09.04.2014

Ein packender Pokalfight mit tragischem Ende - Wenn wir doch nur Elfmeter könnten…

von Dominik Bardt

Seit Wochen war das Derby gegen den MSV ausverkauft. In Duisburg waren die knapp 4.500 Tickets innerhalb weniger Stunden weg. In Essen dauerte der freie Verkauf gerade einmal knapp 24 Stunden. Somit stand fest: Das Stadion Essen wird zum ersten Mal in seiner noch jungen Geschichte ein ausverkauftes Haus erleben.

Großaufgebot der Polizei rund um das DerbyEs war klar, dass es ein Spiel wird, was die Massen bewegen sollte. Aufgrund dessen nahm sich Sport1 der Sache an und entschied kurz nach dem Vorverkauf das Spiel an diesem Abend live zu übertragen. Wie sich nachher herausstellte war dies eine durchaus richtige Entscheidung. In der Spitze hatte der Sportsender aus Ismaning mehr Einschaltquote als der PayTV Sender Sky beim Champions League Spiel der Borussia aus Dortmund.

Nicht ganz so beliebt machte sich Sport1, indem Sie u.a. Einfluss auf die Anstoßzeit nahm. Statt wie geplant um 19:30 Uhr wurde der Anstoß um ungewöhnliche 55 Minuten nach vorne verlegt. Dass dies rund ums Stadion und mitten im Feierabendverkehr zu einem reinen Verkehrschaos kommen sollte, war vorhersehbar. Doch nicht nur die Autofahrer und die öffentlichen Verkehrsmittel waren beeinträchtigt, auch die Fußgänger mussten sich teilweise neue Wege zum Stadion suchen, da z.B. am Bahnhof Bergeborbeck eine Polizeikette den Weg für alle Essener versperrte als der Sonderzug aus Duisburg eintraf. Apropos Polizei.
Rund ums Stadion wimmelte es nur so von Polizei und Hundertschaften. Egal wo man war oder hinsah, man kam gar nicht drum herum Blaulicht zu sehen oder aus dem Hintergrund Sirenen zu hören. Ein Ausmaß, das Essen schon lange nicht mehr erlebt hat.

Besondere Brisanz sollte vor dem Spiel noch die Meldung des Fahnenklaus einer Duisburger Gruppierung erhalten. So sickerte mittags durch, dass eine Fahne von „Forever Duisburg“ von Essenern geklaut wurde. Szenekundigen war klar, dass dies nur der Anfang einer geplanten Provokation war.

Zum Spiel:
Bereits eine Stunde vor Anpfiff gestaltete sich ein faszinierendes Bild, welches das Stadion Essen so noch nicht gesehen hat. Der Gästeblock war zu dem Zeitpunkt bis auf noch wenige freie Plätze gefüllt und auch die Westtribüne erstrahlte in Vorbereitung auf eine Choreo in vollem Glanz und war schon gut besetzt. Nur die rote Sitzplatztribüne ließ zu diesem Zeitpunkt noch einige Lücken erkennen. Dazu strahlender Sonnenschein über dem Stadion. Der immer wieder aufkommende Wind war bisweilen etwas störend.

Pünktlich zum Einlaufen der Mannschaften (eigentlich schon überpünktlich) startete die Westtribüne mit der wirklich gelungenen Choreo und verwandelte den Block in die Farben Rot-Weiss-Rot. Beide Fanlager gaben von Anfang an stimmlich alles und verliehen dem Spiel über die volle Spielzeit hinweg einen wahren Derbycharakter.

Schöne Choreo der Ultras EssenAuch das Spiel an sich konnte sich dem ganzen Ambiente anpassen. Zwar war die Anfangsphase vom gegenseitigen Abtasten geprägt, doch Samuel Limbasan setzte nach gut acht Minuten das erste kleine Ausrufezeichen, nachdem er eine Flanke von Kevin Grund auf das Tor köpfte, aber leider auch direkt in die Arme von MSV-Keeper Ratajczak.

Im Verlauf der ersten Hälfte bekam überraschenderweise RWE immer mehr Spielanteile. Vor allem Kevin Grund war gegen seinen alten Verein besonders heiß und übernahm immer mehr Verantwortung und versuchte es auch mal gefährlich aus der zweiten Reihe.

Auch Samuel Limbasan zeigt in seinem dritten Spiel von Beginn an seinen bislang besten Auftritt in der ersten Mannschaft. Und über die Leistung von Marcel Platzek braucht man hier wohl keine Worte mehr zu verlieren. Duisburg konnte sich im ersten Durchgang nur selten behaupten und gefährlich in Szene setzen. RWE gehörte ganz eindeutig Halbzeit eins. Doch diese Vorgehensweise sollte auch Kräfte kosten. Das merkte man letztendlich in der zweiten Hälfte, in der die Zebras immer mehr das Spiel an sich rissen.

