Das Leid der Zuschauer
Man hat es nicht leicht. So oder so ähnlich könnten Floskeln lauten, wenn sich Anhänger ehemaliger großer Vereine treffen. Nach dem Spiel gegen Rödinghausen gingen einige RWE-Anhänger in die traditionsreiche Ampütte in Rüttenscheid, um sich ihres Frusts in gediegener Atmosphäre zu entledigen.
Dort waren durch Zufall Anhänger der Alemannia aus Aachen, mit denen die Essener schnell ins Gespräch kamen. Eine Mischung aus Frust, Ärger und Hoffnung trat auf beiden Seiten zutage. Außerdem waren sich alle einig, dass ihre beiden Mannschaften das Spiel, wenn der Fußballgott Gerechtigkeit walten lassen würde, eigentlich in der zweiten Liga austragen sollten.
Diese Anekdote zeigt auf der einen Seite Leidensfähigkeit und Vereinsliebe, sie zeigt aber auch den frustrierenden Alltag in einer Liga, in der zwei Zweite Mannschaften an der Tabellenspitze stehen, deren finanzielle Mittel für Regionalligaverhältnisse auf unendlich stehen. Alte Bundesliga Manager Hattrick Spieler wissen, dass man mit diesem Cheat meistens erfolgreich ist. Das ist strategisch wunderbar für die Profis aus Dortmund und Mönchengladbach, da sich der Nachwuchs und Rekonvaleszenten in einer hochwertigen Liga beweisen können, für Aachen und Essen ist es ein knotiger Faden im Nadelöhr zum Profifußball
Doch soll hier mitnichten Frust geschoben werden, denn das bringt nichts. Oliver Kahn hat das Motto vorgegeben: Weiter, immer weiter! Vielmehr sollten wir uns auch in diesem Jahr auf das Aufeinandertreffen zwischen Alemannia Aachen und Rot-Weiss Essen freuen. Die Begegnung des Pokalfinales von 1953 zieht weiterhin Massen an und es werden sicher wieder über 10.000 Zuschauer an den Tivoli pilgern.
Die Alemannia startete ebenso durchwachsen wie RWE. Aachen hat genauso viele Punkte geholt und genauso wenig Tore geschossen wie RWE. Der Defensivverband hat lediglich einen Treffer weniger zugelassen, weswegen die Alemannia auf Platz sieben steht. Auch in Aachen überwarfen sich die Verantwortlichen mit dem sportlichen Leiter und trennten sich von ihm, nachdem zwei Spielzeiten hintereinander Leistungsträger wegen ebenjenem Leiter dem Verein den Rücken zuwandten. Den Erfolg brachte diese Trennung aber nicht nach Aachen, sodass die Zuschauer dort hoffen, am Sonntag der Tabellenspitze wieder näher zu kommen.
RWE möchte allerdings auch die eigene Siegesserie ausbauen. Hinzu kommt, dass sich die Rot-Weissen auswärts durchaus erfolgreich präsentieren, während bei der Alemannia zu Hause der Schuh drückt. Am Tivoli holten die Aachener nur vier Punkte in vier Spielen. Die Motivation wird gegen Rot-Weiss Essen aber eine andere sein als gegen Fortuna Düsseldorf II (1:1) oder die TSG Sprockhövel (0:0).
Für Sven Demandt ergeben sich nun erstmals Luxusprobleme in der Aufstellung. Da Benjamin Baier und Jan-Steffen Meier wieder spielberechtigt sind, muss Demandt eine schwierige Entscheidung treffen. Einer dürfte dabei gesetzt sein, denn Kasim Rabihic wird von Einsatz zu Einsatz immer besser und ist im Moment das Herz des RWE-Spiels. Die anderen Mittelfeldakteure müssen sich ihren Platz neben dem Mittelfeldspieler erkämpfen, außer Rabihic wird nicht fit. Wie am Mittwoch bekannt wurde, laboriert er an einer Verletzung und sein Einsatz ist fraglich. Der größte Pechvogel ist aktuell Kevin Grund, der erste Spielminuten schnuppern sollte und sich gleich wieder verletzte. Dafür drängt Kamil Bednarski in den Kader, der von den Fans sehnsüchtig erwartet wird. Wunderdinge sollte man nach einer langen Verletzung nicht erwarten, aber nach seinem Treffer in Twisteden, muss man sich langsam auch mit seinem Einsatz auseinandersetzen.
Die Vorzeichen klingen doch ganz gut. Also schieben wir jeden vorhandenen Frust beiseite und lassen wir die Vorfreude steigen. Machen wir den Gästeblock voll und so bringen wir nach Jahren endlich auch wieder Zählbares aus Aachen mit nach Hause. Wenn die Mannschaft und wir so gut sind, wie das Wetter am Sonntag werden soll, dann erleben wir pünktlich zum Start in den goldenen Oktober ein richtiges Spitzenspiel gegen den BVB II an der Hafenstraße.