„Ich hätte den Jungs die Sensation gewünscht..."
…so die Worte von Waldemar Wrobel gestern zu Beginn der Pressekonferenz, nach dem tollen Auftreten seiner Elf gegen den Bundesligisten Hertha BSC Berlin. Und unsere Jungs hätten es sich wirklich verdient gehabt! Fünfundsechzig Minuten lang, hielten die Rot-Weissen tapfer und vor allem mutig gegen die alte Dame dagegen. Und nicht nur aus der rot-weissen Brille gesehen, konnte man an diesem Abend behaupten: „Die Essener waren ebenbürtig!“
Insgeheim hatten die RWE-Fans natürlich über eine Sensation nachgedacht.
Dass es aber dann wirklich zu solch einer spannenden Partie kommen
sollte, damit hatten wohl nur die kühnsten Optimisten der insgesamt
14.000 Zuschauer gerechnet. 14.000 Zuschauer! Wann hat es die zuletzt an
der Hafenstraße, beziehungsweise vielmehr im Georg-Melches Stadion,
gegeben? Und man kann festhalten. Für dieses immer noch tolle Stadion
war es gestern Abend wohl der letzte große Andrang und der letzte
Pflichtspielbesuch, der ein wenig Bundesligaluft zurück nach Essen und
zum RWE brachte!
Pünktlich um 16.05 Uhr fuhr der - von der Deutschen Bahn gesponserte –
Sonderzug aus Berlin am Essener Hauptbahnhof ein. Ca. 1.000 der
insgesamt knapp 2.000 mitgereisten Berliner sollten von nun an, mit
Sonderbussen direkt vom Hauptbahnhof zum Stadion chauffiert werden. Und
nach den Ereignissen der letzten Tage, kann man an dieser Stelle den
Berliner nur lobende Worte aussprechen. Szenen wie in Dortmund oder
Frankfurt sollten sich weder vor noch nach dem Spiel ereignen.
Während die Berliner also vom Hauptbahnhof zum Stadion gefahren wurden,
versammelten sich auch die ersten RWE-Fans schon knapp zwei Stunden vor
Anpfiff am Vorplatz hinter der Osttribüne. Ein reges Treiben von
Polizisten, Sanitätern und Ordnern, aber auch von angespannten,
aufgeregten, nervösen Fans. „Wie lang is denn noch? Noch 2 Stunden?
Erstmal noch ein Bier!“ Gegen 18.00 füllten sich dann so langsam die
Tribünen und Stadionsprecher Walter Ruege wurde nicht müde, um immer
wieder darauf hinzuweisen, dass man doch aufrücken und die Zugänge der
Tribüne freihalten sollte. Die Osttribüne begann in der Zeit schon mit
den Vorbereitungen für die Choreo. Und es war schön zu sehen, dass an
diesem Abend wirklich jeder mitmachen wollte.
Um 19.00 Uhr sollte es dann endlich soweit sein. Der Einmarsch der
beiden Mannschaften erfolgte und der Mythos Hafenstraße erwachte.
Waldemar Wrobel vertraute der kompletten Startelf, die am vergangenen
Freitag zwar gegen Lotte verlor, sich dort aber auch schon bravourös
geschlagen hatte. Markus Babbel, Trainer von Hertha BSC, nahm gleich
eine ganze Reihe an Veränderungen vor und rotierte so namenhafte Spieler
wie Adrian Ramos oder den gesamten „Bayernblock“ bestehend aus Thomas
Kraft, Andreas Ottl und Christian Lell aus der Startformation.
Während RWE sich erst einmal zurückzog, versuchten die Berliner gleich
Ball und Gegner laufen zulassen. Dieses Vorhaben gelang zwar
einigermaßen, doch gefährlich wurde es für Dennis Lamczyk und seine
Vordermänner nur selten. Rot-Weiss agierte entschlossen und presste
früh. Es gab selten Szenen zu sehen, wo mal kein RWE-Spieler beim
ballführenden Herthaner war. Und so schleusten sich mit zunehmender
Spieldauer immer mehr kleine Fehler im Berliner Aufbauspiel ein. Doch
die Roten wollten Berlin nicht den Alleinunterhalter machen lassen und
schlichen sich nach gut einer Viertelstunde selber das erste Mal in den
Sechzehner von Hertha-Schlussmann Burchert. Lukas Lenz – der wieder als
alleinige Spitze aufgeboten wurde – kam aber nicht richtig unter den
Ball und traf so nur das Außennetz. Im Gegenzug sollte den Essener kurz
der Atem stehen bleiben. Während alle auf den Abseitspfiff warteten,
stand plötzlich Tunay Turun völlig frei vor Dennis Lamcyzk. Aber der
Berliner Angreifer schien selber etwas irritiert und überrascht zu sein
und vergab diese erste große Hertha Chance kläglich. Bei diesem
Schockmoment sollte es in der ersten Halbzeit aber auch bleiben. Und RWE
ließ sich nicht einschüchtern und spielte nun selber mutig mit.
