Kampf bis zum letzten Hahnenschrei – RWE trotzt allen widrigen Umständen und siegt 1:0 in Dortmund
Die rot-weissen Siege aus der Kategorie Hochemotional gehen weiter. Mentalitätsmonster Alexander Hahn wuchtete in der 88. Spielminute einen Flankenball von Marco Kehl-Gomez per Kopf in die BVB-Maschen. Mannschaft, Bank und Fans explodierten förmlich vor Freude.
Um ein Haar wären die Essener auch von der zweiten Zweitvertretung eines großen Reviervereins mit einem torlosem Remis zurückgekehrt. Das wäre noch ärgerlicher gewesen als das 0:0 in Gelsenkirchen, denn RWE hatte bereits in der 73. Minute durch Kehl-Gomez ein vollkommen reguläres Tor zur eigentlichen 1:0 Führung erzielt, welches das schlichtweg katastrophal agierende Gespann um Schiedsrichter Alexander Ernst aus dem sehr nah bei Dortmund liegendem Schwerte aber einfach aberkannte. Umso ekstatischer daher der Jubel über das Happy End. Überragend an diesem Sonntagnachmittag RWE-Keeper Jakob Golz.
Selten liegen Tradition und Moderne so nah beieinander wie in Dortmunds altem Stadion Rote Erde, das direkt seitlich des heute als Signal Iduna-Park benanntem riesigem Fußballtempels der Ersten Mannschaft von Borussia Dortmund liegt. Das Wetter bescherte sehr ungemütliche Bedingungen und das Gros der Essener Fans suchte daher den Weg auf die überdachte Sitztribüne der Roten Erde. Dort saß aber 90 Minuten plus Nachspielzeit dennoch niemand. Wie eine Wand standen die Anhänger hinter ihrer Mannschaft. Der Platz war am Rande der Unbespielbarkeit. Im Grunde sind sowohl die gastgebenden Dortmunder als auch RWE zwei Teams, die über das Spielerische kommen. Auf dem vom Dauerregen durchgeweichtem Kartoffelacker wurden aber andere Tugenden verlangt. Kampf war Trumpf, obwohl den suboptimalen widrigen Umständen zum Trotz beide Mannschaften ein vernünftiges Regionalligaspiel zeigen sollten. Die Geschichte von Halbzeit 1 ist schnell erzählt. RWE war das dominante Team, die Platzverhältnisse führten aber zu vermehrten langen Bällen und Stoßspitze Marcel Platzek rieb sich gegen meist zwei Gegenspieler in den Zweikämpfen auf. Die Flankenbälle von Oguzhan Kefkir verfehlten vor dem Dortmunder Tor meist Freund und Feind.
Die besten Essener Gelegenheiten hatten Marco Kehl-Gomez und Marcel Platzek. Kehl-Gomez verfehlte mit einer Direktabnahme kurz vor dem 16er das von Eric Oelschlägel gehütete Borussen-Tor nur knapp. Kurz vor dem Seitenwechsel war dann der extrem agile David Sauerland auf Rechts durchgebrochen, doch Platzek verpasste seine Hereingabe. Oelschlägel ließ dennoch gefährlich nach vorne prallen, doch kein Essener war zur Verwertung zur Stelle. Die beste Gelegenheit der ersten Halbzeit hatte jedoch der BVB, als Duman eine Flanke von Links eigentlich nur aus fünf Metern über die Linie hätte befördern müssen, doch Jakob Golz rettete großartig per Fußabwehr. Bereits jetzt verärgerte der Schwerter Unparteiische Ernst die Essener. Mit einer ausgesprochen kleinlichen Linie unterband er das ohnehin schwer mögliche flüssige Spiel noch weiter und sorgte nach 37 Minuten für einen echten Aufreger. David Sauerland hatte sich stark in den BVB-Strafraum gedribbelt und ging dann gemeinsam mit seinem letzten verbliebenen Gegenspieler zu Boden. Elfmeter war das sicherlich nicht, Offensivfoul jedoch auch nicht, wie Ernst entschied. Ärgerlich, denn Joshua Endres war aufnahmebereit in der Nähe des Tores parat gestanden. Der Ärger sollte aber noch viel größer werden.
