Späte Belohnung für starke Essener
Ein 0:2-Rückstand liegt den Rot-Weissen offenbar: Zum vierten Mal in dieser Saison erreicht die Mannschaft nach einem Zwei-Tore-Rückstand in der Schlussphase noch eine Punkteteilung.
Allerdings fühlt sich dieses Remis ganz anders an als die vorherigen. Zum einen, weil man diesmal nicht im heimischen Stadion gegen einen Aufsteiger aus dem Tabellenkeller angetreten war, zum anderen, weil die (in der Winterpause mal wieder kräftig verstärkte) Viktoria zu den Top-Favoriten der Liga gehört(e) und vor dem Spiel zur großen Aufholjagd Richtung Tabellenspitze geblasen hatte. Der Gegner hatte also (zumindest auf dem Papier) Klasse, und dieser wollte RWE-Coach Wrobel eine um jeden Grashalm kämpfende Mannschaft entgegensetzen.
Überraschend musste vor rund 2.000 Zuschauern (davon die Hälfte aus Essen) Benedikt Koep zunächst auf der Bank Platz nehmen, für ihn rotierte Lukas Arenz in die Startelf. Köln startete gleich mit allen vier Winterneuzugängen und dem genesenen Kapitän Wunderlich, nach dessen Verletzung die prä-weihnachtliche Kölner Ergebniskrise begann.
Wie ein echter Aufstiegsaspirant spielte der Gastgeber nur in der ersten Viertelstunde. Insbesondere halbhohe, steile Bälle aus dem Mittelfeld in die Nahtstelle der Viererkette brachten RWE zunächst das eine oder andere Mal in arge Bedrängnis. Die größte Einschussgelegenheit vergab nach einem solchen Ball Nottbeck, der vor dem zögerlich herauskommenden Schwabke den Ball erreichte und den RWE-Keeper überlupfte – Glück für Essen, dass das Leder knapp am leeren Tor vorbeikullerte (7.). Alles andere als Glück hatte Wingerter in der nächsten kritischen Situation: Wunderlich nahm eine hohe Flanke von Deelen volley und schoss dabei den unmittelbar vor ihm stehenden Wingerter an. Während sich Wunderlich schon über die vergebene Chance ärgerte und Wingerter die Situation als entschärft ansah, überraschte Schiedsrichter Fischer das gesamte Stadion mit einem Elfmeterpfiff! Er sah (wohl als einziger) einen ausgestreckten Arm, der absichtlich zum Ball geführt wurde. Eine gelbe Karte gab es noch oben drauf. Wunderlich ließ sich die unverhoffte „Nachschussgelegenheit“ nicht nehmen und verwandelte sicher zum 1:0 (14.). Erinnerungen an Oberhausen wurden reaktiviert.
Erst jetzt wachte die rot-weisse Offensivabteilung auf und suchte vor allem über den rechten Flügel den Weg in den Strafraum der Gastgeber. Zunächst fehlte noch die Präzision beim Flanken, bis Heppke sich den Ball für einen Freistoß aus halblinker Position zurechtlegte. Seine Flanke landete pingpongartig bei Platzek, der aus kurzer Distanz am großartig reagierenden neuen Keeper Pellatz (23.) scheiterte. Blöd, dass der Kölner Führungstreffer schon gefallen war, denn Platzek kann nur Führungstreffer! In der Folgezeit entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel mit leichten Feldvorteilen für RWE, vor dem Tor blieb es aber auf beiden Seiten bei Ansätzen. So wechselte man mit einem in der Summe verdienten 1:0 für die Gastgeber die Seiten.
Die zweite Halbzeit hätte für RWE kaum schlechter beginnen können: Mit ordentlich großen Freiräumen ausgestattet fasste sich Wunderlich ein Herz, zog aus der zweiten Reihe einfach mal ab – und traf ins Schwarze! Vom Innenpfosten rollte sein Sonntagsschuss über die Linie, auch wenn er nicht völlig unhaltbar wirkte (52.).
Zu diesem Zeitpunkt hätte im Essener Fanlager vermutlich kaum noch jemand auf eine spannende Schlussphase oder gar ein Remis gesetzt, aber RWE kämpfte und spielte sich zurück. Die halbstündige Sturm- und Drangphase eröffnete Platzek, der erst elfmeterreif gefoult wurde (aber nicht nach der Meinung des Schiedsrichters; 55.) und kurz darauf mit einem Kopfball aus fünf Metern erneut am herausragenden Pellatz scheiterte (58.). Zumindest das nach einigen Patzern der alten Nr.1 (Raphael Kozcor) entstandene Torwartproblem scheint man bei der Viktoria gelöst zu haben.
