22.11.2020

Wuppertal weghauen! Serie ausbauen!

von Redaktion

Diese beiden Ziele verfolgt Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen beim traditionsreichen Westschlager gegen den Wuppertaler SV am Mittwochabend im Stadion Essen. RWE geht derzeit völlig unbeirrt seinen Weg. Der ungeschlagene Tabellenführer blickt auf vier gewonnene Spiele ohne Gegentor in Serie zurück.

Vor dem Spiel in Mönchengladbach äußerte Jawattdenn.de die Hoffnung, dass die Essener die superenglische Woche mit vier Partien in 11 Tagen erfolgreich einläuten werden. Zur Halbzeit dieses Zwischen-Projektes haben die Roten 6 Punkte und 6:0 Tore vorzuweisen, denn dem 2:0 bei Gladbachs U23 folgte ein nie gefährdeter 4:0 Erfolg beim VFB Homberg. Klar, dass die Neidhart-Elf bei solchen Bilanzen, die insgesamt 34 Punkte aus 14 Partien und einen Schnitt von 2,43 Zählern aufweisen, mit großem Selbstbewusstsein den alten Rivalen von der Wupper erwartet.

Viel war vor dem Auftritt der Rot-Weissen beim Duisburger Stadtteilverein VFB Homberg geschrieben worden. In erster Linie ging es dabei um den Sensationssieg, den der Underdog kurz vor Weihnachten 2019 an der Essener Hafenstraße feiern konnte. RWE wurde nicht nur das Weihnachtsfest verdorben, sondern die unüberhörbaren Schmähgesänge der siegreichen Homberger Akteure gegen die besiegten Gastgeber nach Spielende hatten ein wütendes Grummeln in Essener Mägen hinterlassen. Hombergs damaliger Coach Stefan Janßen maßregelte das auch aus seiner Sicht unsportliche Verhalten seiner Mannschaft und konnte die Wogen dadurch ein wenig glätten. Janßens Nachfolger Sunay Acar sah seine Truppe vor dem Anpfiff am Homberger Rheindamm durchaus in der Lage, RWE erneut zu besiegen. Doch ganz entgegen des medialen Vorgeplänkels legte RWE einen von der ersten bis zur letzten Sekunde seriösen und überzeugenden Auftritt hin und beseitigte die Hoffnungen der Gastgeber auf einen erneuten Coup im Handumdrehen. Essens Coach Christian Neidhart hatte seine Truppe auf drei Positionen im Vergleich zum Gladbach-Auftritt verändert und schickte mit Marcel Platzek eine zweite Spitze an der Seite von Simon Engelmann ins Rennen, hinten wurde auf Dreierkette umgestellt, sodass sich Felix Weber erstmals zu Spielbeginn Daniel Heber und Alex Hahn in der Verteidigung zugesellen durfte. Im Zentrum verzichtete Neidhart zunächst auf Harenbrock und schickte Felix Backszat ins Rennen. Platzek, Weber, Backszat – der RWE-Coach erwartete offenbar hohe Körperlichkeit beim Gegner und wollte Spieler auf dem Platz wissen, die dem entgegen treten können. Das gelang vorzüglich.

Ebenso wie die taktische Spielvariation, auf dem schweren Boden das Kurzpassspiel und Ballbesitzfußball um jeden Preis hinten anzustellen. RWE wollte „einfach“ spielen, so Neidhart und das war einfach nur erfolgreich. Bereits nach drei Minuten befand sich die Kugel zum ersten Mal dort, wo sie hingehörte, nämlich im Homberger Kasten. Eine Hereingabe von Kefkir landete am langen Pfosten bei Sandro Plechaty, der die Kugel am heraus eilenden Schlussmann Gutkowski vorbei spitzelte. Der Ball wäre nicht ins Tor gegangen, aber für solche Fälle gibt es eben Simon Engelmann. Am anderen Pfosten lauernd grätschte Engel die Kugel aus durchaus spitzem Winkel über die Linie. Das ist Torjägerinstinkt, schlichtweg zu wissen, wo man stehen muss. So etwas kann man nicht lernen. Die frühe Führung sorgte natürlich für Sicherheit und schon nach 20 Zeigerumdrehungen gelang RWE so etwas wie eine Vorentscheidung. Alex Hahn schlug einen Freistoß weit nach vorne, an der Strafraumgrenze gelang die Kopfballverlängerung und der gut eingelaufene Marcel Platzek wuchtete den Ball aus der Drehung und kurzer Entfernung in die Maschen. Platzos zweiter Saisontreffer und der verdiente Lohn für seine stete Mannschaftsdienlichkeit, sich auch bei Nichtberücksichtigungen immer ruhig zu verhalten und auf dem Platz stehend dann alles zu geben. Zehn Minuten vor der Pause machten die Essener den Deckel bereits endgültig drauf. Bei einem Freistoß schaltete Dennis Grote am schnellsten und schlenzte den Ball in Beckenbauer-Manier in den Lauf des rechts durchstartenden Sandro Plechaty. Der hielt drauf auf den kurzen Pfosten und tunnelte den unglücklich wirkenden Gutkowski zum 0:3. Die Messe war gelesen. Nach dem Seitenwechsel erhöhte Simon Engelmann noch auf 4:0, 55 Minuten waren da absolviert. Engel war mit einem langen Ball von Grote in Szene gesetzt worden und hatte anschließend so viel Zeit, die Kugel in aller Ruhe zu versenken, wie es in der Regionalliga selten ist.

