28.05.2009

Rot-Weiss Essen - VfB Speldorf


Aus der (Pokal-) Traum! 2:3 gegen Speldorf!

Wie haue ich in 90 Minuten 113.000 Euro Antrittsprämie plus satte Zuschauereinnahmen in die Tonne? Ich verliere mal eben lust- und ideenlos ein Finale gegen einen zwei Klassen tiefer spielenden Gegner, der sich nun auf einen hochkarätigen Verein in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals freuen darf. Wir haben den absoluten Tiefpunkt in dieser Saison erreicht.

Die meisten der mehr als 6.000 Zuschauer rieben sich wohl verwundert die Augen, als sie die für ein solches Spiel doch recht zahlreichen Zuschauer auf der Anreise zum Stadion sahen. Die Essener Polizei fühlte sich offenbar an große Zweitligazeiten erinnert und sperrte gleich mal die Hafenstraße.

Heute hätte die Truppe nochmal die Chance gehabt, die wohl historisch schlechteste RWE-Saison wenigstens mit dem Einzug in die DFB-Pokal-Hauptrunde noch halbwegs zu retten und nicht als schlechtester RWE-Kader in die Vereinsgeschichte eingehen zu müssen. Was die anwesenden Zuschauer heute erwarten würde, bekam man nach nicht einmal einer Minute bereits eindrucksvoll vorgeführt. Offensichtlich hielt sich die Truppe von Thomas Strunz auch im Pokal konsequent weiter ans scheinbar selbst ausgegebene Saisonziel, bei Auswärtsspielen in dieser Saison einfach immer zu versagen (das Finale, welches eigentlich auf neutralem Platz ausgetragen wird, wurde Speldorf als Mannschaft mit Heimrecht geführt). So stand es bereits früh 0:1. Die mitgereisten 500 Speldorfer jubelten, die anwesenden RWE-Fans schüttelten ob der mittlerweile Woche für Woche unfassbaren Abwehrschwächen nur die Köpfe.

Dennoch brodelte die Stimmung zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auf Bitten der Vereinsführung, allen voran Thomas Strunz, wurde heute der Stimmungsboykott unterbrochen und die Mannschaft von den Fans nochmal lautstark angefeuert. Obwohl bereits zu Anfang kaum ein Wille zu erkennen war, hier heute den für Verein und Umfeld so wichtigen Schritt schaffen zu wollen, keimte beim Anhang nach dem zwischenzeitlichen 1:1 durch Mike Wunderlich nochmal Hoffnung auf.

Mit einem direkten Freistoß in die Torwartecke zeigte sich dann doch deutlich, dass der VfB Speldorf derzeit in der 6. Spielklasse beheimatet ist und man so einen Gegner, wenn man ihn denn etwas unter Druck setzt, eigentlich locker schlagen müsste. Zehn Minuten später erzielten die Speldorfer erneut die Führung. Wer zum 0:1 noch nicht auf den Plätzen war, bekam hier nochmal eine quasi 1:1 Kopie des ersten Treffers nachgeliefert. Wieder glänzte die RWE-Abwehr durch unglaubliche Fehler.

Doch noch immer wurde auf den Rängen kaum gepfiffen, lediglich zur Halbzeit dürfte die Mannschaft das erste mal vernommen haben, dass die Fans alles andere als zufrieden mit der Leistung der Truppe waren. Auch nach dem Pausentee änderte sich kaum etwas.

Für die Daheimgebliebenen ist das Spiel eigentlich recht einfach erklärt: RWE spielt unbedrängt bis in die Speldorfer Hälfte, etwa 3-5 Meter vor dem 16-Meter-Raum stoppt der Vormarsch. Ein Spiel über die Flügel fand  nicht statt. Dafür wird der Ball nun vor der Speldorfer Abwehr diverse Male hin und her gespielt, dabei wechselt man so oft selbst die Positionen, bis man es irgendwann geschafft hat, einen der Speldorfer anzuspielen. Der VfB schaltet schnell nach vorne, die zwei bis vier RWE-Abwehrspieler rennen sich teils gegenseitig über den Haufen, teils trabt man eher neben dem 6.-Ligisten her. So kommt unweigerlich was kommen muss. Wieder wird nach unzähligem Hin- und Herspielen ein Speldorfer bedient, der sprintet mit weitem Ball nach vorne. Robin Himmelmann kommt raus, eine Dennis Bührer steht im Weg. Doch anstatt dem Ball haut der erst 19-jährige Torhüter den eigenen Abwehrspieler weg. Speldorfs Stürmer Güney kann sein Glück kaum fassen und schiebt zum verdienten 1:3 ein.

Das Stadion brodelt. Von allen Tribünen kommen Gesänge wie „wir ham´die Schnauze voll" oder „Wir sind Essener und ihr nicht". Die Mannschaft jedoch will und kann scheinbar einfach nicht mehr. Weiterhin läuft das Spiel bis kurz vor den Strafraum der Gäste, wieder wird in der Mitte quer gespielt, gern versucht man sich auch mal am Hackentrick. Außenbahnen oder Flanken existieren weiterhin überhaupt nicht. Auch die Einwechslung der Lorenzbrüder bringt kaum Besserung, auch wenn die scheinbar, trotz der Wechselgerüchte, noch am engagiertesten wirken.

