietmar Klinger.
Jawattdenn.de:
Heißt das, dass beim Verein auf die Dienste
ehemaliger Spieler nicht sonderlich großen Wert
gelegt wird?
Frank Mill:
Von jedem Verein, bei dem ich als Fußballer
aktiv war, bekomme ich grundsätzlich am Anfang
der Saison eine Dauerkarte geschickt, sei es nun aus
Dortmund, Gladbach oder Düsseldorf. Nur von Rot-Weiss,
da gibt es eigenartigerweise nichts.
Jawattdenn.de:
Nun hat RWE auch nicht die gleichen finanziellen Mittel
wie Gladbach oder Dortmund...
Frank Mill:
Hier geht es doch nicht um das Geld, hier geht es
um Gesten, um Grundsätzliches.
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