16.10.2020

Schweißtreibender Oktober

von Hendrik Stürznickel

Der Spielplan hat einen schweißtreibenden Oktober für Rot-Weiss Essen vorgesehen, denn RWE trifft in nur elf Tagen auf drei Mitfavoriten um den Aufstieg in die 3. Liga. Während das Spiel bei der Kölner Fortuna 1:1 endete, hofft RWE am kommenden Samstag auf einen weiteren Heimsieg, um den forteilenden Dortmundern auf den Fersen zu bleiben. Das Spiel gegen den Absteiger aus der Dritten Liga wäre wohl ein großer Zuschauermagnet geworden. Das letzte Zusammentreffen der Rivalen liegt nun mehr als zehn Jahre zurück, sodass Fans aus Münster wie aus Essen an die Hafenstraße gepilgert wären.

Diese werden die Partie nun an den heimischen Geräten verfolgen müssen oder – so es die Hygienemaßnahmen erlauben – in den Kneipen, die das Spiel zeigen, denn das Corona-Virus nimmt die ganze Welt immer fester in seinen Griff, sodass die Behörden vor einem Spiel vor erneut 5.000 Zuschauern zurückschreckten. Nichtsdestotrotz steigt die Nervosität allein aus der Tatsache, dass der Druck, gewinnen zu müssen, auf der Mannschaft lastet.

Diesen Druck verspüren die Essener nicht exklusiv, denn auch in Münster ist man bestrebt, den Betriebsunfall Abstieg schnellstmöglich auszumerzen und zurück in die Dritte Liga zu kommen. Dass dies möglich sein könnte, hätte man Anfang August noch nicht für möglich gehalten. Erst Anfang Juli endete die Drittligasaison 2019/20 und die Hoffnungen der Münsteraner auf das Fußballwunder vom Berg Fidel verpuffte durch eine 0:3 Niederlage gegen den SV Meppen, die den endgültigen Abstieg der Preußen besiegelte.

Trainer des SV Meppen war bekanntlich Christian Neidhart, allerdings wird ihm die Erfahrung aus dem vergangenen Spiel nicht mehr viel nützen, da es in Münster im Sommer einen völligen Neuaufbau gab. Da Malte Metzelder, der mit großen Visionen im Münsterland gestartet ist, seinen Platz räumte, mussten die Preußen sich erst einmal in verantwortlicher Position neu aufstellen. Das Trainerteam um Sascha Hildmann bekam das Vertrauen auch in Liga 4 und die sportliche Leitung übernahm Peter Niemeyer.

Da dies allerdings Zeit in Anspruch nahm, standen den Preußen kurz vor Trainingsbeginn Anfang August gerade einmal sechs Spieler zur Verfügung. Niemeyer arbeitete aber fortan ruhig und seriös und stellte in kurzer Zeit einen mehr als schlagkräftigen Kader zusammen. Nachdem das Führungschaos beseitigt war, konnten Stützen der Drittligamannschaft wie der extrem starke Torwart Maximilian Schulze Niehaus oder Kapitän Julian Schauerte zum Bleiben bewegt werden. Hinzu kamen namhafte Neuzugänge, die hauptsächlich aus höheren Ligen an den Berg Fidel wechselten. Während der in Essen bestens bekannte Alexander Langlitz aus Lotte kam, konnten Jules Schwadorf (SV Wehen Wiesbaden), Justin Möbius (Karlsruher SC) oder Dennis Daube (KFC Uerdingen) verpflichtet werden.

Da weitere Spieler von hochkarätigen Vereinen verpflichtet wurden und in der vergangenen Woche mit William Möller einen Mittelstürmer geholt hat, der Joel Grodowski (2 Tore) unterstützen soll, würde man sich in Münster lächerlich machen, wenn man tiefstapeln würde. Preußen will hoch, Preußen hat einen Kader, mit dem es aufsteigen kann, und Preußen hat bislang seine Hausaufgaben erledigt. Bislang spielten die Münsterländer gegen Vereine aus dem Mittelfeld bzw. unteren Drittel und konnte dabei 14 Punkte in sieben Spielen sammeln, hat also einen beachtlichen Schnitt von 2,00 Punkten pro Spiel. Zuletzt stolperten die Preußen am Kölner Geißbockheim (0:1), dies war allerdings nicht der Beginn einer Negativserie, denn die Münsteraner meldeten sich mit einem 4:1 Kantersieg gegen die Sportfreunde Lotte zurück. Das ist allemal beachtlich und zeigt, wie viel Qualität vorhanden ist.

Wie auch gegen Fortuna Köln können die Beobachter von einem richtungsweisenden Spiel für Rot-Weiss Essen sprechen. Einmal mehr muss sich RWE einem Belastungstest unterziehen. In Köln hat RWE diesen besonders in der ersten Halbzeit mehr als erfüllt. Hier spielte das Team von der Hafenstraße nach einer Kölner Druckphase in den ersten zehn Minuten die Fortuna förmlich an die Wand. Das 1:0 für Rot-Weiss erzielte einmal mehr Simon Engelmann, nach einer tollen Vorlage von Sandro Plechaty. Danach erlebten die RWE-Fans den bekannten Chancenwucher. Beispielhaft sei die verunglückte Flanke von Oguzhan Kefkir genannt, die nur auf die Querlatte fiel.

Nach der Pause konnte die Fortuna durch einen 30 Meter-Hammer ausgleichen und dann bekamen die Zuschauer ein qualitativ hochwertiges Spiel zweier ebenbürtiger Gegner zu sehen. Am Ende ist der Punkt beinahe zu wenig angesichts der vielen Einschussmöglichkeiten, mit ein wenig Abstand kann man das Ergebnis als ordentlich zu den Akten legen.

Ob Christian Neidhart das Unentschieden nun als Ausgangspunkt für Änderungen nutzt, ist kaum vorherzusagen. Der kompakte zentrale Mittelfeldblock hat durchaus gehalten, ob dieser nun erneut gegen Münster auflaufen wird, ist fraglich. Neuzugang Isaiah Young hat derweil einen guten ersten Eindruck gemacht. Er zeigte sich schnell, agil und mutig. Leider waren die Abschlüsse manchmal noch überhastet, allerdings deutete er an, dass er mit ein wenig mehr Eingewöhnung die Qualität des Kaders noch einmal heben könnte. Ob es für ihn allerdings für einen Startelfeinsatz reicht, ob Joshua Endres nach seinem Ausfall direkt wieder eingreifen darf oder ob Felix Backszat wieder beginnen darf, werden wir nicht vorhersagen können.

Am Ende wird RWE wieder ohne den Großteil des Publikums auskommen müssen und die 100 glücklichen Losgewinner werden versuchen, dies auszugleichen. Es wird eine konzentrierte Leistung nötig sein, um starke Münsteraner zu schlagen. Da der BVB II gegen Ahlen wohl ein leichtes Spiel hat, braucht RWE die drei Punkte, um dran zu bleiben. Dabei sollten wir vor allen Dingen auf uns selbst schauen. Die Qualität hinten wie vorne ist da. Wenn die Stürmer etwas konsequenter die Torchancen verarbeiten, wird es auch was mit dem Erfolg gegen Preußen Münster.