27.11.2011

Eine Durststrecke endet im Derbysieg

von

Neun lange Spiele ist es her, das Erfolgserlebnis, auf das jeder RWE-Fan gewartet hat. Doch gestern war es endlich wieder soweit. Und es war nicht irgendein Sieg.1:0 wurde das Nachwuchsteam des großen Erzrivalen geschlagen, mehr Balsam auf die geschundene Essener Seele geht nicht. Zudem wird nach genauer Betrachtung der Tabelle und der aktuellen Ergebnisse deutlich, dass dieser Erfolg enorm wichtig war, um den Anschluss an das Mittelfeld der Liga wiederherzustellen und somit der möglichen Tristesse in dieser Saison entgegenzuwirken. Es wurde allerdings einmal mehr deutlich, dass ein harter Weg vor der rot-weißen Mannschaft liegt.

 Dies bekam vor allem das Umfeld zu spüren. Vor dem Anpfiff war trotz der Bedeutsamkeit dieses Prestigeduells kaum etwas los. Nur langsam füllte sich der Vorplatz mit den hartgesottenen RWE-Fans, die sich allesamt die Frage stellten, ob es in dieser Spielzeit noch einmal in der Tabelle nach oben gehen würde. Wäre die sportliche Situation nicht trist genug, mussten die wenigen Zuschauer auch noch den Spott der etwa 20 Gästefans ertragen, welche ungestraft hinter der Osttribüne entlang stolzieren konnten. Passender Weise waren wir hier Zeuge von der einzigen geschlossenen Gruppe aus der verbotenen Stadt, mehr als knapp 40 Zuschauer aus Galgenkirchen sollten es nicht mehr werden. Entweder auf einer Geschäftsstelle am Berger Feld oder an der Hafenstraße muss ein Mitarbeiter ordentlich am Glühwein genascht haben um die Zahl „500“ an zu erwartenden Gästefans weiterzugeben. Ehrlicherweise muss man gestehen, dass bei dem großen Derby der Blau-Weißen in Dortmund nichts anderes zu erwarten war. Alles in allem passte dies alles irgendwie zu der tristen sportlichen Situation von RWE und zu diesem grauen Tag im November.

Wir lagen träumend im Gras...Schlechte Vorzeichen müssen aber nicht für ein schwaches Fußballspiel stehen. Der ehemalige Nationaltorhüter Timo Hildebrand und der unter Ex-Trainer Felix Magath protegierte Christoph Moritz sollten ein wenig blau-weißen Glanz in die Essener Hütte bringen. Waldemar Wrobel setzte in der Innenverteidigung im Gegensatz zum Spiel in Idar-Oberstein von Beginn auf Denker, zudem wurde mit Lenz, Kaya und Koep das Offensivpotential des Kaders voll ausgenutzt. Um es vorweg zu nehmen: Das Spiel sollte sich nahtlos der eher trostlosen Atmosphäre anpassen. Nach einer standesgemäßen Begrüßung der Gästefans mit der Alternativversions eines bekannten Schlagers wurde auf dem Platz fußballerische Magerkost geboten. Wenn eine Mannschaft die Initiative zu Beginn übernahm, waren es leider die unbeliebten Gäste. In der fünften Minute hätte es bereits einmal fast im Essener Kasten geklingelt, als Alex Langlitz völlig frei vor Lamczyk auftauchte, aber den Ball zum Glück nicht richtig traf. Einzig über Standardsituationen konnte die rot-weiße Mannschaft für so etwas wie Gefahr sorgen.

Die ersten dreißig Minuten dieses Kicks hatten etwas von einem Besuch im Schlaflabor. Es blieb genug Zeit um mit dem Nachbarn über die Befindlichkeiten von Familienmitgliedern oder das morgige Adventsessen zu plaudern. In dieser schier unendlichen Ruhe platzte in der 32. Minute Langlitz herein, der Koep spektakulär von den Beinen holte und mit der zweiten gelben Karte dafür belohnt wurde. Eine knappe Viertelstunde war es her als Langlitz die Aufforderungen des Schiedsrichters zur Klärung seiner Auseinandersetzung mit Lamczyk ignorierte und mit „Gelb“ verwarnt wurde. Zwei selten dämliche Aktionen bescherten also den Gästen eine Stunde Restspielzeit in Unterzahl. Wer jetzt allerdings glaubte, dass es dem Spiel der Essener Sicherheit bringen würde, hatte sich geirrt. Die Blauen standen weiter sicher in der Abwehr und mit gefährlichem Zug zum Tor. Die Essener machten bis zum Ende der ersten Halbzeit kaum etwas aus ihrer Überzahl, einzig ein Schuss von Güngör Kaya sprang bei den Offensivbemühungen heraus.

Ob es nun der Lukas war, oder der Fahrenhorst - Tor ist TorDer Beginn der zweiten Halbzeit wurde mit einem Highlight auf den Rängen eingeläutet. Schließlich besetzte ein ehemaliger Nationaltorhüter den Kasten an der Osttribüne des altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion, dies muss einfach gefeiert werden! Und damit der Gästetorwart auch schnell in die Realität des grauen RWE-Alltags gezogen wurde skandierten die Essener Fans lautstark: „Vierte Liga, Timo ist dabei!“ Na, wer sich nicht über so einem Empfang freut! Auf dem Rasen wurde es etwas besser, aber schlechter konnte es auch noch kaum werden. Und wieder blieb die Gästemannschaft trotz Unterzahl etwas gefährlicher. In der 50. Minute ging der Versuch einer Abseitsfalle völlig in die Hose und Hofmann steht alleine vor dem Essener Gehäuse, als plötzlich Vincent Wagner aus dem Nichts eine Powergrätsche ansetzte und sensationell den Schuss blockt. Neun Minuten später ist es wieder Wagner, der nach einem Fehler von Denker eine sehr gute Möglichkeit der Gäste vereitelte. Auf den Rängen glaubte zu diesem Zeitpunkt trotz bester Ausgangslage keiner so richtig an einen Sieg in rot-weißer Farbenpracht.

