RWE zeigt Reaktion – Bonn besiegt!
Die RWE-Anhänger unter den 1295 Zuschauern im Bonner Sportpark Nord brauchten die Anreise von 100 Kilometern nicht zu bereuen. Rot-Weiss holte sich nicht nur drei sehr wichtige Zähler, sondern zeigte nach dem Grottenkick gegen Haltern unter der Woche nun eine im Schwerpunkt sehr konzentrierte und engagierte Vorstellung.
Der Lohn, tabellarisch sieht es wieder besser aus. Das ist zwar in erster Linie dem Spielausfall der Verler zu verdanken, jedoch müssen die Ostwestfalen ihre beiden Partien, die sie gegenüber RWE noch in der Hinterhand haben, zunächst erst einmal siegreich gestalten. Aktuell sind es jedenfalls nur 2 Zähler, die Essen Rückstand hat. Dass sich RWO beim 1:1 gegen Aachen sein drittes siegloses Spiel in Folge leistete, sorgt ebenfalls nicht für Ärger an der Hafenstraße 97 A.
Trotz des Schmuddelwetters hellten sich die Gesichter der RWE-Fangemeinde bereits bei Ansicht der Aufstellung vor Spielbeginn auf. Sowohl Kevin Grund als auch Daniel Heber konnten nach zwei verpassten Partien wieder auflaufen. Beide sollten dem Spiel der Gäste deutlich mehr Sicherheit verleihen und insbesondere Heber zeigte sich maßgeblich am Erfolg beteiligt. Trainer Titz rotierte auch im Rest der Startelf deutlich. So standen insgesamt 6 neue Spieler auf dem Platz und damit nur 5 Akteure, die auch gegen Haltern begonnen hatten. Die Essener Abwehr wurde auf drei von vier Positionen umgebaut. Neben den beiden Rückkehrern Grund und Heber, die ihre angestammten Positionen als Links- bzw. Innenverteidiger einnahmen, spielte Jonas Hildebrandt anstelle von Vornamensvetter Jonas Erwig-Drüppel auf der Rechtsverteidigerposition.
Dort zeigte sich Hildebrandt ebenso ballsicher wie der etatmäßig dort spielende und derzeit verletzte David Sauerland. Allerdings waren seine Ausflüge in die Offensive nicht so zahlreich, dafür sollte vor Hildebrandt ein weiterer Neuling sorgen. Der erst 17-Jährige Noel Futkeu feierte sein Essener Startelfdebüt auf dem rechten Flügel. Eine deutliche Ansage an den etablierten Oguzhan Kefkir, der zunächst auf der Bank blieb. Auch seine offensive Mittelfeldzentrale baute Christian Titz um. Publikumsliebling Amara Condé kehrte zurück und neben ihm fand sich Maximilian Pronichev wieder. Dessen körperlicher Zustand ließ damit sein Startelfdebüt für RWE zu. Dass Titz seinen russischen Winter-Neuzugang nicht ganz vorne in die Spitze beorderte war allerdings so überraschend nicht. Schon gegen Lippstadt und auch gegen Haltern agierte Pronichev als ballsicherer Spieler etwas zurückgezogen, diesmal fungierte er als eine Art Ballschlepper, der gemeinsam mit Condé die Bonner zermürben sollte. Auf der Neun durfte Hamdi Dahmani anstelle von Marcel Platzek ran. Die Änderungen sollten sich bezahlt machen und insgesamt knüpfte zum Glück kein einziger RWE-Akteur an die schwache Leistung des Nachholspiels an.
Bei Anpfiff zeigte sich schnell, dass der Rasen nicht im besten Zustand war. Noch am Morgen hatte eine Platzkommission beraten, ob überhaupt angestoßen werden könne. Das Geläuf zeigte sich tief und holperig, Bedingungen, die Essens bevorzugtem Kurzpassspiel nicht wirklich in die Karten spielten. Dennoch war RWE um Ball- und Spielkontrolle bemüht, was in weiten Teilen gelingen sollte. Bonns Trainer Thorsten Nehrbauer hatte eine mutige Bonner Mannschaft angekündigt, die mitspielen wolle. Tatsächlich pressten seine Stürmer wie im Hinspiel früh. Doch um Essener Ballverluste zu erzwingen hätte die Mittelfeldreihe der Gastgeber dann konsequenter nachrücken müssen. Die war aber in erster Linie darauf bedacht, die Räume ab der Mittellinie eng zu machen und RWE nicht ins Spiel kommen zu lassen.
