21.11.2010
Alemannia Aachen II - Rot-Weiss Essen
Die Kaiserstadt klassisch ausgekontert
2 Auswärtssiege, 6 Punkte, 5:1 Tore – So lautet eine weitere erfolgreiche Bilanz der rot-weissen Mannschaft nach den schweren Hürden in Herne und Aachen. Es darf weiter vom Aufstieg geträumt werden, weil nun auch die Mechanismen greifen, die man nur bei einer Topmannschaft findet: Ein ungeheures Selbstbewusstsein und auch eine Portion Glück. Auch die anderen Mannschaften spielen für Rot-Weiss Essen: Velbert kann nur einen Punkt gegen Siegen erzielen, so dass der Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz auf sieben Punkte angewachsen ist. Wie frohlockt da das rot-weisse Herz!Die Fahrt nach Aachen begann mit einer zweistündigen Zugfahrt in die Kaiserstadt, da Teile der Redaktion auch die vorweihnachtliche Tradition des Marktes in der Altstadt beiwohnen wollte. Doch der sehenswerte Kern mit dem berühmten Aachener Dom wurde bald wieder Richtung Stadion verlassen. Für einen klassischen Glühwein war das Wetter einfach zu warm. Auf den Weg zum Tivoli fiel gleich eine doch ordentliche Menge von aktiven Aachener Fans auf, die sich vor dem alten Stadion versammelten. Auch die neue Arena wusste zu gefallen. Sie wirkte im Gegensatz zu den modernen Stadien z. B. in Düsseldorf nicht zu überdimensioniert und auf den Verein zugeschnitten. Der Gästezugang hatte dennoch den Charme eines Wegs in die Justizvollzugsanstalt, zudem wurde der positive Eindruck durch hohe Getränke- und Essenspreise etwas getrübt. Im Stadion selbst bekam der Essener Fan doch etwas feuchte Augen. Ein schmuckes Kästchen mit 30.000 Plätzen, einer kompletten Stehplatztribüne hinter dem Tor und einer tollen Akustik wüsste auch in Essen zu gefallen. Doch hier spielt die erste Mannschaft auch in der Zweiten Bundesliga, weshalb die Baumaßnahmen auch leichter durchzusetzen waren als in der Ruhrstadt Essen.
Im Vordergrund sollte aber das heiß ersehnte Spiel stehen. Allerdings gab es vorher noch eine Schweigeminute, was die aktiven Aachener Fans entweder völlig vergessen oder nicht mitbekommen hatten. Der stimmungsvolle Auftritt ging deshalb völlig in die Hose, dennoch waren auch die Essener Fans froh, trotz eines Austausches von Beleidigungen und Pöbeleien wieder auf eine aktivere Fangruppe zu treffen. Beeindruckt von dieser Atmosphäre schienen die Essener Spieler doch erhebliche Probleme zu haben, in dieses Spitzenspiel der NRW-Liga eine klare Linie zu finden. Ungewöhnlich defensiv begann das Team von Waldemar Wrobel. Holger Lemke spielte den offensiven Part, während Lenz auf den rechten Flügel auswich. Fast hätte sich diese neue Spielweise schon früh gerächt. Schon in der zweiten Minute gibt der Aachener Sabacinski eine Flanke in den Essener Strafraum hinein, die von Keeper Lamczyk und Meik Kuta in höchster Not geklärt wird. Es ging weiter unaufhaltsam Richtung Essener Tor. In der 17. Minute muss Alexander Thamm eingreifen, um eine gefährliche Hereingabe von Ojamaa zu entschärfen. Nur wenig später kratzt der starke Lamczyk einen Kopfball der Aachener von der Linie. Das Spiel beruhigte sich etwas, aber Offensivbemühungen der Essener fanden kaum statt. Die Aachener blieben das gefährlichere und technisch bessere Team.
Da war es den Essener Fans nur recht, dass in der 34. Minute Lukas Lenz nach einem langen Pass zur Entlastung geschickt wird. Lenz kann den Ball aber nicht erreichen, Aachens Keeper Jorzig kann artistisch mit dem Kopf klären. Doch seine Abwehr landet bei Enzmann, der kurz entschlossen den Ball aus etwa 35 Metern einfach drauf haut. Sein Schuss findet aber den Kopf von dem Aachener Spieler Malget, der den Ball in einer Bogenlampe unglücklich in das Tor abfälscht: 1:0 für den RWE! Der Jubel im Essener Lager kannte keine Grenzen, das Tor konnte zu keinem besseren Zeitpunkt fallen. In früheren Spielzeiten wäre dieser Ball vermutlich neben das Tor gelandet oder an die Latte geknallt, doch dieses Jahr ist alles anders. Kurz vor dem Halbzeitpfiff hatte sogar Brauer nach einem verlängerten Freistoss von Avci die Möglichkeit, die Führung auszubauen, doch der Schiedsrichter entschied auf Abseits. Das wäre auch des Guten zu viel gewesen.
