Not gegen Elend oder auch RWE gegen Wuppertal
Eine Woche nach dem historischen und zugleich desaströsen 1:6-Debakel gegen die kleinen Fohlen aus Gladbach ging es für die verletzungsgeplagte Elf von Waldemar Wrobel in das für viele Fans vielleicht wichtigste Spiel der noch verbleibenden Saison.
Auf beiden Seiten standen die Vorzeichen jedoch nicht ganz so gut. Kam der WSV mit einer Negativserie von zehn sieglosen Spielen in Folge an die Hafenstraße, musste sich Waldemar Wrobel die Frage stellen wen er denn überhaupt noch aufstellen konnte, um den Negativtrend von fünf sieglosen Spielen in Folge zu stoppen.
Vielleicht auch mit diesen Hintergründen im Kopf, wurde am Spieltag eine Aktion mit dem Namen „Essen statt London - Seid nicht unglücklich, es muss nicht immer London sein!" von einem lokalen Radiosender propagiert, in der die Absagemails für die Reservierung eines Champions-League-Finaltickets ausreichten, um an der Verlosung für das „Sektorderby" teilzunehmen. 1.000 Tickets sollten so noch unter die Leute gebracht werden. Die Ultras antworteten bereits während des Spiels auf Ihre Art: „Wer kämpft, braucht keine Karten zu verschenken!" war dort auf einem Transparent zu lesen.
Ob die Verlosung jetzt unter die Kategorie „Erfolg" oder „Unnötig" einzustufen ist, sollen andere entscheiden. Fakt ist: 8.775 Zuschauer fanden den Weg ins Stadion. Nach langer Zeit wurde auch der Gästeblock im Stadion Essen mal wieder ausgefüllt. Ein Wuppertaler Highlight! Waren im Gästeblock diesmal doch mehr Zuschauer als sonst bei eigenen Heimspielen. Schon bei der Ankunft am Hauptbahnhof kam es zu einigen unschönen Szenen zwischen dem WSV Anhang und der Polizei. Im Stadion selber blieb es – bis auf ein paar kleinere Pöbeleien von einigen wenigen – friedlich. Auch die Stimmung auf den Tribünen sollte einem Derby gerecht werden.
Und somit zum Spiel. Vorab – den Kampf kann man den insgesamt 14 Spielern, die für RWE an diesem Abend auf dem Feld standen, nicht absprechen. Der rot-weisse Negativtrend der letzten Wochen konnte allerdings dadurch auch nicht aufgehalten werden und fand in einer 1:2-Niederlage seine Fortsetzung.
Waldemar Wrobel wollte sich nach dem Spiel nicht die Mühe machen und die Verletztenliste runter beten. Wir hingegen nehmen uns einmal die Zeit und verschaffen einen Überblick. Neben den seit Wochen und Monaten verletzten Max Dombrowa und Michael Laletin fehlen seit neuestem auch Vincent Wagner, Maik Rodenberg und Roberto Guirino im Abwehrverbund. Im Mittelfeld gesellte sich kurzfristig - der im Moment wohl wichtigste Spieler und Kopf der Mannschaft - Kerim Avci zu den bereits vorher abwesenden Markus Heppke und Suat Tokat. Und auch im Angriff musste Waldemar Wrobel kurzer Hand Benedikt Koep ersetzen. Macht in Summe neun Spieler. Also fast eine komplette Mannschaft. Keine Ausrede – einfach Tatsache!
Die Konsequenz? Gleich fünf A-Jugendliche bekamen von Waldemar Wrobel das Vertrauen für das Derby gegen Wuppertal. Vier (darunter Torhüter Bonmann) von Ihnen nahmen zunächst auf der Bank platz, Kai Nakowitsch stand wie die Wochen zuvor wieder in der Startelf. Für Avci und Koep, durften Stefan Grummel und Marvin Ellmann von Beginn an ran.
Zwei Minuten waren gespielt, da durfte sich der RWE-Anhang vorgekommen sein, wie in einem schlechten Film. Mönchengladbach Reloaded? Nach einem Freistoß von Florian Abel gelingt es der kompletten Hintermannschaft nicht, den Ball irgendwie aus der Gefahrenzone zu klären. Ramiz Pasiov freut und bedankt sich. So einfach, so schnell kann das gehen. Bezeichnend für die kompletten 90 Minuten – Standards für den WSV sorgten – wie schon im Hinspiel – fast immer für Gefahr (auch ohne Knappmann und Konsorten). Standards für RWE hingegen sollten besser für die neue Saison nochmal trainiert werden.
