Gnadenlos effektiv!
Der zweite Auswärtssieg ist perfekt! Nach einer turbulenten zweiten Halbzeit an der Verler Poststraße darf RWE sich über einen gelungenen Saisonstart freuen und der schwierigen Pokalaufgabe gegen Union Berlin mit breiter Brust entgegenfiebern.
Waldemar Wrobel musste die Abwehrkette aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle von Roberto Guirino und Max Dombrowka umbauen. Neuzugang Christian Telch kam auf der rechten Abwehrseite zu seinem Pflichtspieldebüt im Essener Trikot, während für die linke Außenverteidigerposition Kevin Grund zurückgezogen wurde. Kevin Rodrigues-Pires rotierte dadurch in die Startelf auf den linken Offensivflügel.
Wie schon in Oberhausen brauchte RWE eine gewisse Anlaufzeit, um ins
Spiel zu kommen. Nach zwei Minuten erspielte sich der Gastgeber den
ersten Eckstoß, dessen Abnehmer den Ball aber gute drei Meter über das
Tor köpfte. Tief durchatmen mussten die rund 1000 mitgereisten
RWE-Anhänger in der 22. Minute: Rodenberg ließ sich aus der Abwehrkette
herauslocken, so dass Schneider Rasp im 16er bedienten konnte. Ihm
versagten jedoch die Nerven und er schob den Ball sowohl an Lamczyk als
auch am kurzen Pfosten vorbei ins Toraus.
Essen zeigte fortan durchaus, dass man in der Lage ist, mit schönen
Kombinationsfußball zum Erfolg zu kommen. Nur der finale Pass und
gefährliche Abschlüsse wollten noch nicht so recht gelingen. Erste
Aufregung gab es, als Pires-Rodrigues von Heppke im Strafraum angespielt
und anschließend elfmeterreif von den Beinen geholt wurde – doch die
Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm (42.). Lange brauchte man sich
darüber jedoch nicht zu ärgern, denn als die 1700 Besucher schon mit dem
Pausenpfiff rechneten, setzte RWE zum schönsten Angriff des gesamten
Spiels an: Nach einem abgefangenen Freistoßball leitete Lamczyk einen
schnellen Konterangriff ein, der über Grund und Koep den Weg in den
Verler Strafraum fand; dort bediente Koep im richtigen Augenblick Avci,
der mit ein wenig Glück den Ball im langen Eck versenken konnte. Kampe
war zwar mit den Fingern noch am Ball, doch dieser trudelte im
Zeitlupentempo über die Torlinie – 0:1 (45.)! Direkt im Anschluss
beendete Schiedsrichter Börner den ersten Durchgang.
Die zweite Hälfte begann, wie die erste endete: mit einem tollen Angriff
unserer Rot-Weissen. Es hatte noch kein Verler den Ball unter
Kontrolle, da rappelte es wieder im Karton. Vom Anstoß weg behauptete
sich Grummel gegen drei Gegenspieler und hatte schließlich auch noch ein
Auge für den heranstürmenden Pires-Rodrigues, der den Ball aus 16
Metern flach zum 2:0 in das lange Eck schlenzte (46.). Wieder war Kampe
zwar mit den Fingerspitzen am Ball, er konnte dem Ball aber zum Glück
keine entscheidende Richtungsänderung mehr zufügen.
Ein Treffer unmittelbar vor der Pause, der zweite unmittelbar nach
Wiederbeginn - in solchen Fällen sprechen nicht nur Fußballreporter
gerne von „psychologisch günstigen Zeitpunkten“. Das gestrige Spiel war
eher ein Beispiel dafür, dass diese Phrase in die Schublade
„Küchenpsychologie“ gehört. Denn weder zeigte sich Verl geschockt oder
zumindest verunsichert, noch hatte Essen durch den Doppelschlag große
Sicherheit gewonnen und ausgestrahlt. Schon im Gegenzug konnte die
RWE-Verteidigung in höchster Not zwar noch zur Ecke klären, doch in
deren Folge fiel der 2:1-Anschlusstreffer durch eine leicht abgefälschte
Bogenlampe, die an den Treffer von Suat Tokat bei Fortuna Köln vor 1,5
Jahren erinnerte (48.).
