18.04.2016

Ein Spiel, wie es der Hafenstraße schmeckt

von Sebastian Hattermann

Mit einem packenden 3:2 konnte sich Rot-Weiss Essen gegen den alten Rivalen aus Aachen Luft im Abstiegskampf verschaffen. Gezittert wurde dabei bis zur letzten Minute.

Gute Stimmung im StadionZur ungewöhnlichen Anstoßzeit um 14:45 Uhr pfiff Schiedsrichter Börner die auf Sport1 übertragene Partie an. Kaum drei Minuten später deutete sich erstmals an, dass das Spiel heute sehr unterhaltsam werden würde. Philipp Zeiger verlängerte einen Freistoß aus dem Halbfeld geschickt mit dem Kopf und ließ Aachen-Keeper Kleinheider alt aussehen. über den hinweg sich der Ball ins Netz senkte. Weitere fünf Minuten später hatten die Rot-Weissen unter den 8.623 Zuschauern erneut freudetaumelnd in den Armen. Nach Hereingabe von Löning legte Platzek auf Rabihic ab, der mit einem satten Flachschuss zum 2:0 abschloss. Die frühen Treffer spielten der Elf von Sven Demandt natürlich in die Karten und gaben der Mannschaft vorerst die im Abstiegskampf so wichtige Sicherheit. Trotz dessen konnte Aachen nach schwacher Verteidigung in der 23. Minute den Anschlusstreffer erzielen. Fabian Gaudenz konnte sich bis auf die Grundlinie durchbeißen und den Ball von dort in den Strafraum zurücklegen, wo Florian Rüter viel zu viel Platz hat und nur noch einschieben muss.

Wie so oft nach einem Gegentor konnte der Gegner gleich eine Sturm- und Drangphase folgen lassen, in der der Druck auf die Essener Abwehrreihen zeitweise anstieg. Zwar konnten die Roten schnell wieder zur Stabilität zurückfinden, waren aber vermutlich dennoch nicht unglücklich, als es unverändert mit 2:1 in die Kabine ging.  Nach dem Seitenwechsel übernahm RWE wieder die Kontrolle über das Spiel. Nach 15 gespielten Minuten dann die Sensation: Marcel Platzek stellte die 2-Tore-Führung wieder her – nach einem Eckball! Während bis zuletzt noch vermehrt kurze Ecken gespielt wurden, bei denen nicht selten der Ball verloren ging, bevor er auch nur in die Nähe der Gefahrenzone befördert werden konnte, wurde fortan jede Ecke kontinuierlich in den Strafraum geschlagen. Wo in der ersten Hälfte noch alle Bälle problemlos vom Schnapper der Alemannia gepflückt werden konnten, bugsierte nun Marcel Platzek die Kugel mit dem Hinterkopf an den langen Pfosten und von dort ins Gehäuse. Chapeau, welch ein Kunststück!

Fast vergessene Szenen - RWE-Spieler in der dritten JubeltraubeDamit es den Zuschauern vor den Fernsehgeräten nicht langweilig werden würde und die leidgeprüften RWE-Fans in diesem Westschlager noch ihre übliche Dosis Herzklabaster bekamen, fiel selbstredend erneut der Anschlusstreffer. Knapp zehn Minuten vor Schluss, Freistoß aus ähnlicher Position wie beim 1:0. Weit in den Sechzehner getreten, versuchte sich Niclas Heimann mit einer Entschärfung der Situation in der Luft, setzte seine Lufthoheit aber nicht energisch genug durch. Zu leicht konnte der heraneilende Heimann, außerhalb des Fünf-Meter-Raums völlig legitim, gesperrt werden, so dass Gödde für Aachen nur noch einnicken musste. Nach dem gravierenden Patzer am vergangenen Dienstag muss der von Demandt wieder ins Tor bestellte Heimann auch dieses Tor leider zu großen Teilen auf seine Kappe nehmen.

