17.02.2020

RWE erringt die Oberhand über Oberhausen – der Traum lebt weiter

von Redaktion

Mal wieder eine Geschichte, wie sie nur der Fußball schreibt. Viereinhalb Monate hatte Gast RWO nicht mehr verloren, zuletzt am 30.09.2019 mit 0:2 beim BVB II, viereinhalb Monate hatte RWE-Außenstürmer Oguzan Kefkir nicht mehr getroffen, zuletzt am 03.10.2019 beim 2:3 in Mönchengladbach. Jetzt brach Ötzi den Bann und fügte dem Widersacher mit seinem 7. Saisontreffer eine bittere Schlappe zu. Sein Tor aus der 81. Spielminute war das Goldene im Match der in den Farben vereinten Nachbarn aus dem Revier. RWE hält dadurch Anschluss zur Spitze und kann somit halbwegs beruhigt in sein kommendes spielfreies Wochenende gehen.

Eine traumhafte Kulisse von 13.256 zahlenden Zuschauern, davon etwa 1.500 aus dem nahen Oberhausen, erlebte ein rassiges Kampfspiel zweier würdiger Widersacher. RWE behielt am Ende verdient die Oberhand, auch weil die Essener schlichtweg ein bisschen mehr Fußball gespielt hatten als die Gäste. Christian Titz schickte zu Beginn im Vergleich zum Rödinghausen-Spiel eine gleich auf vier Positionen veränderte Mannschaft auf das Feld. Der spätere Siegtorschütze Oguzan Kefkir kehrte ebenso zurück, wie die zuletzt weniger berücksichtigten Dennis Grote in die Mittelfeldzentrale und Marcel Platzek ins Sturmzentrum. Neuzugang José Matuwila ersetzte erwartungsgemäß den gelbgesperrten Alex Hahn. Der von Kaiserslautern zunächst nach Essen ausgeliehene linke Innenverteidiger hinterließ bei seiner Hafenstraße-Premiere einen bärenstarken Eindruck. Nicht nur im Tackling, sondern auch im Antritt stellte der Angolaner echte Qualitäten unter Beweis. Oberhausens wieselflinker Rechtsaußen Shaibou Oubeyapwa fand in Essens Abwehrmann jedenfalls seinen Meister, sah erst kein Land und nach einer halben Stunde den gelben Karton, nachdem er in einem Zweikampf den Socken drüber gehalten hatte, wie es in der Fußballersprache heißt. Schiedsrichter Tobias Severins verfolgte jedoch insgesamt gerade angesichts der von beiden Mannschaften sehr robust geführten Partie eine großzügige Linie und ließ viel laufen und das das gesamte Spiel über und zu gleichen Teilen. Oberhausen sollte sich deswegen nach Abpfiff mächtig erregen, doch dazu später mehr.

Zu Beginn zeigten beide Teams im Gegensatz zu den sich permanent beharkenden Fanblöcken viel Respekt voreinander, standen kompakt und gingen nicht ins Risiko. RWE wollte einen ähnlichen Schockstart wie gegen den SVR unbedingt vermeiden, als es nach 2 Spielminuten bereits 0:1 stand. Auch RWO, dessen Kapitän Jannik Löhden einen Sieg an der Hafenstraße angekündigt hatte, zeigte sich nicht gerade angriffslustig. Die erste und beste Tor-Gelegenheit des ersten Spielabschnitts bot sich Essen in Persona von Jan-Lucas Dorow, der nach 12 Minuten einen Kopfball aus guter Position über das lange Eck hinwegsetzte. Zuvor hatten sich Kefkir und Grund schön über links bis zur Grundlinie durchkombiniert. Auf der Gegenseite wurde der Kasten von Jakob Golz gar nicht gefährdet. Auch diverse Ecken, eine Spezialität der Gäste, verpufften, denn RWE verteidigte sein Gehäuse energisch. Die Gastgeber zeigten sich überhaupt sehr konzentriert beim Spielaufbau von hinten heraus, ohne im letzten Drittel der gegnerischen Hälfte entscheidende Räume zu öffnen. Umgekehrt blockten der giftige Grote und Marco Kehl-Gomez alle Oberhausener Vorstöße schon ab, bevor Gefahr entstehen konnte. So lebte die Partie von der Spannung und weniger von den großen Momenten auf dem Spielfeld. Fast folgerichtig ging es torlos in die Pause.