Apropos Engelmann. Der stellte sein Saisontorkonto auf 10 Hütten aus 14 Partien. Das macht einen Schnitt von 0,71 Treffern pro Spiel. Nimmt man die 5 Treffer aus den drei Pokalpartien dazu, liegt Engel gar bei 0,88 Torerfolgen pro Match. RWE hatte seit Sascha Mölders keinen so gnadenlosen Torjäger mehr. Der Mann liefert und ist nach Außen hin die ruhige Bescheidenheit in Person. Dennoch gibt es in Essener Fankreisen Nörgler, die Engel dafür kritisieren, dass er derzeit seine Rödinghausener Vorjahresquote von 1,0 noch nicht erreicht habe. Manchmal bräuchte man zwei Köpfe um diese angesichts solcher Luxuskritik zu schütteln. Neidhart setzte danach auf Schonung von Stammkräften. Es kamen Condé, Harenbrock, Endres und Young für Engelmann, Kehl-Gomez, Plechaty und Platzek. Ein Beleg dafür, wie stark Essens Bank ist. Young und Harenbrock hatten noch jeweils eine gute Gelegenheit den höchsten Saisonsieg noch höher zu schrauben, am Ende hatte aber das 4:0 Bestand. Damit ist ein weiteres Hindernis übersprungen worden. Im Fernduell mit dem BVB II konnte RWE jedoch keinen Boden gutmachen. Im Revierderby der Reserven fielen die Schwarz-Gelben über Gelsenkirchen her und verpassten den Blau-Weißen eine 1:5 Abreibung auf deren eigenen Geläuf. Unabhängig von der starken Vorstellung des BVB ist es allerdings stark anrüchig, dass Gelsenkirchen anders als gegen RWE auf die Profikicker Kutucu und Boujellab verzichtete. Somit ist einmal mehr klar geworden, dass RWE sich nur auf sich selbst verlassen kann und weiter punkten muss.

Dazu gibt es wie eingangs angesprochen am Mittwoch bereits die nächste Gelegenheit. Mit dem Wuppertaler SV präsentiert sich die nächste Mannschaft, die als Underdog versuchen wird, Essens Superserie von nunmehr saisonübergreifenden 19 Matches ohne Niederlage zu knacken. Im Zweifelsfall wird der Gast aber auch zufrieden sein, wenn es ihm gelänge, RWE nicht den sechsten Heimerfolg nacheinander feiern zu lassen und einen Zähler mitzunehmen. Wuppertal rangiert in der unteren Hälfte der Tabelle und will möglichst von Abstiegssorgen befreit seine Saison gestalten. Am vergangenen Wochenende gelang ein wichtiger 2:0 Erfolg gegen die Sportfreunde Lotte. Beim WSV sind mit Jonas Erwig-Drüppel, Tolga Cokkosan, Marwin Studtrucker und Daniel Grebe gleich vier Ex-Essener unter Vertrag, die entsprechende Motivation gegen ihren ehemaligen Verein mitbringen werden. Mit Kevin Rodrigues Pires ist sogar ein weiterer Kicker mit Essener Vergangenheit im WSV-Kader, der steht aber unter Corona-Quarantäne und wird seiner Mannschaft an der Hafenstraße nicht helfen können. Dafür kehrt der zuvor gesperrte Marco Königs zurück in den Wuppertaler Kader. Der höherklassig erfahrene Stürmer hat viermal in dieser Saison getroffen, so oft wie auch Sturmpartner Beyhan Ametov. Torgefährlichster WSV-Akteur ist jedoch der offensive Mittelfeldspieler Gianluca Marzullo, für den fünf Torerfolge zu Buche stehen. Marzullo traf auch in der Vorsaison zur zwischenzeitlichen Wuppertaler Führung beim rot-weissen Derbyerfolg am Zoo. Dieses torgefährliche Trio zeichnet sich somit allein für 13 der insgesamt 16 Torerfolge der Bergischen verantwortlich. Zweimal konnte sich zudem Marwin Studtrucker als Torschütze feiern lassen. Damit verfügen die Gäste über einige Spieler, die wissen, wo das Tor steht. Defensiv stellen 20 Gegentreffer aus 13 Partien sicherlich keinen Beweis für einen Hochsicherheitstrakt dar.

Diese Zahlen lassen das in den letzten Wochen so typische Spiel erwarten. Der Gegner, trainiert von Ex-Profi Alexander Voigt, wird aller Voraussicht nach sein Heil mal wieder in der kompakten Defensive und dem Umschaltspiel suchen. Und zudem sicherlich ordentlich zur Sache gehen wollen. Aber darauf, das ist ein weiterer Pluspunkt des RWE-Spiels, sind die Roten vorbereitet. Den Schneid lässt man sich in Zweikämpfen jedenfalls nicht mehr abkaufen. Die Hoffnungen auf einen rot-weissen Dreier nähren im Vorfeld die auch am Samstag wieder deutlich gewordenen Stärken der Neidhart-Elf. Eine starke kollektive Defensivleistung, die Schlussmann Davari meistens nahezu jegliche Arbeit im Kerngeschäft auf der Torlinie abnimmt, ein cooles und abgeklärtes Auftreten und die Tatsache, dass RWE bislang in jedem Spiel mindestens einen Treffer machen konnte, zeigt die Schwere der Wuppertaler Aufgabe an der Hafenstraße. Für Rot-Weiss geht es einmal mehr darum, alle diese Stärken auf den Platz zu bringen. Wie konstant das bis zum jetzigen Zeitpunkt gelungen ist, beeindruckt sicherlich auch die Konkurrenz, die aber erneut darauf lauern wird, dass auch im Essener Spiel einmal Knackpunkte zu finden sein werden. RWE wird das auch weiterhin so lange wie möglich hinauszögern und am Mittwoch Wuppertal weghauen wollen! Zu diesem Unterfangen drücken alle, die es mit den einzig wahren Roten halten, weiterhin kräftig die Daumen.

NUR DER RWE!

Sven Meyering