31.07.2017

Starker Auftakt trotz Punkteteilung

von Michael Jaskolla

Vor knapp 6.000 Zuschauern, davon ungefähr die Hälfte aus Essen, trennten sich beide Mannschaften in einem sowohl kämpferisch als auch spielerisch sehr ansehnlichen Auftaktspiel mit 2:2. In richtig zufriedene Gesichter schaute man nach dem Schlusspfiff in der Roten Erde nur selten, denn RWE hatte die deutlich größere Zahl an klaren Torchancen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keinen wirklich Grund, enttäuscht zu sein, denn ein so lebendiges Offensivspiel hatte man auf Essener Seite in einem Auswärtsspiel schon lange nicht mehr gesehen.

Gut gefüllter GästeblockKeine Überraschungen gab es in der RWE-Mannschaftsaufstellung, die sich nach den Testspielen schon abzeichnete. Wie erwartet blieben Brauer, der fast die gesamte Vorbereitung verletzungsbedingt fehlte, als auch der frisch verpflichtete Jansen zunächst auf der Bank. Den für Bednarski nach vorne gezogenen Grund durfte Cokkosan in der Viererkette ersetzen, der den Vorzug vor Neuzugang Unzola erhielt. Somit standen mit Pröger und Urban nur zwei Neuzugänge in der Startelf, so wenige wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Es gab nur eine kurze Phase des Abtastens, bis das Spiel an Fahrt aufnahm. Nachdem der bärenstarke Pröger seinen ersten Flügellauf noch mit einer Flanke ins Leere abgeschlossen hatte, kam auf der Gegenseite Bockhorn nach einem präzisen Pass in die Schnittstelle der Viererkette zu Fall und forderte einen Elfmeter, doch Zeiger spielte laut Schiedsrichter Bläser den Ball - dieses Mal noch Glück gehabt (8.) Die erste große Essener Torchance gab es in der 20. Minute zu sehen, Pröger setzte sich erneut auf dem Flügel durch und seine flache Hereingabe leitete Platzek weiter zu Lucas. Sein Torschuss wurde abgefälscht und landete sieben Meter vor dem Tor direkt vor den Füßen von Grund, er scheiterte jedoch am hervorragend reagierenden Dortmunder Keeper Bansen. Zwei Minuten später schoss der heute auch offensiv auffällige Zeiger nach einer Flanke von Baier mit der Hacke knapp am Tor vorbei (22.). Bis hierhin war Essen klar tonangebend.

Und Dortmund? Der Gastgeber hatte wohl zumindest die RWE-Standardschwäche am langen Pfosten gegen Steinbach genau analysiert, denn schon die erste Freistoßflanke der Dortmunder aus dem Halbfeld kam am langen Pfosten herunter, wo sich niemand für Dietz zuständig fühlte. Im Gegensatz zu den Steinbacher Angreifern scheiterte er jedoch mit seinem Kopfball an Heller. Immerhin: Bei der anschließenden Eckball-Serie der Dortmunder war die Verteidigung konzentriert und überstand die einzige und kurze Drangphase des BVB in der ersten Halbzeit. Besser noch, nach einer schon geklärten Freistoßflanke auf der Gegenseite entwickelte sich eine gute Situation, bei der Zeiger zum Abschluss kam und mit seinem Schuss an den Innenpfosten Pech hatte, doch Malura schaltete am schnellsten und schob den Abpraller ins leere BVB-Gehäuse ein – 0:1 (27)! In der Kausalkette, die zum Tor führte, spielte erneut Pröger eine wichtige Rolle: Er war es, der eine Minute zuvor energisch nachsetzte und erst den Torwart und dann den Dortmunder Chato so sehr unter Druck setzte, dass Letzterem schließlich ein Fehler unterlief, woraus der erwähnte Freistoß für RWE und schließlich aus dem zweiten Ball das Tor entstand.

Benni Baier trifft auch wiederBeflügelt durch die verdiente Führung bemühte sich RWE direkt, das Zwischenergebnis hochzuschrauben. Platzek scheiterte erst aus spitzem Winkel an Bansen (32., wieder nach toller Vorarbeit von Pröger), anschließend rauschte ein Lucas-Schuss aus der Ferne knapp am Tor vorbei (33.). Doch mitten in diese starke Phase hinein sollte die Ernüchterung folgen. Wie schon zu Beginn des Spiels fand die Dortmunder Offensive eine Lücke in der linken Essener Abwehrseite mit anschließendem Steilpass in die Schnittstelle der Viererkette. Diesmal wollte Urban die fast identische Situation mit einer Grätsche klären, er kam im Gegensatz zu Zeiger jedoch zu spät. Urbans demütige Haltung mit gesenktem Kopf nach dem Elfmeterpfiff kann man wohl als Indiz dafür werten, dass der Elfmeter zurecht gepfiffen wurde. Der Dortmunder Neuzugang Ornatelli verwandelte sicher zum 1:1 (34.). Die RWE-Mannschaft war jedoch keineswegs geschockt und suchte weiter ihr Heil in der Offensive. Die größte Torchance zur erneuten Führung hatte dabei Baier, der nach einer Platzek-Flanke aus aussichtsreicher Position in Bansen seinen Meister fand (42.).
Schon zur Halbzeitpause konnte man feststellen: Das RWE-Offensivspiel sah endlich mal wieder nach Fußball aus!

