Wir wollten gewinnen!
„Wenn ich ganz ehrlich sein soll: wir wollten gewinnen. Das hat man richtig gemerkt. Wir wollten das Jahr 2020 ungeschlagen bleiben. Das ist nicht nur eine Floskel, die ich raushaue, wir wollten ums Verrecken gewinnen.“ Nicht diese Aussage allein, die Marco Kehl-Gomez vor den Mikrofonen bei Sky zum Besten gab, unterstrich die Willensleistung von Rot-Weiss Essen, sondern die Überzeugung und der Gesichtsausdruck, der deutlich machte, wie ehrgeizig und erfolgshungrig nicht nur der Kapitän, sondern das ganze Team im Jahr 2020 aufgetreten sind.
Der Coup gegen den ambitionierten Zweitligisten Fortuna Düsseldorf zeigte einmal mehr die breite Brust und die enorme Qualität, die RWE nun seit Monaten zeigt. Christian Neidhart wechselte erstmals seit Wochen und setzte offensiv auf das höchstmögliche Tempo und defensiv auf beinharte Zweikampfhärte sowie Ballbehandlung. Defensiv erhielt so Felix Herzenbruch den Vorzug vor Kevin Grund, da dieser eher defensiv spezialisiert ist. Die Entscheidung gegen Oguzhan Kefkir und für Isaiah Young und Joshua Endres brachte Geschwindigkeit auf den Platz. Schließlich bekam nach einigen Wochen auch Amara Condé den Vorzug vor Cedric Harenbrock. Die letzte Entscheidung war eine goldene Eingebung, denn Condé zauberte sein ganzes Können auf den Platz und wurde völlig zurecht zum Spieler des Spiels gewählt.
Zunächst einmal wurde deutlich, dass Düsseldorf von Beginn an zeigen wollte, dass der Zweitligist Herr an der Essener Hafenstraße sein sollte. Die Fortuna entfachte einen enormen Sturmlauf und hätte sich bereits in der vierten Minute belohnen müssen. Jean Zimmer spielte von der rechten Torauslinie den Ball gefühlvoll in den Rücken der Abwehr. Marcel Sobottka traf den Ball nicht richtig am Elfmeterpunkt, dieser ging an die linke Ecke des Fünfmeterraums, an der Edgar Prib freie Schussbahn hatte. Dieser war offensichtlich völlig überrascht von seiner guten Möglichkeit und legte den Ball eher zu Davar zurück, als dass er wirklich aufs Tor schoss.
Nach und nach konnte RWE sich aber aus der festen Umklammerung befreien und startete erste Entlastungsangriffe. Als Adam Bodzek recht unbedrängt im Mittelfeld etwas zu langsam zu Edgar Prib zurückpasste, war Dennis Grote geistesgegenwärtig. Er sprintete zum Ball und sah den auf der linken Seite startenden Simon Engelmann. Ein präziser Pass in den Fuß gab Engelmann ein minimales Schussfenster. Er hielt drauf und tunnelte Raphael Wolf und ganz Essen versank in Glückseligkeit. Der Regionalligist führte nämlich durch seinen Toptorjäger 1:0 in diesem ungleichen Duell.
Danach war kein Abtasten mehr zu spüren und Fortuna Düsseldorf (18.) wie auch Rot-Weiss Essen (24.) suchten ihr Heil in der Offensive. In der 36. Minute schlug Edgar Prib, dieses Mal auf der rechten Seite, eine perfekte Flanke auf den Düsseldorfer Goalgetter Rouwen Hennings. Dieser stoppte den Ball gekonnt auf der linken Strafraumseite und haute den Ball unhaltbar in die Maschen. Wer allerdings glaubte, dass der Widerstand der Essener mit dem Gegentor gebrochen war, sollte sich täuschen.