Positiv sei jedoch zu erwähnen, dass sowohl die Fans als auch die Spieler ruhig blieben und versuchten in den restlichen 88 Minuten das Spiel noch zu drehen. Optisch überlegen erspielten sich die Essener immer mehr Spielanteile, blieben vor dem Tor von WSV Keeper Semmler jedoch zu harmlos. Chancen hatten nur die Wuppertaler und so ging die 0:1-Halbzeitführung sicherlich auch in Ordnung.
In der Pause wurde Waldemar Wrobel dann wieder einmal gezwungen einen verletzten Spieler zu ersetzen. Für den angeschlagenen Kai Nakowitsch durfte der A-Jugend-Verteidiger Jan Klauke sein Regionalligadebüt feiern. Sicherlich ein Junge mit Perspektive, denn sein Auftreten auf dem Platz wirkte ruhig und souverän. Weitere Einsätze durchaus denkbar.
Auch die zweite Halbzeit ließ nicht lange mit einem Treffer auf sich warten. Kevin Pires-Rodrigues fasste sich ein Herz und brachte das Netz mit einem Strahl aus gut zwanzig Metern in den linken Giebel zum Zappeln (49.). Es geht doch. Jetzt wollten alle Beteiligten mehr. Von den Rängen hörte man nur noch die Fans von RWE und auch die Jungs auf dem Feld wollten das Momentum für sich nutzen und den WSV nicht mehr ins Spiel zurückkommen lassen. Bis zur 67. Minute. Wieder ein Tor, das so niemals fallen darf. Christoph Semmler mit einem weiten Abschlag in die Hälfte von RWE, dort ist nur Holger Lemke im Laufduell mit dem Wuppertaler Laurenz Wassinger, der zu allem Überfluss die Kugel über den herauslaufenden Daniel Schwabke ins Tor hebt.
Jetzt wieder Stimmung von beiden Fangruppen und Feuer auf dem Spielfeld. RWE weiter mit Druck nach vorne, ohne jedoch richtig zwingend werden zu können. Der WSV beschränkte sich nur noch auf das Verteidigen, was an diesem Abend leider nicht mehr bestraft werden sollte. Bestraft wurden nur noch Kevin Pires-Rodrigues und Trainer Waldemar Wrobel. Erstgenannter wurde nach einem harten Einsteigen von Schiri Florian Steuer des Feldes verwiesen (85.) ehe auch Waldemar Wrobel nur fünf Minuten später einen Platz auf der Tribüne einnehmen durfte.
Kurz zuvor verhalf Wrobel noch den beiden anderen A-Jugendlichen Lucas Arenz und Michael Wiese zu ihrem Debüts. Für die beiden verließen Lemke und Ellmann das Spielfeld.
Ein Unentschieden wäre nach 90 Minuten sicherlich das gerechtere Ergebnis gewesen. Waldmar Wrobel nach diesem Spiel bzw. nach den erfolglosen letzten Wochen aber seine Fähigkeiten als Trainer abzusprechen ist purer Aktionismus und völlig fehl am Platze. Denn bis vor ein paar Wochen schwelgten viele von uns noch in Aufstiegsträumen.
Bleibt zu hoffen, dass die letzten beiden Spiele der Saison gegen Lotte und Siegen noch irgendwie mit Anstand zu Ende gebracht werden und wir alle (Verein und Fans) uns schon bald wieder auf eine neue Saison (dann vielleicht auch ohne Lotte) freuen können. Wenn die Mannschaft dann mehr Konstanz, Erfahrung und Qualität hat, ist vielleicht auch mehr drin als das, was sich die Mannschaft in den letzten Wochen „kaputt" gemacht hat.
Jawattdenn-Spielerbewertung
Schwabke [3-] |
Telch [4+] |
Denker [3-] |
Nakowitsch [3] |
|
|
Grummel [4] |
Pires-Rodrigues [4] |
Soukou [2] |
Lemke [4] |
Sawin [4+] |
|
Ellmann [4] |
Klauke [3+] |
Arenz [o.B.] |
Wiese [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Schwabke, Telch, Denker, Nakowitsch (46. Klauke), Grund, Soukou, Grummel, Pires-Rodrigues, Lemke (87. Arenz), Ellmann (90. Wiese), Sawin
Wuppertaler SV Borussia
Semmler, Schumacher, Reichert, Schlieter, El Hammouchi, Knetsch, Fleßers (57. Jan-Steffen Meier), Abel, Boztepe (52. Neppe), Wassinger (90. Herzenbruch), Pasiov
Tore
0:1 Pasiov (2.), 1:1 Pires-Rodrigues (49.), 1:2 Wassinger (65.)
Zuschauer
8.775
Schiedsrichter
Florian Steuer (Menden)
Gelbe Karten
Sawin (31.), Denker (35.) - Knetsch (48.), Fleßers (57.), Neppe (62.), Jan-Steffen Meier (70.), Schumacher (78.)
Rote Karte
Pires-Rodrigues (84. grobes Foulspiel)