06.09.2012

Alles wie immer, nur anders herum…

von Fabian Jerrentrup

Wie mussten wir in der 90. Minute in den letzten Jahren leiden. In gefühlten einhundert Spielen kassierten die Rot-Weissen in den letzten Jahren kurz vor Abpfiff noch entscheidende Gegentore. Ob der doppelte Lukas Podolski 04/05, die gesamte Zweitligaspielzeit 06/07 mit dem Gegentor im letzten Heimspiel gegen Burghausen aus 35 Metern als Krönung, das 1:1 in der 94. Minute im Heimspiel gegen Münster… die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Und heute war es wieder einmal soweit: ein unerwartetes Tor in der allerletzten Spielminute sorgte für ein überraschendes Ende. Nur diesmal durften die Richtigen jubeln.

Vor dem Spiel war die Marschroute klar: Ein Sieg sollte her. Die zweite Mannschaft des „Effzeh“ steckte ebenso wie die erste in einer handfesten Krise. Nach sehr guten Ergebnissen in den letzten Jahren reiste die U21 mit nur zwei Punkten und drei Toren aus fünf Spielen nach Essen. Doch aus der Vergangenheit wussten die Essener Verantwortlichen, dass gerade der Unterbau von Profimannschaften in der Regel über herausragende Kicker verfügt. Gerade diese Qualität schwächte die Mannschaft von Coach Dirk Lottner zur neuen Saison stark, einige Stammspieler wurden zu den Profis befördert und stehen nun nicht mehr zur Verfügung.

8.090 Zuschauer an der HafenstraßeMit zwei Änderungen schickte Waldemar Wrobel seine Jungs ins Spiel. Für Max Dombrowka spielte Christian Telch, Cebiou Soukou ersetzte Kevin Pires-Rodrigues. Rot-Weiss Essen versuchte von Beginn an, die Kontrolle zu übernehmen, die spielstarken Kölner hielten allerdings gut dagegen. So kam der Gastgeber zwar zu einigen Torchancen, diese entstanden aber eher zufällig. In den entscheidenden Szenen fehlte wie in den letzten Spielen schon einige Male die finale Aktion. Die schwarz gekleideten Gäste waren mehr im Ballbesitz und kamen auch zu einigen Offensivaktionen. Für Aufregung sorgte nur der rechte Verteidiger mit der Rückennummer 22, der sich auf der Rahntribüne durch sein schauspielerisches Talent nicht wenige Feinde machte und anschließend stark verunsichert zur Halbzeit ausgewechselt wurde.

Waren die Rot-Weissen vor der Pause noch etwas stärker geworden, agierten die Kölner nach dem Seitenwechsel deutlich verbessert. Genau in dieser Drangphase schlug Marvin Ellmann zu. Nach einer maßgenauen Flanke von Kevin Grund und Kopfballablage seines Sturmpartners Benedikt Koep war der Ex-Oberhausener zur Stelle und schob den Ball über die Linie. Mit der Führung im Rücken spielten die Essener nun etwas selbstbewusster, doch mit langen Pässen in die Spitze konnten die wendigen Offensivspieler des Gastes die langen und entsprechend etwas hüftsteif wirkenden Michael Laletin und Mike Rodenberg einige Male in Verlegenheit bringen.

Marvin Ellmann trifft zur FührungEin solcher schnell gespielter Ball sorgte auch für den Ausgleich, kurz nachdem Holger Lemke mit einem Kopfball (!) den Querbalken im neuen Stadion getestet hatte. Umgeben von mehreren Abwehrspielern lief Lucas Musculus auf das Gehäuse zu, Dennis Lamczyk kam etwas übermotiviert und ohne Chance auf den Ball aus seinem Tor, und der abgezockte Stürmer legte das Leder nach 70 Zeigerumdrehungen trocken an der Essener Nummer Eins vorbei. In der Folge drückte RWE, angetrieben von einer wieder einmal lautstarken Kulisse und mit den eingewechselten Lemke und Pires-Rodrigues auf das zweite Tor, stets jedoch mit der Gefahr, in einen bösen Konter zu laufen. Und während vorne einfach keine ganz klaren Chancen mehr entstanden und stattdessen einige Mal in strittigen Situationen auf Abseits entschieden wurde, drehte der Minutenzeiger unaufhörlich weiter seine Runden.

In der 90. Minuten bekam RWE dann noch einmal einen Freistoß zugesprochen. Markus Heppke, mit seinen Freistößen in der ersten Halbzeit eher unglücklich, brachte den Ball in den Strafraum, und der wenige Minuten vorher eingewechselte Konstantin Sawin bekam sträflich viel Freiraum, um den Ball in die Maschen zu köpfen. Der Rest war Jubel in rot und weiß! Wenige Spielsekunden später pfiff der Schiedsrichter ab, und der dritte Heimsieg in Serie war perfekt.

Extase nach dem späten Siegtreffer - auf dem Platz und auf den TribünenSehr erleichtert und fast schon überrascht nahmen Fans, Spieler und Verantwortliche die nächsten drei Punkte zur Kenntnis. In den letzten drei Spielen, allesamt zu Hause, konnte man spielerisch nie voll überzeugen, fuhr aber immer volle Punkteausbeute ein, immer mit genau einem Tor Unterschied. Pessimisten sagen, RWE hat schon gegen die schwächeren Teams Probleme und kann mit den ganz starken Mannschaften auf keinen Fall mithalten; Optimisten sagen, wer selbst die schwachen Spiele gewinnt, kann am Ende ganz viel erreichen. Die Wahrheit liegt, wie wohl fast immer im Fußball, irgendwo in der Mitte. Eine Prognose möchten wir an dieser Stelle nicht wagen, aber zur Gegenwart kann man sagen: Es macht Spaß! Ein neues Stadion, eine Mannschaft, die nicht nur Fußball spielt, sondern auch Fußball kämpft, und auch im neuen Stadion herrscht die gleiche Stimmung auf den Rängen wie im alten Georg-Melches-Stadion. Macht also so weiter, Jungs! Und wenn ihr die entscheidenden Tore etwas früher als in der letzten Minute macht, nimmt euch das auch keiner übel!


Jawattdenn-Spielerbewertung (folgen)

Dennis Lamczyk
Lamczyk
[3]
Roberto Guirino
Guirino
[2]
Michael Laletin
Laletin
[2-]
Maik Rodenberg
Rodenberg
[2-]

Christian Telch
Telch
[3]

Cebio Soukou
Soukou
[3]
Markus Heppke
Heppke
[2-]
Kerim Avci
Avci
[3]
Kevin Grund
Grund
[3]
Marvin Ellmann
Ellmann
[3+]
Benedikt Koep
Koep
[3+]
Holger Lemke
Lemke
[3-]
Kevin Pires-Rodrigues
Pires-Rodrigues
[o.B.]
Konstantin Sawin
Sawin
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Lamczyk - Telch, Laletin, Rodenberg, Guirino - Soukou (56. Lemke), Heppke, Avci, Grund (72. Pires-Rodrigues) - Ellmann (76. Sawin), Koep

 

1. FC Köln II

Schuhen - Vaaßen (89. Schwarz), Kübler (46. Basala Mazana), Schorch, Spinrath - Thelen, Akbari - Nikolaou, Aosman, La Monica (73. Mehinovic) - Musculus

 

Tore

1:0 Ellmann (58.), 1:1 Musculus (70.), 2:1 Sawin (90.)

 

Zuschauer

8.090

 

Schiedsrichter

Sascha Stegemann

 

Gelbe Karten

Avci, Koep - Akbari

 


Spieler des Spiels 4. Spieltag - Roberto Guirino