15.11.2014

Souverän

von Hendrik Stürznickel

Man erinnere sich wenige Wochen zurück. Da gab es wütende Fans, die ihr eigenes Team bepöbelten und die Geschäftsstelle stürmen wollten. Da gab es verärgerte Spieler, die in Siegen den Gruß an die mitgereisten Anhänger verweigerten. Da gab es einen Trainer Fascher, dessen Rauswurf nach nur wenigen Spielen in der neuen Spielzeit mitunter lautstark gefordert wurde. Da gab es massive Kritik an der Vereinsführung, besonders gebündelt traf es Uwe Harttgen. Dann folgte der 14. November und die Bilder zeigen das gleiche Stadion, die gleichen Menschen und doch trennen diese paar Wochen ganze Welten. Die Tabellenführung wurde mit einer Inszenierung des „Schrecks vom Niederrhein“ gefeiert, die zeigt, welch außergewöhnlicher Verein Rot-Weiss Essen doch ist.

9.407 Fans boten wieder eine beachtliche KulisseDie Sperre von Patrick Huckle zwang Marc Fascher zu einer Umstellung in der zuletzt so sattelfesten Abwehr. Tim Hermes ging eine Position nach hinten und übernahm seine Lieblingsposition als linker Verteidiger. Für ihn spielte Cebio Soukou wieder von Anfang an im Mittelfeld. Die Düsseldorfer boten, wie bereits vermutet, einen Profi aus der Zweitligamannschaft auf. Der 31 Jahre alte Christian Weber unterstützte den 37 Jahre alten Jens Langeneke in der Abwehr. Es handelt sich wahrscheinlich um die ältesten U23-jährigen Deutschlands.

RWE präsentierte sich von Beginn an stark. Offensichtlich war das Bemühen, aktiv auf den Ball zu gehen, die Düsseldorfer schon in der eigenen Hälfte unter Druck zu setzen und spielerisch aus der Abwehr heraus in die gegnerische Hälfte einzudringen. Brenzlige Situationen gab es aber zunächst aber fernab des Spielfeldes. Eine Gruppe von 80 Düsseldorfern versuchte, so die Berichterstattung, das Eintrittsgeld zu sparen, indem sie die Tickets stehlen wollten, woran sie gehindert wurden. Darüber hinaus warfen sie zwei Bengalos ins Stadion, woraufhin die Einsatzhundertschaft die Versammlung auflöste.

Erster Aufreger auf dem Feld war ein glasklarer Elfmeter, den Schiedsrichter Wollenweber der Essener Mannschaft verweigerte. Leander Goralski ließ in der 19. Minute im Strafraum sein Bein stehen, worüber Sven Kreyer stolperte. Denn fälligen Strafstoß gab es nicht. Nur fünf Minuten später fiel auch Platzek im Düsseldorfer Strafraum, dieses Mal blieb der Schiedsrichter zu Recht stumm. Das war gar nichts.

Cebio Soukou hatte extremen Spaß am Fußballspiel und zeigte seine überdurchschnittlichen Qualitäten. Eins seiner Dribblings, die er immer wieder ansetzte, schloss er mit einem strammen Schuss ab, der den Düsseldorfer Kasten knapp verfehlte. Wenn es etwas an Cebios starker Leistung auszusetzen gab, dann seine Eigensinnigkeit. Viel zu häufig tankte er sich gegen zahlreiche Gegenspieler durch und hatte oftmals nicht den Blick für den besser postierten Mitspieler. Aber er gehört mit seinen Fähigkeiten zu den Hochkarätern der Liga.

Dann folgte das erlösende Tor. Wieder einmal beginnt die Situation mit einem Einwurf von Tim Hermes. Der Ball kam zu Grebe, der einen Sahnetag erwischte. Es kam die Flanke auf Marcel Platzek, der sich vor dem Tor selten zwei Mal bitten lässt. 1:0, das Stadion explodierte. Die Mannschaft ließ sich aber nicht beeindrucken, sondern spielte konzentriert weiter. Immer wieder störten sie das Aufbauspiel der Düsseldorfer. Ausgerechnet die Zweitliga-Leihgabe Weber machte dann den entscheidenden Fehler. Marvin Studtrucker fing einen Pass des Abwehrspielers ab und marschierte nach vorne. Er sah den mitgelaufenen Sven Kreyer, der nur noch einschieben brauchte.

Harte rote Karte gegen PlatzekMit stehenden Ovationen wurde RWE in die Halbzeit verabschiedet. In der Pause nahm Henning Baum, der immer wieder sein Herz für RWE, aber als Schirmherr der Essener Chancen auch seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt, eine Ehrung für das von RWE und der Stadt Essen initiierte Projekt entgegen.

