02.08.2015

Ein herber Dämpfer

von Hendrik Stürznickel

Nein, so hatte es sich niemand vorgestellt, als wir uns auf das erste Saisonspiel freuten. Bei einem 0:3 gegen Wiedenbrück darf man auch bei Unterzahl von einer Klatsche sprechen, von der man nicht ausgehen musste, von der man angesichts des Spielverlaufs nicht ausgehen durfte. Trotz hoher Besucherzahl (9.107!), blendender Stimmung und tollem Wetter lecken sich Mannschaft und Fans in Essen die eigenen Wunden und versuchen die Niederlage einzuordnen.

Gute Stimmung im StadionBesonders kontrovers wird in den sozialen Netzwerken die Aufstellung von Jan Siewert diskutiert. Durch den enorm hohen Konkurrenzkampf musste man mit Überraschungen und Härtefallentscheidungen rechnen. Siewert ließ die etablierten Marcel Platzek und Benjamin Baier auf der Bank. Der mitunter genial aufspielende Soukou fand sich im ersten Pflichtspiel nach abgesessener Dopingsperre sogar auf der Tribüne wieder, Daniel Grebe durfte ebenfalls dort Platz nehmen. Dafür vertraute Siewert dem jungen Tolga Cokkosan, der den Vorzug vor Patrick Huckle bekam, und durchaus sehr positive Impulse setzen konnte.

Um 14 Uhr war es so weit. Adiole erklang, man konnte mitsingen, endlich wieder RWE. Die Mannschaft zeigte sich sogleich spielfreudig und offenbarte, dass durchaus sehr viel individuelle Qualität vorhanden ist. Besonders auffällig war hier Kasim Rabihic, der nicht nur bemerkenswerte Dribbelstärken einbringen konnte, sondern auch starke Pässe in die Offensive spielte. Jede gefährliche Situation nahm ihren Ausgang von Essens neuer Nummer Fünf.

Die erste sogenannte hundertprozentige Torchance erspielte RWE sich in der 23. Minute. Es war natürlich Rabihic, der einen schnellen Spielzug einleitete, indem er den Ball auf die Seite zu Kevin Behrens spielte, dieser leitete in den Strafraum weiter, wo Marwin Studtrucker bereitstand, das Tor jedoch aus kurzer Distanz verfehlte. Wenige Minuten später gellte der Torschrei durch die Hafenstraße, denn Studtrucker traf nach einer tollen Vorlage von Rabihic. Als sich alle in den Armen lagen, bemerkten die Zuschauer nach und nach, dass der Linienrichter die Fahne gehoben hatte und der Schiedsrichter folgerichtig auf Abseits entschied.

Wie hole ich mir ein saudumme rote Karte ab? Frag Jeffrey Obst.Aber RWE drückte weiter, denn die Mannschaft wollte den ersten Sieg erzwingen. Wieder war es Rabihic, der den Ball auf Studtrucker spielte. Dieser sah den freistehenden Kevin Grund und spielte ihn perfekt an. Aber auch Grund verfehlte das Ziel und schoss aus fünf Metern über den Wiedenbrücker Kasten. Es hätte bereits in dieser 35. Minute 2:0 stehen müssen. Insgesamt hätte man sicherlich die enorme Überlegenheit in mehr Möglichkeiten umsetzen können, doch die Chancenverwertung war in der ersten Halbzeit ein Ärgernis.

Kurz vor der Halbzeit folgte dann die spielentscheidende Situation. Jeffrey Obst wurde massiv von Julian Loose attackiert. Dieser wollte sich sogleich gegen diese Attacke zur Wehr setzen. In der ganzen Situation fiel auf einmal Loose theatralisch und Obst bekam die rote Karte. Die Nachlese der Situation hilft hierbei nicht weiter. Manche sprechen von einer tatsächlich durchgeführten oder versuchten „Kopfnuss“ gegen Loose, andere haben lediglich einen kleinen Schubser, der mit einer lächerlichen Schwalbe von Loose angenommen wurde und in dem Fall viel zu extrem sanktioniert wurde. Egal, wie es schließlich gewesen ist, wäre Obst einfach ruhig geblieben, hätte es gar keine Probleme geben können und das muss sich der junge Außenverteidiger ankreiden lassen, der bis dahin einen guten Eindruck hinterließ.

