27.10.2011

„Ich hätte den Jungs die Sensation gewünscht..."

von Dominik Bardt

…so die Worte von Waldemar Wrobel gestern zu Beginn der Pressekonferenz, nach dem tollen Auftreten seiner Elf gegen den Bundesligisten Hertha BSC Berlin. Und unsere Jungs hätten es sich wirklich verdient gehabt! Fünfundsechzig Minuten lang, hielten die Rot-Weissen tapfer und vor allem mutig gegen die alte Dame dagegen. Und nicht nur aus der rot-weissen Brille gesehen, konnte man an diesem Abend behaupten: „Die Essener waren ebenbürtig!“

 Insgeheim hatten die RWE-Fans natürlich über eine Sensation nachgedacht. Dass es aber dann wirklich zu solch einer spannenden Partie kommen sollte, damit hatten wohl nur die kühnsten Optimisten der insgesamt 14.000 Zuschauer gerechnet. 14.000 Zuschauer! Wann hat es die zuletzt an der Hafenstraße, beziehungsweise vielmehr im Georg-Melches Stadion, gegeben? Und man kann festhalten. Für dieses immer noch tolle Stadion war es gestern Abend wohl der letzte große Andrang und der letzte Pflichtspielbesuch, der ein wenig Bundesligaluft zurück nach Essen und zum RWE brachte!


Voller Gästeblock - endlich mal wiederPünktlich um 16.05 Uhr fuhr der - von der Deutschen Bahn gesponserte – Sonderzug aus Berlin am Essener Hauptbahnhof ein. Ca. 1.000 der insgesamt knapp 2.000 mitgereisten Berliner sollten von nun an, mit Sonderbussen direkt vom Hauptbahnhof zum Stadion chauffiert werden. Und nach den Ereignissen der letzten Tage, kann man an dieser Stelle den Berliner nur lobende Worte aussprechen. Szenen wie in Dortmund oder Frankfurt sollten sich weder vor noch nach dem Spiel ereignen.

Während die Berliner also vom Hauptbahnhof zum Stadion gefahren wurden, versammelten sich auch die ersten RWE-Fans schon knapp zwei Stunden vor Anpfiff am Vorplatz hinter der Osttribüne. Ein reges Treiben von Polizisten, Sanitätern und Ordnern, aber auch von angespannten, aufgeregten, nervösen Fans. „Wie lang is denn noch? Noch 2 Stunden? Erstmal noch ein Bier!“ Gegen 18.00 füllten sich dann so langsam die Tribünen und Stadionsprecher Walter Ruege wurde nicht müde, um immer wieder darauf hinzuweisen, dass man doch aufrücken und die Zugänge der Tribüne freihalten sollte. Die Osttribüne begann in der Zeit schon mit den Vorbereitungen für die Choreo. Und es war schön zu sehen, dass an diesem Abend wirklich jeder mitmachen wollte.

Um 19.00 Uhr sollte es dann endlich soweit sein. Der Einmarsch der beiden Mannschaften erfolgte und der Mythos Hafenstraße erwachte. Waldemar Wrobel vertraute der kompletten Startelf, die am vergangenen Freitag zwar gegen Lotte verlor, sich dort aber auch schon bravourös geschlagen hatte. Markus Babbel, Trainer von Hertha BSC, nahm gleich eine ganze Reihe an Veränderungen vor und rotierte so namenhafte Spieler wie Adrian Ramos oder den gesamten „Bayernblock“ bestehend aus Thomas Kraft, Andreas Ottl und Christian Lell aus der Startformation.

Papierschnipsel Choreo beim EinlaufenWährend RWE sich erst einmal zurückzog, versuchten die Berliner gleich Ball und Gegner laufen zulassen. Dieses Vorhaben gelang zwar einigermaßen, doch gefährlich wurde es für Dennis Lamczyk und seine Vordermänner nur selten. Rot-Weiss agierte entschlossen und presste früh. Es gab selten Szenen zu sehen, wo mal kein RWE-Spieler beim ballführenden Herthaner war. Und so schleusten sich mit zunehmender Spieldauer immer mehr kleine Fehler im Berliner Aufbauspiel ein. Doch die Roten wollten Berlin nicht den Alleinunterhalter machen lassen und schlichen sich nach gut einer Viertelstunde selber das erste Mal in den Sechzehner von Hertha-Schlussmann Burchert. Lukas Lenz – der wieder als alleinige Spitze aufgeboten wurde – kam aber nicht richtig unter den Ball und traf so nur das Außennetz. Im Gegenzug sollte den Essener kurz der Atem stehen bleiben. Während alle auf den Abseitspfiff warteten, stand plötzlich Tunay Turun völlig frei vor Dennis Lamcyzk. Aber der Berliner Angreifer schien selber etwas irritiert und überrascht zu sein und vergab diese erste große Hertha Chance kläglich. Bei diesem Schockmoment sollte es in der ersten Halbzeit aber auch bleiben. Und RWE ließ sich nicht einschüchtern und spielte nun selber mutig mit. Wirbelwind Holger Lemke schaffte es ein ums andere Mal für Unruhe zu sorgen und flankte nach ca. zwanzig gespielten Minuten von links scharf zentral in den Strafraum. Doch Lukas Lenz – der von Maik Franz und Roman Hubnik im Zentrum gut bewacht wurde – war in diesem Moment schon auf einem anderen Weg und somit blieb diese gute Möglichkeit ungenutzt.

