01.11.2009
Sportfreunde Lotte - Rot-Weiss Essen
Ex-Essener bleiben an der Tabellenspitze
Was mussten wir vor etwa 15 Monaten schmunzeln! Zum Saisonauftakt in der neuen Regionalliga West reiste unser großer RWE zu den Sportfreunden aus Lotte. Eine Mannschaft aus einer Gemeinde mit 13.000 Einwohnern, bestehend aus Halbprofis, die noch nie höher als Oberliga gespielt hatten. Entsprechend überheblich fuhren die Essener Fans damals zum Autobahnkreuz. Sie sahen sich bestätigt, als im Spiel ein Klassenunterschied deutlich wurde und Lotte mit 1:4 am ersten Spieltag der Saison 2008/2009 verlor. Für viele stand damals fest, hier fahren wir nie wieder hin. Die Sportfreunde würden mit ihrer unterlegenen Mannschaft sang- und klanglos untergehen und der Aufstieg der traditionsreichen Rot-Weissen war auch fest eingeplant.Es kam aber ganz anders: Nach einem schwachen Start stabilisierte sich Lotte unter der Leitung des neuen Trainers Maik Walpurgis und setzte in der Rückrunde mit den eigenen Tugenden etliche Ausrufezeichen. Sogar die Zweite Mannschaft von Borussia Dortmund reiste ohne Punkte wieder nach Hause. Der Saisonverlauf der Essener dürfte jedem Rot-Weissen noch schmerzlich in Erinnerung sein. In der Rückrunde brach die Mannschaft komplett ein, und am Ende stand mit 49 Punkten nur ein siebter Platz zu Buche. Ebenfalls auf 49 Zähler kam eine Mannschaft, der niemand so ein hervorragendes Ergebnis zugetraut hatte, genau: Lotte!
In dieser Saison legte Lotte mit drei Ex-Essenern einen Bombenstart hin und belegte nach zwölf ungeschlagenen Spielen den ersten Tabellenrang, Essen dagegen versagte anfangs völlig und konnte sich erst nach dem Rausschmiss von Thomas Strunz einigermaßen stabilisieren. Längst wurde Lotte nicht mehr belächelt, sondern die Leistungen der Blau-Weißen wurden neidlos anerkannt. Die Sportfreunde hatten sich zu einem Aufstiegsfavoriten gemausert. Umgedrehte Vorzeichen also im Gegensatz zum letzten Aufeinandertreffen der beiden Teams in der PGW-Arena. Dennoch hofften die etwa 1.600 mitgereisten Schlachtenbummler aus dem Ruhrgebiet auf einen Sieg ihrer Mannschaft.
Und es ging furios los. Das Essener Team, in das der genesene André Maczkowiak sowie Sebastian Stachnik für Robin Himmelmann und Dirk Heinzmann zurückkehrten, setzte in der Offensive erste Ausrufezeichen. Es war noch keine Zeigerumdrehung gespielt, als ein langer Ball von Sergej Neubauer Sturmführer Sascha Mölders fand, dessen Ablage brachte Stachnik auf das Tor, SFL-Keeper André Poggenborg konnte nur abklatschen lassen. Kurze Zeit später bediente Markus Neumayr nach einem Fehler in der Lotter Hintermannschaft wieder Sascha Mölders, dessen Schuss klatsche jedoch nur an die Latte, Poggenborg wäre ohne jede Chance gewesen.
„Das sieht ja gut aus“ dachten sich die Essener auf den Rängen, und es schien, als sei der Führungstreffer der Gäste nur noch eine Frage der Zeit. Die beste Abwehr der Liga (nur fünf Gegentore) wackelte bedenklich. Nach acht Minuten kam jedoch auch Lotte erstmals gefährlich vor das Essener Tor. Sidney Santos, der 2004/2005 in der Zweiten Liga für Essen tätig war, holte kurz vor dem Strafraum einen Freistoß heraus. Wingerter schoss diesen zwar direkt in die Mauer, doch der Ex-Essener und SFL-Kapitän David Czyszczon köpfte nach links zum nächsten Ex-Essener Silvio Pagano, der an der Außenlinie zwei Gegenspieler stehen ließ und auch von Bartosz Broniszewski nicht angegriffen wurde. Seine Ablage in den Rücken der Abwehr fand Florian Dondorf, der den Ball freistehend durch die Beine von Maczkowiak zur Führung in die Maschen schob. Es war wohl die bekannte Ironie des Schicksals, dass alle drei ehemaligen Rot-Weissen an dem Führungstreffer beteiligt waren.