Nur drei Minuten später spielte Joshua Endres den Ball quer im Halbfeld auf Daniel Heber, der weit ins Düsseldorfer Territorium aufgerückt war. Dieser hatte Platz und erkannte, dass der Kapitän bereitstand. Ein hoher Ball fand den Kopf von Marco Kehl-Gomez, der die Führung wiederherstellte. Nach dem Spiel beschwerte sich Düsseldorfs Trainer Sascha Rösler, dass dem Treffer ein Ellenbogenschlag vorausgegangen ist. Auch nach Zeitlupenbetrachtungen und eingefügten Lupen kann man zwar erkennen, dass Kehl-Gomez den Ellenbogen für die Körperdrehung einsetzte, eine Berührung ist allerdings kaum erkennbar und im Gesicht, das sich der Abwehrspieler anschließend hielt, kann dieser definitiv nicht getroffen worden sein. Möglicherweise hätte ein Video-Schiedsrichter den Treffer zurückgenommen, da momentan selbst bei kleinsten Berührungen eine Tendenz zum Foulpfiff besteht, allerdings war dies auf keinen Fall eine 100-prozentige Fehlentscheidung und Schiedsrichter Jöllenbeck sollte auch für die Fortuna noch einen recht schmeichelhaften Pfiff bereithalten.
Zunächst einmal ging RWE aber mit der Führung in die Halbzeitpause und die war nicht unverdient. Düsseldorf hatte zwar mehr Spielanteile, Essen war allerdings aggressiver in den Zweikämpfen und dieses Mal auch unheimlich konsequent vor dem Tor. Dies war gegen Wegberg-Beeck noch ein Mangel, dieses Mal nutzten Engelmann und Kehl-Gomez die sich bietenden Torchancen aus.
In der zweiten Halbzeit hatte die Essener Verteidigung die Formel der Fortuna-Offensive schließlich gefunden. Düsseldorf war zwar weiterhin dominant, die Abwehr ließ aber nicht eine Torchance in der gesamten zweiten Hälfte zu. Essen blieb dabei angriffslustig. In der 70. Minute setzte sich Sandro Plechaty auf der rechten Seite durch und sah den freistehenden Amara Condé im Mittelfeld. Dieser nutzte seinen Freiraum und spielte einen perfekten tödlichen Pass durch die Düsseldorfer Abwehrreihe auf den eingewechselten Oguzhan Kefkir. Dieser zog sofort ab und trug sich ebenfalls in die Torschützenliste ein. Es stand, man konnte es gar nicht fassen, 3:1 für Rot-Weiss Essen.
In der 87. Minute brachte RWE die Düsseldorfer selbst wieder ins Spiel. Alexander Hahn zupfte am Trikot von André Hoffmann und dieser ließ sich theatralisch fallen. Es war eigentlich ein Allerweltszweikampf, aber Schiedsrichter Jöllenbeck entschied auf Strafstoß. Am Ende muss Hahn seine Hand im Strafraum weglassen, dann gibt es keinen Elfmeter, Düsseldorf konnte umgekehrt aber auch froh sein, dass Jöllenbeck pfiff, denn die wenigsten Schiedsrichter hätten den Elfmeter wohl gegeben. Wieder traf Hennings für die Fortuna, es stand 3:2.
Selbst die vier Minuten Nachspielzeit brachte die Defensive der Essener in Probleme und so jubelte RWE nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Jöllenbeck über den Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals. Dies bietet neben der nicht eingeplanten finanziellen Zuwendung auch eine weitere Möglichkeit, um RWE deutschlandweit zu zeigen.
Das war das Jahr 2020 und es wirkt, als würde Karma funktionieren. Nach den vielen Tiefschlägen und Niederlagen, die in Essen in den vergangenen Jahren erlebt wurde, hat so vieles in diesem Jahr geklappt, dass man mitunter meint, man befinde sich in einem Traum. Doch der DFB-Pokal ist nicht die erste Sorge der RWE-Fans, der Verantwortlichen und der Mannschaft, sondern es geht darum, den Traum vom Profifußball wiederzubeleben und dies ist der größte Wunsch, der RWE im Jahr 2021 verfolgt. Wollen wir so anfangen, wie die Hinrunde aufgehört hat und arbeiten wir gemeinsam dafür, dass dieser Traum Wirklichkeit wird.