"Helden von einst" Teil II

veröffentlicht am 07.02.2006 um 15:52 Uhr

Jawattdenn.de hatte in der Winterpause abermals die Gelegenheit einen ehemaligen Vereinshelden zu interviewen. Die Rede ist von Frank „Franky“ Mill. Frank spielte von 1976 bis 1981 in Essen und erzielte dabei in 166 Pokal- und Meisterschaftsspielen 91 Tore. Zwei Mal scheiterte er mit Essen denkbar knapp dem Aufstieg in die Bundesliga.

Hier seien noch einmal die Relegationsspiele gegen Nürnberg und Karlsruhe erwähnt. In einer Spielzeit gelangen dem ehemaligen Nationalspieler einst 40 Tore, aus heutiger Sicht eigentlich unvorstellbar. Wie er die Lage des Vereins heute im Vergleich zu damals einschätzt, verriet er uns in einem persönlichen Gespräch.


Frank MillJawattdenn.de:
Guten Tag Frank Mill, recht herzlichen Dank, dass sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie sind der zweite ehemalige Held, der für unsere Reihe „Die Helden von einst“ zur Verfügung steht. Wie kommt man als gebürtiger Essener eigentlich zum Profi-Fußball?

Frank Mill:
Mit 15 Jahren spielte ich bei BV Eintracht 16 in Altenessen am Altenbeckshof. Ich bin seinerzeit von RWE zu einem Testspiel eingeladen worden, das muss 1972 gewesen sein. Damals spielte die B-Jugend von Rot-Weiss noch hinten auf einem Aschenplatz und ich war ziemlich klein, noch kleiner als jetzt (lacht).

Ich weiß gar nicht mehr, wer der Gegner war, jedenfalls wurde ich eher müde belächelt. Bis auf einen einzigen Spielerbeobachter hatte niemand wirklich Vertrauen in meine fußballerischen Künste. Ich bin damals in der Halbzeit eingewechselt worden, als es 1:1 stand. Das Spiel endete 6:1, und die restlichen Tore von Zwei bis Sechs hatte allesamt ich erzielt. Danach war es für mich einfacher.

Später habe ich in der B- und der A-Jugend für RWE gespielt. Wir sind damals ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gekommen, und mit 17 feierte ich mein Debüt in der 1. Mannschaft. Vor meinem achtzehnten Lebensjahr hatte ich bereits 17 Mal für die erste Mannschaft in der Bundesliga gespielt. In dem Jahr sind wir allerdings gleich abgestiegen, und in der 2. Liga spielten dann Größen wie Horst Hrubesch und Ente Lippens für den Verein. Da hatten wir in der 2. Liga mittwochs abends mal eben 25.000 Zuschauer gegen Union Solingen. Aber Essen war ja in dieser Hinsicht schon immer etwas Besonderes.


Jawattdenn.de:
In Duisburg kommen doch zurzeit auch sehr viele Leute…

Frank Mill:
Aber Rot-Weiss ist wie Schalke und Dortmund ein regelrechter Zuschauermagnet. Es gibt im Ruhrgebiet nur 3 große Vereine, die das von sich behaupten können. Wenn Duisburg in der Regionalliga spielen würde, wie viele Zuschauer kämen dann wohl?
So etwas wie bei RWE gibt es vielleicht noch zwei bis drei Mal in Deutschland, vielleicht bei den Bayern oder eventuell noch in Nürnberg. Das sind Vereine, wo die Zuschauer selbst dann noch kommen, wenn man unterklassig spielt.


Jawattdenn.de:
Sie haben damals den Verein nach zwei denkbar knapp verpassten Relegationen um den Aufstieg in die Bundesliga verlassen. Mussten sie damals gehen?

Frank Mill:
Ja, man musste mich verkaufen. Man bekam von Gladbach über eine Million Mark, das war damals für den Verein sehr viel Geld. Nach den Spielen gegen Nürnberg und Karlsruhe und den verpassten Relegationen war ich für die 2. Liga kaum noch haltbar.


Jawattdenn.de:
Wo wir beim Thema sind: Das Heimspiel damals gegen Karlsruhe war ein richtiger Knaller, oder?

Frank Mill:
Frank MillNatürlich. So etwas habe ich danach nie wieder gesehen, in keinem Spiel, bei keinem Verein. Alle, die im Stadion waren, haben gestanden und geklatscht, egal ob sie auf der Tribune saßen oder nicht, sie haben einfach nur gestanden und gefeiert. Wir hatten ja das Hinspiel leider mit 5:1 verloren. Damals habe ich mein erstes Spiel nach einem Beinbruch gemacht und wir führten im Rückspiel an der Hafenstraße 3:0. Ich hatte zwei Kopfballtore erzielt und das dritte lag mir auf der Stirn. Vor mir sprang Detlef Drescher hoch, der den Ball verlängerte, und ich konnte ihn deshalb nicht mehr erreichen. Das wäre das 4:0 gewesen. Im Gegenzug gibt es einen Freistoß für Karlsruhe der denkbar ungünstig abgefälscht wird und ins Tor kullert. Danach war bei uns die Luft raus.