In der Folgezeit stand Lotte tief und sicher in der eigenen Hälfte und ließ die Essener Offensive kaum zur Entfaltung kommen. Ein Schuss von Markus Neumayr, der knapp am langen Pfosten vorbei strich, war für längere Zeit das einzige Lebenszeichen der in rot und weiß gekleideten Mannschaft, die zwar deutlich mehr Spielanteile hatte, aber kein Mittel gegen das Abwehrbollwerk der Blauen fand. Nach 35. Minuten folgte der nächste Schock. Ein einfacher Doppelpass von Tore Gersch und Marcus Fischer hebelte die gesamte Essener Hintermannschaft aus und Benjamin Wingerter bedankte sich mit dem 2:0. RWE taumelte nun wie ein angeschlagener Boxer. Markus Neumayr durfte schon nach 40 Minuten duschen. Das Trainergespann reagierte auf die vielen Schwächen der rechten Seite und brachte Patrick Schnier. Lediglich Mike Wunderlichs Pfostenschuss war noch ein Highlight in der ersten Halbzeit.
Nach dem Seitenwechsel ging es weiter wie vor dem Pausenpfiff. Nach einer harmlosen Flanke klärte der rechte Verteidiger der Essener mit de Rückennummer Vier unnötigerweise zur Ecke. Diese konnte „Matze“ nur vor die Füße von Sidney klären. Marcus Fischer bedankte sich und drückte die Hereingabe des Brasilianers über die Linie. Von nun an ging es nur noch um Schadensbegrenzung. Das Essener Trainergespann wechselte und brachte mit Turgul Aydin für den ganz schwachen Broniszewski und kurz danach Dirk Heinzmann für den ebenfalls blassen Stachnik. Nach 62. Minuten flankte Sidney auf Pagano, sein Schuss verfehlte das Essener Gehäuse nur knapp.
In der Folgezeit plätscherte das Spiel vor sich hin. Lotte brauchte nicht mehr machen, Essen kam trotz vieler Spielanteile nur noch selten zu klaren Torchancen. Turgul Aydin, der hinten rechts eine deutlich bessere Figur machte als vorher Broniszewski, knallte den Ball aus 22 Metern an die Latte. Die nachfolgende Flanke von Dennis Bührer köpfte Sascha Mölders an den Pfosten, den Abpraller setzte Dirk Heinzmann aus wenigen Metern über das freie Tor. Welch ein Déjà-vu, vor einer Woche hatte Heinzmann das gleiche Kunststück schon einmal vollbracht. Silvio Pagano und Sidney wurden in den letzten Minuten auswechselt und durften sich den verdienten Applaus für ihre tolle Leistung abholen. Vorher hatte Sidney den Unmut der Gästefans auf sich gezogen, als er nach einem harmlosen Zweikampf mit Mölders minutenlang den sterbenden Schwan spielte. Das ganze Spiel über begleiteten ihn Pfiffe und Beschimpfungen.
Dann war Schluss. Es war unter dem Strich ein verdienter Sieg der Sportfreunde aus Lotte. Wer seine wenigen Chancen so effizient und konsequent nutzt, steht zu Recht an der Tabellenspitze. Bei vier Aluminiumtreffern der Essener war auch etwas Glück im Spiel. Taktisch war es eine Meisterleistung, spielerisch gibt es in der Liga vielleicht noch einige überlegene Mannschaften. Die Mehrzahl an Chancen hatten die Gäste, und Lotte hätte sich über einen frühen Rückstand nicht beschweren dürfen. So aber freuten sich die Sportfreunde über drei Punkte und grüßen weiter ganz oben von der Tabellenspitze. RWE dagegen liegt nur noch einen Punkt vor einem Abstiegsplatz und darf in der nächsten Zeit noch nicht einmal an den Aufstieg denken. 13 Punkte Rückstand auf den alten und neuen Tabellenführer sind zumindest in der nächsten Zeit erst einmal nicht aufzuholen. Vor allem die rechte Seite zeigte große Schwächen. Eine Option hier ist der derzeitige Testspieler Giovanni Cannata, der in der kommenden Woche verpflichtet werden soll. Ob es mit ihm wieder besser läuft, steht in den Sternen. Fakt ist lediglich, dass es an der Hafenstraße große Turbulenzen geben wird, wenn es am Freitagabend gegen Borussia Mönchengladbach II nicht zu drei Punkten reicht.
Jawattdenn-Spielerbewertung
Maczkowiak [4] |
Broniszewski [6] |
Zinke [4-] |
Herzig [4-] |
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Neubauer [4] |
Wunderlich [4+] |
Neumayr [5+] |
Lemke [5-] |
Mölders [4] |
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Stachnik [5-] |
Schnier [4-] |
Aydin [4+] |
Heinzmann [5-] |
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Sportfreunde Lotte
Poggenborg - Kunert, Willers, Czyszczon, Sidney (85. Lodter) - Wingerter, Gersch, Pagano (71. Arend) - Kügler (79. Thamm), Dondorf - M. Fischer Rot-Weiss Essen
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