Doch langsam erinnerten sich die RWE-Spieler auf ihre Stärken und versuchten es mit schnellen Kurzpassspielen. Nach einer solchen tollen Kombination in der 61. Minute stand Lukas Lenz in einer aussichtsreichen Position und wird von der Seite hart niedergestreckt. Ein Pfiff blieb in dieser Situation zum Entsetzen der heimischen Schlachtenbummler aus. Wahrscheinlich hat Lukas Lenz nie von der Geschichte mit dem Jungen und dem Wolf gehört, der aus Langeweile beim Aufpassen einer Schafsherde immer „Hilfe“ schrie und bei dem echten Auftauchen schließlich aufgefressen wurde, weil niemand mehr Bock hatte dem Jungen zu helfen. So suchte Lukas Lenz sehr häufig zum Missfallen des Schiedsrichters den Kontakt mit dem kalten Boden und wurde hier für diverse Aktionen in den vergangenen Minuten vom Mann in Schwarz abgestraft. Doch dies war der Auftakt für die stärkste Essener Phase. Kurz danach prüfte Kaya Timo Hildebrand aus 25 Meter, doch der tolle Schuss konnte vom Ex-Stuttgarter noch gerade eben über die Latte gelenkt werden.

Endlich wieder ein Sieg!Es ging hier also doch noch etwas. Eine weitere gelungene Aktion über die linke Seite fand über Koep und Heppke den hart arbeitenden Grund, der den Ball irgendwie auf das Tor bringen kann. Und tatsächlich rollte der Ball anscheinend mit Hilfe eines feindlichen Kontakts zum Jubel der über 6500 rot-weißen Zuschauer über die Linie. Der Derbysieg war doch noch in greifbare Nähe gerückt. Die Zweitvertretung hatte nämlich nichts mehr entgegenzusetzen und ließ RWE weitestgehend gewähren. Eine Ecke nach der anderen konnte herausgeholt werden und die Zeit für einen möglichen Gegentreffer verstrich immer schneller. Die Negativserie hatte tatsächlich zu einem günstigen Zeitpunkt ein Ende gefunden.

Um es sinngemäß mit den Worten des Bochumer Komikers Frank Goosen zu sagen: "Schön war dat nich! Wer in einem Wörterbuch nach einem „Sieg, dreckigen“ nachschlägt wird definitiv auf dieses Spiel verwiesen". Die Essener Mannschaft zeigte sich sehr verunsichert und hatte kaum Mittel gegen eine gut geordnete zweite Mannschaft aus Herne-Ost gefunden. Die Kreativabteilung war bis auf wenige Ausnahmen völlig abgemeldet. Es bleibt auch ein Rätsel, warum die rot-weiße Mannschaft kein Mittel gegen schnelle Gegenstöße nach eigenen halbwegs gelungenen Offensivaktionen findet. Allerdings haben sich unsere Jungs durch eine sehr gute kämpferische Einstellung den Sieg verdient und den Platz in den Herzen der Fans durch diesen Prestigeerfolg weiter vergrößert. Harte Arbeit wartet auf die Jungs von Waldemar Wrobel auch spielerisch wieder einmal zu überzeugen. Ein holpriger Beginn wurde heute gemacht. Aber der Volksmund sagt es ja auch immer: Aller Anfang ist schwer. Und hoffentlich war es auch der Anfang einer Positivserie für den RWE!


Jawattdenn-Spielerbewertung

Dennis Lamczyk
Lamczyk
[2]
Dirk Jasmund
Jasmund
[2]
Vincent Wagner
Wagner
[2-]
Thomas Denker
Denker
[2]

Kevin Grund
Grund
[3]

Timo Brauer
Brauer
[2]
Benedikt Koep
Koep
[2-]
Markus Heppke
Heppke
[2+]
Güngör Kaya
Kaya
[3+] 
Holger Lemke
Lemke
[3]
Lukas Lenz
Lenz
[3+]
Cedrik Vennemann
Vennemann
[3+] 
Kerim Avci
Avci
[o.B.]
Leon Enzmann
Enzmann
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Lamczyk - Jasmund, Denker (58. Vennemann), Wagner, Grund - Koep, Brauer, Kaya (66. Avci), Heppke, Lemke (90. Enzmann) - Lenz

 

FC Schalke 04 II

Hildebrand - Ernst, Moritz, Langlitz, Weber - Fahrenhorst, Taskin, Wiegel (37. Frank), Torres (82. Quotschalla) - Hofmann, Pires-Rodrigues

 

Tore

73. Fahrenhorst (E.T.) 1:0

 

Zuschauer

6.508

 

Schiedsrichter

Sven Jablonski (Bremen)

 

Gelbe Karten

Wagner, Koep, Heppke - Taskin

 

Gelb-rote Karte

Langlitz


 Spieler des Spiels 16. Spieltag - Dirk Jasmund