Eine Durststrecke endet im Derbysieg
Neun lange Spiele ist es her, das Erfolgserlebnis, auf das jeder RWE-Fan gewartet hat. Doch gestern war es endlich wieder soweit. Und es war nicht irgendein Sieg.1:0 wurde das Nachwuchsteam des großen Erzrivalen geschlagen, mehr Balsam auf die geschundene Essener Seele geht nicht. Zudem wird nach genauer Betrachtung der Tabelle und der aktuellen Ergebnisse deutlich, dass dieser Erfolg enorm wichtig war, um den Anschluss an das Mittelfeld der Liga wiederherzustellen und somit der möglichen Tristesse in dieser Saison entgegenzuwirken. Es wurde allerdings einmal mehr deutlich, dass ein harter Weg vor der rot-weißen Mannschaft liegt.
Dies bekam vor allem das Umfeld zu spüren. Vor dem Anpfiff war trotz der
Bedeutsamkeit dieses Prestigeduells kaum etwas los. Nur langsam füllte
sich der Vorplatz mit den hartgesottenen RWE-Fans, die sich allesamt die
Frage stellten, ob es in dieser Spielzeit noch einmal in der Tabelle
nach oben gehen würde. Wäre die sportliche Situation nicht trist genug,
mussten die wenigen Zuschauer auch noch den Spott der etwa 20 Gästefans
ertragen, welche ungestraft hinter der Osttribüne entlang stolzieren
konnten. Passender Weise waren wir hier Zeuge von der einzigen
geschlossenen Gruppe aus der verbotenen Stadt, mehr als knapp 40
Zuschauer aus Galgenkirchen sollten es nicht mehr werden. Entweder auf
einer Geschäftsstelle am Berger Feld oder an der Hafenstraße muss ein
Mitarbeiter ordentlich am Glühwein genascht haben um die Zahl „500“ an
zu erwartenden Gästefans weiterzugeben. Ehrlicherweise muss man
gestehen, dass bei dem großen Derby der Blau-Weißen in Dortmund nichts
anderes zu erwarten war. Alles in allem passte dies alles irgendwie zu
der tristen sportlichen Situation von RWE und zu diesem grauen Tag im
November.
Schlechte Vorzeichen müssen aber nicht für ein schwaches Fußballspiel
stehen. Der ehemalige Nationaltorhüter Timo Hildebrand und der unter
Ex-Trainer Felix Magath protegierte Christoph Moritz sollten ein wenig
blau-weißen Glanz in die Essener Hütte bringen. Waldemar Wrobel setzte
in der Innenverteidigung im Gegensatz zum Spiel in Idar-Oberstein von
Beginn auf Denker, zudem wurde mit Lenz, Kaya und Koep das
Offensivpotential des Kaders voll ausgenutzt. Um es vorweg zu nehmen:
Das Spiel sollte sich nahtlos der eher trostlosen Atmosphäre anpassen.
Nach einer standesgemäßen Begrüßung der Gästefans mit der
Alternativversions eines bekannten Schlagers wurde auf dem Platz
fußballerische Magerkost geboten. Wenn eine Mannschaft die Initiative zu
Beginn übernahm, waren es leider die unbeliebten Gäste. In der fünften
Minute hätte es bereits einmal fast im Essener Kasten geklingelt, als
Alex Langlitz völlig frei vor Lamczyk auftauchte, aber den Ball zum
Glück nicht richtig traf. Einzig über Standardsituationen konnte die
rot-weiße Mannschaft für so etwas wie Gefahr sorgen.
Die ersten dreißig Minuten dieses Kicks hatten etwas von einem Besuch im
Schlaflabor. Es blieb genug Zeit um mit dem Nachbarn über die
Befindlichkeiten von Familienmitgliedern oder das morgige Adventsessen
zu plaudern. In dieser schier unendlichen Ruhe platzte in der 32. Minute
Langlitz herein, der Koep spektakulär von den Beinen holte und mit der
zweiten gelben Karte dafür belohnt wurde. Eine knappe Viertelstunde war
es her als Langlitz die Aufforderungen des Schiedsrichters zur Klärung
seiner Auseinandersetzung mit Lamczyk ignorierte und mit „Gelb“ verwarnt
wurde. Zwei selten dämliche Aktionen bescherten also den Gästen eine
Stunde Restspielzeit in Unterzahl. Wer jetzt allerdings glaubte, dass es
dem Spiel der Essener Sicherheit bringen würde, hatte sich geirrt. Die
Blauen standen weiter sicher in der Abwehr und mit gefährlichem Zug zum
Tor. Die Essener machten bis zum Ende der ersten Halbzeit kaum etwas aus
ihrer Überzahl, einzig ein Schuss von Güngör Kaya sprang bei den
Offensivbemühungen heraus.