Verl hatte wieder Oberwasser, doch Essen antwortete mit seiner derzeit
stärksten Offensivwaffe: Benedikt Koep. Ein Steilpass in die Spitze
sorgte für kurze Orientierungslosigkeit in der Verler Hintermannschaft,
die Koep gedankenschnell ausnutzte und den Ball mit dem langen Bein am
überraschten Torwart vorbei ins Netz stocherte (52.). Dritte echte
Torchance, drittes Tor für RWE!
Eine Vorentscheidung war damit aber immer noch nicht gefallen. Wieder
war die ansonsten recht sichere Essener Innenverteidigung bei einem
Eckball nicht auf Ballhöhe, so dass Plucinski die Flanke auf den Kopf
von Haeder verlängern konnte, der mit dem erneuten Anschlusstreffer zum
2:3 wieder für Spannung im Spiel sorgte (56.).
Erinnerungen an das eine oder andere kuriose Spiel gegen Verl aus der
jüngeren Vereinsgeschichte kamen wieder hoch, zum Beispiel an das 4:5
nach einer 3:0-Führung im Jahre 1998. Und Verl bemühte sich, den
Torreigen fortzusetzen und das Spiel zu kippen: Kurz nach dem
Anschlusstreffer bewahrte uns Lamczyk mit einer tollen Parade nach einem
16-Meter-Schuss vor dem nicht unverdienten Ausgleich (58.).
Erst mit den Einwechslungen von Sawin (für den gelb-rot-gefährdeten
Grummel) und Wagner (für den starken Pires-Rodrigues) hatte RWE die
Offensivabteilung der Gastgeber wieder besser unter Kontrolle. Spannend
blieb es dennoch bis zum Schlusspfiff, auch weil der ebenfalls
eingewechselte Ellmann in der Schlussphase gleich drei Mal in
aussichtsreicher Position die endgültige Entscheidung verpasste und noch
so mancher Eckball in den Essener Strafraum segelte. Zwingend wurde
Verl vor dem Essener Gehäuse jedoch nicht mehr. Nach 94 Minuten hatte
die Zitterpartie endlich ein Ende und der zweite Auswärtssieg in Serie
durfte gefeiert werden!
Wer hätte gedacht, dass uns zu Saisonbeginn ausgerechnet Effektivität
und Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor auszeichnen würden? Zur
Zeit ist fast jeder gefährliche Schuss direkt ein Treffer. Dagegen gibt
es in der Hintermannschaft noch einiges aufzuarbeiten. Zwar räumen
Laletin und Rodenberg in der Luft fast alles ab, was in den 16er fliegt
(und bügeln zudem noch so manchen Fehler der Außenverteidigung aus),
doch bei Standardsituationen stimmen die Zuordnungen und Staffelungen
noch nicht richtig. Die bisherigen vier Gegentore sind allesamt in Folge
einer Standardsituation gefallen. Es bleibt also auch noch Arbeit, doch
die Vorfreude auf die Pokalwoche im neuen Stadion ist durch diesen
hervorragenden Saisonauftakt sicher noch weiter gesteigert worden!
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [2+] |
Telch [3] |
Laletin [2-] |
Rodenberg [2] |
|
|
Grummel [3] |
Heppke [2-] |
Avci [2-] |
Pires-Rodrigues [2] |
Lemke [3+] |
|
Koep [2+] |
Sawin [o.B.] |
Wagner [o.B.] |
Ellmann [o.B.] |
SC Verl
Kampe - Kaminski, Plucinski, Capretti, Großeschallau, Haeder (85. Reekers), Schröder, Krause (79. Kunstmann), Manstein (75. Eckert) - Brinker, Rasp
Rot-Weiss Essen
Lamczyk - Telch, Laletin, Rodenberg, Grund - Pires-Rodrigues (71. Wagner) - Heppke, Grummel (63. Sawin), Avci - Koep (80. Ellmann)
Tore
45. Avci 0:1, 46. Kevin Pires-Rodrigues 0:2, 48. Manuel Rasp 1:2, 52. Benedikt Koep 1:3, 55. Mathias Haeder 2:3
Zuschauer
1.753
Schiedsrichter
Oberpfeife (Pfeifenheim)
Gelbe Karten
Capretti, Haeder, Schröder - Grummel, Koep, Avci