Schulterschluss geglückt
Viel besser hätte man sich die Voraussetzungen für das Spiel gegen Wattenscheid selbst nicht stricken können: Die Viktoria hat am Freitag ihr Auswärtsspiel in Wiedenbrück vergeigt, während sich zeitgleich die RWE-Mannschaft mit den Fans in einem längst überfälligen Treffen weitgehend ausgesprochen haben. Zudem bedeuteten über 14.000 Zuschauer am Familientag einen neuen Saisonrekord. Es war angerichtet am frühen Sonntagnachmittag an der Hafenstraße!
Und die Gäste aus Wattenscheid wollten der möglichen neuen Kuschelatmosphäre auch nicht weiter im Wege stehen, ganz im Gegenteil: Schon nach drei Minuten vertändelt der Gast den Ball am eigenen 16er und Sven Kreyer bedankte sich mit der frühen Führung für Rot-Weiss! Essen blieb am Drücker und kam zu weiteren Torchancen: Erst scheiterte Hermes, der als Soukou-Ersatz quasi im gesamten Mittelfeld zu finden war, mit einem Flachschuss an Torhüter Boss (6.), kurz darauf war es derselbe Spieler, der einen direkten Freistoßball neben das Tor schoss (8.). Auch Studtrucker versuchte es aus der Ferne, sein Ball touchierte nach einem 25-Meter-Schuss den Außenpfosten (11.). Einen Platzek-Kopfball nach Freistoßflanke von Hermes lenkte Boss mit den Fingerspitzen über die Querlatte (32.).
Das erste Drittel der Partie gehörte also klar der Heimmannschaft, Wattenscheid brauchte über eine halbe Stunde, um erstmals etwas Gefährliches zustande zu bringen: Ein direkter Freistoß von Kaplan flog dann aber doch recht deutlich über das Essener Gehäuse (36.). Kurz darauf musste Heimann erstmals nach einem Flachschuss von Schwadorf eingreifen (38.). Auf der Gegenseite war es Kreyer, der die größte Kontermöglichkeit leichtfertig hat liegen lassen. Nach einem perfekten Zuspiel von Grebe, der wie schon in Siegen den Vorzug vor Treude erhalten hatte, musste Kreyer den Ball fast nur noch einschieben, er verfehlte das Tor jedoch knapp (42.). So wurden die Seiten mit einem verdienten 1:0 für die Gastgeber gewechselt.
Es blieb die Frage, ob RWE sich nach Wiederanpfiff wieder zu weit zurückziehen würde, ob der starken wieder eine schwache Halbzeit folgen würde. Die ersten Minuten ließen genau das befürchten. Doch dann zeigte Hermes, dass er nicht nur weite Einwürfe beherrscht: Aus halbrechter Position zirkelte er einen Freistoßball an die Unterkante und von dort über die Torlinie – 2:0 (55.)! Damit war der Bock umgestoßen. Wattenscheid bäumte sich zwar nochmal auf, aber Essen zeigte nun mit mehr Raum im Mittelfeld, dass man auch spielerisch zu Torchancen kommen kann. Zunächst war es aber wieder eine Standardsituation, mit der man die Führung hätte ausbauen können in Form eines ziemlich zweifelhaften Elfmeters. Allerdings sind Strafstöße wohl die einzigen Standardsituationen, die RWE (nach wie vor) nicht beherrscht. Nachdem Baier gegen Verl versemmelt hatte, durfte diesmal der eher unauffällig agierende Studtrucker antreten. Seinen recht unplatzierten Schuss konnte Boss aber abwehren (69.). Auf der anderen Seite hatte man Glück, dass der Schiedsrichter zwei Handspiele im Strafraum nicht als elfmeterreif ansah. Zu diesem Zeitpunkt ahnte vermutlich niemand, dass es noch zum Schützenfest kommen sollte.
Dann aber rollte die Angriffsmaschinerie endlich auch mal jenseits von Standardsituationen: Kreyer sorgte mit einer tollen Einzelleistung und anschließender Vorlage auf den eingewechselten Nakowitsch für die Vorentscheidung, Letzterer brauchte nur noch den Fuß hinzuhalten (3:0, 82.). Dann ging es Schlag auf Schlag gegen eine Wattenscheider Abwehr mit Auflösungserscheinungen: Platzek bediente Baier an der Strafraumkante, der den Ball sehenswert zum 4:0 in den rechten Knick schlenzte (85.). Der ebenfalls eingewechselte Treude schickte anschließend Kreyer auf die Reise, der dem verzweifelten Wattenscheider Schlussmann zum zweiten Mal keine Abwehrchance ließ (5:0, 86).
Und der beste Mann auf dem Platz durfte schließlich noch den Schlusspunkt auf ein bestens zur Stimmungsanhebung geeignetes Spiel setzen. Quasi ohne Gegenwehr tauchte er erneut mutterseelenallein vor Boss auf und überwand ihm mit einem platzierten Flachschuss zum 6:0-Endstand (89.). Der Schiedsrichter hatte nun auch Erbarmen mit den Gästen und pfiff trotz diverser Verletzungsunterbrechungen ohne Nachspielzeit ab.
Die Ergebniskrise ist beendet, die fußballerischen Baustellen scheinen in Arbeit zu sein. Gerade in der Schlussphase sah es endlich mal wieder nach Fußball aus. Ob das Tischtuch zwischen Fans und Mannschaft/Sportlicher Leitung wieder reißfester ist, wird sich nach den nächsten Misserfolgen zeigen. Zumindest sollte man sich nach der Aussprache mit mehr Respekt und gegenseitigem Verständnis begegnen können. Sportlich ist man jedenfalls trotz der gefühlt mäßigen Leistungen wieder ganz oben dabei und theoretisch kann man nach dem kommenden Wochenende sogar von der Tabellenspitze grüßen. Wer hätte das vor wenigen Wochen gedacht?
Jawattdenn-Spielerbewertung
Heimann [2] |
Neunaber [3] |
Zeiger [2+] |
Weber [3] |
|
|
Grebe [2-] |
Baier [2-] |
Hermes [2+] |
Studtrucker [3+] |
Kreyer [1] |
|
Platzek [3+] |
Nakowitsch [o.B.] |
Treude [o.B.] |
Steffen [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Heimann, Neunaber, Zeiger, Weber, Huckle, Grebe (79. Nakowitsch), Baier, Studtrucker (74. Treude), Hermes, Platzek (90. Steffen), Kreyer
SG Wattenscheid 09
Boss, Tobor, Schneider, Clever, Oppermann, Grummel, Taskin (89. Schmitt), Kaplan, Mohammad (33. Avci), Klinger, Schwadorf (90. Saka)
Tore
1:0 Kreyer (4.), 2:0 Hermes (55.), 3:0 Nakowitsch (82.), 4:0 Baier (85.), 5:0 Kreyer (86.), 6:0 Kreyer (89.)
Zuschauer
14.415 (Regionalliga-West Rekord)
Schiedsrichter
Benjamin Bläser
Gelbe Karten
Weber - Mohammad, Taskin, Boss, Schneider, Kaplan