Rot-Weiss Essen - 1. FC Kaiserslautern II
Im fünften Heimspiel der Saison hat es RWE nun erwischt. Die erste Niederlage vor stimmungsvoller Flutlicht-Kulisse nahm in der ersten Halbzeit ihren Lauf, als der Gast vom Betzenberg aus drei Chancen drei Tore machte. Und die RWE-Spieler ihnen dabei zuschauten. Eine wie verwandelt aus der Kabine gekommene Rot-Weiss-Elf schien nach Toren von Avci und Lenz dann auf dem besten Weg zum Happy End, konnte aber auch mit Hilfe von zwei Platzverweisen für Lautern in den letzten 20 Minuten ein Remis nicht mehr erzwingen.
Ein lauschiger Spätsommertag, Temperaturen noch über 20 Grad, die
Umrisse des neuen Stadions nun schon deutlich zu erkennen und der
Parkplatz P2 auf jenes (hohe) Niveau angehoben, auf das demnächst das
ganze Areal aufgeschüttet werden wird. Kurz: Eine Kulisse wie gemalt –
und komplettiert durch 6.870 erwartungsvolle Zuschauer.
Waldemar Wrobel hatte es vor dem ersten Spiel nach 14tägiger Pause
angemahnt: „Lautern II ist ähnlich einzuschätzen wie die Reserve vom VfL
Bochum. Es gilt, besonders aggressiv in die Zweikämpfe zu gehen und
schnell von Defensive auf Offensive umzuschalten. Wir wollen uns
gegenüber dem 1:1 gegen Bochum steigern und dominant auftreten.“
Die vom Ex-Essener Kicker Alois Schwartz trainierten Betzebuben kamen
mit der Bürde nach Essen, in diesem Jahr erst ein Regio-Spiel gewonnen
zu haben. „Vor dieser Kulisse ist Männerfußball gefragt“, gab Schwarz
die Marschroute aus. Gegenüber der Niederlage gegen Dortmund II (2:4)
nahm er zwei Änderungen vor: Der erst 18jährige Jungprofi Dominique
Heintz (mit Vertrag bis 2015!) rückte für den verletzten Giuliano Modica
in die Innenverteidigung. Im Mittelfeld kam erstmals der seit Anfang
April nicht mehr in einem Pflichtspiel aktive Profi Jiri Bilek zum
Einsatz – er hatte sich im Urlaub beim Sturz von einem Kirschbaum böse
verletzt. Besonderes Augenmerk legten die Essener auf Andrew Wooten, den
Sturmführer der kleinen Roten Teufel. Der Spieler mit Rückennummer 10
erzielte bislang in 75 Regionalpartien 23 Tore. Um es vorweg zu sagen:
Wooten wurde an diesem Abend erfolgreich aus dem Spiel genommen – dafür
schossen leider andere die Tore.
Enzmann zum ersten Mal in dieser Saison in der Startelf
Bei RWE kam erstmals in dieser Saison Leon Enzmann von Beginn an im
Duett mit Kevin Grund auf der linken Seite zum Einsatz. Kerim Avci
rückte dafür ins Zentrum, mit „Bene“ Koep als zentraler Spitze davor.
Markus Heppke und Dirk Jasmund bildeten erneut die Innenverteidigung, da
sich die Probleme am Knie von Maik Rodenberg unter der Woche erneut
kompliziert hatten und auch Adrian Schneider und Kevin Lehmann
verletzungsbedingt passen mussten.
Rot-Weiss legte im ersten Flutlichtspiel der laufenden Saison zunächst
schwungvoll los. Schon in der 2. Minute drischt Heppke einen direkten
Freistoß knapp über den Lauterer Kasten, ehe Linsmayer für Lautern nach
einer Ecke erstmals frei zum Kopfball kommt. Noch unplatziert und daher
ohne Konsequenzen.