Wirbelwind Holger Lemke schaffte es ein ums andere Mal für Unruhe zu
sorgen und flankte nach ca. zwanzig gespielten Minuten von links scharf
zentral in den Strafraum. Doch Lukas Lenz – der von Maik Franz und Roman
Hubnik im Zentrum gut bewacht wurde – war in diesem Moment schon auf
einem anderen Weg und somit blieb diese gute Möglichkeit ungenutzt.
Wenn Hertha selber versuchte das Spiel über die Flügel aufzuziehen, war
es in der Regel Änis Ben-Hatira, der den Ball über die rechte Seite
bekommen sollte. Da er sich in den Zweikämpfen gegen Kevin Lehmann
allerdings vergeblich aufrieb und zudem schon mit gelb vorbelastet war,
nahm Markus Babbel ihn zu Halbzeit raus. Auf der linken Berliner
Angriffsseite taten sich Turun und Ebert sehr schwer gegen die immer
wieder mit zurück eilenden Holger Lemke und Kevin Grund. Grund hatte
sogar teilweise noch den Mumm, schwierige Situation spielerisch zu
lösen.
Mit 0:0 sollte es in die Halbzeit gehen, nachdem ein Distanzschuss von
Patrick Ebert für Dennis Lamczyk auch kein Problem darstellen sollte.
Die Hoffnung der RWE-Anhänger lebte weiter. „Und ab jetzt spielen Sie
auf unser Tor. Da ist noch alles drin. Je länger es hier 0:0 steht,
desto nervöser wird Berlin.“ Doch diese erste Halbzeit hatte sicherlich
auch viel Kraft gekostet. „Wie lange können die das durchhalten?“
In der Halbzeitpause betrat Michael Welling das Spielfeld und bedankte
sich bei Insolvenzverwalter Frank Kebekus für die geleistete Arbeit und
überreichte ihm und seinem Mitarbeiter symbolisch eine XXL-Dauerkarte
auf Lebenszeit. Somit sind die ersten beiden Dauerkarten für das neue
Stadion bereits vergeben.
Die zweite Halbzeit stand bevor und Markus Babbel schickte seine Truppe
relativ früh zurück auf den Platz. Adrian Ramos sollte nun für
Ben-Hatira das Berliner Angriffsspiel beleben. Waldemar Wrobel
verzichtete indes auf Wechsel. Und die Mannschaft begann wie man es von
ihnen kennt, wenn sie auf IHRE heimische Kulisse – die wieder einmal der
perfekte „12. Mann“ war – spielt. Timo Brauer hatte nur wenige Minuten
nach Wiederanpfiff die große Chance zur Führung. Markus Heppke hatte ihn
glänzend bedient, doch Brauer trifft den Ball im Fallen nicht richtig
und so trudelt das Leder neben das Gehäuse. Und nur wenige Minuten
später flankt Lehmann den Ball in den Berliner Strafraum. Doch Torwart
Burchert kommt den Bruchteil einer Sekunde früher an den Ball als Suat
Tokat, sonst hätte es in diesem Moment wohl 1:0 für den Außenseiter
gestanden. Das Stadion steht zu diesem Zeitpunkt Kopf. Selbst die
Haupttribüne steht – und das ohne Aufforderung! Von Hertha war bis dato
in der zweiten Hälfte noch nichts zu sehen.
Bis zur 65. Minute! Kevin Lehmann rutscht im Zweikampf gegen Turun aus
und muss diesen in den Strafraum ziehen lassen. Dirk Jasmund kommt
jedoch zur Hilfe und klärt den Ball zur Ecke. „Jetzt heißt es
aufpassen!!!“ Doch dann war´s passiert. Adrian Ramos setzt sich gegen
Suat Tokat im Kopfballduell durch und köpft zum 0:1, da auch Dennis
Lamcyzk zu spät kommt. Und irgendwie war es typisch. Aus dem Spiel
heraus wirkte die alte Dame träge und ungefährlich. Wenn ein Tor fallen
sollte, dann nur über Standardsituationen, bei denen die Essener
Hintermannschaft schon seit Wochen sehr anfällig wirkt.
