Siegesfrust
Der Fußball kann manchmal ungerecht wirken. RWE gewinnt endlich wieder ein Spiel und doch konnte man den Zuschauern am vergangenen Samstag kaum Freude oder gar Erleichterung anmerken, sondern sah nur wütende und frustrierte Gesichter. Mitunter gab es Pfiffe, ablehnende Zwischenrufe und einige konnten sich das Geschehen auf dem Platz nicht bis zum Schluss ansehen. Eine leichte Annäherung erfolgte jedoch durch verhaltenen Applaus am Ende des Spiels.
Marc Fascher überraschte bei dem Spiel mit einer sehr offensiv wirkenden Aufstellung. Alle vier Stürmer (Studtrucker, Kreyer, Platzek und Freiberger) standen in der Startelf und übernahmen somit auch Positionen im Mittelfeld. Damit wurden Tim Hermes und Björn Kluft auf die Bank gesetzt. Der gesperrte Philipp Zeiger wurde indes von Mario Neunaber ersetzt. Es war der erste Einsatz im Jahr 2015 für den Essener Kapitän. Bereits vor Beginn war die Stimmung den Außentemperaturen angepasst frostig. Da lockerte der Heiratsantrag eines Ordners kurz vor Spielbeginn die Stimmung auf. Das Essener Publikum zeigte gleich seinen derben Humor und schmetterten einen eher unanständigen Gassenhauer der RWE-Fanlieder. Doch dann wurde angepfiffen.
Man merkte von Beginn an, dass sich zwei verunsicherte Mannschaften gegenüberstanden. Keine Mannschaft wollte Fehler begehen und ohne Risiko bleiben in der Regel auch Torchancen aus. Das unfassbare passierte dann in der 14. Spielminute. Nach einer Hereingabe von Sven Kreyer drängte Neunaber in den Gelsenkirchener Strafraum und legte sich den Ball sehr weit vor. Der entgegeneilende Axel Borgmann rauschte ungestüm in den Außenverteidiger hinein und beendete seinen Lauf. Ein klares Foul, doch konnte man mit bloßem Auge kaum erkennen, ob es innerhalb oder außerhalb des Strafraums erfolgte. Der Schiedsrichter war sich hingegen sicher und zeigte, ohne zu zögern auf den Elfmeterpunkt.
Es überraschte nicht, dass Benjamin Baier die schwierige Aufgabe übernahm und er erzielte das erste RWE-Tor nach über dreihundert torlosen Minuten. Dass der Elfmeter schwach geschossen war und beinahe vom gegnerischen Keeper gehalten wurde, ist unwichtig, da es erst einmal darum gehen musste den Knoten zu lösen. RWE konnte jedoch keinen Schwung aus diesem Treffer ziehen und so neutralisierten sich die Mannschaften. Die Nachwuchsmannschaft aus Gelsenkirchen machte allerdings mit Mario Neunaber einen Schwachpunkt auf der rechten Seite aus, den sie gnadenlos ausnutzten. Immer wieder griffen sie über seine Seite an und überrannten den Verteidiger. Die dickste Chance erspielte sich die U23 aber kurz vor dem Pausenpfiff, als Thomas Rathgeber frei vor Niclas Heimann auftauchte, jedoch gegen den RWE-Keeper das Nachsehen hatte.
Als es in der zweiten Halbzeit nicht besser werden wollte, wechselte Marc Fascher Daniel Grebe ein. Der Mittelfeldspieler begann sofort, das Spiel zu ordnen und brachte sichtbar Belebung in die Bemühungen von Rot-Weiss. Er leitete kurz darauf (61.) eine Möglichkeit ein, die Marwin Studtrucker kläglich vergab. Eine Minute später zwang Grebe selbst den Keeper der Gelsenkirchener per Fernschuss zu einer Parade. Aber auch die Nachbarstädter wollten sich gegen die Niederlage stemmen. Hier zeigte Heimann eine tadellose Leistung. Beispielhaft sei die Szene erwähnt, als er geistesgegenwärtig aus dem Strafraum lief und einem heranstürmenden Spieler den Ball wegstibitzte (66.).
Die Szenen sollen nicht kaschieren, dass das Spiel weiterhin auf unterstem Niveau stattfand. Es kam jedoch immer mal wieder zu guten Chancen. Studtrucker vergab die wohl beste Möglichkeit, nachdem, er fabelhaft durch Kreyer angespielt, allein vor dem Tor auftauchte und den Ball wiederum nicht unterbringen konnte. Danach kamen die Gelsenkirchener noch zu Tormöglichkeiten, aber sie konnten den Ausgleich nicht mehr erzielen. Unter deutlich vernehmbaren „Fascher raus“-Rufen verabschiedete sich die Mannschaft nach dem Spiel. Die Rufe wurden allerdings durch das Aufdrehen der Musik bis zum Anschlag unterdrückt.
Ein Fazit fällt nach diesem Spiel schwer. Im sozialen Netzwerk verteidigt Doktor Welling die Mannschaft, da man nach so vielen Rückschlägen keinen Hurra-Fußball erwarten könne. Für viele Anhänger wiederum zeigte dieses Spiel als eines von vielen (für manchen sahen alle Spiele so aus), dass es mit dem Coach nicht mehr weitergehen kann. Doch wurde die Mannschaft mit verhaltenem Applaus verabschiedet. Vor und während des Spiels konnte man dagegen auf Banderolen Seitenhiebe gegen Spieler (Tim Hermes) und Trainer lesen, doch ist dieser gegenseitige Applaus vielleicht ein erster Schritt aufeinander zu. Die zermürbende miese Stimmung gegen die Mannschaft stört wahrscheinlich alle Fans und umgekehrt wird auch die Mannschaft wissen, dass es besser zusammen als gegeneinander geht.
Nun kommt mit dem Auswärtsspiel bei der Viktoria wieder einmal ein Duell gegen einen wankenden Riesen, der im Jahr 2015 wieder in die Spur gefunden hat, und das trotz des Abgangs des Torschützen Candan. Für RWE ist die Viktoria zuletzt immer wieder ein Gegner gewesen, an dem man sich aufrichten konnte, doch sind sich alle sicher, dass die Viktoria die bittere Pleite in Essen nicht vergessen hat und auf Vergeltung sinnt. Um dagegen zu bestehen, muss die Mannschaft das Erfolgserlebnis gegen Gelsenkirchen schnell in Selbstvertrauen umsetzen.
Jawattdenn-Spielerbewertung
Heimann [2-] |
Neunaber [5-] |
Binder [4+] |
Weber [4+] |
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Baier [3] |
Treude [4-] |
Freiberger [5] |
Studtrucker [5+] |
Kreyer [4] |
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Platzek [4] |
Grebe [o.B.] |
Hermes [o.B.] |
Steffen [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Heimann, Binder, Neunaber, Weber, Huckle, Baier, Treude (55. Grebe), Studtrucker (84. Steffen), Freiberger (66. Hermes), Platzek, Kreyer
FC Schalke 04 II
Gspurning, Omerbasic, Wolff (70. Göcer), Friedrich, Borgmann, Kolasinac (76. Mickels), Öztürk, Fritz, Pick (76. Nietfeld), Schumacher, Rathgeber
Tore
1:0 Baier (14., Foulelfmeter)
Zuschauer
6.785
Schiedsrichter
Benjamin Schäfer
Gelbe Karten
Weber (3. Gelbe Karte) - Borgmann, Kolasinac