Was ist das für ein Verein!?
Mit 0:1 gibt Rot-Weiss Essen sich an der Hafenstraße dem SV Rödinghausen geschlagen und bleibt damit 360 Minuten ohne Tor in der Regionalliga West. Ein Satz, so sachlich wie das ganze Leid unseres Vereins zusammenfassend.
Ende der letzten Saison noch stand RWE am 37. Spieltag mit einem Bein in der Oberliga und rettete sich gegen den FC Kray mit einem Doppelschlag durch Löning und Platzek. Wenige Wochen später herrschte wieder Euphorie bei allen, die es mit dem einstigen Aushängeschild der Stadt vorlieb nehmen. Selbige zwei Stürmer, die uns zum Ende der miserabelsten Saison aller Zeiten zwei emotionale Torjubel bescherten, stehen heute sinnbildlich für die Scheiße, die an unserem Verein haftet. Der Reihe nach:
Den ersten Dämpfer bekam die träumende Anhängerschar von Rot-Weiss Essen im letzten Testspiel vorm Saisonstart. Der bis dato beste Torjäger im Kader, Kamil Bednarski, verletzte sich im letzten Akt der Vorbereitung gegen durchweg rüde spielende Auer. Die hatten den weiten Weg aus dem Erzgebirge auf sich genommen, um einer Verpflichtung aus dem Soukou-Transfer nachzukommen. Welcher Stein damit ins Rollen gebracht wurde, war hier, sowie bei den ersten beiden siegreich gestalteten Saisonspielen, noch nicht zu erahnen. Spätestens aber als im Stadion am Zoo der Wuppertaler SV wiederholt einen Punkt in der letzten Spielminute gegen uns retten konnte, in dem den Roten ein Tor durch Abseits aberkannt wurde, hätte der Braten zu riechen sein sollen. Insbesondere weil Ex-Essener Daniel Grebe im Trikot der Wuppertaler die Abseitssituation stark anzweifelte. Es folgte eine böse 0:4-Klatsche gegen die Kölner Viktoria. Die Fans auf der Westtribüne, hier noch mit dem Schal über dem Kopf, voller Trotz-Mentalität, der Melancholie dieser Situation frönend. So paradox, aber so passend. Dann das Leckerli gegen Arminia Bielefeld im Pokal. RWE drückend überlegen, von den Fans mit einer wahnsinnigen Stimmgewalt nach vorne gepeitscht. Nach einer guten gespielten Stunde ein Allerweltsfoul – wenn überhaupt – von Patrick Huckle. Gelb-Rot, Platzverweis. Völlig überzogen. Weitere 60 Minuten in Unterzahl kämpft sich der Viertligist durch, über die Verlängerung und stehend K.o. bis zum Elfmeterschießen, das bekanntlich verloren wurde. Die RWE-Fans zollen ihrer Mannschaft großen Respekt, verhöhnen den Zweitligisten und gehen zufrieden nach Hause. War ja eh nur das Sonderbonbon. Einige Zeit später fragt man sich dennoch, wieso man für so einen aufopferungsvollen Kampf nicht belohnt wird? Dem RWE sei es nicht gegönnt. Wie so vieles nicht…
Es folgte der Auftritt gegen die Zwote der Gladbacher Fohlen. „Die kennt der Demandt!“, „Der Ritter schenkt uns schon mal keinen mehr ein!“ oder „Wir sind mal wieder an der Reihe!“ dachte sich der treudoofe RWE-Fan und ließ die Hafenstraße bei brütender Hitze beben. Vergeblich. Dem erlösenden Tor oftmals so nahe, waren es wieder ein Elfmeter und ein roter Karton, die der Mannschaft das Genick brachen. Unter der Woche dann die nächste Posse seitens der GVE, auf die hier aus Platzgründen – mir platzt sonst wieder die Hutschnur – nicht weiter eingegangen werden soll.
Also wieder zurück zum sportlichen Desaster. Und damit zum aktuellen Spieltag. Der sechste an der Zahl und RWE schon wieder am Scheideweg. Zwischen Abstiegskampf und Niemandsland. Die Demandt-Elf jedoch leicht verändert. Rabihic im Zentrum von Anfang an, Brauer auf rechts und Meier in der Innenverteidigung für Windmüller, der sich seine Auszeit redlich verdient hat. RWE legte los wie die Feuerwehr und zeigte zu Beginn ein ansehnliches Pressing, das mit dem Spielverlauf allerdings nachließ. Logisch. Nichtsdestotrotz sah der gebotene Fußball bis an den Rödinghauser Strafraum sehr ordentlich aus. Der Abschluss dagegen oft kläglich bis jämmerlich. Das gesamte Spiel lief in eine Richtung, ohne dass sich RWE hochkarätige Chancen erspielen konnte, geschweige denn davon diese zu verwerten. Erst mit Beginn der zweiten Halbzeit konnte sich Niclas Heimann erstmals auszeichnen und einen Ballverlust von Huckle egalisieren. Als der Rödinghauser Joker Kargbo in der 65. Minute wie aus dem Nichts über links in den Essener Strafraum eindringt und sich durch die gesamte Hintermannschaft durchtankt, ist es erneut eine Notbremse, die den Gegner ins Spiel bringt. Während Baier noch auf dem Weg unter die Dusche war, avancierte Heimann bereits zum Spieler des Spiels und parierte den Strafstoß. Großer Jubel auf den Rängen. „Jetzt freuen wir uns noch, um in der 89. Minute durch ein Eckballtor zu verlieren…“, ahnte meiner einer, der diesen Verein mittlerweile bestens kennt, bereits voraus. Doch es kam noch schlimmer. Und so war es eine nahezu ähnliche Situation, die zehn Minuten vor Schluss den zweiten Platzverweis sowie einen weiteren Elfmeter nach sich zog. Diesmal konnte auch Heimann seinen Vorderleuten nicht den Hintern retten.
