2:0-Sieg in Wiedenbrück - Auftakt nach Maß
Die aufkeimende Euphorie während der Sommerpause nach der wohl schlechtesten Saison der rot-weissen Vereinsgeschichte bleibt ein Phänomen. Über 4.000 verkaufte Dauerkarten und die Rückkehr Timo Brauers ließen vergessen, dass der große RWE vor nicht einmal drei Monaten am vorletzten Spieltag der abgelaufenen Saison in Überzahl gegen die bereits abgestiegenen Krayer in Rückstand und somit in höchste Abstiegsgefahr geraten war. Obwohl der Kader nur durch fünf externe Neuzugänge und eine Handvoll Jugendspieler ergänzt wurde, haben Fans, Trainer und Presse den Fast-Absteiger plötzlich wieder als Aufstiegskandidaten auf dem Zettel.
Euphorie, gute Testspiele und hohe Erwartungen sind bei Rot-Weiss Essen allerdings oft ein guter Anlass, den Saisonauftakt mit Anlauf in den Sand zu setzen. So geschehen vor genau einem Jahr gegen den SC Wiedenbrück, der mit einem 3:0-Auswärtserfolg im Stadion Essen die Horrorsaison einleitete. Die Ostwestfalen gehen mittlerweile in ihre siebte Regionalliga-Saison in Folge und sind in diesem Jahr gezwungen, die Abgänge ihrer Top-Spieler Kamil Bednarski und Massih Wassey aufzufangen.
Bednarski wurde die Möglichkeit zur Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte im rot-weissen Trikot durch eine Verletzung im letzten Test gegen Aue zunichte gemacht, sodass Sven Demandt nur drei Neuzugänge aufbot und im Kern dem Personal vertraute, das in der Vorsaison noch knapp dem Abstieg entronnen war. Besonders an Niclas Heimann im Tor scheiden sich nach wie vor die Geister, doch es sei vorweggenommen, dass er einen souveränen Auftakt hinlegen und mit der weißen Weste krönen sollte.
Die Feldspieler ordneten sich formativ in einem 4-3-3 an, das es Demandt ermöglichte, Baier, Brauer und Meier gemeinsam in der Zentrale aufzubieten. Kevin Grund über links und Marcel Platzek auf rechts beackerten die offensiven Außenbahnen und im Sturmzentrum sollte Frank Löning bestens mit Chancen versorgt werden. Die Erste setzte der Routinier bereits nach zehn Minuten in Rücklage aus kurzer Distanz über den Kasten, von rechts hatte ihn zuvor Neuzugang Dennis Malura bedient, der bei seinem ersten Pflichtspiel auf der Rechtsverteidigerposition voll überzeugen konnte.
Was sich im Schlussspurt der Vorsaison bereits andeutete, setzt Trainer Demandt auch in der neuen Spielzeit fort, sein Motto: "Keine Experimente!". Anstatt das Rad oder den Hafenstraßenfußball (neu) zu erfinden, steht die defensive Stabilität wieder im Vordergrund. Das hohe und dadurch auch konteranfällige Pressing scheint wieder der Vergangenheit anzugehören, stattdessen verteidigten die Rot-Weissen tiefer und nahmen den Gegner in Halbzeit 1 völlig aus dem Spiel. Für Nadelstiche nach vorn reichte es dennoch und kurz vor dem Pausentee konnte Frank Löning frei vor Schlussmann Hölscher zur Gästeführung einschieben.
Zehn Minuten nach der Pause dann ein erster Schock, als der starke Jan-Steffen Meier verletzungsbedingt für Vojno Jesic weichen musste und Demandt sich gezwungen sah, auf 4-4-2 umzustellen. Platzek rückte ins Sturmzentrum und Jesic auf rechts. Es folgte die erste Drangphase der Hausherren mitsamt der ersten Prüfung für den bis dato beschäftigungslosen Heimann. Weil es aber doch einen Fußballgott gibt, sollte die rot-weisse Anhängerschaft endlich mal wieder mit einem denkwürdigen Moment belohnt werden.
Frank Löning setzte mit einem tollen Diagonalball Kevin Grund auf der linken Außenbahn in Szene, dessen Anspiel auf Marcel Platzek von diesem in den Rückraum weitergeleitet wurde. Dort wiederum kam Timo Brauer gefühlt von der Mittellinie angesprintet, um den Ball mit einem platzierten Schuss neben dem von ihm aus rechten Pfosten in die Maschen zu setzen. Brauers Jubellauf kann es locker mit Maradonas Ekstase der WM-Vorrunde '94 aufnehmen und im kleinen Gästeblock rauschte eine rot-weisse Lawine zum Zaun, um den wohl emotionalisten Treffer seit Alex Thamms Tor des Monats gegen Homberg zu feiern.
Den bisweilen hart an der Grenze zum Platzverweis agierenden Hausherren fiel in der Folge nichts mehr ein, um den Zwei-Tore-Vorsprung in Gefahr zu bringen und kurz vor Ende musste SCW-Keeper Hölscher mit einer Glanzparade gegen Frank Löning gar das 0:3 verhindern. Der souveräne Erfolg sorgte sowohl bei Spielern, als auch bei Fans vor allem für Erleichterung, die aufkeimende Euphorie mindestens bis zum ersten Heimspiel am Freitagabend aufrechterhalten zu können. Eine Aussage über das Leistungsvermögen der Mannschaft lässt sich nach diesem ersten Spieltag noch nicht treffen, denn wie stark Wiedenbrück ohne seine beiden Top-Spieler der Vorsaison einzuordnen ist, wird sich erst im Verlauf der Spielzeit zeigen. Man darf nun gespannt sein, was die Mannschaft von Sven Demandt gegen den Bonner SC anzubieten hat, schließlich erwiesen sich die Oberliga-Aufsteiger in den Vorjahren nicht selten als Stolpersteine.
Jawattdenn.de Spielerbewertung
Heimann [2] |
Huckle [2+] |
Zeiger [2] |
Windmüller [2-] |
Malura [2+] |
|
Brauer [2+] |
Baier [2-] |
Meier [2] |
Grund [2+] |
Platzek [2] |
|
Löning [2+] |
Jesic [3] |
Becker [o.B.] |
Cokkosan [o.B.] |
SC Wiedenbrück
Hölscher, Volkmer (46. Stojanovic), Twyrdy, Wolff, Spinrath, Zech, Lauretta, Latkowski (85. Lekesiz), Batarilo-Cerdic, Büyüksakarya, Puhl (63. Merkel)
Rot-Weiss Essen
Heimann, Malura (74. Becker), Windmüller, Zeiger, Huckle, Platzek, Meier (53. Jesic), Grund (90. Cokkosan), Brauer, Löning, Baier
Tore
0:1 Löning (41.)
0:2 Brauer (66.)
Zuschauer
2.350
Schiedsrichter
Philip Holzenkämpfer
Gelbe Karten
Zech, Lauretta - Brauer