17.08.2014

Remis nach Abwehrschlacht

von Michael Jaskolla

Nach dem Spiel wusste man wohl in beiden Lagern nicht so recht, ob man einen Punktgewinn bejubeln oder einen doppelten Punktverlust bedauern sollte. Die Arme in die Höhe gestreckt hat nach dem Schlusspfiff jedenfalls niemand - auf Essener Seite vielleicht auch aus Kraftgründen, viele Spieler ließen sich nach der inklusive Nachspielzeit 80-minütigen Abwehrschlacht einfach ausgepowert zu Boden fallen. Das Kampfspiel hatte Spuren hinterlassen, aber unzufrieden gingen die rund 12.000 Zuschauer (Besucherrekord verpasst!) sicher nicht nach Hause.

Kein neuer Zuschauerrekord, aber über 12.000 Besucher an der HafenstraßeRWE startete im Vergleich zur Vorwoche mit Soukou anstelle des in Wiedenbrück schwachen Steffen und mit Grebe für den erkrankten Neunaber, wobei Nakowitsch den freien Platz in der Innenverteidigung einnahm und Grebe neben Baier auf der „Sechs“ spielte. Und RWE legte gleich los wie die Feuerwehr: Der Gegner wurde von der ersten Sekunde an unter enormen Druck gesetzt und verlor die Bälle meist schon in der eigenen Hälfte. Den ersten Aufreger gab es in der 8. Minute, als der Schiedsrichter einen Freistoß für Rot-Weiss kurz vor der Strafraumgrenze gab. Dabei kam es zur Rudelbildung, die je eine gelbe Karte für Grebe und Jerat zur Folge hatte. Das war der zweite Startschuss für das Spiel, diesmal auf der emotionalen Ebene, sowohl auf den Rängen als auch auf dem Platz. Und hätte Hermes beim anschließenden Freistoß ein bisschen genauer gezielt, hätte nicht der Pfosten, sondern das gesamte Stadion gebebt. Das tat es dann fünf Minuten später, nachdem erst Kreyer an der Fünfmeterkante elfmeterreif von den Beinen geholt worden war und Demai der Ball anschließend an die Hand sprang. Die Pfeife blieb jedoch stumm - und sein Blasinstrument auch.

Die Stimmung war aufgeheizt und Aachen stand mit dem Rücken zur Wand, bis es zur nächsten, diesmal folgenschwereren Rudelbildung kam. Ausgelöst durch eine blöde Aktion von Kreyer, der, nachdem das Spiel längst unterbrochen worden war, seinen Gegenspieler im unnötigen Kampf um den Ball mit den Füßen malträtierte. Leider nicht versteckt, sondern genau im Sichtfeld vom Schiedsrichter und seinem Assistenten. Es folgte nach Auflösung des Rudels ein harter, aber vertretbarer Platzverweis für Kreyer. Eine gelbe Karte hätte es freilich auch getan, aber der Schiedsrichter wollte nach der hitzigen Anfangsphase wohl ein Zeichen auf Kosten von Kreyer setzen (15.).

Passende Worte von Baier zur SchiedsrichterleistungNun wurde es ein anderes Spiel. Fascher stellte sofort auf ein 4-4-1-System mit Platzek als Alleinunterhalter im Sturm um. Die beiden Viererketten standen zwar sehr tief, aber leider nicht kompakt. Aachen übernahm sofort die Kontrolle und nahm zunächst das Tempo und die Hektik aus dem Spiel. Nach ersten leichten Annäherungen brachte Garcia mit einem Flachschuss das Essener Tor zum ersten Mal ernsthaft in Gefahr, aber Heimann klärte per Fußabwehr (27.). Essener Angriffe waren inzwischen eine Seltenheit geworden, stattdessen sollten zumindest Standardsituationen für Entlastung sorgen. Eine davon erfüllte ihren Zweck in besonderem Maße! Fast von der Mittellinie schlug Hermes den Ball hoch und weit vor das Aachener Tor, an Freund und Feind vorbei, und zusammen mit dem überraschten Torwart Löhe landete der Ball im Netz – 1:0 (36.)! Die verspätete, aber immer noch verdiente Führung.

Die Aachener Antwort ließ jedoch nicht lange auf sich warten, der Gast erhöhte nun Druck und Tempo. Und immer dann, wenn schnell über die Flügel kombiniert wurde, waren unsere Außenverteidiger häufig die zweiten Sieger. So entstanden vor der Pause Großchancen fast im Minutentakt: Erst blockte Dombrowka einen Ernst-Schuss für seinen geschlagenen Torwart kurz vor der Linie (39.), dann klärte Grebe in höchster Not im Fünfmeterraum nach einem Querpass (41.). Das dickste Ding versemmelte kurz darauf aber erneut Ernst, der den Ball unbedrängt im Fünfer eigentlich nur noch am bereits am Boden liegenden Heimann vorbeizuschieben brauchte, aber den Ball nicht richtig traf und Heimann diesen mit einem Hechtsprung noch unter sich begraben konnte (42.). Mit einer am Ende etwas glücklichen, aber hart erkämpften Führung wechselten beide Mannschaften die Seiten.

