Gegen Straelen weiterstrahlen!
Und zwar über die Tabellenführung der Regionalliga West. RWE hat diese seit dem 07.11. im Fernduell mit dem BVB II inne. Beim Gastspiel des Aufsteigers SV Straelen an der Hafenstraße am Mittwoch ist klar, dass die Rot-Weissen im Siegesfalle diese Position verteidigen könnten.
Die Dortmunder könnten dann höchstens fast zeitgleich mittels eines eigenen Erfolges gegen das zuletzt verbesserte RWO den Punkterückstand von drei Zählern stabil halten. Die Schwarz-Gelben haben zwar noch zwei Spiele in der Hinterhand, könnten aber auch umgekehrt den tabellarischen Druck spüren, dem RWE zu Saisonbeginn ausgesetzt gewesen ist. Seit dem letzten Wochenende scheint im Grunde auch klar, eine andere Truppe als Essen oder Dortmund wird nur sehr schwerlich noch selbst in den Aufstiegskampf involviert werden. Die Punkterückstände der Verfolger Düsseldorf II, Fortuna Köln und Preußen Münster sind mittlerweile auf zweistellige Hypotheken angewachsen.
Insbesondere die Bilanzen der vor Saisonstart ebenfalls ehrgeizigen Truppen von Fortuna Köln und Preußen Münster belegen eindrucksvoll, mit welcher Konstanz das Spitzenduo seine Kreise über der Liga zieht. Hatte Preußen Coach Sascha Hildmann im Vorfeld des Spiels in Essen am neunten Spieltag noch etwas in Richtung Rot-Weiss Essen gestichelt und die Neidhart-Elf als selbst ernannten Aufstiegsfavoriten tituliert, so wird der Münsteraner Übungsleiter mittlerweile wohl selbst zugeben müssen, dass Essens „Ernennung“ nicht ganz zu Unrecht erfolgte, sieht er mit seiner Mannschaft doch mittlerweile nur noch per Fernglas die Rücklichter des RWE-Expresses. Dieser überzeugte auch unter dem Strich im Duell mit der Zweitvertretung des 1. FC Köln.
Die Gäste entpuppten sich nicht gänzlich überraschend als echter Prüfstein für Essen und verlangten den einzig wahren Roten einiges ab. Am Ende siegte RWE aber zum zwölften Male in dieser Spielzeit und erhöhte seine Serien auf sieben Heimerfolge in Serie sowie 17 Spiele ohne Niederlage seit Saisonstart. Im Grunde kaum zu fassen, dass solche Bilanzen nicht zu einer souveränen Tabellenführung reichen. So geht es am Mittwoch zum nächsten Fernduell mit dem BVB II. Mit dem darf sich RWE zumindest solange es auf dem Platz steht jedoch nicht beschäftigen. Das Essener Augenmerk sollte allein dem Gast aus Straelen gelten, der planmäßig eigentlich bereits am 14.11 an der Hafenstraße hätte antreten sollen, jedoch von einem Corona-Fall gestoppt worden war.
Der SV Straelen ist eine echte Multikulti-Truppe, stehen doch Spieler aus acht verschiedenen Nationen im Kader des Aufsteigers, darunter fast schon traditionell in Straelen auch Kicker aus Japan. In Essen bekannt sind Torsteher Robin Udegbe, der sich als Keeper von Lokalrivale RWO und auch des KFC Uerdingen regelmäßig mit RWE gemessen hat, und mit Stefan Jaschin einer seiner Ersatzleute. Jaschin spielte drei Jahre lang in der RWE-Jugend. Mittelfeldmann Konstantin Möllering wurde in der Vergangenheit auch einmal als Spieler bei RWE gehandelt, letztlich kam jedoch keine Verpflichtung zustande.
Prominentester Straelener ist wohl Sinan Kurt, der offensiv flexibel einsetzbar ist. Dem mittlerweile 24-Jährigen wurde einst eine große Karriere vorausgesagt. Kein Geringerer als der FC Bayern holte sich Kurt am Ende von dessen Jugendspielerzeit aus der Akademie von Borussia Mönchengladbach. Sein Marktwert wurde zu diesem Zeitpunkt mit 1 Millionen Euro gehandelt. Doch der hoch Veranlagte wurde nach gut einem Jahr von den Bayern an Hertha BSC weitergegeben, wo Kurt 3 Jahre verbringen sollte. Im Schwerpunkt wurde er jedoch in der zweiten Mannschaft der Hertha in der Regionalliga Nordost eingesetzt, wie er zuvor auch bei den Bayern meistens nur in der Reserve auflief. Nach einem halben Jahr beim damaligen österreichischen Zweitligisten WSG Tirol war Kurt anschließend ein ganzes Jahr vertragslos. Bis er in Straelen eine neue Chance erhielt. Eine kurios zu nennende „Karriere“.
