30.10.2010
Wegberg-Beeck - Rot-Weiss Essen
„Nothing`s gonna stop us now…“
… so könnte das derzeitige Motto gemäß einem alten Klassiker der Gruppe „Starship“ aus den achtziger Jahren rund um die Hafenstraße lauten. 0:2 hieß es am Ende aus Sicht des Gastgebers Wegberg-Beeck, der diesen Titel nur teilweise verdiente. Die Fahrt in das Grenzland glich einer Zumutung für die angereisten Fans: Mit dem Auto musste man eine schlecht beleuchtete Straße durch einen Wald fahren, nachdem man schon eine sehr viel befahrene Autobahn hinter sich gebracht hatte. Damit war diese Sorte von Fans immer noch besser dran als die Zug- bzw. Busfahrer, die kaum Möglichkeiten für ihre Rückreise aus dem verschlafenen Wegberg hatten. Es bleibt unverständlich, warum Rhynern und Windeck es geschafft haben, ihre Spiele gegen RWE in größere Stadion zu verlegen und Wegberg das Spiel auf ihrem etwas größer geratenen Bolzplatz mit mittelalterlicher Flutlichtanlage zu einer gottlosen Zeit mitten im Nirgendwo austragen wollte. Eine Verlegung in das nahe liegende Mönchengladbach oder auch ins Grenzlandstadion nach Rheydt wären mehr als vertretbare Optionen gewesen.Aber zurzeit kann niemand weder die Essener Fans noch die Essener Spieler stoppen. Auch nicht ein monströs anmutender Bauzaun, der aus Gastfreundlichkeit extra auf die Seite der Gäste gestellt wurde. Offenbar hatte der Gastgeber zu viel Angst davor, dass eine Horde wild gewordener Großstädter auf das Spielfeld rennen und die letzte bespielbare Wiese im Grenzland zerstören könnte. Die mitgereisten Fans wollten sich aber nicht mit sichtbehinderten und auch gefährlichen (zudem äußerst hässlichen) Zäunen abfinden und montierten die ziemlich mitgenommen aussehenden Gitter einfach ab. Doch die Zuschauer hatten nicht die Rechnung mit Schiedsrichter Thomas Metzen gemacht. Nicht aus Sympathie für die aufwändige Arbeit der Wegberger für das Aufstellen der Zäune, sondern aus Angst um die Sicherheit seines Assistenten weigerte er sich, die Partie anzupfeifen. Also mussten die Zäune unter lauten Protest wieder aufgestellt werden. Wie sollte man dies auch verstehen, wenn in Hüls die umstehenden Banden kein Problem darstellten und es auch keine Ausschreitungen trotz einer Niederlage gab, während in Wegberg die Zäune bleiben mussten. Mancher Fan entwickelte bei dem Wiederaufstellen handwerkliche Fähigkeiten, und wenn das nicht reichte, gab es ja noch ordentlich Kabelbinder, die jetzt in den umliegenden Baumärkten leider ausverkauft sind. Das Spiel konnte also mit einer ca. 15 minütigen Verspätung doch beginnen, auch wenn die jetzt wieder aufgestellten „Zäune“ keiner bautechnischen Überprüfung stand gehalten hätten.
Auf dem Rasen entwickelte sich zunächst keine hochklassige Partie. Die Essener fanden nur schwer in das Spiel hinein, die Gastgeber waren in den ersten Minuten etwas bemühter. Erst nach etwa 10 Minuten nahm dann RWE das Spiel in die Hand, allerdings dann mit deutlichen Ausrufezeichen. Timo Brauer kann sich auf der rechten Seite durchsetzen, gibt den Ball flach in den Strafraum hinein und plötzlich ist der Ball im Tor. Leider ist der Jubel zu früh, da der Schiedsrichter eine Abseitsstellung von Lenz, der anscheinend als Letzter am Ball war, erkannte. Mit dieser Entscheidung war Herr Metzen aber so ziemlich alleine. Allerdings war diese Situation von dem Maulwurfshügel, auf dem die Gästefans untergebracht wurden, kaum zu sehen. In der 22. Minute versuchte Avci es einmal mit „Wegberger“-Mitteln: Einfach mal das Dingen aus zwanzig Meter auf das Tor zimmern. 90 Prozent aller Torhüter auch in der NRW-Liga hätten diesen Ball festgehalten, Rodemers im Wegberger Tor aber nicht. Lukas Lenz erfüllt alle Vorgaben an einen Stürmer und schiebt den Ball unter dem lauten Jubel der Fans zum 0:1 ein.