Die zweite Halbzeit begann wie die erste zunächst mit Rudelbildungen. Ab und zu ging dabei ein Aachener neben einem unschuldig dreinschauenden Essener zu Boden und umgekehrt. Weitere rote Karten ließ der Schiedsrichter aber stecken. Die Essener Defensive stand zunächst auch besser als vor der Pause, und zwar bis zur einzigen großen Torchance zum 2:0: Soukou tankte sich, wie man es von ihm kennt, auf der linken Seite durch und legte den Ball punktgenau dem an der 16-Meter-Linie lauernden Studtrucker auf, der das Leder jedoch völlig frei stehend in Richtung Autokino drosch (65.).

Diese Torchance war wohl ein letzter Weckruf für die Gäste, die fortan das Essener Tor wieder belagerten und dabei auf Fehler in der Essener Hintermannschaft bauen konnten. Schon im Gegenzug hätte der Ausgleich fallen müssen, doch Behrens konnte den Ball aus vier Metern Torentfernung nicht am fantastisch reagierenden Heimann vorbeilegen (67.). Kurz darauf klatschte ein Garcia-Knaller aus 20 Metern von der Querlatte zurück ins Feld (70.). Dann folgte ein verhängnisvoller Doppelwechsel:

Letztes Mal Vorbereiter,  jetzt Vollstrecker - Tim HermesIn der 70. Minute wechselte RWE Huckle (Saisondebüt!) für Soukou und Aachen Dagistan für Duspara ein – und damit bewies Aachens Trainer ein glückliches Händchen. Nur eine Minute nach seiner Einwechslung legte Dagistan den Ball auf den Flügel ab, um die anschließende maßgenaue Flanke mit einem sehenswerten Kopfball selbst erfolgreich abzuschließen – 1:1 (73.)! Freilich unter Mithilfe der Essener Abwehr, die bei dem vorgelegten Tempo erneut kurzzeitig die Orientierung verlor: Weber verlor gegen Dagistan nicht nur den Zweikampf an der Strafraumlinie, sondern anschließend bei der Rückwärtsbewegung seinen Gegenspieler auch aus den Augen. Und weil auch Huckle beim Laufduell gegen den Flankengeber Ernst klar den Kürzeren zog, führte der (leider) schönste Angriff des Spiels zum inzwischen hoch verdienten Ausgleich für Aachen.

Auch in den noch verbleibenden 20 Minuten schenkten sich beide Mannschaften nichts, aber eine echte Tormöglichkeit ergab sich hüben wie drüben nicht mehr. So trennte man sich schließlich schiedlich, aber nicht ganz friedlich mit einem Unentschieden.

Es ist müßig darüber zu spekulieren, wie das Spiel wohl ohne den Platzverweis verlaufen wäre. Kämpferisch hat die gesamte Mannschaft voll überzeugt, spielerisch liegt weiterhin Vieles im Argen. Noch merkt man (auch in der Defensive), dass die Mannschaft noch nicht richtig eingespielt ist. Auch mit zehn Mann muss der Gegner nicht zu dermaßen vielen glasklaren Torchancen kommen, vor allem, wenn man sehr tief verteidigt. Die Kompaktheit fehlt noch. Es bleibt zu hoffen, dass die Sperre für Kreyer möglichst moderat ausfällt, auch wenn die TV-Bilder ihn nicht besonders entlasten, sodass man mit mehr als einem Spiel Sperre rechnen muss. Bei seinem Ex-Club wird er am kommenden Wochenende definitiv fehlen, aber an Stürmern mangelt es uns ja zurzeit nicht.

Das nächste Pflichtspiel steht allerdings schon am kommenden Dienstag beim (inzwischen nur noch) Landesligisten SV Straelen auf dem Plan, wenn der Niederrheinpokal in seine erste Runde geht (18:30 Uhr, Römerstraße).


Jawattdenn-Spielerbewertung

Niclas Heimann
Heimann
[2]
Max Dombrowka
Dombrowka
[3]
Richard Weber
Weber
[3]
Kai Nakowitsch
Nakowitsch
[3]

Tim Hermes
Hermes
[2-]

Daniel Grebe
Grebe
[3+]
Benjamin Baier
Baier
[2-]
Marwin Studtrucker
Studtrucker
[3]
Cebio Soukou
Soukou
[2-]
Sven Kreyer
Kreyer
[o.B.]
Marcel Platzek
Platzek
[2-]
Patrick Huckle
Huckle
[o.B.]
Lucas Arenz
Arenz
[o.B.]

Rot-Weiss Essen

Heimann, Dombrowka, Weber, Nakowitsch, Hermes, Studtrucker (78. Arenz), Baier, Grebe, Soukou (71. Huckle), Platzek, Kreyer

 

Alemannia Aachen

Löhe, Ernst, Hackenberg, Hoffmann, Lejan, Demai, Lünenbach, Behrens, Jerat (87. Graudenz), Garcia, Duspara (70. Dagistan)

 

Tore

1:0 Hermes (36.), 1:1 Dagistan (73.)

 

Zuschauer

12.097

 

Schiedsrichter

Daniel Rott (Dortmund)

 

Gelbe Karten

Grebe (8.) - Jerat (8.), Lejan (15.), Behrens (34.), Garcia (59.), Lünenbach (85.)

 

Rote Karte

Kreyer (15., Tätlichkeit)


 Spieler des Spiels 3. Spieltag - Marcel Platzek