Nach dem Wechsel erhöhte auch Dortmund ein wenig die Schlagzahl und hatte auch direkt Erfolg. Nach einem einfachen Ballverlust von Grund im Mittelfeld trieb Pflücke den Ball durch das Mittelfeld, und weil weder Lucas noch Cokkosan, der sich lieber nach außen orientierte und die Schussbahn freigab, energisch dazwischen gingen, bedankte Pflücke sich mit einem 25-Meter-Hammer der Marke „Tor des Monats“ zum 2:1 (48.).

Wie gewonnen, so zerronnen. Zumindest vorerst, denn Essen ließ sich auch von diesem Blitzstart des Gegners nicht aus dem Konzept bringen. Nur drei Minuten später gab es die bestmögliche Reaktion auf den Rückstand: Platzek konnte einen hohen Ball stark annehmen und anschließend Cokkosan freispielen, der in den Strafraum eindrang und am langen Pfosten Pröger suchte. Ein Dortmunder Abwehrbein konnte die Flanke zwar noch abwehren, aber genau vor die Füße von Baier, der schließlich keine Mühe dabei hatte, den wichtigen 2:2-Ausgleichstreffer zu erzielen (52.). Und weiter ging´s, diesmal wieder Dortmund. Nach einem vermeintlichen Handspiel von Zeiger (bei angelegter Hand) kurz vor der 16-Meter-Linie entschied der Schiedsrichter auf Freistoß für den BVB, der jedoch sein Ziel knapp verfehlte (54.). Kurz darauf gab es eine ähnliche Szene im Strafraum auf der Gegenseite, doch sehr zum Ärger der mitgereisten Gästefans wollte der Schiedsrichter dafür keinen Elfmeter geben. Wenig später landete ein Grund-Freistoß über Umwege bei Platzek, der seine größte Torchance des Spiels aus wenigen Metern versemmelte.

Auch David Jansen kam zum ersten Einsatz für RWEUnd auch der BVB hatte noch seine dicke Möglichkeit zum Sieg. Nach einer Standardsituation (was sonst?) stieg wieder der lange Dietz (wer sonst?) am langen Pfosten (wo sonst?) am höchsten und konnte nahezu unbedrängt köpfen, aber der Innenpfosten verhinderte zum glück einen dritten Dortmunder Treffer!

Der auffälligste Dortmunder Spieler spielte auch eine zentrale Rolle bei Essens nächster Großchance. Nach einer scharfen Hereingabe von Malura lauerte der eingewechselte Jansen schon einschussbereit am langen Pfosten, doch Dietz fälschte den Ball kurz vor der Torlinie mit dem Oberschenkel noch über die Latte ab (76.). In neun von zehn Fällen endet ein solcher Rettungsversuch wahrscheinlich mit einem Eigentor. Die letzte Möglichkeit hatte schließlich Baier mit einem direkten Freistoß aus 25 Metern, den er knapp verzog.

So blieb es schließlich beim für Dortmund recht schmeichelhaften Remis und der Erkenntnis, dass diese RWE-Mannschaft ja doch ein gescheites, temporeiches Flügelspiel bieten kann! Insbesondere Pröger bringt wieder Überraschungsmomente ins Spiel, die man seit dem Abgang von Soukou schmerzlich vermisst hatte und die Rabihic nie liefern konnte. Die gesamte Spielweise lässt kaum einen Vergleich zu den zahlreichen, teilweise gruselig anzuschauenden Remis-Spielen der vergangenen beiden Jahre zu, nach denen man während der Heimfahrt eher geneigt war, die Dauerkarte aus dem Fenster zu werfen als sich auf das nächste Spiel zu freuen. Das Unentschieden in Dortmund macht dagegen Lust auf mehr, und die beiden folgenden Heimspiele gegen Wuppertal und Mönchengladbach werden dafür sicherlich auch einen würdigen Rahmen bieten können.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Robin Heller
Heller
[3]
Dennis Malura
Malura
[2-]
Philipp Zeiger
Zeiger
[2-]
Robin Urban
Urban
[3]
Tolga Cokkosan
Cokkosan
[3-]
Nico Lucas
Lucas
[3]
Benjamin Baier
Baier
[2]
Jan-Steffen Meier
Meier
[2-]
Kevin Grund
Grund
[3]
Kai Pröger
Pröger
[1-]
Marcel Platzek
Platzek
[3+]
David Jansen
Jansen
[o.B.]
Timo Brauer
Brauer
[o.B.]


Borussia Dortmund II

Bansen, Sauerland, Mainka, Steurer, Chato (46. Hanke), Ornatelli, Dietz, Bockhorn, Pflücke (81. Serra), Amenyido (88. Ametoy), Eberwein

 

Rot-Weiss Essen

Heller, Malura, Zeiger, Urban, Cokkosan, Meier, Lucas (76. Brauer), Pröger, Baier, Grund (71. Jansen), Platzek

 

Tore

0:1 Malura (27.)

1:1 Ornatelli (34., Foulelfmeter)

2:1 Pflücke (48.)

2:2 Baier (52.)

 

Zuschauer

5.910

 

Schiedsrichter

Benjamin Bläser

 

Gelbe Karten

Chato (1. Gelbe Karte)

Ornatelli (1. Gelbe Karte)

Bockhorn (1. Gelbe Karte)

Lucas (1. Gelbe Karte)

Baier (1. Gelbe Karte)

Urban (1. Gelbe Karte)

Malura (1. Gelbe Karte)


Spieler des Spiels - Kai Pröger

Kai Pröger