Jawattdenn.de:

Wenn damals der Aufstieg geglückt wäre, wie wäre der Werdegang des Vereins dann verlaufen?

Frank Mill:
Das kann man sehr schwer beurteilen. Aber man muss ganz klar sagen, dass in den letzten 20 Jahren im Verein einfach viel zu viele Fehler begangen worden sind. Vielleicht hätte man zu Krisenzeiten über mehr Geld verfügen können.


Jawattdenn.de:
Wie haben sie die Entwicklung von RWE in den vergangenen Jahren verfolgt?

Frank Mill:
Das Einzige, was ich mitbekommen habe, ist, dass eigentlich nur die Zuschauer immer die gleichen geblieben sind. Die Fans mussten in den letzten Jahrzehnten einiges über sich ergehen lassen, sei es nun Aufstiege, Abstiege, finanzielle Miseren, Lizenzentzüge und dergleichen. Das ist das Einzige, was wirklich konstant geblieben ist. Aber das ist für einen Verein von den Strukturen her nicht gut.


Jawattdenn.de:
Wie sind sie über die momentanen Geschehnisse an der Hafenstraße informiert? Sagen ihnen Namen wie Löbe, Wehlage oder Bemben etwas?

Frank Mill:
Ich weiß, was so ein Löbe verdient. Da muss ich lachen, denn das ist meiner Meinung nach für Regionalligaverhältnisse übertrieben.


Jawattdenn.de:
Und wie verhält es sich bei Arie Van Lent?

Frank Mill:
Der ist in der Tat sehr gut. Aber auch schon Mitte 30. Wenn er einen guten Lauf hat, kann er vielleicht noch ein, zwei Jahre spielen. Man kann mit Mitte 30 nicht mehr so agil wie ein 20-jähriger sein. Er wird natürlich seine Torchancen bekommen, aber die muss er dann auch einfach machen.


Jawattdenn.de:
Sie haben doch selber bis zu ihrem 38. Lebensjahr Fußball gespielt, sprechen also aus Erfahrung…

Frank Mill:
Frank MillDeswegen sage ich das ja. Je älter man wird, desto kälter muss man die wenigen Chancen verwandeln, die man bekommt. Man kann nicht mehr das gleiche Programm abziehen, als wäre man 30 oder 32, wo man im Spiel noch viel mehr läuft und rennt. In diesem Alter muss man viel mehr mit dem Auge machen. Man trainiert zwar genau so viel wie die Jungen, aber man hat auch definitiv nicht mehr die Schnelligkeit. Ich habe damals in Düsseldorf bei einem Spiel mitten in der Halbzeit zu Trainier Ristic gesagt: „Trainer, ich hör jetzt auf. Wechseln sie mich nur noch ein.“ Bei jedem Flankenball, wo ich vorher zur Stelle war, bemerkte ich, dass die Bälle plötzlich vorbei flogen. Das geht in dem Alter einfach nicht mehr, wenn man Stürmer ist. Und auf eine andere Position wollte ich nicht wechseln. Aber ich war auch schon 38 bei meinem letzten Bundesligaspiel in München. Danach war ich in Düsseldorf noch zwei Jahre Manager und mit 40 habe ich mich dann von der großen Bühne verabschiedet.


Jawattdenn.de:
Haben sie keine Ambitionen, heutzutage in irgendeinem Verein als Manager oder Trainer zu agieren?

Frank Mill:
Rot-Weiss Essen hat doch sehr viele Möglichkeiten…


Jawattdenn.de:
Ich rede aber jetzt nicht nur speziell von Rot-Weiss Essen…

Frank Mill:
Aber ich! Schauen sie doch mal auf die ehemaligen Fußballer von Rot-Weiss Essen: Nicht einer hat noch wirklich was mit RWE zu tun. Das muss doch irgendwo herkommen. In Oberhausen war Anfang des Jahres ein Traditionsturnier, an dem auch Rot-Weiss Essen beteiligt war. Aber die Jungs mit denen ich damals zusammen gespielt habe, haben sie die dort etwa gesehen? Wissen sie, wo die alle spielen? Beim ETB! Aber doch nicht, weil sie Schwarz-Weiße sind. In dieser Mannschaft spielen Matthias Herget, Ingo Pickenäcker, Oliver Koch, Dirk Helmig, Dietmar Klinger.


Jawattdenn.de:
Heißt das, dass beim Verein auf die Dienste ehemaliger Spieler nicht sonderlich großen Wert gelegt wird?

Frank Mill:

Von jedem Verein, bei dem ich als Fußballer aktiv war, bekomme ich grundsätzlich am Anfang der Saison eine Dauerkarte geschickt, sei es nun aus Dortmund, Gladbach oder Düsseldorf. Nur von Rot-Weiss, da gibt es eigenartigerweise nichts.


Jawattdenn.de:
Nun hat RWE auch nicht die gleichen finanziellen Mittel wie Gladbach oder Dortmund...

Frank Mill:
Hier geht es doch nicht um das Geld, hier geht es um Gesten, um Grundsätzliches.


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