27.08.2020

Unsere Konkurrenten

von Redaktion

Jawattdenn.de wagt eine Vorab-Analyse einer Saison, in der zahlreiche Siegesbiere beim Anhang schäumen sollen. JWD prüft die Plus- und Knackpunkte der Essener, wirft einen Blick auf die Kaderveränderungen und schaut auch in die Glaskugel, was die Konkurrenz betrifft.

Die Konkurrenz

Bei der Konkurrenz ist diesmal nicht klar auszumachen, wer zum Angriff auf die Tabellenspitze blasen können wird. Vor einem Jahr konnte man trotz eines verheißungsvollen RWE-Kaders den SV Rödinghausen als Topfavoriten der Liga ausmachen. Und obwohl am Ende Verl aufgestiegen ist, wäre der Platz in der Relegation an Rödinghausen gegangen, hätte man dort nicht schon vor Corona die Drittligaambitionen aufgegeben. Dieses Jahr verraten die Konkurrenten weit weniger über sich. Weniger gefährlich sind sie deswegen natürlich dennoch nicht. Wie immer bergen Zweitvertretungen große Gefahr und könnte ein noch unbekannter Senkrechtstarter die Rolle des SC Verl einnehmen. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, hier die Glaskugel für einige Ligakonkurrenten.

SV Rödinghausen:

Nach dem Verzicht auf die Drittligalizenz brach dem SV Rödinghausen sein starker Kader fast gänzlich zusammen. Über Engelmann und Backszat freut sich RWE, Uerdingen über Traore, Altglienicke über Linus Meyer und der BVB 2 über Franz Pfanne. Sie blieben nicht die einzigen Abgänge. Als eine der wenigen Stützen des amtierenden Regio West Meisters blieb Kapitän Daniel Flottmann im Wiehengebirge. Es scheint so, als müsste sich der Fanklub der Amigos ab jetzt mit weniger ambitionierten Zielen anfreunden. Ob der einstige RWE-Stürmer Enzo Wirtz daran etwas ändern können wird, wollen wir aus Essener Sicht jedenfalls nicht hoffen.


Rot-Weiß Oberhausen:

Auch Nachbar RWO hat einen enormen Aderlass zu verkraften, nur wenige Leistungsträger wie Maik Odenthal oder Raphael Steinmetz blieben am Kanal. Bei den Neuzugängen fällt zunächst der auch schon bei RWE tätige Mittelstürmer Sven Kreyer auf, der die letzten Jahre bei Viktoria Köln tätig war. Kreyer ist der Typ bulliger Strafraumspieler, sein Pendant Shun Terada das Gegenteil. Der pfeilschnelle Japaner kommt vom SV Straelen, für den er auch schon mal in der Regio West erfolgreich tätig gewesen ist. Prominentester Neuer ist Tanju Öztürk, der über breite Profierfahrung verfügt und das zentrale Mittelfeld bereichern soll.

Der Coach heißt nicht mehr Mike Terranova, sondern Dimitrios Pappas, der zuvor für den Nachwuchs verantwortlich gewesen ist. Das in den vergangenen Jahren meist relativ erfolgreiche RWO wird zeigen müssen, wie gut man diesen Umbruch vollziehen können wird. Die Vorbereitung lief jedenfalls gut, u.a. gelang ein 3:1 Erfolg gegen den Ligakonkurrenten Gladbach 2.


Preußen Münster:

Absteiger Preußen Münster gibt zwar an, finanziell in eine Spitzenmannschaft investieren zu können, muss diese jedoch erst einmal zusammenstellen. Seit 2011 hat der alte Westrivale in der dritten Liga gespielt. In der unter besonderen Bedingungen zu Ende gegangenen „Corona-Saison“ 2019/20 hat es die Adlerträger dann jedoch erwischt. Nach fast einer Dekade im Profifußball steht nun wieder die Regionalliga West auf dem Programm. Vom Namen her stellt Münster einen echten Konkurrenten dar. Doch tatsächlich hat seit Bestehen der eingleisigen Dritten Liga in der Spielzeit 2008/09 noch nie ein Absteiger in die Regionalliga West den direkten Wiederaufstieg gepackt. Vielmehr war der Abstieg meistens mit sehr großer personeller Veränderung und dem Aufbau einer neuen Mannschaft verbunden. Preußen Münster stellt da keine Ausnahme dar. Zwar bleibt Cheftrainer Sascha Hildmann erhalten, jedoch Mitte August und damit knapp 3 Wochen vor dem anvisierten Start ins Ligageschehen standen erst 15 Akteure an der Hammer Straße unter Vertrag.