Bevor die zweite Halbzeit jedoch beginnen konnte, vergingen ein paar Minuten. Denn plötzlich fackelten im MSV-Block Bengalos und Raketen wurden auf das Spielfeld geschossen. Während Schiedsrichter Winkmann die RWE-Mannschaft, die gerade aufs Spielfeld zurückkommen wollte, wieder in die Kabine beorderte, versuchten die Duisburger Spieler das Geschehen im eigenen Block zu beruhigen. Auch der MSV-Stadionsprecher richtete sich über das Stadionmikrofon an die Gästefans. Die Gemüter beruhigten sich nach kurzer Zeit und nachdem der Rauch verzogen war, pfiff der Schiedsrichter das Spiel endlich wieder an. Schon in der Halbzeitpause zogen graue Wolken auf und fast pünktlich zum Wiederanpfiff öffnete der Himmel seine Schleusen und es fing feste an zu regnen. Dieses Derby hatte nun wirklich alles, was es brauchte. Doch es war (leider) noch nicht das Ende erreicht.

Endlich mal ein voller GästeblockWährend es im Duisburger Block wieder ruhiger wurde und die MSV-Spieler nun auf den Führungstreffer drückten, entschlossen sich ein paar Unverbesserliche auf Seiten der Essener nun ihre 15 Minuten Ruhm in Anspruch zu nehmen. Zunächst wurde eine Rauchbombe gezündet, danach die gestohlene "Forever Duisburg"-Fahne präsentiert und währenddessen ein Stadiontor geöffnet. Plötzlich standen ca. 20 Maskierte im Innenraum und versuchten den Platz zu stürmen. Durch einen kontrollierten Auftritt der Polizei konnte jedoch Schlimmeres verhindert werden. Eine Polizeikette sicherte die Tribüne vor weiteren Übergriffen. Auch die Duisburger Tribüne stand unter massiver Polizeikontrolle. Als alle wieder auf ihren Plätzen waren und auch das Tor wieder geschlossen wurde, blieben drei Unverbesserliche auf dem Zaun sitzen. Erst nachdem auch diese drei Schwachmaten den Zaun verließen, ließ der Schiedsrichter die Partie nach rund dreißig Minuten fortsetzen. Die klare Ansage: Noch ein Vorfall und das Spiel wird sofort abgebrochen. Die Polizei blieb für die restliche Spielzeit aus Sicherheitsgründen vor den Tribünen stehen.

Die letzte Viertelstunde konnte also doch noch zu Ende gebracht werden. Und die Pause tat den Jungs von Marc Fascher sichtlich gut. Denn nach dem erneuten Wiederanpfiff übernahm RWE wieder mehr die Kontrolle im Spiel und setzte Duisburg vermehrt unter Druck. Allen voran Marcel Platzek ackerte und rackerte, lief jedem Ball nach und brachte die Duisburger Verteidigung ein ums andere Mal zum Wackeln.

Das Traumtor von Alex Langlitz reichte leider nichtAuf dem Feld wurde es auch immer hitziger ohne allerdings unfair zu werden. Aber Schiri Winkmann war reichlich beschäftigt die gelben Karten in seinen Spielbericht einzutragen. Insgesamt zeigte er zehn Mal den gelben Karton (7x für RWE, 3x für den MSV).

Es wurde immer mehr ein offener Schlagabtausch. Beide Seiten wollten die Verlängerung vermeiden und drängten auf den erlösenden Führungstreffer. In der vierten Minute der Nachspielzeit lag den RWE-Fans der Torschrei zum vermeintlichen Siegtreffer schon auf den Lippen. Nach einer Freistoßflanke von Kevin Grund in Höhe der Mittellinie, kam der Ball im Strafraum auf den freistehenden Max Dombrowka. Sein Schuss ging leider nur an den Pfosten und auch Limbasan konnte den Nachschuss nicht mehr verwerten. Nach dieser Chance pfiff Schiedsrichter Winkmann die Partie ab. Verlängerung!

Wer dachte, dass die Kräfte hierfür eigentlich schon nicht mehr reichen sollten, der irrte sich gewaltig. Hier war noch lange nicht Schluss und es passierte noch einiges.

Vier Minuten waren in der Verlängerung gespielt, da holt der eingewechselte Alexander Langlitz einen Sonntagsschuss raus. Aus gut zwanzig Metern schießt er den Ball mit einer Bogenlampe über Torwart Ratajczak hinweg ins Tor.

