19.02.2011

Rot-Weiss Essen - Westfalia Rhynern


Eiskaltes Remis

Darf man nach dem zweiten Holper-Spiel infolge schon von einer „Mini“-Krise beim Tabellenführer Rot-Weiss Essen reden? Oder wiegt die Tatsache, aus den ersten drei Spielen nach der Winterpause sieben Punkte geholt zu haben und noch immer unbesiegt zu sein, nicht schwerer? Fakt ist, dass nach den beiden glanzvollen Siegen gegen Fortuna Köln und im Pokal gegen den Wuppertaler SV die Formkurve des jungen RWE-Teams aktuell etwas nach unten zeigt.

Wieder über 6.000 Zuschauer an der HafenstraßeReichte es am letzten Sonntag in Schermbeck noch zu einem 2:1-Auswärtssieg, musste sich die kämpferisch zwar tadellose, oft aber zu überhastet und als Kollektiv zu unkoordinierte Wrobel-Truppe diesmal mit einem 1:1 gegen Westfalia Rhynern bescheiden. Damit kam RWE wie schon im Hinspiel (2:2) gegen den vom Ex-Essener Spieler und Co-Trainer Michael Lusch trainierten Aufsteiger nicht über ein Remis hinaus. „Wir haben nicht gut gespielt, hatten zwei hundertprozentige Chancen, konnten aber Rhynern heute spielerisch nicht knacken“, beschönigte Trainer Waldemar Wrobel die Leistung nicht. Um beruhigend hinzuzufügen: „Wir bleiben entspannt. Solche Spiele wird es immer einmal geben, das passiert auch anderen.“ Lusch dagegen war stolz, „beim Tabellenführer einen Punkt geholt zu haben.“

Schon im Vorfeld hatte der hauptberufliche Polizist vor den letztmals am 28. November 2010 in einem Pflichtspiel aktiven Gästen gewarnt: „Sie sind unbequem zu spielen, haben im letzten Spiel vor der Winterpause 2:1 in Windeck gewonnen und als einzige Mannschaft gegen die beiden ersten der Tabelle ein Unentschieden erkämpft. Sie sind ausgebufft – und kennen uns genau.“

Auch Temperaturen von lediglich drei Grad über Null hatten erneut weit über 6.000 Zuschauer nicht davon abgehalten, die „einzigartige Atmosphäre im Georg-Melches-Stadion“ (Zitat Michael Lusch) genießen zu wollen. Zum dritten Mal infolge vertraute Waldemar Wrobel jener Elf, die zuvor mit drei Siegen so exzellent ins Jahr 2011 gestartet war. Lediglich auf der Auswechselbank nahm Victor Huschka anstelle von Christopher Bartsch Platz. Bei den Hammer Vorstädtern – die aus zuletzt vier Spielen zehn Punkte gesammelt hatten – stand eine von drei Winter-Neuverpflichtungen im Aufgebot - der vom Regionalliga-Zwangsabsteiger Bonner SC gewechselte Mittelfeldspieler Danilo - mit vollständigem Namen Fernando de Evangelista. Dafür den Essener wohlbekannte Akteure wie die torgefährlichen Offensivkräfte Björn Traufetter und Dennis Buschening oder auch Alexander Schilling oder Arben Tahiri, die RWE schon beim Hinspiel im Werse-Stadion von Ahlen viel Kopfzerbrechen bereitet hatten.

„Man hat am Anfang gesehen, dass wir lange nicht gespielt haben“, bekannte Michael Lusch später. „In der ersten Hälfte hat meine Mannschaft wenig Mut gezeigt, RWE hatte die klareren Chancen.“ In der Tat lauerte am Anfang nur Goalgetter Traufetter, abwechselnd von Thamm oder Wagner „betreut“, auf eine Überraschungschance. Ab und an unterstützt von Dominik Lipki.

Traf zum 1:0 - Cedric VennemannDoch es war die Heimmannschaft, die wie zu erwarten auf das erste Tor drängte. Die erste Möglichkeit für die Roten bot sich Abräumer Jan Jensen (8.), sein Schuss wurde jedoch zur zweiten Ecke abgeblockt.
Der lauffreudige Meik Kuta beackerte wie immer mit irrwitzigem Tempo die linke Außenbahn – und der in dieser Phase noch sehr konzentrierte Capitano Timo Brauer fütterte seine Kollegen mit exakt getimten Pässen. Ebenso Vincent Wagner, dessen Langhölzer über gut 30 Meter immer wieder ihren Abnehmer – zumeist Holger Lemke – fanden.
Nach und nach eroberten sich die Roten so ein klares Chancenplus. In der 18. Minute bot sich Lemke die nächste Chance – die aber nur zur vierten Ecke führte. Nur eine Minute später tankte sich der im Vergleich zu den letzten Spielen deutlich stärkere Leon Enzmann an vier Gegenspielern vorbei – aber sein Flachschuss war nicht platziert genug. Anschließend strich ein Schuss von Brauer übers Tor.