Titz reagierte zur Pause. Neben Platzek musste auch Dorow, der sehr engagiert war aber glücklos blieb, das Feld verlassen. Es kamen Bichler und Dahmani. Der zweite Spielabschnitt sollte deutlich dramatischer werden als der erste. Die erste Großchance gehörte RWE, Dahmani spielte einen starken Pass in die Tiefe, Kefkir schoss scharf aufs lange Eck, doch Oelschlägel hatte die Fingerspitzen noch am Ball und lenkte die Kugel um den Pfosten. Es war auch das Spiel der starken Torhüterleistungen. RWE drängte nun mit Macht, was auch das Risiko mit sich brachte in einen Konter zu laufen. Dortmunds Kapitän Joseph Boyamba leitete gleich zwei davon ein. Beide Male roch es stark nach Abseits, doch der Linienrichter direkt vor der Nase der RWE-Fans hatte seine Fahne offenbar in der Kabine vergessen. Boyambas Pass auf den freien Hober hätte Riesengefahr herauf beschwören können, wenn der Holperrasen nun nicht den Dortmunder daran gehindert hätte, Richtung RWE-Tor zu ziehen. So konnte die Abwehr Hober noch stellen, der schloss nur unkonzentriert und viel zu hoch ab. Daniel Heber, der Boyamba während seines Laufs am Trikot gerissen hatte, sah jedoch zu Recht Gelb. Hebers vierte Karte der Saison. Zwei Minuten später war die Fehlentscheidung des Linienrichters noch krasser, Boyamba stürmte aus glasklarer Abseitsposition von Außen Richtung RWE-Strafraum, konnte sich durchtanken und war auf einmal frei vor Jakob Golz, doch der war im Stile eines Eishockeytorwarts blitzschnell am Boden und klärte zur Ecke. Eine Riesentat! Die RWE-Anhänger rasteten fast aus vor Wut über den Schiedsrichterassistenten Lars Lehmann, ansässig im ebenfalls nur einen Steinwurf von Dortmund entferntem Holzwickede. Starke Ansetzung des Verbandes! Die nachfolgende Ecke brachte direkt die nächsten Aufreger. Duman spielte die Kugel mit Effet hinein, dabei war sie klar erkennbar in der Luft im Aus gewesen. Nicht für Herrn Lehmann. Der BVB gewann das Kopfballduell in der Mitte und Golz zeigte seine bereits dritte Monsterparade des Tages und lenkte die Kugel artistisch fliegend über den Querbalken.
Nun folgte die große Show des anderen Schiedsrichterassistenten, Herrn Armin Hurek auf der gegenüberliegenden Seite. Während Lars Lehmann seine Fahne kaum noch bemühte, zeigte sein Gegenüber wahre Hyperaktivität. Zunächst spielte Kefkir einen Traumpass auf den stark einlaufenden Endres, Hurek fuchtelte jedoch wie wild mit dem Fähnchen und erkannte eine Abseitsposition. Das war zumindest sehr knapp. Gut, kann passieren. Was dann folgte jedoch nicht. Ein klasse Freistoß von Kefkir senkte sich am langen Pfosten auf den Kopf von Marco Kehl-Gomez, der ins lange Eck verwandelte. Schiedsrichter Ernst deutete zur Mitte, Herr Hurek lief zwei Meter und signalisierte so ebenfalls Tor, bis er blitzartig stehen blieb und nach kurzem Zögern die Fahne hob. Was war nun? Hurek hatte ganz exklusiv ein Handspiel von Marco Kehl-Gomez erkannt, der den Ball jedoch völlig regulär per Kopf gespielt hatte. Spätestens nun wurde es wirklich unschön, was die drei Herren in Mintgrün fabrizierten. Essens Co-Trainer Alexander Kilian regte sich sogar so sehr auf, dass er die Rote Karte sah. Danach schien es so, als hätte das Katastrophengespann den Essenern tatsächlich zwei Punkte geraubt. Marco Kehl-Gomez handelte sich zu allem Überfluss die fünfte gelbe Karte ein und wird gegen Homberg gesperrt fehlen. Der BVB ließ sich nicht wirklich mehr hinten reindrängen. Bis zur 88. Minute. Kurz hinter der Mittellinie war Sauerland gefoult worden.
Zunächst stand Heber zur Ausführung bereit, doch dann übernahm Kefkir und schickte seine Mitspieler fast allesamt Richtung BVB-Tor. Der erneut mit viel Effet geschlagene Ball konnte vom guten Oelschlägel per Faust zunächst geklärt werden, jedoch nur auf den Kopf von Bichler, der mit Übersicht auf die linke Seite zu Kehl-Gomez weiterleitete. Der Kapitän brachte einen guten Flankenball auf den langen Pfosten. Dort bemühten sich der kurz zuvor gekommene Enzo Wirtz und sein Gegenspieler um den Ball, den bekam aber am Ende nur Alex Hahn mit der totalen Entschlossenheit. Nun waren auch Ernst und Hurek machtlos. 1:0 kurz vor Schluss, das Tribünendach wäre fast eingestürzt, so frenetisch feierten die Fans den Treffer. Titz brachte nun noch Philipp Zeiger und der Lange konnte bei seinem ersten Saisoneinsatz gleich zwei wichtige Kopfballduelle gewinnen. RWE rettete den Sieg über die fünfminütige Nachspielzeit. Es gab noch einen Aufreger, als Dortmunds Finnsson den Ball klar als Letzter vor Überschreiten der Seitenlinie berührte, aber es dennoch Einwurf für den BVB gab. Kurz vor Schluss gab es den letzten Hahnenschrei. Siegtorschütze Alex Hahn animierte mit rudernden Armen die RWE-Fans, die mit infernalischem Gebrüll reagierten. Emotionale Szenen auch nach dem Abpfiff. Die Essener Fans waren trotz des Sieges derart erzürnt über das närrische Dreigespann, dass das schiedsrichtende Trio mit gellendem Pfeifkonzert und „Schieber! Schieber!“-Rufen in die Kabine begleitet wurde. Die Siegesparty von Mannschaft, Offiziellen und Fans wollte hingegen kaum enden. Hedon Selishta glänzte als eine Art Freddie Mercury stimmsicher mit der Flüstertüte vor der Kurve. Ein weiterer Beleg dafür, dass derzeit im Grunde alles stimmt bei RWE. Am nächsten Freitag beschließen die Essener an der sicher gut gefüllten Hafenstraße das Fußballjahr 2019 mit dem Spiel gegen den VFB Homberg.
Bis dahin wie immer
NUR DER RWE!
Sven Meyering