Während die Fans auf den Tribünen, vermutlich aufgrund der Korrektheit der beiden Pfiffe, so wie es sich aus der Ferne beurteilen ließ, noch mit angezogener Handbremse aufregten, entluden sich nach einem nicht gegebenen Elfmeter für RWE endgültig Frust und Wut, die sich im Pulverfass Hafenstraße angestaut hatten. Nachdem diverses Kurveninventar auf dem Platz landete, Zaun und Fangnetz auf ihre Standfestigkeit überprüft worden waren und es am Tor zu W1 ein Scharmützel zwischen Fans und Ordnern gab, lotste Schiedsrichter Philipp Hüwe die Mannschaften in die Kabine. Trainer Sven Demandt muss sich hier vorwerfen lassen, erst diese Pause gebraucht zu haben, um sein Wechselkontingent zu nutzen und den Offensivbestrebungen mit einem weiteren Stürmer im Spiel Nachdruck zu verleihen. Seiner Mannschaft konnte die Unterbrechung ebenso nur gelegen gekommen sein, lenkte der Nebenkriegsschauplatz doch angenehm vom eigenen Dilettantismus ab.
Auch Roussel Ngankam, der dann noch für fünf Minuten randurfte, konnte nicht mehr spielentscheidend eingreifen, auch wenn der Neuzugang den Ausgleich einmal auf dem Schlappen hatte. Eine Beurteilung des neuen Offensivmannes ist sich hier nicht anzumaßen. Grundsätzlich aber wird es der gebürtige Kameruner unter den kritischen Argusaugen der RWE-Fans nicht leicht haben. Die Aussagen der sportlichen Leitung, dass ein möglicher Neuzugang sofort weiterhelfen solle, schürten doch hohe Erwartungen. Der Zeitpunkt der Verpflichtung, kurz vor Ende der Transferperiode, gepaart mit der blanken Statistik von Ngankam dagegen eher Skepsis. Umso mehr wäre ihm dieser Treffer gegönnt gewesen. So bleiben am Ende des Tages die vierte Heimniederlage in Folge, 360 Minuten ohne Treffer und ein schlechterer Saisonstart als in den letzten drei Spielzeiten. Uns bleibt nichts erspart…
Nächste Woche geht es nach Ahlen, zur Schießbude der Liga. 15 Gegentreffer in sechs Spielen stehen aber immerhin auch zwölf geschossenen Toren gegenüber, von denen RWE aktuell weit weg ist. In Ahlen trat auch Sven Demandt im April sein Amt bei Rot-Weiss Essen an und konnte dort die Kehrtwende einleiten. Es folgten sechs Siege aus neun Spielen und damit schließlich Klassenerhalt und Niederrheinpokalsieg. Mehr als Aberglaube gibt es derzeit nicht als Strohhalm anzubieten. Wer einen Sündenbock bevorzugt, kann sich gerne auf Cebio Soukou einschießen, dessen Wechsel erst das Aue-Spiel, die Bednarski-Verletzung, damit die Torflaute und letztlich auch den armseligen Saisonstart eingestielt hat. Aber hilft ja alles nix…
Jawattdenn-Spielerbewertung
Heimann [2] |
Huckle [3] |
Zeiger [3] |
Meier [3-] |
Malura [3] |
|
Brauer [4+] |
Baier [5+] |
Rabihic [3] |
Cokkosan [3+] |
Platzek [4+] |
|
|
Ngankam [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Heimann, Malura, Zeiger, Huckle, Cokkosan (86. Ngankam), Meier, Brauer, Baier, Rabihic, Platzek, Löning
SV Rödinghausen
Schönwälder, T. Schulz, Velagic, Buddecke, Kacinoglu, D. Müller, Bülter, Jakubiak (69. Höner), Schlottke, Langemann (46. Kargbo), E. Bernhardt
Tore
0:1 E. Bernhardt (82., Foulelfmeter)
Zuschauer
6.307
Schiedsrichter
Philipp Hüwe
Gelbe Karten
Brauer (2. Gelbe Karte), Malura (2. Gelbe Karte) - T. Schulz, Bülter
Rote Karte
Baier (65., Notbremse)
Meier (81., Notbremse)
Besondere Vorkommnisse
Heimann hält Foulelfmeter von Bülter (66.)
Spieler des Spiels - Niclas Heimann