Der Bann war jetzt gebrochen und mit der Sicherheit dieser Führung gelang der Mannschaft von der Hafenstraße einiges mehr. Doch die wenigen Aktionen der Wegberger brachten dennoch Gefahr für das Essener Tor. Ein direkter Freistoß kann von Thamm noch geklärt, der Sololauf eines Wegbergers kann von Wagner mit einer erstklassigen Rettungstat entscheidend gestört werden. Die gastgebende Mannschaft konnte trotz sichtbarer Schwächen einige Male gefällig nach vorne spielen, im Abschluss versagten die Spieler aber sehr kläglich oder standen sich selber im Weg. Auch technisch waren die Essener das deutlich bessere Team. Es macht einfach Spaß, Spieler wie Brauer und Enzmann am Ball zu sehen. Letzter bekommt in der 39. Minute eine Riesenchance, indem er in den Strafraum eindringt und sich den Ball schön am Torwart vorbeilegt. Rodemers geht dazwischen, Enzmann fällt, doch Schiedsrichter Metzen verweigert den Strafstoß. Von der Tribüne sah es so aus, als ob dieser Elmeter gegeben werden musste, auch ein vorsätzlicher Fall von Enzmann machte kaum Sinn, da trotzdem die Chance zum Tor dagewesen wäre. Aber es ging weiter, so dass sich RWE noch eine dicke Möglichkeit erarbeiten konnte. Eine Flanke von links findet den Kopf von Holger Lemke, doch Rodemers klärt den Ball glänzend von der Linie. Weder Lemke noch die Zuschauer hatten eine Ahnung, wie der Wegberger Torwart diesen Ball noch halten konnte.
Die Führung zur Halbzeit war hoch verdient, allerdings konnten die Essener ihre spielerischen Vorteile nicht nutzen. Auch die herausgespielten Chancen mussten besser genutzt werden. Mit mehr Energie im Essener Spiel wären noch mehr Tore für die Gäste gefallen. Jetzt blieb den Zuschauern Zeit, auf die Suche nach „Pauli“, den berühmten Maulwurf aus der Sendung mit der Maus, zu gehen. Zur Toilette mussten die männlichen Fans auch nicht laufen, da reichte eine Gang über den Hügel völlig aus. Zur Ehrenrettung der Organisatoren muss man sagen, dass wenigstens die Versorgung an Getränken und Lebensmittel für 1500 rot-weisse Fans ausreichend war. Außerdem konnten die Fans eine Stunde vor Spielbeginn einen Parkplatz direkt am Stadion sichern, entgegen anderer Berichte wurden auch zwei Shuttlebusse zu den weit entfernten Bahnhöfen eingesetzt.
Die Vorfreude auf die zweite Halbzeit legte sich schnell zum Wiederanpfiff. Das Niveau des eher mäßigen Spiels nahm nicht zu, die Essener Fans versuchten trotz widriger Bedingungen das Beste aus der Situation zu machen. Mehr ging aber leider nicht. Gefährlich bei solchen Spielen bleibt die eine Möglichkeit, die das Spiel auf den Kopf stellen konnte. In der 57. Minuten gab es so eine Möglichkeit, als der Wegberger Schnitzler nach einem schönen Zuspiel frei vor Torwart Lamczyk auftaucht aber kläglich weit über das Tor schoss. Das Spiel wurde bis zum Ende bissiger geführt, so dass Wagner und Avci länger auf dem Platz behandelt wurden. Das Spiel plätscherte mit einigen gelben Karten vor sich hin und es sah alles nach einem Arbeitssieg für Essen aus. Kurz vor dem Ende eine Kopie einer Situation aus der ersten Halbzeit, als Lemke den Ball gefährlich auf das Tor köpfen kann. Wieder einmal war es Rodemers, der seinen Fehler zum 0:1 vergessen machen wollte und auch diesen Kopfball sensationell hielt. Seine Mannschaftskollegen waren aber zu weit raus gerückt, Jasmund steht kurz nach dieser Szene auf der rechten Seite völlig frei und kann einen satten Schuss in das Netz setzen: 0:2! Es brachen alle Dämme, der zweite Auswärtssieg in dieser Saison konnte gefeiert werden. Wenig später pfiff der sehr arrogant pfeifende Metzen das Spiel doch noch zwei Stunden vor Mitternacht ab.
Die Mannschaft aus Essen macht weiter sehr viel Spaß. Dieses Spiel hat gezeigt, dass man vielen Teams in der Liga nicht nur kämpferisch überlegen ist. Allerdings hätte diese Partie einen anderen Ausgang nehmen können, wenn die Wegberger ihre Chancen genutzt hätten und etwas mutiger aufgetreten wären. Dies soll aber nicht diesen Erfolg schmälern, da die Bedingungen für alle nach Wegberg gereisten Beteiligten mehr als schwierig waren. In Wegberg zeigt die NRW-Liga deutlich ihre Schattenseiten, diesen Ort muss keiner, der sich mit RWE identifiziert, jemals wieder sehen. Es bleibt zu hoffen, dass der RWE-Express weiter rollen kann und nicht gestoppt wird.
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [2-] |
Dutschke [3] |
Wagner [2-] |
Thamm [2] |
|
|
Brauer [2] |
Tokat [3] |
Lemke [3] |
Avci [3+] |
Enzmann [3] |
|
Lenz [3+] |
Jasmund [o.B.] |
Vennemann [o.B.] |
Jensen [o.B.] |
Wegberg-Beeck
Rodemers - Puhl, Nimptsch (82. Berkigt), Rrustemi, Klinger - Enache, Walbaum - Bischoff (74. Zaanani), Zajas, Ajani (68. Pozder) - Schnitzler Rot-Weiss Essen
Lamczyk - Dutschke (78. Jasmund), Wagner, Thamm, Kuta - Tokat, Brauer - Enzmann, Avci (78. Vennemann), Lemke (90. Jensen) - Lenz Tore0:1 Lenz (22.), 0:2 Jasmund (88.)
1.795
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