Der Beginn der zweiten Halbzeit wurde mit einem Highlight auf den Rängen
eingeläutet. Schließlich besetzte ein ehemaliger Nationaltorhüter den
Kasten an der Osttribüne des altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion, dies
muss einfach gefeiert werden! Und damit der Gästetorwart auch schnell in
die Realität des grauen RWE-Alltags gezogen wurde skandierten die
Essener Fans lautstark: „Vierte Liga, Timo ist dabei!“ Na, wer sich
nicht über so einem Empfang freut! Auf dem Rasen wurde es etwas besser,
aber schlechter konnte es auch noch kaum werden. Und wieder blieb die
Gästemannschaft trotz Unterzahl etwas gefährlicher. In der 50. Minute
ging der Versuch einer Abseitsfalle völlig in die Hose und Hofmann steht
alleine vor dem Essener Gehäuse, als plötzlich Vincent Wagner aus dem
Nichts eine Powergrätsche ansetzte und sensationell den Schuss blockt.
Neun Minuten später ist es wieder Wagner, der nach einem Fehler von
Denker eine sehr gute Möglichkeit der Gäste vereitelte. Auf den Rängen
glaubte zu diesem Zeitpunkt trotz bester Ausgangslage keiner so richtig
an einen Sieg in rot-weißer Farbenpracht.
Doch langsam erinnerten sich die RWE-Spieler auf ihre Stärken und
versuchten es mit schnellen Kurzpassspielen. Nach einer solchen tollen
Kombination in der 61. Minute stand Lukas Lenz in einer aussichtsreichen
Position und wird von der Seite hart niedergestreckt. Ein Pfiff blieb
in dieser Situation zum Entsetzen der heimischen Schlachtenbummler aus.
Wahrscheinlich hat Lukas Lenz nie von der Geschichte mit dem Jungen und
dem Wolf gehört, der aus Langeweile beim Aufpassen einer Schafsherde
immer „Hilfe“ schrie und bei dem echten Auftauchen schließlich
aufgefressen wurde, weil niemand mehr Bock hatte dem Jungen zu helfen.
So suchte Lukas Lenz sehr häufig zum Missfallen des Schiedsrichters den
Kontakt mit dem kalten Boden und wurde hier für diverse Aktionen in den
vergangenen Minuten vom Mann in Schwarz abgestraft. Doch dies war der
Auftakt für die stärkste Essener Phase. Kurz danach prüfte Kaya Timo
Hildebrand aus 25 Meter, doch der tolle Schuss konnte vom Ex-Stuttgarter
noch gerade eben über die Latte gelenkt werden.
Es ging hier also doch noch etwas. Eine weitere gelungene Aktion über
die linke Seite fand über Koep und Heppke den hart arbeitenden Grund,
der den Ball irgendwie auf das Tor bringen kann. Und tatsächlich rollte
der Ball anscheinend mit Hilfe eines feindlichen Kontakts zum Jubel der
über 6500 rot-weißen Zuschauer über die Linie. Der Derbysieg war doch
noch in greifbare Nähe gerückt. Die Zweitvertretung hatte nämlich nichts
mehr entgegenzusetzen und ließ RWE weitestgehend gewähren. Eine Ecke
nach der anderen konnte herausgeholt werden und die Zeit für einen
möglichen Gegentreffer verstrich immer schneller. Die Negativserie hatte
tatsächlich zu einem günstigen Zeitpunkt ein Ende gefunden.
Um es sinngemäß mit den Worten des Bochumer Komikers Frank Goosen zu
sagen: "Schön war dat nich! Wer in einem Wörterbuch nach einem „Sieg,
dreckigen“ nachschlägt wird definitiv auf dieses Spiel verwiesen". Die
Essener Mannschaft zeigte sich sehr verunsichert und hatte kaum Mittel
gegen eine gut geordnete zweite Mannschaft aus Herne-Ost gefunden. Die
Kreativabteilung war bis auf wenige Ausnahmen völlig abgemeldet. Es
bleibt auch ein Rätsel, warum die rot-weiße Mannschaft kein Mittel gegen
schnelle Gegenstöße nach eigenen halbwegs gelungenen Offensivaktionen
findet. Allerdings haben sich unsere Jungs durch eine sehr gute
kämpferische Einstellung den Sieg verdient und den Platz in den Herzen
der Fans durch diesen Prestigeerfolg weiter vergrößert. Harte Arbeit
wartet auf die Jungs von Waldemar Wrobel auch spielerisch wieder einmal
zu überzeugen. Ein holpriger Beginn wurde heute gemacht. Aber der
Volksmund sagt es ja auch immer: Aller Anfang ist schwer. Und
hoffentlich war es auch der Anfang einer Positivserie für den RWE!
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [2] |
Jasmund [2] |
Wagner [2-] |
Denker [2] |
|
|
Brauer [2] |
Koep [2-] |
Heppke [2+] |
Kaya [3+] |
Lemke [3] |
|
Lenz [3+] |
Vennemann [3+] |
Avci [o.B.] |
Enzmann [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Lamczyk - Jasmund, Denker (58. Vennemann), Wagner, Grund - Koep, Brauer, Kaya (66. Avci), Heppke, Lemke (90. Enzmann) - Lenz
FC Schalke 04 II
Hildebrand - Ernst, Moritz, Langlitz, Weber - Fahrenhorst, Taskin, Wiegel (37. Frank), Torres (82. Quotschalla) - Hofmann, Pires-Rodrigues
Tore
73. Fahrenhorst (E.T.) 1:0
Zuschauer
6.508
Schiedsrichter
Sven Jablonski (Bremen)
Gelbe Karten
Wagner, Koep, Heppke - Taskin
Gelb-rote Karte
Langlitz