06.08.2016

Ein Sieg des Willens

von Michael Jaskolla

Nach 94 ereignisreichen und hart umkämpften Minuten erlöste Schiedsrichter Goldmann den größten Teil der 9.500 Besucher im Stadion Essen. Mit 2:1 Toren wurde der sportlich sehr unangenehme Aufsteiger aus Bonn letztlich knapp, aber verdient in die Knie gezwungen.

Über 9.500 Zuschauer an der Hafenstraße mit guter StimmungPünktlich zum Anpfiff waren die nach dem Wiedenbrück-Spiel angeschlagenen Meier und Malura wieder fit, so dass Demandt mit derselben Startelf die Saison-Heimpremiere angehen konnte. Bonn begann nach dem 2:1-Auftaktsieg gegen Düsseldorf forsch und mit viel Selbstvertrauen. Früh wurde RWE im Spielaufbau attackiert und mit schnellem Umschaltspiel wurden immer wieder gefährliche Situationen geschaffen. Essen brauchte etwas Zeit, bis man sich langsam ein optisches Übergewicht erarbeiten konnte. Mehr als ein paar recht harmlose Fernschüsse haben aber beide Mannschaften in den ersten 20 Minuten Stunde nicht zustande bringen können. Das sollte sich aber schlagartig ändern. Nach einem plumpen Foul am Bonner Strafraum schalteten die Gäste einmal mehr sehr schnell um: Ein hoher Ball an die linke Außenlinie, zwei verlorene Zweikämpfe und ein kurzzeitig die Orientierung verlierender Zeiger brachten Lunga am Sechzehner in eine sehr gute Schussposition, die er mit einem sehenswerten Heber über den chancenlosen Heimann hinweg zur Bonner Führung nutzte (27.).
Doch während unsere Mannschaft im Vorjahr nach einem Rückstand regelmäßig spielerisch wie kämpferisch eingebrochen war, erhöhte das „neue“ Team nun angetrieben von der lauten Westkurve die Schlagzahl.

Den Anfang der stärksten RWE-Phase im Spiel machte Platzek, der freistehend erst am starken Bonner Torhüter Michel und mit dem Nachschuss an einem Bonner Verteidiger scheiterte, der den Ball über die Latte lenken konnte. Nach der anschließenden Ecke parierte Michel einen Windmüller-Kopfball (36.). Dann hatte Löning, der erneut durch ansehnliche, technisch versierte Ballverarbeitung und –weiterleitung überzeugen konnte, seine erste dicke Torchance. Von Grund angespielt stand er frei vor Michel, der einmal mehr ganz stark parierte. Die ebenso aussichtsreiche Nachschussmöglichkeit jagte Platzek über das Lattenkreuz (41.). Kurz vor der Pause erhielt Löning seine zweite Chance frei vor Michel, er legte sich den Ball aber zu weit vor, so dass der Bonner Schlussmann erneut erfolgreich eingreifen konnte (44.). Und auch die letzte große Möglichkeit vor dem von den Bonnern herbeigesehnten Halbzeitpfiff hatte der Routinier. Diesmal schoss er nach einer flachen Hereingabe von Malura den Ball knapp am Tor vorbei (45.).

Klare Aussage zu den neuen 0,5 Liter-BechernSo blieb es bei der inzwischen sehr glücklichen Bonner Führung zur Pause. Ohne Wechsel ging es 15 Minuten später weiter, doch zunächst trotz klarer Überlegenheit im Mittelfeld ohne echte Torchance für RWE. Erst nach einem Freistoß von Grund war es abermals Löning, der den scharf heranfliegenden Ball wenige Meter vor dem leeren Tor nicht unter Kontrolle bringen konnte (57.). Als so langsam auch der Kampf gegen die Uhr begann, brachte ein Foulspiel endlich die Erlösung: Der bärenstarke Huckle findet mit seiner Flanke den Kopf von Platzek, der im letzten Augenblick nur durch einen Stoß von hinten an einem platzierten Kopfball gehindert werden konnte – Elfmeter! Der Elfmeterpfiff allein musste bei RWE natürlich noch nicht viel heißen, denn seit Brauers Abgang gab es keinen sicheren Schützen mehr an der Hafenstraße. Umso überraschter waren einige Gesichter auf der Tribüne, als Baier und nicht Brauer zur Ausführung antrat. Diesmal waren die Sorgen aber unbegründet. Bonns Torhüter flog zwar in die richtige Ecke, gegen den scharfen und platzierten Schuss von Baier war er dennoch chancenlos – 1:1 (64.), endlich!