Doch die Mannschaft ließ ihren Hintermann diesmal nicht im Stich, hatte zuvor ein Tor mehr als der Gegner geschossen und verteidigte diesen Vorsprung auch in den letzten Minuten mustergültig. Einige Sturmläufe entlasteten die Verteidigung dabei immens und nahmen wertvolle Zeit von der Uhr. So machten zu diesem Zeitpunkt dann auch wieder kurze Ecken einen Sinn, um zum bekannten (Zeit-)Spielchen an der Eckfahne zu bitten. Die Stimmung, die sich über weite Strecken dem Spiel anpasste und demnach zum vermutlich besten Auftritt in dieser Saison avancierte, war in der Schlussphase etwas gehemmt. Es war förmlich zu spüren, welche Wichtigkeit es für den Abstiegskampf hatte, diese 3 Punkte über das Ziel zu retten. So kann man es niemandem verdenken, dass der faustdicke Kloß im Hals den Rängen zwischendurch kollektiv die Stimme drosselte. Insbesondere, als Aachen in der Schlussphase nochmal gefährlich vor dem Essener Tor auftauchte und Heimann eigentlich schon geschlagen war. Nach einem missglückten Fallrückzieher fiel dem Japaner Taku Ito der Ball vor die Füße und konnte diesen reaktionsschnell am Torwart vorbeispitzeln. Leon Binder war es dann, der den Kullerball im letzten Moment von der Linie kratzte und den rot-weissen Anhängern wieder ein kleines Stück Glaub an die Gerechtigkeit im Fußball zurückgab.

Kleine Feier mit der WesttribüneNach ziemlich genau 93 Minuten erlöste der größtenteils souverän pfeifende Unparteiische den Deutschen Pokalsieger von 1953. Lang vermisste Jubelarien folgten, die sogar – trotz desaströsem Saisonverlauf – ausgiebig mit der Mannschaft im Schulterschluss zelebriert worden sind. Der in dieser verzwickten Lage und bei diesem nicht nur prestigeträchtigen Spiel abgerufenen Leistung, wurde Anerkennung geschenkt. Das war offensichtlich für alle Seiten Seelenbalsam und könnte für die kommenden Aufgaben von entscheidender Bedeutung sein. Umso unverständlicher, dass anschließend in dieser befreienden Atmosphäre von der Rahntribüne einzelne Mannschaftsmitglieder angegangen worden sind.  Aufgearbeitet werden muss diese katastrophale Saison, wenn die Kuh vom Eis ist. Das muss aktuell im Vordergrund stehen.


Jawattdenn-Spielerbewertung (folgt)

Niclas Heimann
Heimann
[]
Jeffrey Obst
Obst
[]
Philipp Zeiger
Zeiger
[]
Gino Windmüller
Windmüller
[]

Patrick Huckle
Huckle
[]

Leon Binder
Binder
[]
Kasim Rabihic
Rabihic
[]
Benjamin Baier
Baier
[]
Kevin Grund
Grund
[]
Marcel Platzek
Platzek
[]
Frank Löning
Löning
[]
Marwin Studtrucker
Studtrucker
[]
Tolga Cokkosan
Cokkosan
[]
Richard Weber
Weber
[]


Rot-Weiss Essen

Heimann, Obst, Windmüller, Zeiger, Huckle (84. Cokkosan), Binder, Baier, Rabihic (92. Weber), Grund, Platzek, Löning (80. Studtrucker)


Alemannia Aachen

Kleinheider, Winter, Ernst, Löhden, Rossmann, Graudenz (45. Ito), Vrzogic, Rüter (69. Zieba), T. Mohr, Dowidat, Engelbrecht (75. Gödde)

 

Tore

1:0 Zeiger (3.)

2:0 Rabihic (10.)

2:1 Rüter (23.)

3:1 Platzek (61.)

3:2 Gödde (79.)

 

Zuschauer

8.623

 

Schiedsrichter

Bastian Börner

 

Gelbe Karten

Binder (5. Gelbe Karte) - Dowidat, Engelbrecht, Löhden, Gödde