14.09.2019

RWE, Godzilla, King Kong und der weiße Hai!

von Redaktion

Was ist noch gefährlicher als Spielbergs weißer Hai, King Kong und Godzilla zusammen? Die Bank von Rot-Weiss Essen! Vor allem wenn dann noch ein Trainer wie Christian Titz den Taktstock- und man möchte fast meinen als (rot)-weisser Magier den Zauberstab schwingt. Beim letztlich verdienten 4:2 (1:1)-Auswärtserfolg in Lippstadt, nach dem RWE als einzige Mannschaft der Regio West weiterhin ungeschlagen ist, waren es nämlich erneut die „Reservisten“, welche jeweils nur kurz nach ihrer Einwechslung trafen und insgesamt drei der vier Tore zum Sieg beisteuerten. Essens sechster Erfolg im siebten Ligaspiel. Die Bilanz ist ebenso beeindruckend wie die Stimmung im rot-weissen Lager. Doch der Reihe nach.

Ausverkaufte Gästekurve in LippstadtZunächst einmal muss Jawattdenn.de dem SV Lippstadt Abbitte leisten. Hatten wir in unserem Vorbericht einen sehr defensiven Gastgeber, der mit zwei hintereinander agierenden Viererketten die eigene Box abschirmt, prophezeit, so trug die Mannschaft von Trainer Felix Bechthold einen gehörigen Teil zu einem sehr guten und ebenso unterhaltsamen Regionalligaspiel bei. Der Sieg fiel den Essenern jedenfalls unterm Strich deutlich schwerer als der letzte Erfolg bei RWO. Coach Titz behielt wieder einmal  Recht. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel schilderte er die gesammelten Eindrücke vom Gegner, der viel besser sei, als der Tabellenplatz es ausdrücke und stets auf einen geordneten Spielaufbau von hinten heraus bedacht sei. So rieben sich die insgesamt wohl über 1000 RWE-Anhänger unter insgesamt 2334 Zuschauern zunächst verwundert die Augen, als ihrer Mannschaft, die deckungsgleich zur Partie gegen Uerdingen im Niederrhein-Pokal aufgestellt worden war, zunächst nicht das bekannt dominante Spiel gelang, sondern der SVL mit aggressivem Pressing und messerscharfen Pässen in die Schnittstelle der Gästeabwehr für Furore sorgte. Eines dieser Zuspiele nutzte Yannick Albrecht, Neuzugang aus Haltern, nach nur 12 Spielminuten zum 1:0 für Lippstadt. Mutterseelenallein tauchte er dabei vor Marcel Lenz auf und vollendete eiskalt. RWE schüttelte sich und fand langsam sein Spiel. Jan-Lucas Dorow verpasste aus kurzer Distanz den Ausgleich, auch Oguzhan Kefkir roch an einem Treffer. Der wollte jedoch vorerst nicht fallen. Dafür setzten die Gastgeber den nächsten, fast erneut schmerzhaften Nadelstich, doch Marcel Lenz behielt in fast deckungsgleicher Situation wie beim Gegentreffer diesmal die Oberhand und rettete großartig. RWE war außerdem zu so vielen langen Bällen aus der eigenen Abwehr heraus gezwungen wie selten zuvor, so energisch wirkte Lippstadt streckenweise.

Titz hatte genug gesehen und vollzog einen seiner bereits legendären Wechsel. Der bislang in keiner Saisonminute fehlende Abwehrrecke Alex Hahn musste nach 32 Zeigerumdrehungen vom Feld. Der Trainer hatte in den Situationen nicht ganz zu Unrecht einige Tempoprobleme seines Spielers erkannt, wie er später auf der PK zu Protokoll gab. Ayodele Adetula kam ins Spiel, Marco Kehl-Gomez ging zurück in die Abwehrzentrale. Was dann folgte, ist eigentlich mal wieder kaum angemessen zu beschreiben. Zwei Minuten brauchte Adetula, dann durfte er den Ausgleichstreffer bejubeln. Das Tor war vor allem in der Vorbereitung erste Sahne. Dorow zeigte nach dem Wechsel vom Sturmzentrum ins Mittelfeld beordert seine herausragend zu nennende Technik und spielte mit dem rechten Außenrist gemäß des heutigen Jawattdenn-Titels einen Monsterpass über 30 Meter hinter die SVL-Abwehr.