Der Schiedsrichter pfiff das Spiel sogleich zur Halbzeit ab und die Mannschaften konnten sich abkühlen. Die Spielweise, die von den Verantwortlichen versprochen wurde, war in vielen Mannschaftsteilen zu sehen. Man hatte den Eindruck, dass sehr viel Kreativität und Qualität hinzugekommen ist. Allerdings fehlte die Aggressivität eines Benjamin Baier und auch der Sturm hing etwas in der Luft. Zur Pause schenkte Siewert dem jungen Lucas Arenz das Vertrauen, der für den schwachen Studtrucker eingesetzt wurde.

RWE blieb auch in Unterzahl am Drücker und erspielte weiterhin gute Möglichkeiten. Die beste vergab Kevin Grund, der frei vor dem Tor den Ball im Stile einer Rückgabe dem Wiedenbrücker Keeper in die Arme spielte. Nach einer halben Stunde zu zehnt wurde RWE müde und ermöglichte dem SC Wiedenbrück Kontermöglichkeiten. Gleich die erste Chance nutzte Kamil Bednarski perfekt. Dieser setzte sich gegen Rabihic und Heimann durch und erzielte so das 0:1. Danach trafen die Ostwestfalen nach Belieben.

Trotz derber Niederlage gab es verhaltenen ApplausRWE machte auf und drängte auf den Ausgleich und so boten sich enorme Räume. Kotuljac erzielte das 0:2 bereits in der 90. Minute. Bednarski machte die Schmach dann mit dem 0:3 zum Abpfiff perfekt. Die Mannschaft wurde dennoch mit aufmunterndem Applaus verabschiedet. Überhaupt dienten die Fans heute absolut als 12. Mann. Zwischen der 70. und 80. Minute gab es lautstarke Anfeuerungen. Sollte dies der Gradmesser für den kommenden Sonntag sein, dann können wir uns auf ein stimmungsvolles Spiel freuen.

Ein Fazit fällt angesichts der großen Enttäuschung schwer. Man liest von Abstiegsvisionen, andere sehen in den guten Ansätzen schon die Voraussetzung für den ersten Platz. Der Mittelweg ist wie so oft richtig. Man sieht die individuelle Klasse auf dem Platz. Die Niederlage ist ohne den Platzverweis nicht erklärbar, doch ist dies nicht das einzige Problem. Siewert muss die vielen jungen Spieler zu einer erfolgreichen Mannschaft formen, das konnte man sehen. Den Kopf hängen lassen braucht indes niemand, denn am Sonntag kommt ein Spiel, das von allen Beteiligten begeistert erwartet wird. Zwei Ligen Unterschied sind ein großes Pfund, doch sollte Düsseldorf wackeln, werden unsere Jungs da sein, wie auch wir da sein werden.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Niclas Heimann
Heimann
[3]
Jeffrey Obst
Obst
[4]
Philipp Zeiger
Zeiger
[3]
Richard Weber
Weber
[3]

Tolga Cokkosan
Cokkosan
[3-]

Moritz Fritz
Fritz
[3-]
Kasim Rabihic
Rabihic
[2-]
Marwin Studtrucker
Studtrucker
[4+]
Vojno Jesic
Jesic
[4+]
Kevin Grund
Grund
[3-]
Kevin Behrens
Behrens
[3]
Lucas Arenz
Arenz
[4] 
Amar Cekic
Cekic
[o.B.]
Marcel Platzek
Platzek
[o.B.]

Rot-Weiss Essen

Heimann, Obst, Zeiger, Weber, Cokkosan, Fritz, Rabihic, Studtrucker (46. Arenz), Jesic (62. Cekic), Grund, Behrens (67. Platzek)


SC Wiedenbrück

Hölscher, Spinrath, Volkmer, Bockhorn (52. Kotlujac), Twyrdy (75. Chato), Batarilo-Cerdic, Loose (84. Hüsing), Zech, Wassey, Bednarski, Rogowski

 

Tore

0:1 Bednarski (81.), 0:2 Kotuljac (89.), 0:3 Bednarski (90. + 2)

 

Zuschauer

9.107

 

Schiedsrichter

Mitja Stegemann

 

Gelbe Karten

Batarilo-Cerdic

 

Rote Karte

Obst (45., Tätlichkeit)


 Spieler des Spiels 1. Spieltag - Kasim Rabihic