War bei den Bayern einst Pep Guardiola sein Coach, so ist es nun Benedict Weeks, der mit 30 Lenzen ein Mitglied der jungen Trainergarde der Regionalliga West ist. Unter Weeks ist der Aufsteiger ordentlich in die Saison gestartet. Mit 19 Punkten aus 15 Partien steht Straelen über dem Strich und hat bei noch zwei Spielen in der Hinterhand vier Zähler Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Zuletzt unterlag man jedoch leider RWE-Konkurrent Dortmund deutlich mit 1:5. Insgeheim hätte man sich am Niederrhein wahrscheinlich etwas mehr erwartet, hat der SVS doch den Ruf, finanziell nicht ganz so schlecht dazustehen, wie auch die extravagant anmutende Kaderplanung suggeriert.
Christian Neidhart hat wie erwähnt andere Sorgen. Seine Mannschaft geht ziemlich unbeirrt ihren Weg, doch der 51-jährige Fußballlehrer weiß, dass es in solchen Spielen gegen Mannschaften aus der zweiten Hälfte der Tabelle für seine favorisierten Rot-Weissen mal wieder schwer werden könnte, wenn die Räume in des Gegners Hälfte zugestellt werden. Für RWE gilt es, ein zweites Homberg zu vermeiden. Gemeint ist die extrem bittere 0:2 Heimschlappe, die Rot-Weiss fast vor Jahresfrist Zuhause gegen den Abstiegskandidaten aus Duisburg hinnehmen musste. Die sensationelle Pleite erfolgte nach einer Serie überzeugender Essener Spiele gegen die vermeintlich deutlich stärkeren Gegner aus oberen Tabellenregionen. Bislang löste RWE auch viele Aufgaben, in denen der Gegner seinen Strafraum zum Hochsicherheitstrakt verbaute. Ein Mittel könnte sein, mehr Torgefahr über die Flügel auszustrahlen.
Gegen den FZÄH war ein Aufschwung bei den Essener Außenspielern zu erkennen. Oguzhan Kefkir bereitete den Führungstreffer gut vor und besorgte das 2:0 nach Vorlage seines Pendants vom rechten Flügel Isaiah Young höchstpersönlich. Dennoch legte Coach Neidhart im Anschluss den Finger in die Wunde und bemängelte, dass über die offensiven Außen zu wenig Torgefahr entstünde. Neidhart spricht damit die Meinung vieler Fans offen aus. Nur drei der 37 RWE-Saisontreffer gehen auf das Konto der Außenstürmer. Kefkir traf zweimal, Young einmal, Endres klebt das Abschlusspech komplett an den Schuhen.
Gegen sehr tief stehende Gegner könnte es auch wichtig sein, im Eins zu Eins über die Flanken an die Grundlinie durchzukommen, das gelingt zumindest Isaiah Young, der mittels seines Tempos auch mal über die Außenbahn am Gegner vorbeikommt. Oder wie gegen Köln dort zweimal von seinem direkten Gegenspieler gelbwürdig gefoult wird, sodass der FZÄH in Unterzahl RWE nicht mehr gefährlich werden konnte. Dieser Aufwärtstrend wird am besten gegen Straelen direkt fortgesetzt. Auf seine Zentrale kann Neidhart sich ohnehin verlassen. Dennis Grote überragt dort nicht nur als absolute Spielerpersönlichkeit, sondern hat nach Null Treffern in der Vorsaison nun auch das Toreschießen für sich entdeckt und hat ebenso wie Kapitän Marco Kehl-Gomez schon vier Tore erzielt, Cedric Harenbrock bringt es drei Tor-Erfolge.
All das ist wichtig, wenn es dem Gegner gelingt, Simon Engelmann effektiv zu bespielen. Nach seinem Viererpack gegen Wuppertal blieb Engel sowohl in Aachen als auch gegen Köln ohne eigenen Treffer, gut, dass drei andere Spieler in diesen Partien in die Bresche gesprungen sind. Immerhin zehn RWE-Spieler konnten sich in dieser Saison bislang in die Torschützenliste eintragen. Die Offensive macht somit insgesamt ihren Job. Die Defensive sowieso. Allerdings gelang den Rot-Weissen nun drei Spiele in Serie kein zu Null mehr. Das hatte zum Glück nur in Aachen negative Auswirkungen auf das Punktekonto.
Seit einigen Partien ist aber auch den Roten anzumerken, dass das ständige Aufdemplatzstehen irgendwann auch in starken und breit aufgestellten Kadern Kopf und Beine müde macht. Einige Konzentrationsschwächen waren durchaus erkennbar, am Ende des Tages lösen die Essener aber dennoch die meisten ihrer Aufgaben souverän. Auch gegen Straelen kann der Anspruch einmal mehr nur Sieg lauten. Im Anschluss daran stellt sich RWE noch in Lotte vor und empfängt zum Ligajahresausklang Wegberg-Beeck. Alle drei Gegner bergen das so gefährliche Stolperpotenzial, wenn der große Favorit RWE nicht alle seine Stärken auf den Platz zu bringen weiß. Spielern und Trainer ist das bewusst, sie zeigten sich unisono auch nach dem Köln-Auftritt (selbst)kritisch. Allein das nährt die Essener Hoffnungen, dass die wiederum gegnerischen Hoffnungen, dem ungeschlagenen Aushängeschild der Regionalliga West ein Bein zu stellen, weiterhin trügerisch bleiben werden.
NUR DER RWE!
Sven Meyering