06.08.2017

Dämpfer

von Hendrik Stürznickel

Wenn die Redewendung von der misslungenen Generalprobe gilt, die der bravourösen Aufführung vorausgeht, können sich die Anhänger von Rot-Weiss Essen auf eine packende DFB-Pokal-Partie freuen, denn in neunzig Minuten gegen den Wuppertaler SV ließ das Team von Sven Demandt alle Tugenden vermissen, die gegen die Zweitvertretung vom BVB noch passten.

FÜber 10.000 Zuschauer und dann so eine Leistungolgerichtig ging der Wuppertaler SV verdientermaßen mit drei Punkten nach Hause und man kann sich freuen, dass die Querlatte eine höhere Niederlage als das 1:3 verhindert hat. Am Ende schwanken die Gefühle zwischen Wut und Fassungslosigkeit über das soeben Gesehene. Die leichte Euphorie hat einen gewaltigen Dämpfer erhalten.

Vor dem Spiel verwunderte es ein wenig, dass der Trainer der gleichen Elf das Vertrauen schenkte wie gegen den BVB. Zwar hatte er nicht zwingend Grund zu wechseln, doch hatte man den Eindruck, dass der Coach mit einer Doppelspitze Platzek/Jansen liebäugelt. David Jansen musste sein Startelfdebüt im RWE-Trikot jedoch erneut verschieben. Die Voraussetzungen waren traumhaft. Überragende 10.607 Zuschauer waren im Stadion und verbreiteten vor dem Spiel schon eine beeindruckende Atmosphäre. Auch das Wetter spielte mit – 25 Grad und Sonne – das nennt man bestes Fußballwetter.

Es schien ein perfekter Tag zu werden, denn nach nicht einmal fünf Minuten setzte Kevin Grund den ehemaligen RWEler Pagano so unter Druck, dass dieser am eigenen Strafraum den Ball verlor. Ebendiesen Ball schob Grund gefühlvoll in den Wuppertaler Kasten. Der Jubel war groß und nicht wenige sahen vor ihrem geistigen Auge, dass der WSV mit einer ordentlichen Packung nach Hause geschickt würde. Eine frühe Führung sollte ein Team beflügeln, nicht so RWE. Spätestens nach fünfzehn Minuten drehte sich das Momentum langsam, aber stetig in Richtung der Gäste.

Zweikampfstärke bei den Rot-Weissen? Fehlanzeige!Auffällig bleibt hier die extreme Anfälligkeit der Essener bei Standards. Aus dem Spiel heraus konnte Wuppertal kaum Torchance in der ersten Hälfte erspielen. Doch waren die Freistöße und Ecken jedes Mal brandgefährlich. Kevin Hagemann (37.) und Gino Windmüller (44.) trafen beide per Kopf die Latte und aus Sicht von RWE konnten die Zuschauer froh sein, dass die Führung in der Halbzeitpause Bestand hatte. Die Hoffnung war auf eine Steigerung in der zweiten Hälfte gerichtet. Sven Demandt nahm einen Wechsel vor. Er nahm Cokkosan vom Platz, beorderte Kevin Grund nach hinten und brachte David Jansen. Da aber vor allen Dingen die Mittelfeldzentrale in der ersten Halbzeit nichts auf die Reihe bekam, hatten viele Fans eher Nico Lucas, Jan-Steffen Meier oder Benjamin Baier als Wechselkandidaten auf dem Zettel.

Wenn die erste Hälfte schwach war, dann war die zweite Halbzeit eine reine Katastrophe. Unsere Mannschaft ließ über weite Strecken die Grundtugenden wie Kampf und Einsatzwille vermissen. Der später gebrachte Ngankam arbeitete sich in einer exemplarischen Situation bis zum Strafraum durch und fand als er vor der Wuppertaler Verteidigung auftauchte, nicht einen Anspielpartner, da sich die Teammitglieder hinter ihren Gegenspielern versteckten.

Christopher Kramer (51.) und Kevin Hagemann (64.) stellten die verdiente Führung der Gäste her, Davide Leikauf (90.) machte den Deckel zu. Auch wenn RWE in den letzten zwanzig Minuten aufwachte und zumindest wieder Engagement zeigte, konnte das Team keine spielerische Linie mehr herstellen. Der Wuppertaler Sieg war zu keiner Zeit gefährdet.

Da die Leistung gegen den BVB II so ganz anders war, fragt man sich, wo das Problem gegen Wuppertal lag. Der WSV hat nicht nur auf dem Papier eine sehr erlesene Offensive. Die geballte Sturmpower streckte RWE am Ende nieder und wer Gaetano Manno, Dennis Dowidat und Raphael Steinmetz auf der Bank lassen kann, der hat eine gute Mannschaft beisammen. Man sah aber auch eklatante Schwächen in der Defensive. Beispielhaft ist neben dem Patzer von Pagano noch Tristan Duschke zu erwähnen, der beim kleinsten Druck zu Fehlern neigte. Diese Schwächen nutzte RWE zu keiner Zeit, das Beispiel zeigt aber, dass man Wuppertal hätte packen können.

Das anstehende Pokalspiel gegen Mönchengladbach kann auch nicht als Ausrede herhalten. Es ist ein tolles Highlight, aber entscheidend sind die Punkte in der Liga. Die meisten Spieler wollen eine Liga höher spielen, dafür gibt es gegen die Borussia keine Punkte. Am Ende ist es vielleicht eine gewisse Selbstsicherheit gewesen, die dazu geführt hat, dass Wuppertal unterschätzt wurde. Das kann bei den besten Sportteams passieren. Wichtig ist nur, dass alle daraus lernen, und dass ein solches Auftreten sich in dieser Saison nicht wiederholt.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Robin Heller
Heller
[3+]
Dennis Malura
Malura
[4]
Philipp Zeiger
Zeiger
[3-]
Robin Urban
Urban
[5+]
Tolga Cokkosan
Cokkosan
[4]
Nico Lucas
Lucas
[4]
Benjamin Baier
Baier
4[]
Jan-Steffen Meier
Meier
[4+]
Kevin Grund
Grund
[3-]
Kai Pröger
Pröger
[3-]
Marcel Platzek
Platzek
[4]
David Jansen
Jansen
[4-]
Roussel Ngankam
Ngankam
[o.B.]
Timo Brauer
Brauer
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Heller, Malura, Urban (76. Brauer), Zeiger, Cokkosan (46. Jansen), Lucas (67. Ngankam), Meier, Pröger, Baier, Grund, Platzek

 

Wuppertaler SV

Wickl, Pagano, Duschke (67. Becken), Schmetz, Heidemann, Windmüller, Grebe, Wirtz, Mandt (75. Leikauf), Hagemann, Kramer (85. Manno)

 

Tore

1:0 Grund (5.)

1:1 Kramer (51.)

1:2 Hagemann (64.)

1:3 Leikauf (90. + 1)

 

Zuschauer

10.607

 

Schiedsrichter

Andreas Steffens

 

Gelbe Karten

Lucas (2. Gelbe Karte), Platzek (1. Gelbe Karte), Malura (2. Gelbe Karte) - Windmüller (1. Gelbe Karte), Hagemann (1. Gelbe Karte), Pagano (1. Gelbe Karte), Schmetz (1. Gelbe Karte), Grebe (1. Gelbe Karte)


Spieler des Spiels - Robin Heller

Robin Heller