In der zweiten Hälfte änderte RWE nichts an der ruhigen und souveränen Spielweise. Dann kam der Schockmoment. Marcel Platzek kam mit sehr hohem Bein dem Gegenspieler zu nahe und der Schiri beendete die Situation. Da Platzek bereits fünf Minuten zuvor gelb gesehen hat, rechnete man schon mit dem Schlimmsten. Wollenweber zückte allerdings glatt rot. Die Diskussion über diese Entscheidung reicht von überzogen bis gerechtfertigt. Man kann sich aber darauf einigen, dass es eine harte Entscheidung war, die wahrscheinlich nicht jeder Schiedsrichter getroffen hätte. Nun wird der Essener Goalgetter erst einmal auf Eis gelegt, man kann nur hoffen, dass das Sportgericht nicht dafür sorgt, dass Platzek bereits jetzt die Winterpause beginnen kann.

Die rote Karte wirkte motivierend auf RWE. Sie erspielten sich einige Chancen. Besonderen Anklang fand eine starke Freistoßvariante, die ihr Ende bei Studtrucker wenige Meter frei vor dem Düsseldorfer Gehäuse fand. Der Offensivspezialist stand jedoch im Abseits und trat die Kugel auch mehrere Meter über das Tor. Aber auch die Düsseldorfer suchten ihr Heil in der Offensive und dieses Mal half Fortuna den Essenern. Nach einer Ecke sprang der Ball an den Pfosten. Glück gehabt! Das war dann die letzte Möglichkeit der Düsseldorfer und die Essener drängten darauf den Sack zuzumachen.

Ausgelassene Feierstimmung nach dem SpielDen Schlusspunkt setzte Soukou, der sich an der Eckfahne gegen zwei Gegenspieler durchsetzte, zwei weitere Verteidiger umkurvte und danach seinen Treffer, den er so dringend haben wollte, erzielen konnte. Wollenweber pfiff die Partie kurz darauf ab und alle lagen sich in den Armen. Es zeigt, wie leicht die Essener Anhänger zu mobilisieren sind, wenn es gut läuft. Wir reden über Regionalliga, Viertklassigkeit und eine Zweitvertretung eines Zweitligisten, die als Gegner aufläuft und trotz all dieser wenig attraktiven Vorzeichen waren über 9.400 Zuschauer im Stadion. Das ist wunderbar, deswegen macht RWE so viel Spaß. Die Stimmung war ebenfalls Gänsehaut pur. In der zweiten Halbzeit ließen sich auch die Tribünen auf den Geraden anstecken und mitunter hatte man das Gefühl, dass es gar keine Sitzplätze im Stadion gibt.

Die anschließende Feier mit der Mannschaft werden die Spieler hoffentlich nicht so schnell vergessen. Endlich zeigen die Anhänger, warum es so viel Spaß machen kann, hier zu spielen. Es knallte richtig und man wollte die Akteure, die im Jubiläumsshirt aufliefen, gar nicht mehr gehen lassen. Nach den Spielen von Aachen und Köln ist klar, dass RWE nun zwei Wochen auf Platz 1 stehen wird. Nun ändern sich die Vorzeichen, denn Rot-Weiss ist der Gejagte. Nach dem Spiel gegen Baumberg muss RWE bei der starken Zweitvertretung in Köln antreten. In diesem ersten Spiel als Spitzenreiter sind genau die Qualitäten gefragt, die Freitag abgerufen wurden. So wachsen Träume.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Niclas Heimann
Heimann
[3+]
Mario Neunaber
Neunaber
[3]
Philipp Zeiger
Zeiger
[2+]
Richard Weber
Weber
[2]

Tim Hermes
Hermes
[2]

Daniel Grebe
Grebe
[2+]
Benjamin Baier
Baier
[2+]
Cebio Soukou
Soukou
[2-]
Marwin Studtrucker
Studtrucker
[3+]
Sven Kreyer
Kreyer
[2]
Marcel Platzek
Platzek
[3+]
Max Dombrowka
Dombrowka
[o.B.]
Tim Treude
Treude
[o.B.]
Kai Nakowitsch
Nakowitsch
[o.B.]

Rot-Weiss Essen

Heimann, Neunaber (78. Dombrowka), Zeiger, Weber, Hermes, Baier, Grebe, Studtrucker (82. Treude), Soukou, Platzek, Kreyer (88. Nakowitsch)

 

Fortuna Düsseldorf II

Heller, Ajani (80. Rybacki), Langeneke, Weber, Goralski, Karpuz, Urban, Sangare, Lippold (73. Abdelkarim), Jusuf, La Monica

 

Tore

1:0 Platzek (31.), 2:0 Kreyer (39.), 3:0 Soukou (90.)

 

Zuschauer

9.407

 

Schiedsrichter

Markus Wollenweber

 

Gelbe Karten

Platzek, Soukou - Urban, Lippold, La Monica, Goralski

 

Rote Karte

Platzek (60., grobes Foulspiel)


Spieler des Spiels 16. Spieltag - Daniel Grebe