Die Essener schafften zwar noch den Anschlusstreffer, wirklich das Gefühl, dass diese Truppe das Spiel noch drehen kann, hat aber wohl niemand im Stadion. Bezeichnend dürfte sein, dass ein zwei Klassen tiefer spielender Verein noch nicht mal auf übermäßiges Zeitspiel angewiesen ist. Lediglich in den letzten Minuten gibt es zwei recht seltsame Unterbrechungen wegen Krämpfen, von einem wirklichen Zeitspiel kann aber keine Rede sein.

Nach 94 Minuten, Ordner und Polizei sind bereits aufmarschiert, pfeifft der Schiedsrichter ab. Nach einer konsequent verkorksten Liga-Saison nimmt die Truppe den Fans und dem Verein auch noch die letzte Hoffnung, in der nächsten Saison wenigstens ein Highlight und eine Sondereinnahme zu bekommen. Die meisten Spieler fliehen in die Kabine, es stellt sich keiner.

Im Stadion kocht die Wut der Fans über. Wütende Proteste, dann folgt der kollektive Sturm aus dem Stadion, wohin es geht, dürfte wohl binnen Sekunden auch der Polizei klar geworden sein. Erst auf dem Parkplatz hinter der Geschäftsstelle werden die aufgebrachten RWE-Fans von der Polizei gestoppt. Es fliegen Steine, Autos werden beschädigt. Die Polizei setzt Hunde und Pfefferspray gegen mehrere hundert Fans ein. Ein Sturm auf die Spielerkabinen scheitert, dennoch dauert es noch mehrere Stunden bis sich die Lage beruhigt. Spieler sind auch hier nicht zu sehen. Einzig Ex-RWE-Spieler Achim Weber beobachtet die Szenerie vom Parkplatz aus.

Was bleibt? Zum letzten Heimspiel wird es wohl einen historischen Minus-Rekord an Zuschauern im Stadion geben. Dem Verein entgehen Einnahmen, die in die Hunderttausende gehen. Thomas Strunz steht nun vor der gigantischen Aufgabe, dem restlos frustierten Anhang klar machen zu müssen, dass man wohl oder übel einen Großteil dieser lust- und ideenlosen Truppe auch in der nächsten Saison noch wird „bewundern" müssen. Sponsorengelder für den jährlichen Komplettneuanfang dürfte nun jedenfalls kaum noch zu bekommen sein.

Für mich persönlich war dies der Tiefpunkt in meiner gut 25-jährigen Historie als RWE-Fan. So eine schlechte Mannschaft, so ein unsäglicher Auftritt in so einem wichtigen Spiel, das habe ich noch nie gesehen! Und ich darf behaupten, in den letzten sechs bis sieben Jahren so gut wie jedes Spiel gesehen zu haben. Noch niemals hat mich eine Mannschaft so enttäuscht. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, mir noch einen dieser Spieler in der nächsten Saison nochmal anzuschauen und/oder auch nur zu applaudieren.

Da man ja gestern scheinbar um das leibliche Wohl besorgt war, vielleicht möchte ja der ein oder andere Spieler sich heute äußern, wir sind per Email für jeden Kommentar aus der Mannschaft zu erreichen.



Jawattdenn-Spielerbewertung

Robin Himmelmann
  Himmelmann
[5-]
Jozef Kotula
Kotula
[5-]
Dirk Caspers
Caspers
[5-]
Sebastian Zinke (Bild: Michael Gohl)
Zinke
[5]

Dennis Bührer
Bührer
[4-]

 Stefan Kühne
Kühne
[5-]
Mike Wunderlich
Wunderlich
[4] 
Markus Neumayr (Bild: Michael Gohl)
Neumayr
[5+]
Robert Mainka
Mainka
[5-]
Markus Kurth
Kurth
[5] 
 Sascha Mölders
Mölders
[5]
 Stefan Lorenz
  S. Lorenz
[4-]
Marcel Stiepermann
  Stiepermann
[o.B.]
Michael Lorenz
M. Lorenz
[o.B.]
   


Rot-Weiss Essen

Himmelmann - Kotula (46. S. Lorenz), Caspers (75. M. Lorenz), Zinke, Bührer - Kühne - Wunderlich, Neumayr (63. Stiepermann), Mainka - Mölders, Kurth

VfB Speldorf

Grothe - Synowiec, Corvers, Flöth, Stankiewicz (63. Rademacher) - Ramadani (57. Sakalakis), Hinz, Schmugge, Hupperts (78. Elidrissi), Scheelen - Güney

Tore

0:1 Flöth (1.), 1:1 Wunderlich (17.), 1:2 Güney (27.), 1:3 Güney (68.), 2:3 Stiepermann (76.)


Zuschauer

6.200

Schiedsrichter

Peters (Goch)

Gelbe Karten

Kotula, Mölders - Güney