Nach dem Seitenwechsel setzte sich dieses Spiel tendenziell zunächst fort, die Gäste agierten bereits jetzt vermehrt mit langen Bällen, welche die Essener etwas hinten reindrängten. Echte Gefahr entstand jedoch weiterhin nicht, zumal auch Daniel Heber ebenso wie Nebenmann Matuwila seine Zweikämpfe positiv gestaltete. RWE brachte auch nicht mehr als Torannäherungen zustande, am gefährlichsten war es noch, als Condé freie Schussbahn zu haben schien, dann aber doch geblockt wurde. So begann nach einer Stunde die Zeit der Wechsel. Titz brachte Joshua Endres für den glücklosen Dorow. Fünf Minuten später wich der bis dato gut aufgelegte Dennis Grote Jonas Hildebrandt und erhielt viel Applaus bei seinem Abgang. Kollege Terranova signalisierte in derselben Zeit mit gleich drei Wechseln, dass auch er nicht gänzlich zufrieden war und neue Impulse zu setzen gedachte. Es kamen der Ex-Essener Tim Hermes für Oubeyapwa, Pisano für Steinmetz und Gödde für Özkara. Personalien die zeigen, dass auch RWO gut in der Breite aufgestellt ist. Auf dem Spielfeld zeigten sich unterschiedliche Strategien. Essen versuchte nach wie vor, sich fußballerisch Richtung Gästestrafraum zu kombinieren, Oberhausen agierte immer häufiger mit raumgreifenden langen Bällen und setzte auf Standards wie Ecken und weite Einwürfe, um seine langen Kerls in Szene zu setzen. Torgefahr erarbeitete sich aber in dieser Phase allein RWE.

Nach einer Bogenlampe im RWO-Strafraum waren alle zunächst etwas desorientiert, Kefkir schaltete als Erster, jagte aber die Kugel als Aufsetzer am langen Eck vorbei. Ötzi zum Ersten. Kurz darauf erhielten die Gastgeber einen Freistoß aus gefährlicher halbrechter Position. Kefkir schoss brandgefährlich über die Mauer, aber leider auch knapp über das Tor. Ötzi zum Zweiten. Kurz zuvor war der enorm emsige Marcel Platzek durch den eher filigranen Neuzugang Maximilian Pronichev ersetzt worden und der russische Angreifer sorgte eine Viertelstunde vor Schluss für den bis dato größten Aufreger des Spiels. RWE schaltete nach einer Balleroberung schnell, Endres schickte den gut einlaufenden Pronichev gekonnt in die Gasse. Elegant schlug dieser einen Haken um seinen Bewacher Nico Klaß, der sich auf dem Hosenboden wiederfand, und der Stürmer war frei vor Schlussmann Davari. Anstatt abzuschließen wollte er auch noch diesen austanzen, geriet aber dabei zu weit nach Außen und konnte beim Abschluss geblockt werden, auch der Nachschuss bot noch Gefahr, Davari parierte einen Abschluss von Marco Kehl-Gomez. Was für eine Gelegenheit. Im Stadion Essen saß nun niemand mehr, RWE blies zur Schlussoffensive. Und so kam es doch noch, das Happyend.

Nach 81. Spielminuten kombinierten sich die Hausherren durch das engmaschige Mittelfeld, Condé sah Endres am 16er, der die Kugel sofort weiterleitete. Nun gerieten Pronichev und Oberhausens Eggersglüß in einen Zweikampf, in dessen Folge die Kugel dem freistehenden Kefkir genau an der Strafraumgrenze vor den starken linken Fuß fiel. Nachdem der Deutschtürke sein Visier zuvor zweimal zu unpräzise eingestellt hatte, gelang ihm im dritten Anlauf der Coup des Siegtores. Wie an der Schnur gezogen schlug der Ball flach im Oberhausener Tor ein. Torhüter Davari verharrte in resignativer Hocke und ließ den Schuss passieren, den er wohl auch erst sehr spät, zu spät gesehen hatte, denn der Ball ging Abwehrspieler Klaß noch durch die Beine. Die Ränge explodierten. Die einen vor rot-weisser Freude, die anderen vor rot-weißer Empörung. Das Oberhausener Lager wollte in dem Zweikampf zwischen Pronichev und Eggersglüß ein Foul des Esseners erkannt haben, in dessen Folge der Treffer irregulär gefallen sei. Auch Oberhausens Coach Mike Terranova, der ansonsten fair die Berechtigung des Essener Sieges aufgrund des Chancenplus eingestand und gratulierte, thematisierte die Szene auf der Pressekonferenz. Kollege Titz verwies auf die Aussagen des Videoanalysten, der keine Unregelmäßigkeit erkannt hatte. Die veröffentlichten Video-Bilder bestätigen die These eines korrekten Treffers. Pronichev spitzelte seinem Gegenspieler die Kugel weg, bevor dieser über dem ausgestreckten Bein der Essener 23 zu Boden ging. Das Einzige, was an diesem Treffer nicht korrekt war, sind die unberechtigten Proteste dagegen.