Wenn Hertha selber versuchte das Spiel über die Flügel aufzuziehen, war es in der Regel Änis Ben-Hatira, der den Ball über die rechte Seite bekommen sollte. Da er sich in den Zweikämpfen gegen Kevin Lehmann allerdings vergeblich aufrieb und zudem schon mit gelb vorbelastet war, nahm Markus Babbel ihn zu Halbzeit raus. Auf der linken Berliner Angriffsseite taten sich Turun und Ebert sehr schwer gegen die immer wieder mit zurück eilenden Holger Lemke und Kevin Grund. Grund hatte sogar teilweise noch den Mumm, schwierige Situation spielerisch zu lösen.

Prächtige Pokalstimmung an der HafenstraßeMit 0:0 sollte es in die Halbzeit gehen, nachdem ein Distanzschuss von Patrick Ebert für Dennis Lamczyk auch kein Problem darstellen sollte. Die Hoffnung der RWE-Anhänger lebte weiter. „Und ab jetzt spielen Sie auf unser Tor. Da ist noch alles drin. Je länger es hier 0:0 steht, desto nervöser wird Berlin.“ Doch diese erste Halbzeit hatte sicherlich auch viel Kraft gekostet. „Wie lange können die das durchhalten?“

In der Halbzeitpause betrat Michael Welling das Spielfeld und bedankte sich bei Insolvenzverwalter Frank Kebekus für die geleistete Arbeit und überreichte ihm und seinem Mitarbeiter symbolisch eine XXL-Dauerkarte auf Lebenszeit. Somit sind die ersten beiden Dauerkarten für das neue Stadion bereits vergeben.

Die zweite Halbzeit stand bevor und Markus Babbel schickte seine Truppe relativ früh zurück auf den Platz. Adrian Ramos sollte nun für Ben-Hatira das Berliner Angriffsspiel beleben. Waldemar Wrobel verzichtete indes auf Wechsel. Und die Mannschaft begann wie man es von ihnen kennt, wenn sie auf IHRE heimische Kulisse – die wieder einmal der perfekte „12. Mann“ war – spielt. Timo Brauer hatte nur wenige Minuten nach Wiederanpfiff die große Chance zur Führung. Markus Heppke hatte ihn glänzend bedient, doch Brauer trifft den Ball im Fallen nicht richtig und so trudelt das Leder neben das Gehäuse. Und nur wenige Minuten später flankt Lehmann den Ball in den Berliner Strafraum. Doch Torwart Burchert kommt den Bruchteil einer Sekunde früher an den Ball als Suat Tokat, sonst hätte es in diesem Moment wohl 1:0 für den Außenseiter gestanden. Das Stadion steht zu diesem Zeitpunkt Kopf. Selbst die Haupttribüne steht – und das ohne Aufforderung! Von Hertha war bis dato in der zweiten Hälfte noch nichts zu sehen.

Hatte die Führung auf dem Fuß - Timo BrauerBis zur 65. Minute! Kevin Lehmann rutscht im Zweikampf gegen Turun aus und muss diesen in den Strafraum ziehen lassen. Dirk Jasmund kommt jedoch zur Hilfe und klärt den Ball zur Ecke. „Jetzt heißt es aufpassen!!!“ Doch dann war´s passiert. Adrian Ramos setzt sich gegen Suat Tokat im Kopfballduell durch und köpft zum 0:1, da auch Dennis Lamcyzk zu spät kommt. Und irgendwie war es typisch. Aus dem Spiel heraus wirkte die alte Dame träge und ungefährlich. Wenn ein Tor fallen sollte, dann nur über Standardsituationen, bei denen die Essener Hintermannschaft schon seit Wochen sehr anfällig wirkt.