Dann gelang jedoch ein doppelter Transfercoup. Für das zentrale Mittelfeld ergatterten die Preußen den 149-fachen Zweitligaspieler Dennis Daube, der auch 13 Partien im Fußball-Oberhaus absolviert hat. Daube zählt zu den vielen prominenten Kickern, die zuvor gut dotierte Verträge beim KFC Uerdingen erhalten hatten, auf die dann dort aber doch nicht gesetzt worden ist. Von daher dürfte Daube in Münster der Ehrgeiz noch einmal gepackt haben. Für die linke Mittelfeldseite wurde zeitgleich Jules Schwadorf verpflichtet, der bei Wehen Wiesbaden Zweitligaluft geschnuppert hatte, jedoch kaum zum Einsatz gekommen war. Ganz hohe Ziele sind für die Preußen insgesamt wohl nur schwer zu erreichen. Nicht unwahrscheinlich, dass sich die Grün-Schwarzen zunächst in einer Saison des Umbruchs befinden werden. In den direkten Duellen mit RWE wird Preußen Münster jedoch der Ehrgeiz besonders packen. Aber das ist ohnehin der Normalfall in der Liga.


Fortuna Köln:

Fortuna Köln gibt sich weniger bescheiden als im Vorjahr. Die Kölner Südstädter, nach ihrem Abstieg und dem gleichzeitigen Aufstieg des Stadtrivalen Viktoria 2019 nur noch die Nummer 3 in der Domstadt, haben ihre Umbruchsaison hinter sich. Als Vorjahresabsteiger ereilte die Fortuna das Schicksal all ihrer Vorgänger, mit dem Kampf um den Wiederaufstieg nichts zu tun zu haben. In dieser Saison wollen die Kölner mehr. Coach Thomas Stratos wurde von seinen Aufgaben entbunden, Alexander Ende, ehemaliger Spieler der Fortuna, soll nach seiner Rückkehr zum Verein als Trainer dieses Jahr mehr erreichen.

Aus Oberhausen schnappte man sich Abwehrchef Yannick Löhden und Flügelflitzer Francis Ubabuike, von Absteiger Preußen Münster den hoch gehandelten Mittelfeldakteur Nico Brandenburger. Stürmer Julian Günther-Schmidt kommt von einem anderen Drittligaabsteiger aus Jena. Günther-Schmidt gehörte auch schon dem erweiterten Bundesligakader des FC Augsburg an. Linksverteidiger Dan-Patrick Poggenberg verfügt ebenfalls über nennenswerte Profierfahrung. Noch immer im Kader steht Routinier Roman Prokoph, der durchaus weiß, wo das gegnerische Tor steht. Schlechte Leute und überhaupt einen schlechten Kader hat die Fortuna somit nicht geholt bzw. zusammen. Hier gilt, Holzauge sei wachsam.


Borussia Dortmund 2

Borussia Dortmund 2 wird an der Hafenstraße mit Argusaugen verfolgt werden. Nachdem der FC Bayern sich mit seiner „Reserve“ die Meisterschaft in der dritten Liga sicherte, schielt man auch an der Roten Erde nach oben an die Tabellenspitze, wenn auch erstmal eine Klasse tiefer. Bewerkstelligen soll das mit Enrico Maaßen Rödinghausens Meistermacher, der sogleich Mittelfeldmotor Franz Pfanne aus dem Wiehengebirge mitbrachte. Insgesamt drehte sich auch beim hoch ambitionierten BVB 2 das Personalkarussel rasant. Topscorer Boyamba kehrte den Dortmunder ebenso den Rücken wie andere Leistungsträger, z.B. Chris Führich, Marco Rente oder Julian Schwermann. Umgekehrt wurden zahlreiche neue vielversprechende Akteure an Land gezogen, die meist als Rohdiamanten angesehen werden dürfen, die später zumindest anderswo höherklassig spielen werden.

Zusammenhalten soll den Laden der bereits 30-jährige Niklas Dahms, der mal eben aus der zweiten Liga verpflichtet worden ist. Bescheiden gibt sich der BVB 2 somit einmal mehr nicht. Das Team darf als einer der Favoriten auf den Titel gelten. Ob man aber bei solch starker Kaderfluktuation die notwendige Konstanz mitbringen wird, um ganz oben angreifen zu können, bleibt abzuwarten. Dafür darf man hier wie üblich auf sehr prominente Teilzeitarbeiter aus dem Profibereich zählen. Allein deshalb bleiben zweite Mannschaften weiterhin eines der großen Reizthemen in der Regionalliga, dessen Diskussion sich der Dachverband DFB in der bereits gewohnten grenzenlosen Ignoranz auch weiterhin verweigert.