Dem Oberhausener Ärger kann zudem entgegengehalten werden, dass der Unparteiische Severins so viele Zweikämpfe weiterlaufen ließ, wie selten jemand zuvor an gleicher Stelle, neigen Severins Kollegen ansonsten doch zu kleinlichen Ermessenspielräumen. Seine Regelauslegung in der angesprochenen Situation war daher konsequent zu nennen, denn Severins folgte seiner Linie. So auch kurze Zeit darauf, nun zum Fastleidwesen der Gastgeber. Titz hatte Philipp Zeiger gebracht, um die knappe Führung gegen die Luftwaffe der Oberhausener zu verteidigen. Ayo Adetula musste wieder auf der Bank Platz nehmen. Ansonsten wäre wohl er anstelle Kefkirs gekommen, der seiner Auswechslung jedoch mit dem Tor des Tages zuvorgekommen war. Titz und seine Auswechslungen bleiben ein Faszinosum. Bei einem der zahlreichen hohen langen Bälle der Gäste hatte sich RWE-Schlussmann Jakob Golz aufgemacht, die Kugel herunter zu pflücken, knallte jedoch außerhalb seines Fünfers mit Mitspieler Zeiger und einem RWO-Angreifer zusammen, sodass er den eigentlich schon gefangenen Ball aus den Händen rutschen ließ und leicht benommen zu Boden ging. Severins entschied auch hier auf Regelkonformität und hätte Daniel Heber nicht aufgepasst und den Ball zur Ecke geklärt, wäre die große Ausgleichschance da gewesen. Golz war auch beim anschließenden Eckball noch nicht ganz Herr seiner Sinne, denn diesmal rutschte ihm die Kugel unbedrängt aus den Händen, nun klärte Matuwila für seinen Schlussmann. Dessen Kollege Davari war längst bei allen Standards mit aufgerückt. Als Gödde einen Ball am langen Pfosten verpasste, war Oberhausens letzte Chance auf den Ausgleich dahin. Ohnehin strahlten die Gäste nur in diesen Schlussminuten halbwegs Gefahr aus. Severins beendete die hart umkämpfte Partie nach fünf Minuten Nachspielzeit.

RWE kürt sich somit zum Doppelderbysieger. Die Spiele gegen den westlichen Nachbarn erbrachten den einzig wahren Roten in dieser Saison 6 Punkte und 4:0 Tore. RWO verlor diese Spielzeit bislang nur dreimal, zweimal allerdings gegen RWE. Noch am Vortag hatten 300 Essener Anhänger beim Abschlusstraining ihr Team auf das Derby eingeschworen. Oguzan Kefkir widmete den Sieg daher den großartigen Rot-Weiss-Anhängern. Übrigens konnten die Oberhausener seit nunmehr 8 Ligapartien gegen die Essener nicht mehr gewinnen und mussten in derselben Zeit 3 Niederlagen hinnehmen. Bitter für RWO, das um markige Sprüche Richtung Hafenstraße nie verlegen ist. So war z.B. Tim Hermes in Essen angetreten, um RWE die Saison zu versauen. Von nun an kann sich der aktuelle Tabellendritte wieder gänzlich den eigenen Zielen und nicht mehr denen von RWE widmen. Der Auftritt der Gäste zeigte, dass diese robuste Truppe weiterhin ihre Chance suchen wird. Die Trainer waren sich auf der Pressekonferenz einig, dass beide Nachbarn weiter im Aufstiegsrennen verbleiben werden und besonders Terranova verwies darauf, dass Verl schon noch eine Schwächeperiode bekommen werde. An diesem Wochenende jedoch erst einmal nicht. Zeitgleich fand das Spiel der Ostwestfalen gegen Gelsenkirchen II statt und der nach Rödinghausens freiwilligem Rückzug härteste Konkurrent der beiden Reviervertreter hielt sich durch einen 2:1-Erfolg schadlos. Dass RWE gegen Oberhausen die Oberhand errang war daher umso wichtiger.

Am nächsten Wochenende pausieren unsere Rot-Weissen. Planmäßig. Bereits am Freitag empfängt der geschlagene Gast aus Oberhausen Tante Lotte im Stadion Niederrhein und möchte natürlich sofort in die Erfolgsspur zurückkehren. Die Verler stehen am Samstag vor einer scheinbar sehr lösbaren Aufgabe. Die Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf gastiert an der Poststraße. Verl könnte mit einem Erfolg RWE um 8 Punkte distanzieren. Das klingt nach einer Vorentscheidung, aber diese Spielzeit hielt schon so viele Überraschungen parat, dass wir Sportsfreund Terranova gerne Glauben schenken. Auch Verl wird schon noch schwächeln. Unsere Roten bleiben jedenfalls im Rennen.

NUR DER RWE!

Sven Meyering


Rot-Weiss Essen - Rot-Weiß Oberhausen 1:0 (0:0)


Rot-Weiss Essen

Golz, Sauerland, Heber, Matuwila, Grund, Grote (62. Hildebrandt), Kehl-Gomez, Kefkir, Condé (83. Zeiger), Dorow (57. Endres), Platzek (70. Pronichev) 


Rot-Weiß Oberhausen

Davari,Eggersglüß, Löhden,Klaß, Herzenbruch, März, Propheter, Oubeyapwa(62. Hermes), V.-L. Stenzel (76 Odenthal), Steinmetz (59. Pisano), Özkara (59. Gödde)


Tore

0:1 Kefkir (81.)


Zuschauer

13.256


Schiedsrichter

Tobias Severins (Gütersloh)


Gelbe Karten

Klaß (5. Gelbe Karte)

Oubeyapwa (1. Gelbe Karte)

Odenthal (3. Gelbe Karte)

März (4. Gelbe Karte)