Unterstützt von den lautstarken Essener Fans und einem alten Mittel der Anfeuerung, der „Hupe“, nahm die rot-weisse Mannschaft das Heft immer mehr in die Hand. Kapitän Brauer erhielt durch einen guten Distanzschuss die Möglichkeit, das 2:0 zu erzielen, aber der Ball strich knapp am Aachener Gehäuse vorbei. Nach einer Stunde nutzte Avci einen Totalausfall in der Aachener Abwehr und lief ungestört auf das Gehäuse von Jorzig zu. Eiskalt verwandelte Avci aus dem Lauf heraus in die linke untere Ecke: 2:0 für Essen. Es begann eine Party auf der Gästetribüne, Aachen wirkte einfach zu geschockt um noch einmal einen Schlag zu landen. Die Zuschauer forderten immer mehr den Einsatz der „Hupe“, und auch der alte Gassenhauer „Auswärtssiege sind schön!“ wurde angestimmt. Im Bereich der Heimtribüne wurde es immer ruhiger. Für einen kurzen Aufreger sorgte nur die gelbe Karte für Kuta nach einem vermeintlichen taktischen Foul, doch da muss man für jedes Foul eine Verwarnung zeigen.
Der dritte Auswärtssieg in Folge schien in greifbarer Nähe zu sein, als die Essener Hintermannschaft sich einen Aussetzer erlaubte. Wagner trifft den Aachener Stürmer Engelbrecht im Sechzehnmeterraum, Schiedsrichter Steuer zeigte ohne zu Zögern auf den Punkt. Auch aus großer Entfernung sah die Entscheidung völlig korrekt aus. Engelbrecht trat selber an und verwandelte den Strafstoß in der 73. Minute sehr sicher zum Anschlusstreffer. Doch wer glaubte, die Mannschaft aus Essen würde durch den Aachener Treffer verunsichert werden, wurde getäuscht. Auch wenn man sich wiederholt, aber diese Saison ist alles anders. Die Jungs werfen sich in jeden Schuss hinein und geben Gas bis zum Ende. Direkt beim Anpfiff nach dem Treffer wurde die Fahrt in Richtung Aachener Tor wieder aufgenommen, in der Hintermannschaft wurde die Ordnung wieder aufgenommen.
Das starke Konterspiel der Essener ist dieses Jahr der große Trumpf. Nur drei Minuten später setzen sich zunächst der eingewechselte Vennemann und Lukas Lenz auf der linken Seite durch. Der Pass von Lenz landet bei Suat Tokat, der aber erst an der Abwehr der Aachener scheitert. Allerdings landet der Ball wieder bei Tokat, der mit viel Ruhe das Spielgerät in den rechten oberen Winkel sensationell zum 3:1 für die Gäste schlenzt. Damit war das Spiel entschieden und die Kaiserstadt gestürmt. Nur einmal noch konnte Engelbrecht nach einer tollen Einzelaktion für Aachen eine Chance erspielen, doch der prächtig haltendende Lamczyk konnte auch diese Möglichkeit verhindern. Das Spiel war zu Ende, jetzt konnte mit der Mannschaft gefeiert werden. Zuvor hatte das Stadion nach einem lautstarken „Schreck vom Niederrhein“ in den Grundfesten erschüttert werden. Die Mannschaft wünschte sich nach der Humba noch einmal ein „Auswärtssiege sind schön“ und wurde für eine engagierte Leistung auch belohnt. Als Waldemar Wrobel in der Kurve nach einer aufregenden Woche gefeiert wurde, konnte auch die Heimfahrt nach Essen angetreten werden.
Die Mannschaft ist und bleibt ein Phänomen für sich. Trotz eines starken Auftritts des Gastgebers gelang es mit einem enormen Einsatz und Siegeswillen, der nötigen Ruhe und ein wenig Glück das Spiel für sich zu entscheiden. Eines muss man in diesem Spiel besonders hervorheben: Es wurden fast alle erarbeiteten Chancen genutzt. Dies war ein großes Manko in den letzten Partien, doch diese Schwachstelle konnte behoben werden. So wurde ein enges Spiel gegen einen starken Gegner am Ende zu einer klaren Angelegenheit. Trainer Wrobel muss jetzt dafür sorgen, dass seine Jungs auf dem Teppich bleiben. Es warten bis Weihnachten schwere Aufgaben, und die Verteidigung der Tabellenspitze wird an jedem Spieltag neu entschieden. Doch wenn es weiter so viel Spaß macht, gehen die Fans den Weg der Mannschaft gerne mit.
Jawattdenn-Spielerbewertung
Lamczyk [2] |
Jasmund [3] |
Wagner [2-] |
Thamm [3+] |
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Brauer [3+] |
Tokat [2] |
Lemke [3+] |
Avci [2] |
Enzmann [3+] |
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Lenz [3+] |
Vennemann [o.B.] |
Dutschke [o.B.] |
Stöhr [o.B.] |
Alemannia Aachen II
Jorzig - Weilbier (86. Mostowfi), Malget, Frau, Korte - Temeltas (70. Demir) - Schnier, Lekesiz, Sabacinski - Engelbrecht, Ojamaa Rot-Weiss Essen
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