Nach etwa 20 Minuten wurden die anfangs von der für sie ungewohnten Kulisse wohl doch beeindruckten Westfalen mutiger und wagten sich mit vier, fünf Mann bis weit in die Essener Hälfte vor. Trotzdem konnte das Match in dieser Phase die fröstelnden Zuschauer kaum erwärmen – zu umständlich und mit zu vielen Einzelaktionen agierte Essen, zu sehr dominierte bei Rhynern noch das Sicherheitsdenken.

Aus der Kältestarre befreit wurden die RWE-Fans dann blitzartig durch einen fulminanten Querschläger Kutas. Über das halbe Feld trudelte der Ball von rechts nach links – und dem dort frei stehenden Traufetter direkt vor die Füße. Von so viel Glück wohl selbst überrascht, drosch der Goalgetter die Kugel zur kollektiven Erleichterung aller Essener aber links am Tor vorbei.

Nach dieser bislang größten Chance des Spiels verlor RWE noch mehr den Spielfaden, die Fehlpässe häuften sich. Die Fans auf der Ostkurve spürten die Verunsicherung – und verstärkten hörbar den Support. Und der schien zu helfen: Mit ein wenig Unterstützung der gegnerischen Abwehr gelang nach einem Steilpass von Dirk Jasmund der Ball über den Umweg eines gegnerischen Abwehrbeins zu Cedric Vennemann – der mit seinem ersten Saisontor flach zum 1:0 einnetzte.

In der nun folgenden Phase bis zur Halbzeit verpasste es Rot-Weiss, gegen die nun Wirkung zeigende Westfalia das 2:0 nachzulegen. In der 34. Minute hätte Marco Dej einen Kopfball fast dem eigenen Keeper ins Netz gelegt, in der 37. setzte Brauer einen Freistoß nach Foul an Enzmann von der Strafraumgrenze nur in die Mauer, und in der 40. lief der an diesem Tag ohnehin glücklose Lukas Lenz nach kurzem Zuspiel von Enzmann zu früh ins Abseits….

Das Eckenverhältnis lautete zu diesem Zeitpunkt schon 5:0 für Essen, wobei die in der Regel von Vennemann zu nah an den Torwart gezogenen Bälle keinerlei Gefahr heraufbeschworen. Überhaupt machte RWE an diesem Abend zu wenig aus den vielen Standards (Eckenverhältnis am Ende 10:3).

Nicht ganz zufrieden mit der Leistung - Waldemar WrobelErst in der 41. Minute sprang die erste Ecke für Rhynern heraus – doch trotz einer kurzen Schlussoffensive der Gäste blieb es bis zum Pausentee beim 1:0.

Zunächst unverändert kamen beide Teams auf das trotz der tiefen Temperaturen recht gut bespielbare Rasenviereck zurück. „Wir legten dann unsere Scheu ein wenig ab und übernahmen vermehrt die Initiative“, stellte Lusch fest. Rhynern witterte jetzt die Chance, aus dem GMS etwas Zählbares mitzunehmen.

Die zweite Hälfte startete mit einer weiteren Ecke Vennemanns (46.), an der Torwart Wegner ohne Folgen vorbeisegelte. Danach erste gute Konterchance für Rhynern, nachdem Alex Thamm den Ball am gegnerischen Strafraum vertändelt hatte.

Artistisch dann die Abwehr von Dennis Lamczyk, der in der 58. Minute einen Lupfer von Buschening haarscharf aus dem Winkel kratzte. Der anschließende Kopfball von Schmidt stricht knapp über die Querlatte.
RWE ließ die Hammer nun immer mehr gewähren, stand oft nicht nah genug am Mann und bettelte fast schon um den Ausgleich. Ab etwa der 60. Minute nahm Rhynern das Heft fester in die Hand, eine Chance für Traufetter konterte RWE mit einer Möglichkeit für Lenz, nachdem sich Kuta auf links durchgesetzt hatte. Noch einmal eröffnete sich RWE eine gute Chance in der 66. Minute: Nachdem Lenz zu Boden gerissen worden war, führte Enzmann den Freistoß aus – doch wie schon zuvor bei Brauer fand auch dieser Schuss keine Lücke durch die Spielermauer.

Wrobel reagierte auf die Flaute und brachte zunächst Tokat als Ersatz für den emsigen Vennemann auf der 10er-Position und zehn Minuten später Joker Koep für Lenz. Beide brachten wie schon in Schermbeck sofort eine qualitative Verbesserung, doch die Hektik im Spiel der Essener blieb als dominierendes Element bestehen. Selbst der sonst so passsichere Timo Brauer leistete sich in der zweiten Halbzeit ungewöhnlich viele Stockfehler. Ebenso Kuta, dem nach seinem Querschläger aus der ersten Halbzeit weitere Schnitzer der gröberen Art unterliefen.