Freude im Herthablock. Die ca. 12.000 RWE Fans schüttelten sich einmal und schon ging’s weiter. Diese tapfer kämpfende Mannschaft brauchte den Support jetzt noch mehr und sollte ihn auch bekommen. Und es hätte sich beinah ausgezahlt. Zwanzig Minuten vor Schluss bekam Holger Lemke die Riesenmöglichkeit zum so wichtigen Ausgleichstreffer, als er am Sechzehnmeterraum drei Herthaner umkurvt und nur am Berliner Schlussmann scheiterte. In der 71. Spielminute bekam die Hertha einen Freistoß auf Höhe der Mittellinie zugesprochen. Ungefährlich sollte man meinen! Der eingewechselte Ronny schlägt den Ball hoch in den RWE Strafraum, Dennis Lamcyzk sieht wieder einmal mehr als unglücklich beim Rauskommen aus und der frühere RWE-Kicker Pierre Michel Lasogga bestraft diesen Fehler sofort und vollendet zum 0:2. So langsam verließen die Roten nun auch die Kräfte. Dass Hertha drei Minuten vor Ende durch Nikita Rukavytsya noch auf 0:3 erhöhte, war dann nur noch Kosmetik. Zwar spiegelte es den Spielverlauf keineswegs wider und ließ das Ergebnis mindestens um ein Tor zu hoch ausfallen, aber zu diesem Zeitpunkt war es dann auch egal.

Die Enttäuschung war großTrotzdem kann die Mannschaft richtig stolz auf sich sein! In der momentanen Phase – mit so vielen verletzten Spielern und dem Abrutschen in der Ligatabelle auf Platz 16 – einem Bundesligsten so Paroli zu bieten, war schon überraschend. Freud´ und Leid trennten nur Zentimeter. Wäre RWE an diesem Abend mit 1:0 in Führung gegangen, dann hätte Hertha ihre Pokalträume wohl erneut in der 2.Runde begraben können.

Die Enttäuschung war unseren Jungs nach Abpfiff ins Gesicht geschrieben, das Fighten wurde nicht belohnt. Belohnt wurden sie trotzdem von ihrem Anhang, der auch noch Minuten nach Spielende die Mannschaft mit lautstarken Fangesängen verabschiedete.
Traurig nur, dass einige Besucher der Haupttribüne anscheinend gar keine Lust hatten sich für diese tolle, ansprechende Leistung erkenntlich zu zeigen. Denn sowohl nach dem 0:1 als noch viel mehr nach dem 0:2, verließen einige Damen und Herren fluchtartig das Stadion.

Jungs…ihr habt uns einen tollen Abend beschert. Trotz der Niederlage hat es Spaß gemacht euch zuzusehen. Schöpft Hoffnung und Selbstvertrauen aus diesem Spiel und haut am Samstag einfach Trier weg! Wir sind stolz auf unser Team, Rot-Weiss Essen!!!


Jawattdenn-Spielerbewertung

Dennis Lamczyk
Lamczyk
[3-]
Kevin Lehmann
Lehmann
[3+]
Dirk Jasmund
Jasmund
[2+]
Thomas Denker
Denker
[2]

Kevin Grund
Grund
[2]

Benedikt Koep
Koep
[3]
Timo Brauer
Brauer
[2+]
Markus Heppke
Heppke
[2+]
Suat Tokat
Tokat
[2] 
Holger Lemke
Lemke
[1-]
Lukas Lenz
Lenz
[3]
Meik Kuta
Kuta
[o.B.]
Kerim Avci
Avci
[o.B.]
Cedric Vennemann
Vennemann
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Lamczyk - Lehmann (75. Kuta), Jasmund, Denker, Grund - Koep, Brauer (85. Vennemann), Heppke, Tokat (79. Avci), Lemke - Lenz

 

Hertha BSC Berlin

Burchert - Janker, Franz, Hubnik, Lustenberger - Torun (82. Rukavytsya),
Neumann, Niemeyer, Ebert (65. Ronny) - Lasogga, Ben-Hatira (46. Ramos)

 

Tore

65. Adrian Ramos 0:1, 71. Pierre-Miohel Lasogga 0:2, 87. Nikita Rukavytsya 0:3

 

Zuschauer

14.000

 

Schiedsrichter

Deniz Aytekin

 

Gelbe Karten

Ben-Hatira


 Spieler des Spiels 2. DFB Hauptrunde - Holger Lemke