Durch schnelles Umschalten nach Ballgewinn gefährlich zu werden gelang den Bonnern jedoch nur einmal. Condé hatte nach gut 10 Minuten am gegnerischen Strafraum den Ball verloren, Bonn konterte in Überzahl, es sprang aber nicht mehr als ein Eckball dabei heraus, den RWE dann klären konnte. Gewarnt durch diese Situation ließen die Gäste bis zum Pausentee defensiv nichts mehr anbrennen. Offensiv war das RWE-Spiel keine Offenbarung, Essen hatte deutlich mehr Ballbesitz, fand aber gut 20 Minuten keine Lücke im dichten Bonner Bollwerk. Dann aber passierte schier Unglaubliches. RWE schoss nach vier Monaten endlich mal wieder einen Treffer in der ersten Halbzeit, damals erzielten Endres und Platzek eine 2:0 Pausenführung gegen Alemannia Aachen. Endres war auch diesmal wieder beteiligt. Zunächst hatte Dahmani das richtige Näschen gehabt und eroberte sich die Kugel nach einem dicken Missverständnis in der Bonner Abwehr. Während Bonns Keeper Benz durch den Strafraum irrte, legte Dahmani die Kugel auf Endres zurück, der der vielkehligen Aufforderung von den Rängen zu schießen nicht nachkam, sondern auf Noel Futkeu querlegte, der in der Tat noch viel besser postiert war. Obwohl sich drei Abwehrspieler noch in unmittelbarer Nähe befanden, bewahrte der Youngster die Ruhe und netzte ein! Der übermütige Torjubel Futkeus tat auch der zuletzt geplagten RWE-Seele gut. Genau zur Mitte der ersten Hälfte war somit Zählbares herausgesprungen. Die zweite Hälfte der ersten Hälfte war durch dominante Essener Ballpassagen gekennzeichnet, die jedoch nicht zu weiteren Chancen und Treffern führen sollten. Zur Pause herrschte Zufriedenheit, RWE war endlich einmal effizient gewesen und in den Zweikämpfen mit der notwendigen Wehrhaftigkeit unterwegs.
Der weitere Matchplan sah wohl vor, die Ruhe zu bewahren und den Moment abzuwarten, in welchem die offensiv harmlosen Gastgeber endlich mehr riskieren und RWE Räume geben würden. Doch es kam leider anders. Gemäß der alten Bolzplatzweisheit drei Ecken, ein Tor gelang Daniel Somuah nach 51 Minuten der Ausgleich. Ein einziges Mal an diesem Nachmittag schlief die Essener Abwehr und der Torschütze beförderte nach dem dritten Eckstoß der Gastgeber völlig freistehend am kurzen Pfosten die Kugel unhaltbar für Golz in den gegenüberliegenden Torwinkel. Ärgerlich und unnötig. Essen stand nun wieder unter gehörigem Druck, denn Punkte durfte man unter keinen Umständen in der Beethovenstadt liegen lassen. Gut 10 Minuten lang witterten die Gastgeber hingegen Morgenluft und wollten mehr. Nach knapp einer Stunde war es erneut Somuah, der für Aufregung sorgen sollte. RWE ließ ihn wieder unbehelligt und aus etwa 20 Metern Torentfernung zog Somuah einfach mal ab. Und wie! Jakob Golz machte seine 1,94 Meter zum Glück für RWE noch länger und lenkte im akrobatischen Flug die Kugel über die Querlatte. Stark von Schütze und Torhüter!