Es folgen zunächst nochmals zwei gute Möglichkeiten für die Roten:
Zunächst in der 7. Minute in Gestalt eines Kopfballs von Koep nach
schöner Flanke von Kuta, der knapp vorbeistreicht. Kurz darauf verzieht
Enzmann aus aussichtsreicher Position, nachdem zuvor Koep aus spitzem
Winkel Torwart Knaller angeschossen hatte.
Unbedrängt und im Stile eines Filigrantechnikers macht Zuck das 0:1
Wie aus heiterem Himmel und mitten in diese erste kleine Drangperiode
der Hausherren dann das 0:1 in der 9. Minute: Unbedrängt und im Stile
eines Filigrantechnikers schlenzt Hendrick Zuck das Leder aus zirka 20
Metern butterweich über den etwas zu weit vor seinem Gehäuse stehenden
Lamczyk hinweg ins Netz. Es war das dritte Saisontor des Lauteres, der
noch genug Zeit hatte, sich zu drehen und in Ruhe Maß zu nehmen.
In der ersten Hälfte operierte RWE zu linkslastig
Nachdem Suat Tokat in der 13. Minute nur knapp an einem von Heppke
hereingegebenen Freistoß vorbeigerutscht war, ergibt ein erstes Fazit:
RWE noch nicht mit dem richtigen Timing, mit zu wenig Präzision und Zug
zum Tor. Lediglich die „Linksfraktion“ mit Enzmann und Grund sowie die
unermüdlich rackernden Koep und Kuta ragen aus einer noch nicht ganz
wachgerüttelten Mannschaft heraus. Über die rechte Seite läuft im
Gegensatz zu links so viel wie nichts, sodass Holger Lemke zunächst
wirkungslos bleibt. „Wir hatten in der ersten Hälfte über die linke
Seite gute Szenen, haben aber zur Zeit in der Mittelzone keinen, der die
dann verwertet“, stellte Waldemar Wrobel später in der PK fest.
Nach einer gelben Karte für den Lauterer Heintz dauert es dann bis zur
24. Minute, ehe sich die Essener wieder eine Chance erarbeiten: Doch
Avci verzieht nach feiner Vorarbeit von Grund knapp.
Zarte Hoffnungen auf einen schnellen Ausgleich zerstreuen sich dann in
Minute 30: Ein Freistoß von Alan Stulin segelte an Freund und Feind
vorbei zu Jiri Bilek, der vor dem auf der Torlinie klebenden Lamczyk nur
noch zum 0:2 einzunicken braucht. „Lautern wollte die Tore, und wir
schauen zu“, beklagte Wrobel später.
Bis auf zwei Gelegenheiten für Avci und Enzmann kommen die vom Publikum
trotz des Rückstands weiter vorbildlich unterstützten Gastgeber in der
Folgezeit weiter zu keinen zwingenden Möglichkeiten. Erst in der 33.
Minute erzwingen sie ihre erste Ecke, der 1.FCK hat es bis dahin schon
auf vier gebracht.
Zum Ende der ersten Halbzeit verflacht dann das Spiel. Die vor allem bei
Standardsituationen und hohen Bällen gefährlichen Pfälzer tun nicht
mehr als nötig, während RWE weiter nach der rechten Bindung zwischen den
einzelnen Mannschaftsteilen forscht. Avci setzt zwar mit einigen
beherzten Aktionen immer wieder Akzente, dagegen kann die
Kreativabteilung Brauer/Tokat noch nicht an alte NRW-Liga-Glanzzeiten
anknüpfen. Der hochmotivierte Enzmann hat in der 37. Minuten nochmals
eine Chance, lässt aber nach starkem Beginn nun etwas nach.
Bei Standards offenbarte RWE gravierende Deckungslücken
Aus einem wie stets an diesem Abend auf Lauterer Seite von Zuck
geschossenen Freistoß folgt dann in der 41. Minute sogar noch das 0:3:
Der bullige Adam Nemec, wie Bilek Mitglied des Profi-Kaders der Roten
Teufel, köpft völlig unbedrängt ein. Erneut offenbaren sich in dieser
Szene Essener Deckungslücken und Abstimmungsprobleme bei
Standardsituationen.
