Alles in Butter
„Ich sehe nur noch schwarz.“ rief Detlev Jaritz aus. Am Ende der
Jahreshauptversammlung meldete sich erbost ein Mitglied zu Wort: „Sie
haben mich um meinen Schlaf gebracht.“ - Alles wie immer bei Rot-Weiss
Essen? - Nein, das Schiff ist auf Kurs, die Versammlung war demnach
harmonisch wie selten. Detlev Jaritz hatte mit dem schummerigen Licht
beim Auszählen der Stimmen zu kämpfen und der Fan hatte die Ankündigung
auf der ersten Seite der Einladung missverstanden und kam eine Stunde zu
früh ins Cinemaxx. Angesichts der Erfolgsbilanz blieb nichts mehr übrig
als dankbar alles anzuerkennen, was gesagt wurde. Immer wieder wurde
die Bilanz aufgeführt: NRW-Liga-Meister, Aufsteiger in die Regionalliga,
Sieg im Niederrheinpokal und damit die Teilnahme am DFB-Pokal und das
Wichtigste: RWE ist ab 01. Juli schuldenfrei!
Nach den Formalitäten meldete sich Herr Wehler, der den
Insolvenzverwalter Kebekus einmal mehr vertrat, zu Wort und berichtete
erfreuliches vom Insolvenzverfahren, das nun bald beendet sein wird. Er
lobte die Zusammenarbeit und wünschte viel Erfolg. Allein die
ausbleibende Zinszahlung für die Schulden sollte RWE einen immensen
Vorteil bringen. Die Aufwendungen dafür beliefen sich in den vergangenen
Jahren auf eine satte Million pro Spielzeit. Er beendete seinen Vortrag
jedoch mit der Ermahnung, künftig auf die Finanzen sorgsamer zu achten,
damit dieser Vorteil nicht schnell wieder verspielt würde.
Darauf folgte der emotionalste Moment, als Meisterkapitän August
Gottschalk für seine 65-jährige Vereinszugehörigkeit geehrt wurde. Herr
Müggenburg hielt eine fantastische Laudatio auf den 89-jährigen, der
aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht selbst erscheinen konnte. Es
gab minutenlangen Beifall und Standing Ovations. Nachdem alle Jubilare
ausreichend gewürdigt wurden, setzte Dr. Michael Welling zu einem
fulminanten Bericht des Vorstands an. Im Stakkatorhytmus brachte er die
Zahlen von Rot-Weiss Essen vor und erklärte mit einer ungewohnten
Transparenz die Planzahlen der kommenden Saison sowie die Zahlen der
vergangenen beiden Spielzeiten.
Insgesamt, so wurde es deutlich, bewegt sich RWE auf einem niedrigen
Niveau. Der Etat aus der Saison 2009/2010 wurde mehr als halbiert, die
Mannschaftsgehälter betragen zusammengenommen nur noch ein Drittel von
dem, was in der letzten Viertligasaison gezahlt wurde. Dafür gibt es
erfreuliches bei den Werbepartnern zu vermelden. Noch dürfe Dr. Welling
die großen Partner nicht nennen, die sich nun engagieren, es werde aber
in den nächsten Tagen einiges zu vermelden geben. Die Sponsorenakquise
laufe sogar so gut, dass der DFB auf die übliche Bürgschaft bei der
Lizenzvergabe verzichtete.
Danach folgte Christian Hülsmann mit dem Bericht des Aufsichtsrates.
Gerade die einzurichtende Facebookseite weckte sein Interesse. „Man muss
ja einfach nur ein Ereignis dort hereinsetzen und schon kommen die
Menschen zu Tausenden. Das sollten wir zu den 17 Heimspielen so tun.“
Das kann Rot-Weiss also von Tessa lernen. Aus Sicht des Aufsichtsrates
gab es ansonsten ebenfalls wenig zu meckern und die Zusammenarbeit
zwischen Herrn Dr. Welling und dem Kontrollgremium wurde besonders
gelobt.
Bei der Entlastung der ehemaligen und aktuellen Vorstände und
Aufsichtsräte wurden deutliche Zeichen gesetzt. Dr. Welling wurde
einstimmig entlastet, der aktuelle Aufsichtsrat mit wenigen
Enthaltungen, die zu 80% von beteiligten Mitgliedern ausgesprochen
wurden. Der ehemalige Vorstand wurde ebenfalls recht deutlich entlastet,
der damalige Aufsichtsrat musste 42 Enthaltungen und 13 Gegenstimmen
hinnehmen. Da der Insolvenzverwalter betonte, dass keinerlei
Regressansprüche gegen die damaligen Verantwortlichen bestünden, ist
dies eher als symbolische Aussage zu werten.
Damit war die Versammlung auch beinahe vorbei. Der sympathische Auftritt
von Herrn Schmalhausen wurde mit großem Applaus bedacht: „Lieber mit
RWE in der 5. oder sogar 7. Liga als Fan von Schalke 04 in der
Bundesliga,“ ließ das neue Mitglied des Ehrenrates, das den Platz des
verstorbenen Paul Nikelski einnimmt, wissen. Seine nicht offizielle
Aufnahme in das Gremium durch die Mitglieder fiel dementsprechend
herzlich aus. Die Vereine im Umkreis wurden ohnehin nicht geschont. So
bestand Dr. Welling darauf, dass die Planungen durchaus konservativ
gerechnet sind, aber dennoch eine gewisse Erwartungshaltung bei den
Ticketverkäufen vorherrsche: „Wir wollen schon das Doppelte an
Dauerkarten wie Rot-Weiß Oberhausen verkaufen.“
Bei der abschließenden Fragerunde war vor allen Dingen die Frage nach
dem Verbleib der Kölmel-Verpflichtungen interessant. RWE beruft sich
hier auf einen Passus des alten Vertrages, der den Verein von allen
Verpflichtungen gegenüber Dr. Kölmel entbindet, sollte Rot-Weiss Essen insolvent
gehen. Damit gehen RWE und der Insolvenzverwalter davon aus, dass die
Verpflichtungen gegenstandslos sind. Herr Dr. Kölmel sieht das
naturgemäß anders, stellte Dr. Welling klar und man kann davon ausgehen,
dass dies juristisch geklärt wird.
Mit einem freundlichen Schlusswort entließ Dr. Welling die Mitglieder
nach beinahe vier Stunden aus dem Cinemaxx in Essen. Wir wollen uns
anschließen: „Nur der RWE!“
Fotos von der JHV
Die Zahlen:
Zum 01.07.2011 hat der Verein ein positives Eigenkapital von 77.000 Euro
Der Gesamtetat für die Saison 2011/12 beträgt 3,1 Millionen Euro, davon fallen 741.000 Euro auf den Etat für die 1. Mannschaft. In der Vorsaison waren es 571.000 Euro.
Die Personalkosten für den Spielbetrieb werden um 20% erhöht, davon fallen 11% an die Spieler. Die Grundgehälter steigen um 39%, da nicht mit so hohen Prämienzahlungen wie in der Vorsaison gerechnet werden kann.
Kalkulierter Zuschauerschnitt: 5.000 Zuschauer