Nun sollte natürlich auch das zweite Tor her, aber das hohe Tempo forderte nun seinen Tribut, Konzentration und Kräfte ließen ein wenig nach. So luden Baier und Zeiger Bonn mit einfachen Fehlern im Spielaufbau zu Kontern ein, den gefährlichsten dabei vergab Lunga freistehend vor Heimann, der mit einer starken Fußabwehr den erneuten Rückstand verhinderte (70.). Als die ersten Anhänger schon anfingen, sich mit einem Punkt zu arrangieren, passierte es aber doch noch: Rabihic, erst kurz zuvor für den völlig platten Meier eingewechselt worden, leitete nach einem gewonnenen Zweikampf auf der linken Seite den Ball weiter zu Platzek, der in echter Torjägermanier erst seinen Gegenspieler aussteigen ließ und schließlich aus spitzem Winkel den Ball eiskalt zum 2:1 im kurzen Eck versenkte (83.) – die Hafenstraße stand Kopf!

Bonn versuchte zwar nochmal alles, aber gefährlich wurde es vor dem RWE-Tor nicht mehr. Kurz vor dem Abpfiff flog der Bonner Kaiser nach einer klaren Notbremse noch mit der roten Karte vom Platz, wenige Sekunden später brach zum dritten Mal großer Jubel aus.

Glückliche Gesichter an der Hafenstraße Der perfekte Saisonstart ist gelungen gegen eine Bonner Mannschaft, die qualitativ sicher wesentlich besser besetzt ist als es die letzten Mittelrhein-Aufsteiger aus Hennef und Wegberg waren.
Obwohl nur zwei Neuzugänge in der Startelf standen und noch längst nicht alles Gold war, was glänzte, macht diese Mannschaft einen ganz anderen Eindruck als im Vorjahr. Dafür kann es mehrere Gründe geben: Demandt hat bereits jetzt eine Stammelf gefunden, während Siewert in den ersten Spielen noch munter auf allen Positionen durchrotierte. Darüber hinaus sind alle „Schönwetterfußballer“ entweder nicht mehr im Kader oder nur noch auf der Bank, auf dem Platz stehen jetzt vermehrt Kämpfer und „echte Typen“, die der Mannschaft ein Gesicht geben. Sie kämpft nicht mehr nur partiell, sondern 90 Minuten lang, was vom Publikum honoriert wird. Ausgestattet mit einem funktionierenden Spielsystem wirkt die Mannschaft nun leistungsmäßig homogener, es gibt nicht mehr wie im Vorjahr immer wieder Totalausfälle zu beklagen.

Und zu guter Letzt, vielleicht auch nicht so unbedeutend: Bei knapper Führung werden Wechselmöglichkeiten in den Schlussminuten inzwischen wieder genauso genutzt wie Ballhalteoptionen an der gegnerischen Eckfahne. Zum Problem könnte die gerade in der Offensive dünn besetzte Bank werden, Wechsel ohne Qualitätsverlust sind kaum möglich – das ist wahrscheinlich auch ein Grund, weshalb Demandt gestern trotz der zahlreichen ausgepowerten und unter der Woche noch angeschlagenen Spieler bis zur 80. Minute mit dem ersten Wechsel wartete.
Nach der wilden Einkaufspolitik im Vorjahr wird nun mit Sinn und Verstand gearbeitet. Ob es in diesem Jahr schon für ganz oben reicht, darf natürlich bezweifelt werden. Es macht zurzeit aber auf jeden Fall trotz der noch vorhandenen Defizite wieder Spaß, der Mannschaft zuzuschauen. RWE ist gerüstet für die anstehenden schwierigen Aufgaben gegen Wuppertal und Köln!


Jawattdenn.de Spielerbewertung

Niclas Heimann
Heimann
[2]
Patrick Huckle
Huckle
[3+]
Philipp Zeiger
Zeiger
[3]
Gino Windmüller
Windmüller
[3+]
Nico Lucas
Malura
[3+]
Timo Brauer
Brauer
[3+]
Benjamin Baier
Baier
[3]
Jan-Steffen Meier
Meier
[3]
Kevin Grund
Grund
[2-]
Marcel Platzek
Platzek
[2]
Frank Löning
Löning
[2-]
Kasim Rabihic
Rabihic
[o.B.]
Timo Becker
Becker
[o.B.]
Tolga Cokkosan
Cokkosan
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Heimann, Malura, Windmüller, Zeiger, Huckle, Brauer, Meier (80. Rabihic), Baier, Grund (92. Cokkosan), Platzek, Löning (90. Becker)

 

Bonner SC

Michel, Dick, Wipperfürth, Omerbasic (87. Bors), D. Schumacher, Maouel (76. Kartal), Krempicki, Lünenbach, Musculus, Lunga (71. Kaiser), Somuah

 

Tore

0:1 Lunga (27.)

1:1 Baier (64., Foulelfmeter)

2:1 Platzek (83.)

 

Zuschauer

9.507

 

Schiedsrichter

Marco Goldmann

 

Gelbe Karten

Omerbasic (2. Gelbe Karte), D. Schumacher (1. Gelbe Karte), Maouel (1. Gelbe Karte), Lünenbach (1. Gelbe Karte)

 

Rote Karte

Kaiser (90. + 5, Notbremse)


Spieler des Spiels - Marcel Platzek

Marcel Platzek