26.10.2020

Sachlicher Sieg

von Oliver Perrey

Am Ende durften die 500 glücklichen RWE-Fans, die die Eintrittskarte per Los gewonnen haben, jubeln, als RWE das Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen souverän mit 3:0 gewonnen hat. Es ermüdet langsam zu betonen, wie die Stimmung in Essen aussehen würde, wie dieser Sieg gefeiert worden wäre, wenn das Virus die Welt nicht in der Hand hätte.

Einigen wir uns darauf, dass wir alle uns vorstellen können, dass die Euphorieskala an der Hafenstraße, die ja bereits nach zwei siegreichen Spielen hintereinander zu explodieren droht, unermessliche Höhen erreicht hätte. Nun ließ sich das Team von den anwesenden Zuschauern für eine dominante Leistung feiern.

Christian Neidhart vertraute gegen Oberhausen dem siegreichen Team aus der Vorwoche, das Preußen Münster geschlagen hat. Das bedeutet, dass Isaiah Young ebenso seinen Platz in der ersten Elf behalten durfte wie Cedric Harenbrock. Der zweitligaerfahrene Amara Condé musste sich dagegen mit einem Bankplatz begnügen, obwohl er wieder fit war. Das zeigt einmal mehr, wie eng es im Konkurrenzkampf in der Mittelfeldzentrale zugeht. Es kann bereits jetzt verraten werden, dass Young und insbesondere Harenbrock das Vertrauen von Christian Neidhart zurückzahlen konnten.

Nach anfänglichem Abtasten war es aber Oberhausen, das erstmals gefährlich vor dem Essener Kasten auftauchte. In der sechsten Minute hatte Dominik Reinert nach einer Flanke von Jeffrey Obst eine gute und vor allen Dingen unverstellte Schussmöglichkeit, allerdings verkam der „Schuss“ eher zu einem Rückpass, der Daniel Davari vor kein größeres Problem stellte. Im Gegenzug prüfte Simon Engelmann erstmals Justin Heekeren, als nach einem Kefkir Freistoß der zweite Ball zu ihm kam. Eigentlich wäre auch dieser Schuss eine sichere Sache gewesen, der Ball glitt Heekeren aber durch die Hände und rollte langsam auf die Torlinie zu. Geistesgegenwärtig griff der Oberhausener Keeper zu und verhinderte die frühe Führung der Essener.

In der Folge zog sich Oberhausen zurück. Man muss festhalten, dass man selten das Gefühl hatte, dass RWO den Druck erhöhen würde. Chancen waren Mangelware. Das kennt man aus Oberhausen eigentlich anders, da die Mannschaft sonst stets mit dem Messer zwischen den Szenen in das Derby geht, das – warum auch immer – gerade für die RWO-Fans das Hassspiel schlechthin ist.

In der elften Minute brandete der erste Jubel auf. Isaiah Young setzte sich über die linke Seite durch und spielte flach auf Simon Engelmann. Dieser scheiterte beim Versuch, sich durch die Abwehr zu dribbeln und der Ball versprang zu Cedric Harenbrock. Mit einem gigantischen Selbstbewusstsein legte dieser den Ball zur Seite und zog ab. Mit ein wenig Schussglück – der Ball war abgefälscht – sorgte Harenbrock für die 1:0 Führung. Wenn wir RWE-Fans nicht wüssten, was Harenbrock für einen Leidensweg hinter sich hat, keiner würde glauben, dass der Spieler zwei Jahre lang nahezu keine Wettkampfpraxis hatte. Umso mehr freut es uns für diesen jungen und sympathischen Fußballer, dass er jetzt durchstartet.

Danach waren gute Chancen Mangelware. Engelmann zog einmal nicht genau genug ab (20.), aber RWE war feldüberlegen und ging folgerichtig mit der Führung in die Halbzeit. Viel zu meckern gab es nicht, allerdings ging Christian Neidhart auf Nummer sicher und wechselte den leicht angeschlagenen Kevin Grund zur Pause aus und brachte Felix Herzenbruch und damit den fünften Ex-Oberhausener.

Direkt nach der Pause sorgte RWE schon für die Entscheidung. Dennis Grote erkämpfte sich den Ball, in der Oberhauser Vorwärtsbewegung und Felix Herzenbruch gewann das folgende Kopfduell und serviert den Ball auf Marco Kehl-Gomez. Der Capitano, der mit dem Rücken zum Tor stand, ließ den Ball passieren und hielt aus der Drehung volley drauf. Aus gut 25 Metern schlug der Ball im Tor ein und Herzenbruch sammelte sogleich einen Scorerpunkt nicht einmal zwei Minuten nach seiner Einwechslung. Für Kehl-Gomez war es bereits der dritte Treffer.

Danach verwaltete RWE das Spiel und verlagerte sich aufs Kontern. Hier setzt auch die kleine Kritik an, die selbst nach einem so souveränen Sieg erlaubt sein muss und die auch Christian Neidhart im Interview nach dem Spiel angemerkt hat. Diese Konter werden zu oft leichtfertig verspielt. Engelmann setzte Young perfekt in Szene (50.), dieser vergab eine Hereingabe, die knapp am Tor vorbeiging. Ein Kopfball Engelmanns ging nur Zentimeter am Kasten vorbei (56.). Der eingewechselte Joshua Endres bediente über die rechte Seite perfekt Cedric Harenbrock, der frei vor dem Tor abzog und dieses Mal das Nachsehen gegenüber Justin Heekens hatte (70.). Dies sind nur die besten Möglichkeiten des rot-weissen Chancenwuchers.

Schlussendlich nutzte Simon Engelmann in der Nachspielzeit noch eine Möglichkeit und setzte sich mit seinem sechsten Treffer an die Spitze der Torschützenliste der Regionalliga West. Wieder sind es Dennis Grote und Felix Herzenbruch, die das Tor herausspielten. Diese bedienten Joshua Endres, der aus guter Position den Torwart traf. Da dieser aber nur abprallen lassen konnte, war der Ball frei und das ließ sich Simon Engelmann nicht entgehen und markierte den 3:0 Endstand.

Wen soll man herausheben nach einer geschlossenen Mannschaftsleistung? Cedric Harenbrock wurde bereits genannt. Wie oft soll man noch beeindruckt Dennis Grote loben, der das Gehirn des Essener Spiels darstellt? Wie oft noch betonen, dass RWE mit Marco Kehl-Gomez einerseits seinen Aggressive Leader hat, andererseits auch noch wichtige Tore schießt? Wie oft sich über die unfassbar starke Abwehrleistung von Daniel Heber freuen? Auch gegen Oberhausen zeigte sich der Essener Kader dominant und souverän, daran hatten auch die nicht genannten Spieler wie Plechaty, Young, Hahn, Grund und Kefkir sowie die Einwechselspieler ihren Anteil, in diesem Spiel war keine Schwachstelle zu erkennen.

Zunächst einmal überwiegt die Freude über einen überraschend sachlichen Derbysieg gegen Rot-Weiss Oberhausen. Wichtig ist es, diese breite Brust in die nächsten Wochen zu retten, denn mit der Zweitvertretung aus Gelsenkirchen trifft RWE wieder einmal auf eine spielstarke Nachwuchsmannschaft. Im Gegensatz zu den anderen Nachwuchsteams setzt man bei den Gelsenkirchenern auch gerne mal Unterstützung aus dem Profibereich ein und da gilt es gegen zu halten.