Dank Online-Ticketverkauf waren auch die Tribünen rot-weiss gefülltDer schönste Pass nutzt allerdings nichts, wenn es nicht den entsprechenden Abnehmer dafür gibt, in diesem Fall einen Spieler mit Monstertempo. Eben einen Ayodele Adetula. Keeper Christopher Balkenhoff war der letzte verbliebene Gegenspieler und hätte die Kugel wohl vor den meisten anderen Akteuren der Regio-West noch klären können, weil er eigentlich besser zum Ball stand. Adetula jedoch zündete derartig den Turbo, dass er in dem folgenden Pressschlag mit Balkenhoff den Ball mit dem Glück des Tüchtigen mitnehmen konnte und nun in deutlich reduziertem Tempo damit über die Linie joggte. Das siebte Jokertor der letzten fünf Ligaspiele. Phänomenal. Einmal wieder. Bis zur Halbzeit hätte Essen dann eigentlich sogar führen müssen. Doch Dorow zeigte sich im Abschluss erneut nicht so stark wie in der Vorbereitung eines Treffers und vergab die Riesenchance zum 1:2. Licht und Schatten in Halbzeit 1, die weitere personelle Konsequenzen nach sich zog. Titz brachte Florian Bichler für Kevin Grund. Da Bichler rechts verteidigen sollte, wechselte David Sauerland auf die linke Außenverteidigerposition. Der Coach ist halt für so manche Rochade gut.

Da RWE eigentlich immer eine bessere zweite als erste Hälfte spielt, sah der Essener Anhang positiv gestimmt dem weiteren Spiel entgegen. Zurecht. Die ersten gut 10 Minuten waren spektakulär. Auf dem Rasen und den Rängen. Die RWE-Fans auf der Hintertortribüne zeigten zunächst eine sehenswerte Choreo mit unzähligen Fähnchen, tauchten kurz danach aber die Kurve in bengalisches Feuer. Schiedsrichter Felix Weller wurde in dieser bislang sehr fairen Partie von den Fans jetzt mehr gefordert als von den Spielern und drohte kurzzeitig mit dem Gang in die Kabinen. Stante Pede erloschen jedoch dann die Bengalos und nur zwei Minuten danach waren die RWE-Fans auch ohne diese in Hitzewallung, denn Joshua Endres schlenzte das Leder sehenswert in den Winkel des SVL-Tores. 2:1 für RWE! Wer nun angenommen hatte, der Favorit würde wie gewohnt sein Pensum clever herunter spielen, sah sich jedoch getäuscht. Erstmals seit Saisonbeginn konnte eine gegnerische Mannschaft den Essenern eine Führung wieder streitig machen und nur vier Minuten nach dem Endres-Treffer war erneut Yannick Albrecht zur Stelle und köpfte das Leder aus kürzester Distanz in die Maschen. 2:2. Zusätzlich gelang dem SVL damit als erster Mannschaft überhaupt mehr als ein Treffer gegen RWE. Zahlen, die deutlich machen, dass die Gastgeber eine sehr gute Partie lieferten.