Der noch unbekannte Underdog:

Okay, Verl hatte sich gut verstärkt, doch wer hatte mit den Ostwestfalen in dieser Form gerechnet? Wird es diesmal der gut situierte Aufsteiger aus Straelen, der die Underdogrolle einnehmen kann? Gänzlich unerwähnt darf auch nicht die Zweitvertretung der Gladbacher Borussia bleiben. Die Fohlen haben übrigens den mit dem höchsten Marktwert taxierten Spieler der Regio West in ihren Reihen, für den Transfermarkt.de 450.000 € veranschlagt. Und zwar den Australier mit italienischen Wurzeln Jacob Italiano. Und bei Alemannia Aachen endete die Ära Fuat Kilic und möglicherweise kann der beim Wuppertaler SV vor einigen Jahren erfolgreiche neue Alemannen Trainer Stefan Vollmerhausen eine Aufbruchsstimmung am Tivoli erzeugen.

Am Finaltag der Amateure wurde diese jedoch bereits empfindlich geschmälert. Die Alemannia unterlag dem Oberligisten FC Düren mit 0:1 und setzte damit die Chance in den Sand, in der ersten DFB-Pokalhauptrunde gegen den frisch gebackenen Champions-League-Sieger Bayern München antreten zu dürfen. Das Spiel wäre möglicherweise auch das lukrative TV-Live-Event gewesen. Die Einnahmen hätten den Kaiserstädtern sehr gut getan, auch bei der weiteren Kaderplanung.


Und zuguterletzt…

für RWE ist grundsätzlich RWE selbst gefährlich. Das Warum ist schon weiter oben beschrieben worden.


Corona und die Regionalliga West

Ein noch unbekannter, aber für alle Mannschaften geltender Faktor ist das Spiel vor nahezu leeren Rängen. Noch immer zeigt Corona seine hässliche Fratze, noch immer hält man daran fest, Fußballspiele nicht vor Zuschauern austragen zu lassen. Ob die am 31.08 auslaufende derzeitig gültige Corona-Verordnung daran etwas ändern wird, ist mehr als fraglich. Darüber ließe sich lange und trefflich diskutieren. An dieser Stelle wollen wir uns jedoch nur mit den wirtschaftlichen und auch sportlichen Auswirkungen beschäftigen und nicht mit den Themen der Gerechtigkeit und der Sehnsucht nach einem vollen Stadion.

RWE, das in der Vorsaison im Schnitt sagenhafte 11.000 Zuschauer zu Heimspielen begrüßen durfte, trifft das Zuschauerthema natürlich besonders hart. Essen hat bundesweit den mit Abstand größten Zuschauerzuspruch unterhalb der drei Profiligen. Ergo gehen hier auch besonders viele Gelder verloren, solange es nur Geisterspiele geben kann und wird. In der letzten Saison verweigerte sich die Liga noch, vor leeren Rängen Meisterschaftsspiele auszutragen. Da aber irgendwann der Ligabetrieb wieder ins Rollen kommen muss und auch eine Verlegung des Starts bis in den September hinein keine Verbesserungen erbrachte, wird RWE zumindest bis auf weiteres keine heißblütige Hafenstraße 97 A, sondern dörfliche Freundschaftsspiel-Atmosphäre erleben dürfen. Ob das sportlich überhaupt Auswirkungen haben wird, sei dahingestellt.

Zwar glaubt jeder Fan, dass er mit seiner Anwesenheit und seinem Support seiner Mannschaft die sprichwörtlichen Flügel verleihen kann. In der letzten Saison war RWE jedoch auswärts (13 Spiele, 30 Punkte) vor kleinerer Kulisse unter dem Strich erfolgreicher als in heimischen Gefilden (11 Spiele, 21 Punkte) und unterlag zudem nur ein einziges Mal, während in Essen viermal der Gegner siegen konnte. Wirtschaftlich tut das Ganze aber sehr weh. Zumal der Spielplan den Rot-Weissen die besonders zuschauerträchtigen Derbys gegen Münster, Oberhausen und Wuppertal allesamt in der Hinrunde zugedacht hat. Partien, an denen die Hafenstraße ansonsten rappelvoll wäre und die Kassen klingelten. Da RWE noch Anfang August offiziell verkündete, zusammen mit der Stadt Essen und dem zuständigen Gesundheitsamt ein Hygienekonzept zu entwerfen, das bis zu 5.000 Zuschauern den Zutritt zum Stadion eröffnen könnte, bestand lange Zeit die Hoffnung auf einen Saisonstart mit Fans vor Ort. Doch die dynamische bundesweite Entwicklung bei Infektionszahlen machte den Essenern und allen anderen einen Strich durch die Rechnung.