Essen schnürte den Gegner nun in der eigenen Hälfte ein, und ausgerechnet ein Stockfehler von Wagner an der Mittellinie leitete die Wende ein: Nachdem er den fast schon verlorenen Ball mit hohem Einsatz doch noch behaupten konnte, setzte er mit entschlossenem Blick und raumgreifenden Schritten zu einem Solo an, das in Erinnerung bleiben wird: Drei Kölner Slalomstangen schauten dabei zu, wie Wagner in den Strafraum mäanderte und dort schließlich gelegt wurde – endlich gab es auch den auf Essener Seite überfälligen Elfmeter! Pires-Rodrigues gelang es auch noch den Hexer im Kölner Tor zu verladen und den Rückstand zu verkürzen (74.).
Während die eingewechselten Sauter und Koep das Offensivspiel weiter belebten, zog sich der Gastgeber nun noch tiefer in die eigene Hälfte zurück. Essen drückte auf den Ausgleich, und Koep hätte seinen Beitrag dafür leisten können, wenn der Schiedsrichter ein weiteres grenzwertiges Eingreifen von Löhden im eigenen Strafraum geahndet hätte (76.). Köln fand nun auch bei Kontern kaum noch statt, nur einmal wurde es noch brandgefährlich: Nachdem ein Freistoßtatort vom Schiedsrichter unbemerkt mal locker um 15 Meter nach vorne verlegt wurde, liefen Glasner und Nottbeck plötzlich frei auf Schwabke zu, Glasner versemmelte aber den ihn erreichenden Querpass freistehend vor dem leeren Tor (79.).
Es blieb spannend und RWE gab weiter Gas: Platzek flankte, aber sowohl Sauter als auch Koep rutschten knapp am Ball vorbei (81.). Kurz darauf legte am Strafraumeck Langlitz auf, aber dieser verzog recht deutlich (84.). Und selbst eine sehr, sehr harte gelb-rote Karte gegen Wagner nach einem Allerweltsfoul im Mittelfeld (nach gelb wegen Meckerns in der ersten Halbzeit) brachte die Angriffslawine nicht zum Stoppen, auch dank alles andere als cleveren Kölnern, insbesondere in Person von Silvio Pagano: Als dieser zweimal innerhalb weniger Sekunden anstatt zu klären den Ball unnötig und überheblich wieder verloren hatte, wechselte Wollitz ihn hoch erzürnt aus (89.). So kennen wir Pagano aus seiner kurzen Essener Zeit.
Aber auch der Austausch dieses Unsicherheitsfaktors konnte Wollitz´ Mannschaft nicht retten. Die dreiminütige Nachspielzeit war gerade abgelaufen, als die vielbeinige Viktoria-Abwehr verzweifelt versuchte, ein letztes Mal den Ball aus dem eigenen Strafraum herauszupöhlen. Platzek behauptete diesen aber und fand halbrechts die Lücke für den Abschluss, doch wieder war Pellatz rechtzeitig unten, konnte den Ball jedoch nur abprallen lassen. Gegen den Nachschuss von Lemke war er schlussendlich machtlos – 2:2 (93.)! Ein kollektiver Jubelsturm in Rot und Weiss beendete damit eine ereignisreiche Partie, in der RWE am Ende hochverdient eine Punkteteilung erzwingen konnte.
Heute konnte die Mannschaft zeigen, dass man auch gegen tiefstehende Gegner Druck aufbauen und spielerisch zu Torchancen kommen kann. Genau das erwartet man am kommenden Freitag (19:30 Uhr, Stadion Essen) auch gegen den Tabellenvorletzten SC Wiedenbrück. In der augenblicklichen Verfassung sollte auch ohne Wagner und Platzek (5. gelbe Karte) der dritte Heimsieg in Folge eingefahren werden, um den „Heimspielfluch“ gegen Kellerkinder ad acta zu legen.
Jawattdenn-Spielerbewertung (folgt)
Schwabke [4+] |
Langlitz [3] |
Wagner [3] |
Rodenberg [4+] |
|
|
Heppke [3-] |
Wingerter [4+] |
Pires-Rodrigues [3] |
Grund [3] |
Arenz [4+] |
|
Platzek [3+] |
Sauter [3] |
Koep [o.B.] |
Lemke [o.B.] |
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Viktoria Köln
Pellatz, Deelen, Brzenska, Löhden, Spinrath, Costa (52. Akbari), Nottbeck, Pagano (89. Schlösser), Wunderlich, Born (63. Candan), Glasner
Rot-Weiss Essen
Schwabke, Langlitz, Rodenberg, Wagner, Guirino (83. Lemke), Wingerter (65. Koep), Arenz (57. Sauter), Heppke, Pires-Rodrigues, Grund, Platzek
Tore
1:0 Wunderlich (14. Handelfmeter), 2:0 Wunderlich (52.), 2:1 Pires-Rodrigues (74. Foulelfmeter), 2:2 Lemke (90.+3)
Zuschauer
2.017
Schiedsrichter
Christian Fischer (Hemer)
Gelbe Karten
Nottbeck (43.), Pellatz (86.) - Wingerter (14.), Platzek (61.)
Gelb-rote Karte
Wagner (85. wiederholtes Foulspiel)
Spieler des Spiels: Christoph Sauter