Freude im Herthablock. Die ca. 12.000 RWE Fans schüttelten sich einmal
und schon ging’s weiter. Diese tapfer kämpfende Mannschaft brauchte den
Support jetzt noch mehr und sollte ihn auch bekommen. Und es hätte sich
beinah ausgezahlt. Zwanzig Minuten vor Schluss bekam Holger Lemke die
Riesenmöglichkeit zum so wichtigen Ausgleichstreffer, als er am
Sechzehnmeterraum drei Herthaner umkurvt und nur am Berliner Schlussmann
scheiterte. In der 71. Spielminute bekam die Hertha einen Freistoß auf
Höhe der Mittellinie zugesprochen. Ungefährlich sollte man meinen! Der
eingewechselte Ronny schlägt den Ball hoch in den RWE Strafraum, Dennis
Lamcyzk sieht wieder einmal mehr als unglücklich beim Rauskommen aus und
der frühere RWE-Kicker Pierre Michel Lasogga bestraft diesen Fehler
sofort und vollendet zum 0:2. So langsam verließen die Roten nun auch
die Kräfte. Dass Hertha drei Minuten vor Ende durch Nikita Rukavytsya
noch auf 0:3 erhöhte, war dann nur noch Kosmetik. Zwar spiegelte es den
Spielverlauf keineswegs wider und ließ das Ergebnis mindestens um ein
Tor zu hoch ausfallen, aber zu diesem Zeitpunkt war es dann auch egal.
Trotzdem kann die Mannschaft richtig stolz auf sich sein! In der
momentanen Phase – mit so vielen verletzten Spielern und dem Abrutschen
in der Ligatabelle auf Platz 16 – einem Bundesligsten so Paroli zu
bieten, war schon überraschend. Freud´ und Leid trennten nur Zentimeter.
Wäre RWE an diesem Abend mit 1:0 in Führung gegangen, dann hätte Hertha
ihre Pokalträume wohl erneut in der 2.Runde begraben können.
Die Enttäuschung war unseren Jungs nach Abpfiff ins Gesicht geschrieben,
das Fighten wurde nicht belohnt. Belohnt wurden sie trotzdem von ihrem
Anhang, der auch noch Minuten nach Spielende die Mannschaft mit
lautstarken Fangesängen verabschiedete.
Traurig nur, dass einige Besucher der Haupttribüne anscheinend gar keine
Lust hatten sich für diese tolle, ansprechende Leistung erkenntlich zu
zeigen. Denn sowohl nach dem 0:1 als noch viel mehr nach dem 0:2,
verließen einige Damen und Herren fluchtartig das Stadion.
Jungs…ihr habt uns einen tollen Abend beschert. Trotz der Niederlage hat
es Spaß gemacht euch zuzusehen. Schöpft Hoffnung und Selbstvertrauen
aus diesem Spiel und haut am Samstag einfach Trier weg! Wir sind stolz
auf unser Team, Rot-Weiss Essen!!!
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [3-] |
Lehmann [3+] |
Jasmund [2+] |
Denker [2] |
|
|
Koep [3] |
Brauer [2+] |
Heppke [2+] |
Tokat [2] |
Lemke [1-] |
|
Lenz [3] |
Kuta [o.B.] |
Avci [o.B.] |
Vennemann [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Lamczyk - Lehmann (75. Kuta), Jasmund, Denker, Grund - Koep, Brauer (85. Vennemann), Heppke, Tokat (79. Avci), Lemke - Lenz
Hertha BSC Berlin
Burchert - Janker, Franz, Hubnik, Lustenberger - Torun (82. Rukavytsya),
Neumann, Niemeyer, Ebert (65. Ronny) - Lasogga, Ben-Hatira (46. Ramos)
Tore
65. Adrian Ramos 0:1, 71. Pierre-Miohel Lasogga 0:2, 87. Nikita Rukavytsya 0:3
Zuschauer
14.000
Schiedsrichter
Deniz Aytekin
Gelbe Karten
Ben-Hatira