RWE erinnerte sich ab nun daran, dass man zum Siegen verdammt ist und Titz brachte Oguzhan Kefkir für Futkeu ins Spiel, der nach einem Tritt seines Gegenspielers auch nicht mehr ganz rund lief. Wenn aus dem Spiel heraus nicht so viel geht, müssen halt Standards her. Und für zwei ganz Starke davon zeichnete sich dann der eingewechselte Kefkir verantwortlich. Nach 66 Minuten flog ein scharf getretener Freistoß von Ötzi Richtung des zweiten Pfostens, dort stritten sich dann Marco Kehl-Gomez und ein Verteidiger um die Kugel, die dann genau auf dem Schlappen von Alex Hahn landete. Essens offensiver Abwehrchef nagelte den Ball mit seinem bereits vierten Saisontor zur erneuten RWE-Führung in die Maschen. Es purzelten tonnenweise Steine von Essener Fanherzen. RWE ließ nun nicht mehr locker und blieb dominant. Dass die Bonner immer mehr dem Ball hinterherlaufen mussten, weil RWE diesen laufen ließ, machte sich auch kräftemäßig bemerkbar. Anders als zuletzt Lippstadt konnten die Gastgeber die 2:1 Führung der Essener nicht mehr gefährden. Diese wurde vielmehr nach 77 Minuten vorentscheidend ausgebaut. Kurz zuvor war Endres durch Jonas Erwig-Drüppel ausgetauscht worden. JED durfte auf seiner eigentlichen rechtsoffensiven Position ran, sodass Kefkir die Seiten wechselte und in der Schlussviertelstunde mit Grund über Links wirbeln durfte. Zuvor aber konnte er noch von der rechten Seite einen weiteren Freistoß ausführen, den übrigens Erwig-Drüppel herausgeholt hatte. Essens Nummer 38 brachte den Ball jetzt sogar noch besser als beim 2:1 vor das Bonner Tor, sodass der eingelaufene Daniel Heber, bekanntlich einer der besten Essener Kopfballspieler, das Leder nur noch genüsslich ins kurze Eck einnicken musste. Genau wie Alex Hahn hatte Heber auch im Hinspiel schon gegen Bonn getroffen. Auf solche nur sehr schwer zu verteidigenden Standards mussten die Rot-Weissen schon länger warten und es bleibt zu hoffen, dass Kefkir seine Form beibehält, die er nach seiner Einwechslung nicht nur bei den Freistößen, sondern auch in Sachen wiederentdeckter Spielfreude zeigte.
Damit war der Drops gelutscht im Bonner Sportpark Nord. Titz brachte noch Platzek für den emsigen Dahmani und beinahe hätte Platzo sogar noch das 4:1 erzielt, doch sein Abschluss landete nach schöner Kefkir-Vorarbeit über dem Tor. Den Wechselreigen beschloss Jan Neuwirt, der kurz vor dem Abpfiff für Kevin Grund ins Spiel kam. Der insgesamt angenehm unauffällig agierende Schiedsrichter Selim Erk beendete die Partie aufgrund der klaren Kräfteverhältnisse ganz pünktlich ohne Nachspielzeit, was die ausgepumpten Bonner auch gar nicht bemängelten.
RWE holte sich den notwendigen Sieg und erteilte den Gerüchten, spätestens nach dem enttäuschenden 1:1 gegen Haltern habe man die Saison abgeschenkt, eine klare Absage. In den noch immer verbleibenden 10 Spielen ruhen wohl die Hoffnungen auch verstärkt auf Maximilian Pronichev. Der gebürtige Berliner zeigt sich im RWE-Trikot als technisch hochversierter Akteur mit extremer Spielintelligenz, der im Mittelfeld den Rücken durch einen erneut sehr zweikampfstarken Kapitän Marco-Kehl-Gomez freigehalten bekommt. Nachdem zuletzt die Gegner RWE stark zusetzten, indem sie Amara Condé in der Schaltzentrale unbarmherzig beackerten, hat Essen mit Pronichev jedenfalls einen weiteren Zauberfuß, der viel Qualität ins RWE-Spiel hineinbringt. Diese wollen die Essener am kommenden Samstag gegen die Zweitvertretung eines traditionell in Essen ungeliebten Stadtteilvereins bereits wieder ins Spiel bringen. Falls Corona und das zuständige Gesundheitsamt es zulassen werden. Dazu unter der Woche mehr.
NUR DER RWE!
Sven Meyering