13.08.2008

Sportfreunde Lotte - Rot-Weiss Essen


Gastbericht zum Spiel bei den Sportfreunden von RWE-Anhänger Eric aus Lotte


Stell dir vor, du setzt dich Freitag Nachmittag nach dem Rasenmähen aufs Rad, fährst über den Schulhof deiner Grundschule zu dem Stadion, in dem du schon bei Bundesjugendspielen über die Bahn gelaufen bist, und siehst den RWE in einem Pflichtspiel bei deinem Heimatverein. Ein Ereignis, dass sich wohl jeder Fan einmal wünscht - im DFB-Pokal, aber nicht in der Regionalliga!

Lotter AufstiegsfeierAm 1. Juni diesen Jahres machten die Sportfreunde Lotte mit einem 4:1 Auswärtserfolg im letzten Saisonspiel beim FC Gütersloh 2000 den Aufstieg in die vierthöchste Spielklasse perfekt. Tags zuvor besiegelte ein unrühmliches 0:1 gegen den VfB Lübeck das sportliche Schicksal der Rot-Weissen. Seitdem bedient sich der gemeine Lotteraner Fußballfan des Ausspruchs "wir spielen jetzt gegen Rot-Weiss Essen", wenn er dem unwissenden Erfolgsfan auf Schützenfesten und Public-Viewing Veranstaltungen deutlich machen will, in welche Dimensionen die Sportfreunde vorgestoßen sind.

Zum Üben holte man sich in der Vorbereitung schon mal einen großen Namen in die PGW-Arena am Lotter Kreuz: Im ersten Freundschaftsspiel erreichte der neue Kader ein respektables 1:3 gegen den die Glasgow Rangers, nachdem das Team aus dem Tecklenburger Land sogar mit einer 1:0 Halbzeitführung gegen den UEFA-Cupfinalisten in die Kabine gegangen war. Darauf folgte aber eine desaströse 0:7 Heimniederlage im Testspiel gegen Rot-Weiss Oberhausen und ein 1:2 am Essener Uhlenkrug. Den Test gegen den Bezirksoberligisten Blau-Weiss Hollage gewannen die Lotter nach einem Trainingslager "auf dem Zahnfleisch" mit 3:0, bei einem Blitzturnier in Rheine schieden die Sportfreunde gegen Verbands- und NRW-Ligisten in der Vorrunde aus. Erst am Ende der Vorbereitung kam die Elf vom Lotter Kreuz allerdings gegen weniger aussagekräftige Gegner wieder zu Erfolgen.

Lotter Aufstiegsfeier mit HumbaFolglich stellen sich die Sportfreunde für ihre Fans wie Forrest Gumps berühmte Pralinenschachtel dar:"man weiß nie was man bekommt". Kein Wunder: Gleich elf neue Spieler musste SFL-Trainer und Oberliga-Urgestein Manfred Wölpper in das Mannschaftsgefüge integrieren. Die bekanntesten Namen dürften der Exdortmunder Francis Bugri (kam aus Erkenschwick) und der derzeit verletzte Andy Steinmann (von Schalke II) stellen. Von den althergebrachten Stammkräften könnten Kapitän Sebastian Lodter (früher Münster, Wilhelmshaven, Osnabrück), Torwart Poggenborg (kam 2007 aus Münster) und Lars Schiersand (Kiel, Osnabrück) dem Essener Anhang ein Begriff sein. Ganz schlechte Erinnerungen dürften RWE-Fans an Lottes Stürmer Thomas Piorunek haben, der schoß am letzten Spieltag der Saison 2001/2002 mit einem Treffer in der Nachspielzeit Eintracht Braunschweig in die zweite Liga und RWE vom zweiten Tabellenplatz der Regionalliga Nord.

Besondere Aufmerksamkeit verdient im Lotter Sturm Phillipp Böwing-Schmalenbrock, kurz "Bösch" genannt: Der 26-Jährige holte im vergangenen Jahr im Team des Absteigers Emsdetten 05 die Torjägerkanone der Oberliga Westfalen und schlug mehrere Angebote von Zweit- und Drittligaklubs aus, weil er das Jura-Studium und eine spätere Selbstständigkeit in der elterlichen Anwaltskanzlei dem Wagnis Profifußball vorzog. Die Sportfreunde Lotte boten "Bösch" schließlich die besten Bedingungen, Studium und Sport unter einen Hut zu bringen, was der Torjäger mit 23 Toren in der zurückliegenden Aufstiegssaison dankte.

PGW-Arena LotteÜberhaupt finden die Spieler in Lotte Strukturen vor, die für einen Verein aus einer 12500 Seelen-Gemeinde nahezu einzigartig sein dürften. Die im letzten Jahr von "Stadion am Lotter Kreuz" in "PGW-Arena" umgetaufte Heimstätte darf mit Fug und Recht als Schmuckkästchen bezeichnet werden. 5500 Zuschauer fasst die ehemalige Leichtathletikkampfbahn in ihrer jetzigen Ausbaustufe. Im Premierenspiel der neuen Regionalliga wollen die Sportfreunde nun erstmals das lang ersehnte "Ausverkauft"-Schild an den Kassenhäuschen sehen. Die bisherige Bestmarke stammt aus dem letztjährigen Spiel gegen Preussen Münster, als bei einem damaligen Fassungsvermögen von 4200 Plätzen 3640 Zuschauer kamen, zu den diesjährigen Freundschaftsspielen gegen den VfL Osnabrück und Glasgow Rangers fanden jeweils nur enttäuschende 2500 Fußballfreunde den Weg ans Lotter Kreuz.

Unter Sportjournalisten traut man den Sportfreunden den Ligaverbleib durchaus zu. Der einhellige Tenor lautet: Lotte kämpft als Underdog unter Halbprofibedingungen von Anfang an gegen den Abstieg, aufgrund solider Spielersubstanz und profunder Erfahrung im Kader ist der Klassenerhalt jedoch realistisch.


Eric


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