Lusch wechselte in der 76. Minute mit Florian Gehrmann einen zweiten Stürmer ein – und wurde für den Offensivgeist belohnt. Zum wiederholten Male kamen die Hammer in der 78. Minute ungehindert und blitzschnell in der Mitte durch. Mit ein, zwei simplen Pässen und trotz numerischer Überlegenheit der Rot-Weissen besorgte das kongeniale Duo Traufetter-Buschening in abgezockter Manier das gar nicht mal unverdiente 1:1. Es war der bereits sechste Saisontreffer des Mannes mit Rückennummer 14.

Mund abwischen - weiter geht's am MittwochKonnten die Essener darauf noch einmal antworten? Die Hoffnungen der Fans ruhten erneut auf Benedikt Koep. Und „Koepi“, schon gegen Wuppertal und Schermbeck Matchwinner, hatte in der 82. Minute erneut den Siegtreffer auf dem Fuß. Eine von Brauer hereingegebene Ecke landete nach einer Kopfballverlängerung auf dem rechten Fuß des Ex-Klevers, doch der Ball zischte knapp am linken Pfosten vorbei. Auch wenn er bislang immer nur in der Schlussphase der Spiele eingriff, drängt sich der 23jährige immer mehr für die Startelf auf. Seine Körpersprache, sein Zug zum Tor und seine Fähigkeit, den Ball abzuschirmen und weiterzuleiten erinnern manchmal schon an Sascha Mölders.

Am Ende wogte das Spiel noch einmal hin und her – in der 88. Minute köpfte Traufetter knapp über Lamczyks Gehäuse, in der 90. Minute verfehlte aus kurzer Distanz Brauer auf Vorarbeit von Wagner und Tokat ebenfalls per Kopf. Noch einmal Hektik ganz zum Schluss: Weil Traufetter scheinbar den Toten Mann mimt, wittert Lamczyk Spielverzögerung, schimpft wie ein Rohrspatz auf den am Boden liegenden Gegner ein und erhält vom Schiri Riesener, der im Großen und Ganzen souverän pfiff, noch Gelb.

In der PK sezierte Waldemar Wrobel das zweite Unentschieden seiner Jungs vor heimischem Publikum dann noch einmal ins Detail: „Wir sind mit dem Spiel nicht zufrieden, waren über die gesamten 90 Minuten nicht gut im spielerischen Bereich. Viele Angriffe haben wir nicht clever genug zu Ende gespielt. Die Mannschaft war mental auf den Gegner vorbereitet, wir haben es aber trotzdem nicht geschafft, ihn spielerisch zu knacken. Wir können mit dem Punkt leben, weil wir spielerisch auch nicht mehr verdient gehabt hätten“.

„Wohin unser Weg führt, dürfte sich erst deutlicher abzeichnen, wenn wir die Heimspiele gegen unsere direkten Konkurrenten Velbert und ETB Schwarz-Weiß bestritten haben“, schrieb Michael Welling, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender, im Vorwort zur Stadionzeitung Kurze Fuffzehn. Vorher gäbe es keinen Grund, das vor der Saison ausgegebene Ziel zu korrigieren. Soll heißen: „Ziel-Korridor“ Platz fünf.

In der Tat könnte das Spiel gegen Velbert am kommenden Mittwoch richtungsweisend sein. Trifft dann doch der stärkste Sturm der Liga mit seinen beiden Torjägern Janas und Nigbur auf eine der stärksten Defensivabteilungen. Doch nur eine deutliche Steigerung gegenüber den beiden letzten Spielen kann eine eventuell drohende erste Heimniederlage verhindern. Doch warum sollten jene Akteure, die einen Wuppertaler SV 4:1 demontierten, nicht erneut ein solches Kunststück vollbringen?

Thomas Imhof

Jawattdenn-Spielerbewertung

Dennis Lamczyk
Lamczyk
[3+]
Dirk Jasmund
Jasmund
[3-]
Vincent Wagner
Wagner
[3+]
Alexander Thamm
Thamm
[3]

Meik Kuta
Kuta
[3]

Timo Brauer
Brauer
[3+]
Jan Jensen
Jensen
[3]
Holger Lemke
Lemke
[2-]
Cedric Vennemann
Vennemann
[3]
Leon Enzmann
Enzmann
[4]
Lukas Lenz
Lenz
[3-]
Suat Tokat
Tokat
[o.B.] 
Benedikt Koep
Koep
[o.B.]
 Sebastian Pilch
Pilch
[o.B.]
   


Rot-Weiss Essen

Lamczyk - Jasmund, Thamm, Wagner, Kuta - Brauer, Jensen, Lemke, Vennemann (63. Tokat), Enzmann (87. Pilch) - Lenz (73. Koep)

Westfalia Rhynern

Wegner - Tahiri, Dej, Lipki (69. Leclaire), Schmidt - Buschening (89. Naßhan), Schiller, Bechtold, Traufetter - De Evangelista (77. Gehrmann), Kaleoglu

Tore 

1:0 Cedric Vennemann (31.), 1:1 Dennis Buschening (78.)


Zuschauer

6.380

Schiedsrichter

Michael Riesener

Gelbe Karte

Lamczyk, Enzmann - Schmidt, Schiller


Spieler des Spiels 21. Spieltag - Holger Lemke