Neues Spiel, gleiches Bild nach Abpfiff. Immer wieder schön anzusehen.Aber das Rot-Weiss Essen der Spielzeit 2019/20 ist eben auch nicht mehr das RWE der vergangenen Spielzeiten. Als wäre nichts gewesen gingen die Gäste sogleich wieder in die Offensive und unterstrichen ihre Ambitionen auf den Auswärtsdreier. Die Partie wurde auch ruppiger. Besonders Oguzhan Kefkir schien wie die Fans On Fire und holte sich nach einem rustikalen Einsteigen eine berechtigte Gelbe Karte ab. Anlass für Titz, den nächsten Zauber- und Einwechseltrick zu vollführen. Fast sofort wurde Kefkir vom Feld genommen und Hedon Selishta, zuletzt länger nicht auf dem Rasenrechteck, sollte seine Chance bekommen. Nun wurde es, dieser Kalauer sei erlaubt, im wahrsten Sinne des Worte hedonistisch. Gerade 5 Minuten auf dem Feld sorgte Selishta für die nächste Essener Adrenalinbombe. Sehenswert hatte sich RWE auf dem linken Flügel durchgespielt und der erneut sehr starke Endres beförderte den Ball so ins Sturmzentrum, wie es besser nicht mehr geht. Denn zum einen war das Leder für den verzweifelt grätschenden Abwehrspieler nicht zu erreichen, zum anderen aber sehr wohl für Essens nächsten Top-Joker, der zudem den perfekten Laufweg genommen hatte und mit Rechts eiskalt zur erneuten Gästeführung verwandelte. Essener Ekstase! So und nicht anders lautet die passende Antwort auf die gegnerischen Bemühungen. Selishta ließ es sich 10 Minuten später nicht nehmen, Enzo Wirtz seinen Doppelschlag in Oberhausen nachzumachen. Bei einem langen Ball enteilte er gleich zwei Gegenspielern und nahm nun den linken Fuß, um den Ball erneut zu versenken. Hier nochmals die nackten Zahlen. Es war Essens neuntes Jokertor der letzten fünf Ligapartien. Als RWE in der Vorwoche im ebenfalls siegreichem Niederrhein-Pokal-Intermezzo ausnahmsweise mal kein Tor von der Bank gelungen war, erlaubte sich „Der Westen“-Redakteur Ralf Wilhelm mit Titz auf der PK einen kleinen Spaß und meinte, jetzt sei er wohl wieder auf dem Boden angekommen. Mal schauen, ob der RWE-Coach nun eine scherzhafte Replik bereithalten wird.

Die restlichen Minuten waren die gewohnt ausgelassene RWE-Partie auf den Rängen. Da Lippstadt nie aufgab, gab es weitere gute Kontergelegenheiten für die Gäste, die das Ergebnis im Grunde noch höher schrauben hätten müssen. Das wäre umgekehrt aber auch nicht ganz gerecht gegenüber den guten Gastgebern gewesen, die in dieser Form der Abstiegszone entkommen sollten. Natürlich gab es nach Schlusspfiff das gemeinsame Feiern von Mannschaft und allen mit Essener Fans besetzten Tribünenteilen. Einen Jubelsturm erntete Trainer Titz, der sich von den Fans gefordert zu einer Art kleinen Ehrenrunde aufmachte. Schöne Impressionen. Schon am nächsten Freitag gibt es wieder Flutlichtzauber mit unserem RWE, wenn den Beethovenstädtern aus Bonn an der Hafenstraße hoffentlich der Marsch geblasen und anschließend der RWE-Walzer getanzt werden wird.


NUR DER RWE!

Sven Meyering


SV Lippstadt - Rot-Weiss Essen 2:4 (1:1)


SV Lippstadt

Balkenhoff, Heiserholt, Steringer, Matriciani, N. Köhler, Liehr, Arenz, Henneke (84. Schindler), Gucciardo (63. Hoffmeier), Albrecht (79. Sezer), T. Harder (75. Reimer)


Rot-Weiss Essen

Lenz, Sauerland, Heber, A. Hahn (33. Adetula), Grund (46. Bichler), Grote, Kefkir (63. Selishta), Condé (84. Neuwirt), Kehl-Gomez, J. Endres, Dorow


Tore

1:0 Albrecht (12.)
1:1 Adetula (34.)
1:2 Endres (51.)
2:2 Albrecht (56.)
2:3 Selishta (68.)
2:4 Selishta (78.)


Zuschauer

2.334


Schiedsrichter

Felix Weller (Neunkirchen)


Gelbe Karten

K. Hoffmeier (2 . Gelbe Karte)
Kefkir (2 . Gelbe Karte)
Grote (4 . Gelbe Karte)