Festtagsstimmung verdorben
Es ist gelaufen. Das Rekordspiel in Aachen fand statt und fand mit Aachen einen Sieger, der insgesamt auf Augenhöhe, aber eben um genau ein Tor besser war als Rot-Weiss Essen. Doch die Art der Berichterstattung hatte schon etwas Beleidigendes.
So ist doch tatsächlich keine Randale, keine Ausschreitung, nicht einmal eine kleine Schlägerei vermeldet worden. Dies wird in Berichten und Kommentaren immer wieder lobend hervorgehoben. Man möchte angesichts so klarer Vorverurteilung gerne solche Schlagzeilen nach jedem Spiel von Borussia Dortmund, Bayern München oder Eintracht Frankfurt lesen. Es klingt, als wäre man Teil einer Horde Ochsen, die jede Möglichkeit suchen, Chaos zu produzieren, suchen. Spätestens seit dem Spiel gegen Duisburg weiß ein jeder, dass sich die gewaltsuchende Minderheit gerne besondere Highlights, bei denen das Fernsehen überträgt, für die Demonstration der eigenen Stärke heraussucht, doch ist das stetige Wiederholen und Loben einer Selbstverständlichkeit, nämlich des Guckens eines Fußballspiels, ohne jemandem dabei zu schaden, keine Meldung, die so eine Betonung verdient.
Aber genug der Aufregung, denn es gab weitaus wichtigeres an diesem Samstag. Leider geht es immer noch nicht um den Sport. Nach den traurigen Meldungen zum Tod des RWE-Urgesteins Siggi Dahms und des Sponsors Friedel Töberg muss die RWE-Familie den Tod eines Fans im Sonderzug betrauern. Der 63-jährige erlag noch vor Spielbeginn seinen Herzbeschwerden, und immer wieder zeigt die Floskel ihre Berechtigung, dass der Fußball in solchen Fällen zur Nebensache wird. Wenigstens an Siggi Dahms wurde noch vor Spielbeginn gedacht. Die Alemannia sagte ein paar Worte über ihn und gemeinsam mit dem Aachener Anhang würdigten die Fans mit einer Applausminute den verstorbenen Rot-Weissen. Ein großes Lob für solch ein faires Verhalten, das man wahrlich nicht überall findet.
Auf dem Platz fing es dagegen schwungvoll an. Leon Binder war der einzige Neuzugang, der sogleich den Sprung in die Startelf schaffte. Der Defensivallrounder ersetzte Mario Neunaber auf der rechten Abwehrseite, da dieser nach ausgestandenem Hexenschuss erst einmal den Anschluss an die Mannschaft finden muss. Ansonsten lief die bekannte Aufstellung auf und begann wie die Feuerwehr. Nur drei Minuten war das Spiel alt, als Tim Hermes einen wuchtigen Schuss an die Querlatte des Aachener Kastens setzte.
Auch im Anschluss daran drückte RWE die Aachener tief in die eigene Hälfte und ließ sie nicht zum Zuge kommen. Doch diese erdrückende Spielweise hielt nur eine halbe Stunde lang, danach verließ die Essener nach und nach das Konzept. Doch auch der Alemannia fehlten die entscheidenden Strafraumszenen. Die Zuschauer sahen ein typisches 0:0-Spiel, das dann durch einen Standard entschieden wurde. Nach vierzig Minuten konnte Niclas Heimann einen gefährlichen Schuss zur Ecke abwehren. Diese Ecke brachte dann jedoch die Entscheidung. Leon Binder war im entscheidenden Moment nicht zur Stelle und Kevin Behrens konnte unbedrängt zur Führung einköpfen.
Der Stürmer feierte danach provokant vor der Essener Tribüne. So viel Unsportlichkeit in solch einem Spiel ist schon bemerkenswert und lässt tief auf den Charakter des Spielers schließen. Da versuchen die beiden Vereine vorweg für ein friedliches Fußballfest zu werben und der Stürmer arbeitet sich, anstatt sich über sein wichtiges Tor zu freuen, am gegnerischen Anhang ab und lässt die Bemühungen des eigenen Vereins zum Lippenbekenntnis schrumpfen.
Nach der Pause stellte Rot-Weiss das eigene Spiel nahezu ein. Das lag aber nicht am mangelnden Willen oder an fehlender Qualität, sondern an der mehr als beeindruckenden Abwehrarbeit der Alemannia. Die Abwehrrecken hatten wohl die Anweisung möglichst wenig Standardsituationen zuzulassen. Das wollen die wenigsten Trainer, doch kaum einer hat Spieler, die solch eine Weisung auch umsetzen können. Immer wieder liefen die Stürmer sich dort fest. In solchen Spielen zeigt sich das Fehlen eines unkonventionellen Spielertypen wie Cebio Soukou. Auf der Gegenseite demonstrierte auch Philipp Zeiger eindrucksvoll sein Können und der neugekaufte Aachener Goalgetter Viktor Meier lief vergebens gegen den starken Hünen an.
Die Niederlage wurde allerdings noch bitterer durch den Platzverweis von Richard Weber. Bereits gelb verwarnt zerrte er am Trikot des wegeilenden Kevin Behrend und kassierte folgerichtig die gelb-rote Karte. Er wird beim Spiel gegen den VfL Bochum II also fehlen. Das Ergebnis blieb auch nach einem letzten Aufbäumen in den Schlussminuten und angesichts der Überlegenheit in der 2. Halbzeit ist das Ergebnis in Ordnung. Aachen war, wie bereits erwähnt, insgesamt spielerisch zwar nicht überlegen, doch entscheidet in solchen Spielen die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor und da erwischte Aachen den besseren Tag. Der klare Beweis war Sven Kreyers Schussversuch in der 85. Minute. Dieser kam frei aus zehn Metern zum Schuss und setzte den Ball weit über das Tor.
Dieses Ergebnis ist ein Dämpfer zum Rückrundenbeginn, doch Bangemachen gilt nicht. Weiterhin hat RWE eine hervorragende Ausgangsposition, die beste seit Jahren. Es sind vierzehn Spiele und die Alemannia wird nicht alle gewinnen können (der drohende Schatten aus Mönchengladbach wird sich erst nach den Nachholspielen erheben). Gegen Bochum müssen dringend Punkte her, um den Anschluss zu halten. Es bleibt spannend.
Alemannia Aachen
Ermes, Ernst, Hackenberg, Hoffmann, Lejan, Demai, B. Müller (88. Zieba), Jerat, Dowidat, Maier (65. Graudenz), K. Behrens (90. Brauweiler)
Rot-Weiss Essen
Heimann, Binder (46. Dombrowka), Zeiger, Weber, Huckle, Grebe, Baier (83. Steffen), Platzek, Hermes, Kreyer, Studtrucker (56. Freiberger)
Tore
1:0 K. Behrens (39.)
Zuschauer
30.313 (ausverkauft)
Schiedsrichter
Martin Thomsen
Gelbe Karten
K. Behrens, B. Müller, Demai
Gelb-rote Karte
Weber