Immerhin gibt es nun unter dem Titel „RWE-DoppelPass“ für alle letztjährigen Dauerkarteninhaber Angebote, die potenziell den Zutritt zu den Spielen sichern und als Ersatz für den Stadionbesuch ein Streaming der Essener Heimspiele beinhalten werden. Nach Aussagen der Klubführung werden diese Streams in hervorragender Bildqualität, mehreren Kameraperspektiven sowie Kommentar ausgestattet sein, sodass niemand gänzlich auf RWE-Heimspiele verzichten müssen wird. Die Sehnsucht nach einem echten Hafenstraßen-Feeling wird sobald aber nicht erfüllt werden können.

Zugleich kommt die Frage auf, ob RWE tatsächlich mit stark verminderten Zuschauereinnahmen seinen erlesen und teuer zu nennenden Kader finanzieren kann. Das fragen sich auch viele Fans und möchten diesen Aspekt möglichst zeitnah auf der einzuberufenden Jahreshauptversammlung geklärt wissen. Hier sollte der Verein in der Tat schnell Transparenz herstellen. Bislang steht nur die Aussage von Marcus Uhlig, man habe nicht mehr Geld ausgegeben, als zur Verfügung stünde. Inwieweit die Gelder von Gönner Sascha Peljhan jetzt nicht doch stark in Anspruch genommen werden müssen, bleibt aber ungeklärt. RWE verwies bislang immer darauf, Peljahns Gelder seien ein Backup, man finanziere sich über die hohen Zuschauereinnahmen.

Das klappte bis zum Saisonabbruch vorzüglich. Die Fans rannten RWE die Bude ein. Aber genau das geht nun erst einmal bekanntlich nicht. Beschaut man sich die Konkurrenz, ist eine nicht unwahrscheinlich auf die Corona-Einbußen zurückzuführende Zurückhaltung auf dem Transfermarkt spürbar. RWE hingegen wirkt wie ein hungriger Boxer, der die angeschlagene Konkurrenz ausknocken will. Und natürlich hofft die gesamte Liga, dass die Saison im kommenden Anlauf trotz Corona nicht erneut abgebrochen werden muss. Ebenso werden hoffentlich alle 21 Vereine, die jetzt an den Start gehen werden, ihren Spielbetrieb auch unter diesen erschwerten finanziellen Bedingungen aufrechterhalten können. Der Ärger über den Rückzug der SG Wattenscheid 09, der zu einer echten Wettbewerbsverzerrung geführt und nicht Mals etwas mit Corona, sondern mit grandioser wirtschaftlicher Fehlplanung zu tun hatte, ist nicht vergessen. So tat denn auch der TuS Haltern schon vor einigen Wochen das Richtige und zog sich aus der Regionalliga West zurück, weil man eben nicht garantieren konnte, die Saison durchstehen zu können.


Fazit:

Betrachtet man den Kader unserer Essener Rot-Weissen und vergleicht diesen mit anderen Mannschaften der Liga, dann kommt man nur sehr schwer oder besser gar nicht darum herum zu bilanzieren, dass Rot-Weiss Essen als großer Favorit in die Regionalligaspielzeit 2020/21, an deren Ende der Direktaufstieg winkt, starten wird. Was anders ist als in den Vorjahren, sahen andere Trainer und deren Vereine RWE bei der alljährlichen Glaskugelbefragung auch bereits öfters weit oben, so nimmt sich Essen dieses Jahr der Favoritenrolle auch offiziell selbst an und verkündet die Meisterschaft der Regio West als Saisonziel.

Dieses geschieht mit guter Begründung. Der Essener Kader ist quantitativ, aber auch qualitativ sehr gut aufgestellt, zu weiten Teilen bereits eingespielt und zudem noch einmal hochwertig verstärkt worden. Eine Einschätzung der Konkurrenz fällt schwerer als üblich und möglicherweise sind die Mannschaften, die mit weniger Druck auflaufen können als die Essener deshalb besonders gefährlich. Für RWE gilt in dieser Saison jedoch, Stauder-Sekt oder Selters.

Man hat geklotzt, nicht gekleckert. Um die Spitze mitzumischen wird nicht reichen, diese zumindest final zu erklimmen muss die RWE-Devise sein. Dafür ist mit (hoffentlich) 40 Meisterschaftsspielen so viel Zeit wie noch nie in der Ligageschichte. Daher sollte auch dem Essener Umfeld klar sein, dass nicht jedes Spiel zum Schicksalsspiel erklärt werden darf und nicht jede Niederlage das Ende aller Träume bedeutet und beim Essener Anhang nicht zu sofortiger hysterischer Schnappatmung führen sollte. Vielmehr entscheidet sich der Titel in dieser Saison über den längsten Atem. Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Am besten etabliert sich RWE natürlich möglichst früh ganz oben. Das Corona-Schreckgespenst des neuerlichen Saisonabbruchs sollte nicht zum Trauma werden.

NUR DER RWE!

Sven Meyering