Jetzt musste Duisburg kommen. Und das taten Sie auch. Die Essener Zuschauer gaben jetzt noch mal alles und unterstützen ihr Team weiterhin lautstark. In der ersten Halbzeit der Verlängerung passierte nichts mehr. Doch nur wenige Sekunden nach dem Anstoß in die zweite Hälfte der Verlängerung bekam der MSV einen Freistoß in der Nähe des Sechzehnmeterraums zugesprochen. Das beste Zebra an dem Abend – Pierre de Wit – nahm sich ein Herz und zirkelte den Ball ins linke untere Eck. Jetzt ging es eine Viertelstunde nur noch von links nach rechts. Heppke – der zwischenzeitlich auch eingewechselt wurde – drosch von der Strafraumgrenze den Ball mit voller Wucht aufs Tor. Leider zu Zentral genau auf den MSV-Keeper, der den Ball wegfausten konnte. Trotz schwindender Kräfte wollten beide Mannschaften den Sieg und das Elfmeterschießen vermeiden. Aus Essener Sicht schon fast verständlich. In den letzten beiden Jahren wurden schließlich gefühlt 90% der Elfmeter verschossen. Der bis dato sicherste Elfmeterschütze im Team – Kevin Pires-Rodrigues – saß das komplette Spiel auf der Bank.

Das wohl sicherste Elfmeterschießen der Welt brachte kein Happy EndAm Ende kam es wie es kommen musste. Das Elfmeterschießen sollte die Partie zu Ende führen. Geschossen wurde auf den MSV-Block. Schiedsrichter Winkmann begründete dies nach dem Spiel mit den schwerwiegenderen Vorfällen im Essener Fanblock. Ganze drei Essener Elfmeter reichten aus, um das bis dahin packende Pokalspiel zu entscheiden. Während auf Duisburger Seite Bollmann den ersten Elfer souverän verwandelte, scheiterten auf Essener Seite Konstantin Fring, Kevin Grund und Alexander Langlitz. Da half es auch nichts, dass Daniel Schwabke den zweiten Duisburger Elfmeter von Onuegbu halten konnte. Tja,… könnten wir doch bloß Elfmeter.

Alles in allem war es trotz der zum Schluss tragischen und schon fast peinlichen Vorstellung im Elfmeterschießen die beste Saisonleistung unserer Rot-Weissen. Und das wurde auch nach dem Spiel von den Fans mit Standing Ovations honoriert. Das Spiel und die Kulisse haben trotz des ganzen Chaos vor dem Spiel und der schwachsinnigen Spielunterbrechung Lust auf mehr gemacht. Unsere Jungs haben gefightet und einen Klassenunterschied nie erkennen lassen. Zeitweise war das Team von Marc Fascher die bessere Mannschaft und hätte mit ein bisschen mehr Glück (z.B. in der letzten Minute der offiziellen Spielzeit) den Platz als Sieger verlassen können.

Jetzt heißt es die Saison noch ordentlich zu Ende spielen und dann in der neuen Saison auf ein Neues angreifen. Leider ohne DFB-Pokal gegen Union Berlin oder Energie Cottbus.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Daniel Schwabke
Schwabke
[]
Max Dombrowka
Dombrowka
[]
Jerome Propheter
Propheter
[]
Michael Laletin
Laletin
[]

Tim Hermes
Hermes
[]

Konstantin Fring
Fring
[]
Kai Nakowitsch
Nakowitsch
[]
Holger Lemke
Lemke
[]
Kevin Grund
Grund
[]
Samuel-Marian Limbasan
Limbasan
[]
Marcel Platzek
Platzek
[]
Roberto Guirino
Guirino
[]
Alexander Langlitz
Langlitz
[]
Markus Heppke
Heppke
[]

Rot-Weiss Essen

Schwabke, Dombrowka, Propheter, Laletin, Hermes (90. Guirino), Lemke (91. Langlitz), Nakowitsch (106. Heppke), Fring, Grund, Limbasan, Platzek

 

MSV Duisburg

Ratajczak, Ofosu-Ayeh, Bajic, Bollmann, Eichner (90. Feisthammel), Öztürk (106. Wolze), Ledgerwood (66. Zoundi), Gardawski, de Wit, Wegkamp, Onuegbu

 

Tore

1:0 Langlitz (94.), 1:1 de Wit (107.)
Elfmeterschießen:
1:2 Bollmann
1:3 de Wit
1:4 Wolze

 

Zuschauer

20.000 (ausverkauft)

 

Schiedsrichter

Guido Winkmann

 

Gelbe Karten

Platzek, Dombrowka, Grund, Nakowitsch, Hermes, Propheter, Laletin - Ofosu-Ayeh, Gardawski, Öztürk