Mit dennoch nur ganz vereinzelten Pfiffen werden die Roten in die Kabine
verabschiedet – die sie dann 15 Minuten wie ausgewechselt verlassen.
Zunächst verpasst Enzmann das 1:3 (47.) – er schießt zunächst den
Torwart an, dann prallt ihm der Ball noch einmal gegen das Schienbein –
und von dort ins Seitenaus. Die Aktion wirkt wie ein Weckruf – RWE
bleibt sofort am Drücker, erzwingt erst eine Ecke, ehe Avci nach Zuspiel
von Tokat in der 50. Minute mit einem sehenswerten Flachschuss aus 18
Metern auf 1:3 verkürzt.
Mit noch mehr Support von den Rängen entwickelt Rot-Weiss nun endlich
jene Power und Dominanz, die man sich von Beginn an gewünscht hätte. Und
setzt die schwarz-weiß gestreiften Gäste tatsächlich noch einmal unter
Druck. Nun ist plötzlich auch Lemke wie ausgewechselt, sprüht geradezu
vor Einsatzfreude. In der 54. köpft er nach einer erneuten Sahne-Flanke
von Grund den Ball auf die Latte des Lauterer Gehäuses.
Lenz gelingt mit der ersten Ballberührung das 2:3
In der 64. Minute dann der Lohn für das couragierte Offensivspiel: Lukus
Lenz, gerade erst frisch für Enzmann hereingekommen, gelingt mit seiner
ersten Ballberührung per Kopf das 2:3.
Nun kocht die Ruine – und sie brodelt fast über, als Kaiserslautern in
der 68. und 69. Minute gleich zwei rote Karten infolge kassiert. Zuerst
erwischt es Alan Stulin nach einem Foul an Avci – für das man mit
Wohlwollen auch nur Gelb hätte geben können. Dann Nemec, den der
mitunter etwas kleinlich pfeifende Referee Rafael Foltyn wegen Meckerns
gleich hinterher schickt.
FCK in den letzten 20 Minuten nur noch mit neun Akteuren
So bleiben Kaiserlautern für die letzten 20 Minuten nur noch acht
Feldspieler. Schwarz wechselt den insgesamt etwas hinter den Erwartungen
gebliebenen Wooten gegen den Defensivmann Rizzuto (72.) aus – und gibt
das Kommando zum Einigeln.
Wrobel reagiert seinerseits und bringt in der 77. Minute Kaya für Avci,
später noch Schlomm für Brauer. Wie zu erwarten, entwickelt sich bis auf
gelegentliche Entlastungsvorstöße durch Lauterns Zellner nun ein Spiel
auf ein Tor. In der 80. Minute verpasst Lemke nach Vorlage von Kaya das
Tor, und als Schlussmann Knaller den Ball zu lange hält und dafür einen
Freistoß für Essen provoziert, ergibt sich in der 87. Minute erneut eine
große Chance – doch Grund setzt aus 14 Metern den Ball links neben den
Kasten.
Es fehlte der EINE geniale und abgeklärte Pass zum verdienten Ausgleich
Noch einmal Aufregung nach einer Feuerzangen-Attacke auf Knaller von der
Ost, dann Gelb für den Keeper wegen Spielverzögerung und noch zwei
ungenutzte Chancen für Lemke und Lenz. Doch das aufgrund der
Spielanteile über 90 Minuten sicherlich verdiente 3:3 will einfach nicht
fallen. Der Einsatz stimmte, die Chancen zum Remis waren zuhauf da,
doch fehlte am Ende die EINE zündende Idee, der EINE abgeklärte tödliche
Pass in die Schnittstelle einer Lauterer Resttruppe, die selbst in
brenzligsten Situationen geordnet blieb und trotz Hexenkessel-Stimmung
nie hektisch wurde.
In der PK sprach Lauterns Coach Schwartz Alois Schwartz von „einem guten
Ausbildungsspiel, das wir etwas glücklich, aber nicht ganz unverdient
als Sieger verlassen.“ Nach verdienten Niederlagen gegen Dortmund und
Verl habe man sich für dieses „typische Hafenstraßen-Spiel“ viel
vorgenommen, so Schwartz weiter. „Nach schlechtem Beginn haben wir
besser ins Spiel gefunden und die bei einigen jüngeren Spielern
festzustellende Nervosität abgelegt. RWE war in der ersten Halbzeit
nicht so präsent, so machen wir aus einem Standard sogar noch das 3:0.“
Schwartz: „Müssen nach der Halbzeit zehn Minuten überstehen“
In der Halbzeit habe er seiner Mannschaft gesagt: „Wir müssen die ersten
zehn Minuten ohne Gegentor überstehen, dann kommen die ersten Pfiffe.“
Doch statt Missfallensbekundungen kamen zwei Gegentore – und „so war das
Spiel nach dem 2:3 nochmals völlig offen. Nach den zwei Roten Karten
haben wir schnell umgeschaltet und gut gegen den Ball gearbeitet.“
Waldemar Wrobel begann seinen Kommentar zum Spiel mit der Feststellung:
„Spiele werden im Strafraum entschieden.“ Wobei er eindeutig auf das
schlechte Deckungsverhalten seiner Abwehrleute hinwies.
Wrobel: „Von einem verdienten Lauterer Sieg kann keine Rede sein“
Dass Lautern verdient als Sieger den Platz verlassen hätte, wollte er
aber nicht gelten lassen. „Der FCK hatte drei finale Chancen, aus denen
er drei Tore macht. Wir hatten deutlich mehr Möglichkeiten, viele davon
mit mehr als 80 und 90 Prozent. Wir hätten sie nur nutzen müssen.“
Den Eindruck, seine Spieler hätten die numerische Überlegenheit der
letzten 20 Minuten nicht konsequent und clever genug ausgenutzt, wehrte
Wrobel vehement ab: „Beim Spiel Hertha BSC gegen Werder Bremen, bei dem
wir live vor Ort waren, haben die Bremer in der gleichen
Überzahl-Situation deutlich weniger Chancen kreiert als wir heute. Ich
stelle mich da ganz entschieden hinter meine Mannschaft, die sehr
akribisch gespielt hat!“
Thomas Imhof
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [3-] |
Grund [3-] |
Jasmund [4+] |
Heppke [3-] |
|
|
Brauer [3+] |
Tokat [3] |
Lemke [3] |
Avci [2-] |
Enzmann [3] |
|
Koep [3] |
Lenz [o.B.] |
Kaya [o.B.] |
Schlomm [o.B.] |
Rot-Weiss Essen
Lamzyk – Kuta, Jasmund, Heppke, Grund – Brauer (86. Schlomm), Tokat – Lemke, Avci (76. Kaya), Enzmann (64. Lenz) – Koep
1. FC Kaiserslautern II
Knaller - Becker, Heintz, Linsmayer, Stulin – Bilek, Zellner – Himmel (86. Lindner), Nemec, Zuck – Wooten (71. Rizzuto)
Schiedsrichter: Rafael Foltyn (Mainz-Kastel)
Tore
0:1 Zuck (9.), 0:2 Bilek (30.), 0:3 Nemec (41.), 1:3 Avci (50.), 2:3 Lenz (64.)
Zuschauer
6.870
Schiedsrichter
Rafael Foltyn (Mainz-Kastel)
Gelbe Karten
Koep - Knaller, Bilek
Rote Karten
Sulin wegen groben Foulspiels (68.), Nemec wegen Meckerns (69.)